- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 19
Fridolins Pausenbrot
"Drücken Sie den mit öffnen beschrifteten Knopf, um die Wartungsluke zu öffnen."
"Okay."
"Und?"
"Was und?"
"Drück den Knopf."
"Ach so, natürlich."
"Ich glaube, du hast das Prinzip nicht verstanden. Indem du nur sagst, dass du etwas tust, gleichzeitig aber das eben Erwähnte, von dem du also sagtest, du würdest es tun, nicht tust, tut sich nämlich überhaupt nichts."
"Was?"
"Drück den Knopf."
"Welchen?"
"Den, auf dem öffnen steht."
"Kacke, Mann, ich bin Mechaniker, kein Professor."
"Ach ja, hab ich vergessen. Tut mir Leid. Der Grüne", sagte Tf'grHt und sah wieder in die Bedienungsanleitung. "Entfernen Sie die Wartungsluke und lösen die Schrauben der linken Steuerkonsole... das ist die da."
Eigentlich war es nicht viel mehr, als eine verrottete Blechhütte am Rande der Galaxie. Irgendwer, vermutlich ein betrunkener Gott, hatte sie einst hier auf diesem vergammelten Waldplaneten errichtet und dann einfach vergessen. Vielleicht nicht unbedingt der beste Platz, die größte Spedition des Universums zu eröffnen, aber nachdem Fridolin Treuwang das gesamte Kapital für seine Geschäftseröffnung in die Schubeinheit gesteckt hatte, war für den Verwaltungskomplex nicht mehr viel Geld übrig gewesen. Und so hatte er mit diesem Etablissement Vorlieb nehmen müssen.
Fridolins Pausenbrot, ein Schiff, dessen Ausmaße nur noch von der Dämlichkeit seines Namens übertroffen wurden, hatte natürlich keinen Platz auf dem Planeten und trieb deshalb in dessen Orbit. Wobei es eigentlich genau andersherum war. Mit seinem riesigen Korpus, aus dem vorne zwei gigantische Arme ragten, glich die Schubeinheit einem überdimensionierten Hummer - und manchmal verhielt sich Fridolins Pausenbrot auch so. Derzeit hatte das Schiff Magenschmerzen und so hatten Tf'grHt und J'jjip, die beiden Mechaniker der Spedition, die Antriebseinheit von Steuerdüse 19c ausgebaut und in die Hütte gebracht.
"Ist locker."
"Sehr schön. Lösen Sie die Steckverbindungen der beiden äußeren Stromgeber und drehen Sie die Sicherung dann entgegen dem Uhrzeigersinn vorsichtig aus der Fassung."
"Äh... Uhrzeiger..."
"Himmel, bist du schwierig..." Bevor Tf'grHt weiter ausholen und die Unfähigkeit seines Kollegen mit der einer Kaulquappe beim Stricken vergleichen konnte, wurden die beiden unterbrochen, als nämlich ein Raumschiff neben der Hütte landete, zwei ganz in Schwarz gekleidete Männer heraustraten und den Anführer sprechen wollten.
...
"Jetzt mal langsam." Fridolin Treuwang lehnte sich schwer in seinem abgewetzten Lederstuhl zurück und beäugte seine beiden Gäste argwöhnisch. "Der Kaiser..."
"Der erhabene Kindkaiser, Seine Majestät Fridolin der Siebte", unterbrach einer der Anzugträger, wobei er als Zeichen seiner Ehrfurcht automatisch seinen linken Handrücken küsste.
"Ja, den Teil hatten wir schon. Ich habe diesen wahnsinnig schlechten Witz über unsere Namensgleichheit gerissen, wenn Sie sich erinnern."
"Es ist nicht meine Aufgabe, mich an Dinge zu erinnern."
"Und seine?" Fridolin deutete auf den zweiten Gast.
"Seine Aufgabe ist weitaus unbestimmterer Natur, als die meinige."
"Okay, zurück zum Thema. Der Kaiser... Also, der wird in fünfzehn Jahren fünfzehn Jahre alt und damit offiziell Herrscher von... ja, von was eigentlich?"
"Von allem."
"Von mir nicht. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, ihn gewählt zu haben. Ihr etwa?"
"Wie ich bereits sagte, es fällt nicht in meinen Aufgabenbe..."
"Jaja, schon klar. Und ich soll jetzt mit meinem Team seine Geburtstagsüberraschung liefern?"
"Das wäre Ihr Auftrag. Einhundertvierzig Planeten in fünfzehn Jahren. Sie müssten sie entvölkern, angemessen herrichten und transportieren."
"Entvölkern?"
"Wir sind sicher, dass Ihnen Mittel und Wegen einfallen werden, dies zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligten zu regeln."
"Okay, mal angenommen, also wirklich nur mal angenommen, ich würde den Auftrag annehmen, was, wie ich bereits sagte, ziemlich utopisch wäre, dann würde der Spaß aber nicht billig werden."
"Wir haben ein Angebot ausgearbeitet, das Ihrem Aufwand und Ihrer derzeitigen geschäftlichen Situation angemessen scheint."
Fridolin seufzte. Natürlich war er nicht in der Lage, einen Auftrag solcher Tragweite abzulehnen. Genau genommen konnte er sich nicht leisten, überhaupt irgendeinen Auftrag abzulehnen. In seiner Branche war der Markt nicht unbedingt groß und nachdem die Jungs von Magrathea ihre Geschäfte eingestellt hatten, wollte sich eigentlich niemand mehr Planeten liefern lassen.
Fridolin warf einen Blick auf die Zahl, die der Anzugträger in diesem Moment aufschrieb. Sie enthielt eine ganze Menge Nullen.
...
fünfzehn jahre und einhundertneununddreißig planeten später
Es war so gut wie vollbracht.
Fast ein wenig wehmütig initiierte Stella Hardwick ein letztes Mal das Bremsmanöver. Der letzte Planet der Lieferung schwebte im unsichtbaren Energienetz zwischen den beiden Hummerarmen von Fridolins Pausenbrot. Achthundert Kursraketen, im richtigen Augenblick gezündet und richtig dosiert eingesetzt, sollten den Planeten an seine gewünschte Position schieben - genau unter den Strich des Ausrufezeichens. Dann nur noch schnell Silber anstreichen und die Mission wäre erledigt.
Von Weitem und aus dem richtigen Winkel betrachtet würden die einhundertvierzig Planeten einen Schriftzug formen - Happy Birthday! sollte dann vom Schlafzimmer des Regenten aus zu lesen sein.
"Check! Angleichung auf 200 Meter. Ab mit dem Ding auf den Elfmeter. Over and out." Die Pilotin beendete die Übertragung zum Regierungskreuzer, von dem aus hochrangige Militärs des Kaisers die gesamte Operation während der letzten Jahre beobachtet und delegiert hatten. Die beste und einzige Pilotin in Fridolin Pausewangs Mitarbeiterstab gab die Anweisung an den Navigator weiter und wenig später hatten sie den letzten Planeten in seine Position geschoben.
Während im Maschinenraum die ersten Sektkorken knallten und Tf'grHt und J'jjip die ihrer relargischen Herkunft zu verdankende Zurückhaltung vorübergehend vergaßen und sich glücklich in den Armen lagen, war Stella schon auf dem Weg zu ihrem kleinen Spaceshuttle. Sie hatte einen Termin auf dem Kommandoschiff, Abschlussbericht.
...
"Was wollen sie mir sagen, Hardwick? Da unten soll noch jemand leben? Wieso haben Sie sich nicht darum gekümmert?"
"Ich bin Pilotin, keine Mörderin", sagte Stella und warf Fridolin einen nach Unterstützung wimmernden Blick zu. Seth Evil Motherkiller Moore, ehemaliger Veteran in der glorreichen Armee Kaiser Fridolins des Sechsten und seit ein paar Jahren oberster Premierminister, war außer sich.
"Kaum zu fassen... Erst gehen die Maler in Streik und jetzt das! Sie werden sich noch in dieser Stunde auf den Planeten begeben. Die Leute werden aufgefordert den Planeten zu versilbern, mit dem Versprechen auf Umsiedlung geködert und dann..."
"Und dann was?"
"Was weiß denn ich... ich bin Minister, Sie sind die Handwerker. Denken Sie sich was aus. Von mir aus ein Schwarzes Loch oder so."
"Das nächste Schwarze Loch ist vierhundert..." Fridolin unterbrach sich, als er den strafenden Blick Stellas bemerkte. "Ich meine, wir werden ganz sicher niemanden den interstellaren Lokus runterspülen. Wenn mir die Ausdrucksweise gestattet ist, Sir."
...
"Entfernen Sie den Schutzdeckel durch Drehen entgegen des Uhrzeigersinns."
"So rum?"
"Ja, so rum. Vergewissern Sie sich über den korrekten Sitz Ihrer Atemschutzmaske. Also meine sitzt."
"Mmmpf... mmm."
"Über den Mund, nicht in den Mund."
"Ach so. Okay, sitzt."
"Richten Sie die Dose mit der Spritzöffnung von sich auf das zu lackierende Objekt."
"Der Baum?"
"Ja, der Baum. Drücken sie auf den Knopf."
"Hui, das glitzert aber. So silbrig."
"Ist auch Silber." Tf'grHt legte die Bedienungsanleitung beiseite und beobachtete seinen Kollegen, der den Baumstumpf mit der Spraydose methodisch in Farbnebel tauchte. "Meine Güte, das dauert ja ewig. So kriegen wir den Planeten nie bemalt."
"Wie haben die das denn sonst immer gemacht?"
"Genauso, aber da waren auch mehr Leute am Werken. Millionen Maler."
"Und warum müssen wir jetzt ran?"
"Die machen einen Sympathiestreik mit der Steinmetzgewerkschaft."
Währenddessen waren Stella und Fridolin damit beschäftigt, die Bewohner des Planeten in die Schubeinheit zu evakuieren. Natürlich konnten sie nicht hier bleiben. Zum einen lebt es sich generell schlecht auf einem Planeten, der komplett mit silberner Farbe zugekleistert ist und zum anderen sollte der gigantische Schriftzug zu Ehren des Kaisers als Höhepunkt eines interstellaren Feuerwerks von einem Sperrfeuergewitter der Haubitzen Seiner Majestät in die Luft gejagt werden. Ein gewaltiges Spektakel, alles was Recht ist.
"Sollten wir nicht lieber beim Malen helfen?" Ein rundlicher Mann, den eine breite rote Schärpe unmissverständlich als Bürgermeister des nächsten Kuhdorfes kennzeichnete, dachte gar nicht daran, den kleinen Transporter zu betreten, der die Leute schubweise an Bord von Fridolins Pausenbrot brachte.
"Sie wollen also helfen, Ihren Planeten zu vernichten, statt sich in Sicherheit zu bringen?"
"Es ist zu Ehren des Kaisers." Der Mann küsste ehrfürchtig seinen Handrücken und die umstehenden Bewohner taten es ihm gleich.
"Abgesehen davon", sagte Fridolin, "dass dieser Kaiser ein Relikt einer vollkommen überholten Regierungsform darstellt und in seiner selbstgewählten Arroganz sicher noch nie von euch gehört hat, ist er noch gar nicht der Kaiser. Erst in einem Monat, an seinem Geburtstag."
"Dann hat er noch nichts falsch gemacht in seiner Amtszeit. Er ist der beste Kaiser, den wir je hatten."
...
einen monat später
Und dann ging die Sonne auf.
An sich nichts Besonderes, das tat sie jeden Morgen - abgesehen von diesem denkwürdigen Tag vor ein paar Jahren - aber dieses Mal war alles anders. Der ehrvolle Kindkaiser Seine Majestät Fridolin der Siebte kaute gerade nach seiner äußerst zufrieden stellenden Morgentoilette auf einer von nackten Priesterinnen geschälten Weintraube herum, als sein Minister für äußerst geheime Angelegenheiten und großartige Überraschungen den Wachen ein Zeichen gab.
Eine Fanfare erklang, ein aus zehntausenden Stimmen bestehender Kinderchor sang Wie schön, dass du geboren bist und eine mehrere Quadratkilometer umfassende Plane wurde von ihrem Gestell gerissen, wodurch sie den Blick auf den sonnenüberfluteten Morgenhimmel preisgab. Das größte Glückwunschtelegramm aller Zeiten wurde enthüllt.
"Das soll mein Geschenk sein?"
"Ja, Euer Majestät", begann der Minister. "Seit Eurer Geburt haben Eure Untertanen..."
"Aber ich wollte Zombie Dead IV! Ich hab extra einen Wunschzettel geschrieben!"
"Aber, Euer Majestät, heute ist der Tag Eurer Amtseinführung und da..."
"Das ist der schlimmste Geburtstag, den ich je hatte!"
...
Es sollte noch schlimmer kommen.
Fridolins Pausenbrot mit fünf Mann Besatzung und siebenhunderttausend ehemaligen Bewohnern des einhundertvierzigsten Planeten machte sich auf den Weg. Egal wohin, nur weg vom kaiserlichen Imperium. Während das Schiff sich also von dem gigantischen Schriftzug in die entgegengesetzte Richtung vom Regierungsplaneten entfernte, warf Stella einen letzten Blick aus dem Fenster zurück auf ihr Werk.
"Erstaunlich, wie ihr den letzten Planeten so schnell Silber gekriegt habt."
"Ach naja... ein paar Planetenbewohner haben uns ja geholfen", sagte Tf'grHt.
"Ich weiß. Trotzdem eine gute Leistung."
"Danke." Tf'grHt drängte sich an der Pilotin vorbei und blickte ebenfalls auf den Schriftzug. "IyAbHT ,qIBy q'qAH... ach du meine Güte!"
"Was ist denn?"
"Das ist relargisch."
"Schlimm?"
"Naja, wie würdest du es finden, wenn deine Mutter in hunderttausenden Kilometer großen Buchstaben als q'qAH beschimpft würde?"
"Keine Ahnung", sagte Stella. "Was ist ein q'q... qa... Ich kann das ja nicht mal aussprechen."
"Hat was mit Knautschball zu tun. Ich denke, das wird meinem Volk gar nicht gefallen. Wir sollten lieber von hier verschwinden. Unser Kanzler ist sicher schon auf dem Weg, um dem Kaiser zu gratulieren und ich möchte nur ungern hier sein, wenn er das hier liest."
"Heim?"
"Heim."
Während Stella die Antriebsdüsen von Fridolins Pausenbrot zündete, konnten sie gerade noch sehen, wie sich hinter ihnen das erste relargische Dimensionstor öffnete und das Schiff des Kanzlers preisgab. Es dauerte nicht lange, da öffneten sich weitere Tore und die ersten Kriegsschiffe machten sich auf, dem neuen Kindkaiser die erste Regierungskrise seiner Regentschaft zu bescheren.