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Tabula Rasa (Wurdack Verlag)

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Tabula Rasa (Wurdack Verlag)

Tabula Rasa - Science Fiction Anthologie - Wurdack Verlag - 9,95 EUR

Zunächst ein bisschen Einzelkritik:

Tabula rasa: Perfekter Einstieg - ein spannender Weltraum-Thriller. Hoese-typisch sourverän umgesetzt.

Regenmacher: Lahmer Einstieg, gefolgt von einer braven, fast schon zu routinierten Umsetzung einer für mich nicht ganz glaubwürdigen Idee.

20 Zeilen Code: Nett konstruiert, aber zu brav und für eine komische Geschichte nicht komisch genug (und als ernst gemeinte Story geht sie mangels Glaubwürdigkeit nicht durch).

Das Projekt Moa: Top! Starke Figuren, gute Idee und konsequente Umsetzung.

Der Wintergarten des Herrn Mix: Alien-Simulieren-Welt-Quark, vorhersehbar und nichts neues.

Fermente: Coole Idee, hätte noch witziger umgesetzt werden können.

arche noah: Die ätzende, überflüssige Kleinschreibung wirkt auch mich einfach nur pseudointellektuell und abstoßend. Sie ändert außerdem überhaupt nichts daran, dass der Inhalt total langweilig ist. Erst der Schluss wird einigermaßen interessant.

Dunkle Tiefen: Passend zum Titel der Tiefpunkt der Anthologie. Versatzstücke aus Schwarm und Abyss werden sprachlich holprig zu einem lahmen, uninteressanten B-Film verquirlt.

Der Wühler: Starke, doppelbödige Liebesgeschichte. Hebt sich wohltuend vom Rest des Bandes ab. Steht nicht umsonst auf der Empfehlungsliste der SF-Rubrik von kurzgeschichten.de, wo die Story ursprünglich erschienen ist.

Das ganze Aroma: Die physikalisch schwachsinnige Technologie des Beamens in den Mittelpunkt einer ernsthaften Geschichte zu stellen, grenzt schon an Ignoranz. Ferner habe ich Tempusfehler festgestellt. Es handelt sich um eine ziemlich schwache Implementierung des nach heutigen Maßstäben naiven Erfindung-mit-Fehlern-Motivs, das vielleicht zu Zeiten vom "Frankenstein" neu war, aber heute nur ein Gähnen hervorlockt.

Alles wird gut: Böse, aber vorhersehbar. Hard-SF-typisch etwas trocken.

Die Wege des großen Konstrukteurs: Skurril und witzig, ein guter Hermann. Wirklich amüsant.

Team Omega: Flache Figuren irren durch einen lahmen Pseudo-Cyberpunk-Psychothriller. Eigentlich eine brauchbare Idee mit den Toten im Kopf, aber viel zu brav umgesetzt.

Das Herz der Sonne: Fantasievolle, anfangs etwas diffuse Story, die den Leser erstmal im Unklaren lässt. So richtig plausibel finde ich die Logik der Ereignisse nicht, aber angesichts des deutlichen Fantasy-Anteils erübrigen sich solche Fragen wohl. Magie kann halt alles. Trotzdem gern gelesen.

Welt der Insekten: Eine sehr platte Ausgangssituation entwickelt sich zu einer überraschend guten Idee in der zweiten Hälfte. Schade, dass der Spannungsbogen Brüche aufweist und echte Charakterisierungen der Figuren fehlen, die angesichts des tiefgründigen Themas dringend erforderlich gewesen wären.

Ordentlicher Lärm: Eigentlich eine nette Idee, aber dann doch etwas zu brav umgesetzt - passend zum Image des auftretenden Beamtentums?

Leben am Schlund: Gut gemachter Entwurf einer fremdartigen Lebensgemeinschaft. Könnte gerne länger sein.

Die Formel: Fades Zeitreise-Süppchen, das man schon hundertfach auslöffeln musste. Bedient naive, uralte Klischees von genialen Forschern, die im stillen Kämmerlein weltbewegende Formeln entwickeln. Ein für allemal: So funktioniert Wissenschaft nicht!!!

Der Marsianer: Emotional, intensiv ... aber: Ersetze "Mars" durch "Japan" oder "Neuseeland", und die Geschichte ändert sich kein bisschen, ist aber kein SF mehr, wenn man von den sporadisch vorbeifliegenden Polizeidrohnen und dem im Nebensatz erwähnten Dauerkrieg absieht. Trotzdem: Man merkt dem Autor seine schriftstellerische Reife einfach an.

KI 21: Die verschwundene KI ist ein toller Ansatz, aber gegen Ende häufen sich die Logiklöcher. Die Emotionen der KIs werden überhaupt nicht thematisiert, dabei ist das der entscheidende Punkt: Sonst könnte eine kurze Ansprache eines beliebigen FBI-Agenten wohl kaum die längst gefallene Entscheidung rückgängig machen. Dieses unglaubhafte Happy-End zeigt deutlich, dass hier das Potenzial einer guten Idee verschenkt wurde. Konsequent wäre es gewesen, die KIs wirklich verschwinden zu lassen, um dann die Abhängigkeit der Menschen von der Technik explizit und böse ins Zentrum eines apokalyptischen Schlusses zu rücken.

Die Augen ihrer Mutter: Auf der ersten Seite sehe ich Tempusfehler. Aber vielleicht täusche ich mich ja, die Autorin ist schließlich Germanistin und weiß es bestimmt besser als ich. Ansonsten wundere ich mich, dass ein Bürgermeister über weltumspannende Rechte wie Gleichstellung von Mensch und Roboter entscheiden darf. Für mich ist das eine undurchdachte Social Fiction mit diffuser Pseudomoral über nicht überzeugende Roboter, die sich fast wie Menschen verhalten.

Böses Erwachen: "Hä? Ja und?" habe ich mir unter den Text gekritzelt. Der Text wirkt konstruiert und wirr, die Figuren bleiben flach. Immerhin spannend.

Fazit: Abgesehen von ein paar Totalausfällen wie "Dunkle Tiefen" und "Die Formel" ist "Tabula Rasa" eine starke Anthologie mit vielen Höhepunkten wie "Projekt Moa", "Der Wühler" und "Leben am Schlund". Herausstreichen möchte ich den Charakter der Antho als Ideensammlung. Selten habe ich heutzutage in einer Kurzgeschichtensammlung so viele frische Ideen vorgefunden. Bei einigen hapert es mit der Umsetzung, aber man kann nicht alles haben, und SF ist nun einmal ein Genre, das stark von den Ideen lebt.
Erstaunlich - aber vielleicht von den Herausgebern gewollt - finde ich, dass anderswo reichlich behandelte Themen wie Religion, Cyberpunk und Sex, aber auch Krieg völlig fehlen.

Auch wenn einige Storys das insgesamt hohe Niveau nicht halten können, kann man die Antho nur jedem SF-Fan wärmstens empfehlen. Es ist davon auszugehen, dass wir demnächst einige der Texte unter den Nominierungen für die SF-Preise 2006 finden werden.

Zusammenfassung: Tabula Rasa - kaufen!

:cool:
Uwe

 

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