Was ist neu

Domplatte im Winter

Mitglied
Beitritt
30.05.2002
Beiträge
47

Domplatte im Winter

Um viertel nach neun traf mein Zug in Köln ein. Ich verließ den Hauptbahnhof durch den Haupteingang, trat auf den Vorplatz des Bahnhofs hinaus.

Es war schockierend, zutiefst schockierend. Ein kalter Tag Anfang Februar. Mit voller Wucht blies mir der eisige Wind ins Gesicht.

Der junge Mann stand auf dem Absatz der breiten Treppe, die zur Domplatte hinaufführt. Stand da und hielt diese Zeitung hin, "QUERKOPF FEBRUAR 2004", "Arbeits-Obdachlosen-Selbsthilfe-Mitmachzeitung - Überregional-Kritisch".

Eigentlich war ich schon vorbeigegangen, doch dann besann ich mich anders, ging noch einmal zurück und bat ihn um ein Exemplar dieser Zeitung. Da fiel mir auf, wie sehr er zitterte und weinte, völlig hemmungslos, völlig verzweifelt, vielleicht wegen der Kälte, vielleicht vor lauter Angst.

Er weinte auch dann noch, als er mir die Zeitung aushändigte, als ich ihm viel mehr Geld gab, als diese Zeitung kostete, eine zusätzliche Spende.

Er war so verzweifelt. Vielleicht war ihm klar geworden, in was für eine Situation er da hineingerutscht war. In was für eine ausweglose Situation. Wo waren seine Eltern? Sie konnten ihm nicht helfen. Er war schon viel zu weit von ihnen entfernt, viel zu weit weg....

Diese brutale Kälte - es war so entsetzlich. Aber ich musste dringend weiter...

 

Hm, hat auf jeden Fall Tiefe.

Ist aber eigentlich keine Geschichte, eher eine Meinung. Okay, es passiert zwar was, aber andererseits passiert auch nix. Eigentlich sagst Du nur, das alles entsetzlich war - dazu braucht mein keinen Geschichtenerzähler.

Um eine Geschichte draus zu machen, müsste irgendetwas hinein, was über das hinaus geht, was wir alle uns täglich denken, wenn wir so einen armen Kerl sehen.

Kann der Obdachlose nicht ein alter Schulkamerad von Dir sein? Ist auch nicht revolutionär, die Idee, aber macht wenigstens eine Geschichte draus.

Gernot

P.S.: Schöne Sprache!

 

Lieber Gernot,

danke für das Lob im Hinblick auf die Sprache, danke auch für die Kritik an der Textgestaltung.

Ich gebe Dir 100%ig Recht: Eigentlich ist es eher eine Meinung als eine Geschichte, vielleicht allerhöchstens noch der Keim für eine Geschichte. Wie kurz darf eine Kurzgeschichte sein? Wie wenig Handlungselemente darf eine Handlung enthalten? Wann ist ein innerer Konflikt ein tragfähiger Konflikt?

Danke für die Anregung mit dem potenziellen Schulfreund. Wenn es auch keine revolutionäre Idee ist, so ist es doch zumindest eine ausbaufähige Idee. Lass mir bitte ein wenig Zeit für den "Umbau"!

Schöne Grüße vom Murmeltier

 

Hallo,
Im Prinzip schließe ich mich Gernot an, aber:
Du mußt nicht unbedingt etwas wie den erwähnten Schulkameraden einbauen, es würde zumindest mir schon reichen, wenn du etwas mehr über den Obdachlosen spekulieren würdest. Auch die Örtlichkeit könntest du noch mehr beschreiben, ich kenne sie zwar sehr genau, würde aber gerne mal eine andere Ansicht lesen.
Gruß
Arthuriel

 

Hallo Murmeltier,

natürlich kann eine Geschichte so kurz sein. Aber das Verhalten des Erzählers solltest Du mehr auf einen inneren Konflikt hin beschreiben - ist das Extra- Geld ein Versuch sich von Mitmenschlichkeit frei zu kaufen? Wie eilig muß (`darf) man es haben, um sich nicht der unterlassenen Hilfeleistung schuldig zu machen? Aber - kann man denn helfen? Wie oft?

Mein Schluß wäre:

Diese brutale Kälte - es war so entsetzlich. Aber ich musste dringend weiter, obwohl niemand auf mich wartete…

Tschüß… Woltochinon

 

Hallo Murmeltier,

die Frage ist nicht, wie kurz eine Geschichte sein darf. Sie darf so kurz sein wie der Autor will. Aber sie muss eine Beschreibung der Situation, einen Konflikt, einen Höhepunkt, an dem der Konflikt gelöst wird und einen Schluss enthalten. Bei deinem Text kann ich nur die Situationsbeschreibung erkennen, und die ist auch nur sehr kursorisch geraten, weil eigentlich gar nichts beschrieben sondern nur festgstellt wird.

Noch ein Wort zu dem Thema: Dass es Obdachlosen dreckig geht (zumal im Winter), wird jeder Leser bestätigen. Eine Geschichte, die von einem Obdachlosen handelt und von einem Helfer, der ihn wieder in die richtige Bahn bringt, wird deshalb leicht langweilig. Versuch doch mal dir eine Geschichte mit einem Prot. auszudenken, der dem moralischen Empfinden des Lesers zunächst wiederspricht. (Z. B.: Ein Mann geht über die Domplatte und regt sich über die Obdachlosen auf, vielleicht wird er sogar überfallen, ein Obdachloser hilft ihm, aber anstatt ihm zu danken, hat er Angst, eines Tages wird er dann selber obdachlos...) Wenn man das richtig anfängt, könnte das eine schöne Geschichte werden.

Beste Grüße
knagorny

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom