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Aliens aßen meinen Nudelsalat
An einem schönen Sommertag – ich hatte mit meiner Shotgun von der Veranda aus bereits drei Krähen, einen Geier und einen Berglöwen abgeknallt – erschien Sams klappriger Mini-Truck im Vorgarten, und wenige Sekunden später quoll auch der Fahrer heraus, sein Lunch baumelte ihm dabei wie immer in zwei Metalldosen an einer Fahrradkette um den Hals.
Onkel Sam war so fett, daß er eine eigene Postleitzahl brauchte. Dennoch konnte er sich so flink bewegen wie ein Wiesel und war bei der Maisernte eine große Hilfe. Nur seine unkontrollierten Fürze waren bisweilen eine Plage, weshalb keiner mit ihm zusammenarbeiten wollte. Das blieb dann an mir hängen. Aber ein ehemaliger Marine mit dreistelligem Bodycount kennt keinen Schmerz. Ich bin nämlich auf Draht, wissen Sie?
Ich war nicht begeistert, daß Sam meinen Vorgarten als Parkfläche mißbrauchte. Es war auch nicht das erste und letzte Mal, aber jeder Versuch, ihm das Gegenteil zu erklären, endete seinerseits in wirren kommunistischen Verschwörungstheorien. – Und das, wo doch jeder weiß, daß die wahre Bedrohung inzwischen von schnurrbärtigen Diktatoren ausgeht, die in fernen Ländern mit unaussprechlichen Namen Kinder fressen.
Sam glotzte. Einen Moment lang zielte ich mitten zwischen seine Augen, dann lachten wir herzlich und gingen ins Haus.
Während Sam mir über seine Arthritis erzählte, und wie er wieder einmal den Postboten zur Sau gemacht hatte, steckte ich mir eine Zigarre an und machte uns beiden einen Nudelsalat. Das kann ich nämlich wirklich gut. Dennoch wollte Sam nichts davon abhaben, er öffnete stattdessen eine der Metallboxen. Zuerst dachte ich, er hätte einen fahren gelassen, aber es war nur der drei Tage alte Würzpansen, der im Blechsarg nachgereift war. Sam verschlang ihn an einem Stück, und dann ließ er wirklich einen fahren, weshalb ich die Fenster öffnete.
Draußen hatte sich eine dicke Wolke vor die Sonne geschoben, die ich allerdings innerhalb weniger Sekunden als Raumschiff identifizierte – ich bin nämlich auf Draht, wissen Sie?
„Es ist soweit!“ rief ich Sam zu. „Die Außerirdischen invasieren uns.“ Sam glotzte nur.
Ich überlegte einen Moment, ob ich erst die Polizei rufen (Sheriff Miller taugte nicht viel) oder erst meine Waffen unter dem Bett hervorholen sollte. Doch die Entscheidung wurde mir abgenommen, als ein mächtiger Ruck durchs Haus ging und ich aus dem Küchenfenster sah, wie die Landschaft um uns in eine bodenlose Tiefe fiel. Ich erkannte sofort, daß die Aliens mein Haus samt Vorgarten mit einem Traktorstrahl in ihr Raumschiff zogen und bereitete mich darauf vor, geentert zu werden.
Wenig später klopfte es an der Haustür. Ich öffnete mit schußbereitem Gewehr – und erblickte die drei schönsten Frauen, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Eine war rothaarig, die zweite schwarz und die dritte blond. Alle drei langbeinig, großbusig und nur spärlich bekleidet. Na gut, sie hatten einen kleinen Schönheitsfehler, sie besaßen jeweils nur ein einziges Auge, und das mitten auf der Stirn – aber niemand ist perfekt.
„Hallo“, sagte die Blonde mit verführerischer Stimme, „dürfen wir hereinkommen?“
„Aber sicher doch“, grinste ich und nahm das Gewehr weg. Dafür machte sich mein kleiner Freund schußbereit.
Die drei Zyklone, oder wie man solche Einaugen nennt, folgten mir auf ihren gläsernen High Heels in die Küche, wo Sam bereits seine zweite Blechbüchse geöffnet hatte. Sein grauer Bart triefte, und er wirkte leicht verlegen, als er die drei Aliendamen erblickte. Er wischte sich dem Mund am Ärmel ab, stand auf und reichte ihnen die Hand. „Sam Ticklebones“, stellte er sich vor.
„Wir sind Alia, Salia und Amalia“, sagte die Blonde, die offenbar die Anführerin war.
„Und wer genau ist wer?“ fragte ich lauernd.
„Ist das nicht egal?“ hauchte die Rothaarige. „Ihr werdet ohnehin jetzt sterben.“
„Wußt´ ich´s doch“, polterte Sam, „wieder die Kommunisten!“
„Halt die Klappe, Sam!“ wies ich ihn zurecht. „Warum sollen wir sterben?“
„Wir ernähren uns von Menschenfleisch“, erklärte die Blonde. „Viele Tausend Jahre lang sind wir durch die Galaxis geirrt, bis wir endlich die Erde gefunden haben. Schon bald wird eine Armee von Metzger-Droiden in euren Städten landen und eure Spezies ausrotten.“
„Na schön“, sagte ich, „aber was eßt ihr dann, wenn es unser Spezies nicht mehr gibt? Und was habt ihr gegessen, bevor ihr unseren Planeten gefunden habt? Und wieso macht ihr es nicht einfach, anstatt mich mit meinem Haus und Onkel Sam zusammen zu entführen und mir das alles zu erzählen?“
„Ich, äh... wir...“ Die Blonde wirkte verwirrt. Na ja, war halt blond. Dann wurde ihr Tonfall zornig: „Du bist zu neugierig, Mensch, und deshalb wirst du als erster sterben!“
Ein Summen kündigte die Ankunft eines fliegenden Roboters in Fußballgröße an, der nun in die Küche schwebte und an einem seiner Tentakel ein Fleischerbeil schwang. Ich riß das Gewehr hoch und feuerte auf die Kugel, doch es passierte nichts. Ich feuerte alternativ auf die Blonde, doch die Kugel durchschlug sie wie einen Pudding, und die Wunde schloß sich in Sekundenbruchteilen wieder. Weitere Versuche hatte ich nicht, denn die Schwarzhaarige entwand mir die Waffe.
„Brust oder Keule?“ fragte die Blonde ihre Gefährtinnen. Diese kicherten wie dumme High-School-Gören.
In Sekundenschnelle brütete ich einen neuen Plan aus: „Ich empfehle ein Filet aus der Wade.“ Und schon legte ich mein linkes Bein auf den Tisch und krempelte das Hosenbein hoch.
Mit beängstigender Geschwindigkeit sägte der Roboter ein mastercardgroßes Stück aus meinem Unterschenkel, und die Blonde steckte es sich gierig in den Mund.
„Pfui Teufel!“ rief sie und verzog das Gesicht. Ich hatte sie hereingelegt. Mein richtiges linkes Bein liegt irgendwo in Vietnam begraben, aber meine Prothese wirkt täuschend echt.
Ich bin halt auf Draht!
Doch ich hatte weit mehr erreicht, als ich gehofft hatte: Plötzlich wurde Blondinchen übel, und ihr Auge quoll aus der Höhle. Unter den besorgten Blicken ihrer Artgenossinen blähte sie sich auf wie der Marshmallow-Man, um mit einem schmatzenden Geräusch zu zerplatzen.
Ihre Einzelteile verteilten sich in der Küche, und bei näherer Betrachtung stellte ich fest, daß es sich um Vanillepudding handelte. Welch Vorstellung, beinahe von einem einäugigen blonden Vanillepudding auf High-Heels gefressen worden zu sein...
Doch zu früh gefreut, plötzlich hörte ich die Haustür knarren, und wenige Sekunden später kam die Frau wieder in die Küche.
„Was zum Teufel...?“ knurrte ich.
„Du hast mich fast reingelegt, Erdling“, sagte sie wütend. „Aber wir besitzen die Technik des Zeitreisens, und so habe ich, als ich das Desaster kommen sah, mich kurz vor meinem Tod durch einen Vanillepudding ersetzt.“
Ich riß meine Strahlenwaffe heraus. „Guter Trick, Mädel, aber was sagst du dazu?“
„Das ist ein B-53 Ultralaser!“ kreischten die Weiber. „Wo hast du den her?“
„Aus eurer Waffenkammer!“ grinste ich. „Ich habe euer Zeitreise-Dings gestohlen, nachdem in der alternativen Realität Sam gefurzt hat und ihr davon kurz in Ohnmacht gefallen seid!“
„Du Teufel!“ rief die Blonde.
„Und ich habe euch allen dreien ein Stück Plastikbein zu essen gegeben. – Ich bin nämlich auf Draht, wißt ihr?“
Daraufhin zerplatzten die drei Frauen vor meinen Augen. Ich jubelte über meinen Sieg.
Doch gleich darauf kamen sie wieder herein. „Ich habe in der Vergangenheit die Benzinleitungen des Autos von deinem Onkel Sam durchtrennt“, erklärte die Blonde, „er hat dich deswegen heute gar nicht besucht!“
Und tatsächlich, Sam war verschwunden.
Es stand schlecht um mich.
„Und auf deine Anregung hin“, sagte nun die Rothaarige, „haben wir bereits die ganze Menschheit abgeschlachtet und gegessen, bevor wir dich aufgesucht haben.“ Wieder kicherten die drei.
Verdammt, war das das Ende?
Nein, einen Trumpf hatte ich noch.
„Dann wird es euch ja interessieren, daß ich zuvor die Menschheit vollständig durch Schaufensterpuppen ersetzt habe“, sagte ich kühl.
„So ein Blödsinn!“ rief die Blonde. „So etwas kannst du doch gar nicht!“ Doch dann platzten sie, und der Kugelfisch von einem Schweberoboter fiel energielos zu Boden.
Ich hatte gesiegt!
Und Sam war auch wieder da, allerdings hatte er seine Konserven noch nicht geöffnet, sondern war noch dabei, mir vom Postboten zu erzählen, den er zur Sau gemacht hatte.
Leider war nicht alles wie vorher, wir schwebten noch im All herum. Ich stellte fest, daß es außer den drei Damen keine Besatzung gab und steuerte das Raumschiff im Alleingang wieder zur Erde. Ich bin nämlich auf Draht, wissen Sie? Es half mir natürlich ungemein, eine dreisprachige Bedienunganleitung neben der Kommandokonsole vorzufinden (Deutsch, Babylonisch und Englisch).
Groß war der Schrecken, als ich wieder die Küche betrat und zumindest zwei der drei Alienfrauen wiedersah: Die Schwarze und die Rote. Sie machten sich gerade über meinen Nudelsalat her und schwatzten und lachten mit Sam, der ihnen Witze aus der Sonntagszeitung vorlas.
Allerdings war die Sache schnell geklärt. Aufgrund einer Serie von Zeitparadoxa, die unser Zusammentreffen ausgelöst hatte, waren die beiden aus einem anderen Metaversum hierher materialisiert worden, um die quantenmechanischen Lücken zu füllen, die ich hinterlassen hatte. Nur die Blonde war dematerialisiert geblieben, wahrscheinlich, weil ihre Haarfarbe nicht echt gewesen war. Aber das zu erklären führte hier zu weit.
Die Zwei hatten keine Lust mehr auf Menschenfleisch, seitdem sie von meinem Nudelsalat gekostet hatten und für weitaus bekömmlicher befanden. Sie beschlossen, bei mir wohnen zu bleiben. Nach ein paar Monaten verließ die Rote mich aber wieder – sie war übrigens Salia gewesen – um für Karl Lagerfeld zu modeln. Mir blieb daher nur Amalia, aber das bis heute.
Sie fickt nicht nur verdammt gut; ich habe auch keine Probleme mehr mit den Ratten, seit sie bei mir ist.
Die Zeitparadoxa werden einige Jahrzehnte brauchen, bis sie sich wieder ausgleichen. Bis dahin ereignen sich gelegentlich merkwürdige Dinge. An manchen Tagen habe ich einen Wasserrohrbruch, der am nächsten Tag wieder spurlos verschwunden ist, und manchmal wache ich auf und bin mit Jamie Lee Curtis verheiratet oder selber eine Frau. Aber das ist alles nur von kurzer Dauer, und so kann ich damit gut leben. Einmal habe ich im Lotto gewonnen, weil ich die Zahlen eine Woche früher im Fernsehen gesendet wurden, als man sie gezogen hat, leider verschwanden das Geld und mein neuer Whirlpool wieder nach drei Tagen.
Ein kleines Problem habe ich leider noch: Das Ersetzen der Menschheit durch Schaufensterpuppen, der entscheidende Faktor im Sieg über die außerirdische Invasion, ist etwas, das ich noch nicht getan habe, sondern noch tun werde. Genauer gesagt, noch tun muß. Keine Ahnung, wie ich es tun werde. Ich will es auch nicht wirklich, aber jedesmal, wenn ich beschließe, diesen Plan zu begraben, taucht wieder Alias Raumschiff über meinem Haus auf und verschwindet erst wieder, wenn ich mir vornehme, es ganz sicher durchzuziehen.
Also Freunde, tut mir leid für euch, aber ihr seht, ich kann nicht anders.