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Handlung vs Charakter

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18.01.2002
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Handlung vs Charakter

Hallo liebe Autoren !

Ich würde mich noch als einen Neuling bezeichnen, was das Schreiben von Kurzgeschichten angeht. Mich würde mal interessieren, welcher Schreibstil aus eurer Sicht am besten für eine KG geeignet ist. Sicherlich kann man dieses Thema nicht pauschalisieren, aber ich denke dabei vor allem an folgende Fragen :

1. Sollte eine Kurzgeschichte eher handlungsbezogen sein oder sollte man mehr Wert auf eine ausführliche Charakterisierung der Figuren legen ?

2. Wie sieht es mit dem Schluß der Geschichte aus ? Sollte die Handlung abgeschlossen sein oder kann man dem Leser auch ein offenes Ende "zumuten" ?

Sicherlich habe ich diese Fragen schon für mich selbst beantwortet, aber wie seht ihr diese Dinge ? Worauf achtet ihr besonders bei der Darstellung eines Charakters ?

Ich würde mich freuen, wenn sich der ein oder andere Autor dazu äußern könnte.

Vielleicht bis später,
Peter (Gedankenprobe)

 

Hallo Peter,
ich habe auch noch nicht besonders viel Schreibpraxis aber ich denke, daß wir ja auch für die Leser schreiben und das sind wir ja alle.
Also sag ich dir einfach meine Meinung.
1. Sowohl als auch oder entweder oder aber nicht in jedem Fall.
Hängt doch von der Geschichte ab.
Wie würde eine Geschichte aussehen, die wenig handlungsbezogen ist?
Ich würde nach den ersten Zeilen genervt abbrechen oder eingeschlafen sein.
Ich stelle mir da eine Personenbeschreibung vor.
Im schlimmsten Fall ein Bewerbungsschreiben oder Lebenslauf.
Könnte aber auch eine Schicksalsbeschreibung sein.
Die alte, einsame Frau in den Bergen, der die Milchkanne umgekippt ist.
Jeder wie er’s mag.
Das schöne an Kurzgeschichten ist: Wenn’s nervt, nervt´s nicht lange
Ich hab mal eine Geschichte über einen Bankraub geschrieben (Eigenwerbung) da blieb keine Zeit für Charakterisierungen.
Soll es stimmungsvoll sein und Gefühle eine starke Rolle spielen, meine ich, daß die Figuren schon ein wenig ausführlicher beschrieben werden müssen.
2. Wieder sowohl als auch.
Eine schöne oder spannende Geschichte mit einem klaren Ende ist doch o.K.
Allerdings liebe ich es auch, wenn das Ende nicht bis ins kleinste Detail beschrieben wird.
Das Ende sollte dann schon klar sein aber wenn der Leser danach noch zu etwas Phantasie angeregt wird gefällt es mir.
Ein Ende, das keines ist finde ich übel. Man hat dann eine Geschichte gelesen und weiß am Ende nicht warum. Manche scheinen das aber zu mögen.

Eine qualifizierte Stellungnahme zu diesem Thema kann ich allerdings nicht abgeben, da mir die nötigen Hintergründe fehlen. (Anfänger halt)
Ich schreibe immer aus dem Bauch heraus und versuche den Leser nicht zu langweilen.
Ich denke: Wenn’s beim schreiben kribbelt und man sich ein Bißchen Mühe gibt, kann’s nicht ganz so übel werden.

Grüße
Manfred
:D

 

Hi Manfred und Danke für Deine Stellungnahme. Qualifiziert für eine Stellungnahme ist wohl jeder, auch derjenige, der sich noch nie mit dem Schreiben befasst hat. Es geht, wie Du schon gesagt hast, um den Leser und wie er eine Geschichte aufnimmt, bzw. annimmt.
Ich schreibe ebenfalls meist aus dem Bauch heraus, auch wenn ich klare Vorstellungen vom Handlungsablauf habe. Dieser kann sich jedoch rasch ändern im Verlaufe des Schreibens.

Für mich ist einer der wichtigsten Punkte beim Schreiben, daß man es schafft, dem Leser ein Bild von der jeweiligen Szenerie zu geben und in der Lage ist, Gefühle im Leser zu wecken.

 

Also, ich denke erstmal, das eine KG im Grunde meistens eine bestimmte Situation erzählt, in de ein Charakter involviert ist.
Sprich, meistens hat man es mit Charakteren zu tun, die sich schnell für den Leser entfalten solten, sonst kämpft er am Ende immer noch mit den Figuren und die Geschichte ansich geht über Bord. Klar gibt es auch Gegenbeispiele, aber meiner Meinung nach liegt das Ziel (m)einer Kurzgeschichte(n) darin, existierende Charaktere in einem Moment ihres Lebens zu beschreiben, der sich dann auf die Lebensansicht/Lebensweise des Charakters oder im ersteren Fall auf die Lebensansicht des Lesers auswirkt (das wäre dann auch der optimale Fall...).
Dabei muss der Charakter so beschrieben werden, daß er
a) glaubhaft und
b) emotionserweckend wirkt.

Die Story in KGs muss, glaube ich, im Gegensatz zu Romanen, schon in den ersten Zeilen fesseln (sei es z.B. durch Beschreibung des Handlunsortes, einem Vorgriff auf das folgende Geschehen oder ev. einem kurzen Rückblick auf des Charakters Vorleben...oder Umwerfungen der Moralvorstellungen des 'normalen' Menschen, etc.).

Jetzt habe ich mir gerade noch mal die Fragen angeschaut:
1.: Durch die Art, wie der Charakter die Handlung erlebt, auf sie reagiert und wie sie sein Leben/seine Einstellung verändert, wirkt sich die Handlung auf den Charakter aus. Deswegen würde ich der Handlung den Vorzug geben, auch wenn ich nie eine Handlung zugunsten eines blassen Archetypen verhunzen würde wollen.

2.:
Was genau verstehst Du unter einem offenem Ende? Dieses kann sein:

a) "Die Kugel traf sie/ihn in die Brust. Er/Sie sank in die Knie. Langsam, gleich dem stetigem Rascheln der Blätter sank er/sie zu Boden."

b) wie a) und dann: (Absatz)---"Sie/Er war nicht der/die Erste/r, die/der den Dschungel überlebt hatte. Im Hubschrauber sah er/sie dem nach Schweiß stinkenden Sanitäter in die Augen und sagte: "Es waren nicht die Russen( Amerikaner, Chinesen, Deutschen, Hindus, Alpha Centauren, etc...), es waren diese...."Noch während seine/ihre blutverkrusteten Lippen die Worte herauszupressen vesuchten, wirkte die Injektion, die durch die schnell gestochene Kanüle floß, und von den Augenrändern her überzog Dunkelheit die Welt.
Danke, dachte er/sie, während der Hubschrauber stetig gen Heimat flog."

Beides ist irgendwo offen. Bei a) ist nicht klar, daß der Protagonist überlebt, bei b) ja, aber wer war es, was sollt über diese Lippen kommen? Wer es schafft, KGs ohne irgendeine Auflösung zu schreiben, so, daß der Leser trotzdem zufrieden ist, braucht - denke ich gerade - mehr Arbeit, als einer, der eine wie auch immer geartete Auflösung schreibt (wobei zumindest b einen Ansatz geben könnte).

Aber da es jetzt fünf Uhr morgens ist und ich gerade von einem Geburtstag komme, mag ich hier noch drunter schreiben, daß ich dummerweise unter extremen Alkoholeinfluss stehe und deswegen erst morgen Verantwortung für diesen Text übernehme.

Aber bis jetzt gefällt er mir.

Gruß, baddax

[Beitrag editiert von: baddax am 03.02.2002 um 05:20]

 

Hallo Gedankenprobe,

als erstes müsstest du "Kurzgeschichte" definieren. Ad hoc:

1. Kurzgeschichte als eigenständige Literaturform

Die Charakterisierungen erfolgen i.d.R. implizit durch die Schilderung der Situation und die Handlungen der Personen. Das Ende der Geschichte ist offen, d.h. es lässt den Leser nachdenklich zurück.

2. Kurzgeschichte im Sinne von "kurzer Geschichte"

Die Charakterisierungen erfolgen i.d.R. explizit. Die Geschichte hat ein abgeschlossenes Ende.

3. Kurzgeschichte im Sinne von "kurzer Text"

Sonstiges. - Wie's dem Autor beliebt.

Klaus

 

Baddax !
Wahnsinn
Zugeknallt und son´ Text
Hochachtung
Aber bedenke daß der/die/das Allohol in Massen genommen nicht gut bekommen.
lolol
Gruß
Von dem/der/die/das Dreimeier/in
Wo ist meine Eimerin? Schnell
:D :bounce:

 

Die Frage ähnelt der nach dem idealen Partner oder dem Lieblingsessen. Wie sollten sie beschaffen sein?

Lecker und bekömmlich.

 

Prost Baddax und Danke für die Tips. Starscratcher (Danke) hat sich mit der Definition der `Kurzgeschichte´ befasst und deswegen komme ich gleich zur nächsten Frage.

Wann sind die Grenzen einer Kurzgeschichte erreicht ? Wann wird aus einer Kurzgeschichte eine Novelle oder ein Roman ? Gibt es Definitionen, der Länge einer Kurzgeschichte betreffend ?

Bin mal gespannt, ob mir jemand darauf antworten kann...

Grüße,
Peter (Gedankenprobe)

 

Ich glaube das Thema hatten wir schon.
Ich finde die Geschichten hier schon extrem kurz.
Im Moment lese ich Roald Dahl.
Sind das noch Kurzgeschichten?

 

Hallo Gedankenprobe,

definiere die Charakteristika einer Kurzgeschichte. Danach definiere die einer Novelle oder was auch immer. Wenn du das getan hast, kannst du dir deine Frage selbst beantworten.

Klaus

 

Vorweg eine kurze Bemerkung...ich sehe ein, dass es Leute hier interessiert, Meinungen von anderen Autoren zu hören...dazu ist dieses Forum schließlich da...sehe aber auch immer wieder Fragen, die sich am einfachsten und differenziertesten dadurch beantworten ließen, indem man mal einen Blick ins Literaturlexikon (sollte jeder, der halbwegs interessiert am Lesen/Schreiben ist, besitzen!) wirft...klar werden von der Literaturwissenschaft festgelegte Normen/Regeln etc oft als zu stoisch kritisiert, als Leithilfe bzw Orientierung sind sie aber in fast jedem Fall von Nutzen.

Meine Definition der Kurzgeschichte...der Gegensatz zum Roman (mal abgesehen von der Länge, ha, ha) besteht hauptsächlich in der Reduktion von Figuren, Handlungssträngen, Schauplätzen, Episoden...daraus folgt die Konsequenz, dass eine gute KG ein für mich intensivere, sinnverdichtende Sprache benötigt, leitmotivische und symbolische Techniken und ein suggestiver Erzählstil sind praktisch ein Muss...typisch ist vor allem für die "klassische" KG ein pointierter und/oder offener Schluß und ein ausschnitthafte, momentartige, teilweise stark geraffte Handlung.

Davon mal abgesehen, eignet sich die Kurzgeschichte meiner Meinung nach besonders gut zum Experimentieren...da brauch man sich nur mal verschiedene Autoren verschiedener Regionen anschauen...Twain zum Beispiel benutze die KG oft für humoristische Erzählungen; Steinbeck / Wright / Bellow / Salinger / Baldwin ("kenn ich alle nicht?" - "Dann wird's aber Zeit!") zur realistischen Darstellung gesellschaftlicher Probleme; Poe, berühmt-berüchtigt als einer der Erfinder der Kurzgeschichte experimentierte mit Ideen wie Totalität von Effekten, Suggestivität und konstruirte KGs "von Ende her"; Maupassant's Stil zeigt eine kommentarlos erzählte, ausschnitthafte und zugespitzt pointierte KG; Tschechov's (gähn, aber naja)Texte sind oft eher handlungsarm, offen und atmosphärisch gestimmt...Autoren gibt es Tausende, und vermutlich fast so viele Variationen der KG...von ideologisch nutzbar bis lakonisch erzählt, realistisch, parabelhaft, satirisch, grotesk, dokumentarisch, zeitkritisch, etc, etc...heißt: die Kurzgeschichte ist extrem flexibel, meiner Meinung nach die flexibelste Textgattung...man kann im Prinzip alles mit ihr machen, sollte aber zusehen, dass man es gut macht ;)

San

 

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