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Ich bin wie du

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19.03.2003
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Ich bin wie du

Ich bin wie du

Jens drehte, wie jeden Nachmittag, seine Runden mit dem Fahrrad durch das alte Dorf. Die Menschen hier kannten ihn und wenn er sie fröhlich grüßte, nickten sie ihm freundlich zu. Dann und wann blieb Jens stehen, wenn er etwas erspähte, was seine kindliche Neugierde fesselte. Im Frühling war der Hufschmied im Dorf. Beim Reiterhof stoben die Funken, metallische Klänge erfüllten die Luft und der beißende Gestank vom verbrannten Horn stieg Jens in die Nase.
Wenn ich einmal groß bin, möchte ich Hufschmied werden, dachte er selig.
Das Dorf hatte auch eine freiwillige Feuerwehr. Zur Sommersonnenwende entzündeten die Dorfbewohner ein Feuer, buken Stockbrot und tranken Bier und Wein. Sie saßen auf Heuballen rund um die Feuerstelle, erzählten sich Geschichten.
Die hell lodernden Flammen durchdrangen die Dunkelheit und spiegelten sich in dem glänzendroten Lack des Feuerwehrwagens. Jens betrachtete versunken das Spiegelbild der züngelnden Lichter.
Sehnsüchtig dachte er, wenn ich einmal groß bin, möchte ich Feuerwehrmann werden.
Der Frühsommer war auch die Zeit, in der Heu gemacht wurde. Das Gras stand hoch und saftig auf den Wiesen. Hahnenfuß, Adonisröschen, Wiesenschaumkraut, Sauerampfer und Butterblumen waren die bunten Farbkleckse in dem grünen wogenden Meer.
Insekten summten in der flirrenden Hitze bis die Schnitter kamen. Der Boden war fest, so dass die schweren Maschinen ihre Arbeit schnell verrichteten. Der Lärm durchbrach die Idylle. Jens stand am Feldrain, zitterte ein wenig vor den furchteinflößenden Monstern, die das Gras niedermähten und als Ballen wieder ausspuckten. Er bewunderte ihre Kraft, ihre Ausdauer und ihre Gewalt.
Wenn ich einmal groß bin, wünschte er sich, möchte ich auch stark sein.
Das alte Dorf hatte am Rand Zuwachs bekommen. Es waren Städter, die aufs Land gezogen waren. Sie bauten sich schöne große neue Häuser, ganz anders als diejenigen, die Jens sonst kannte. Erstaunt beobachtete er, wie schnell sie wuchsen.
Einmal hatte er gesehen, wie ein Haus innerhalb von wenigen Stunden fertiggestellt wurde. Große Platten wurden von einem Lastkran zusammengefügt. Ein riesiger Dachstuhl schwebte an einem Haken, bis er sorgfältig ausbalanciert auf die Wände gestellt wurde. Die Genauigkeit, mit der die Arbeiter die großen Bauteile zusammensteckten, war für ihn ein geheimnisvoller Zauber. Jens bestaunte deren Geschick und so wünschte er sich, wenn ich einmal groß bin, möchte ich auch so sein, dass die Menschen mich bewundern.
Mit den neuen Dorfbewohnern kamen auch Kinder in das Dorf. Jens hörte ihr Lachen, wenn sie in den Gärten spielten. Er weitete seine Erkundungsfahrten auf die neue Siedlung aus. Zunächst rätselte er, warum die neuen Dorfbewohner ihre Gärten einzäunten und jedes Kind eine eigene Schaukel und Sandkiste hatte. Dann bemerkte er, dass diese Kinder noch sehr klein waren. Regelmäßig besuchte er die Trabantenstadt und schaute ihnen beim Spielen zu. Niemals traute er sich, eins anzusprechen, obwohl er gerne mitgespielt hätte. Die Eltern warfen ihm immer so seltsame Blicke zu, wenn er am Wegesrand stand. Sie tuschelten mit ihren Kleinen und zogen sie ins Haus hinein. Jens war traurig und sein Herz zog sich wehmütig zusammen.
Wenn ich einmal groß bin, habe ich viele, viele Freunde.
Es war schon Herbst, es dunkelte schon. Jens wollte nach Hause radeln. Ein Wimmern ließ ihn aufhorchen. Das Mädchen hockte verängstigt hinter einem Gebüsch. Jens ging hin und strich ihr über den Kopf.
Wollen wir spielen?
Er zog das widerstrebende Kind heftig am Arm. Es schrie gellend.
Jens bekam Angst und lief davon.
Zuhause verkroch er sich in sein Zimmer. Irgendwann klingelte es.
Sein Vater schlurfte zur Haustür. Zwei Männer raunten, baten um Einlass.
Sie verlangten, Jens zu sehen. Die Stimme der Mutter klang aufgeregt, wollte wissen, was ihr Kind verbrochen hätte. Ungläubig hörten die Eltern die Vorwürfe der Beamten.
Nein, so etwas macht unser Jens nicht. Warum auch, er ist doch wie ein achtjähriges Kind.
Die Polizisten sahen sich vielsagend an.
Aber er steckt im Körper eines vierzigjährigen Mannes.

 
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Hallo Goldene Dame,

so schön, wie du diese Geschichte über Jens geschrieben hast, so unklar ist sie mir leider auch.
Dir gelingt es wunderbar, mich in Jens´ Gedanken und Träume zu ziehen, in seine Fantasie und in das, was er bewundert.
Er ist wirklich Kind von ganzem Herzen. Unklar ist mir allerdings, ob du auf eine geistige Behinderung oder auf einen psychischen Defekt hinaus willst.
Ist Jens ein Mann mit Michael-Jackson-Syndrom oder ist er ein Mann, der neben der Psyche eines Kindes auch die Libido eines Kindes hat.
Für die Bewertung seiner Umwelt ist es egal, sie beobachten beides mit dem gleichen Argwohn, nur meine Neugier würde das gerne wissen. ;)
Habe ich da was überlesen?

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim,
danke erst mal fürs Lesen.
Ich hatte zwar mal auch einen Jörg als Prot. Dieser heißt aber Jens. ;)

Er ist wirklich Kind von ganzem Herzen. Unklar ist mir allerdings, ob du auf eine geistige Behinderung oder auf einen psychischen Defekt hinaus willst

Ich wollte mich nicht festlegen, ob eine geistige Behinderung vorliegt, aber das schwebte mir vor.
Ist Jörg ein Mann mit Michael-Jackson-Syndrom oder ist er ein Mann, der neben der Psyche eines Kindes auch die Libido eines Kindes hat.
Michael-Jackson-Syndrom *KICHER*

Ja ob, Jens nur geistig auf dem Stande eines Kindes ist...Es war meine Absicht, es offen zu lassen, um dem Leser Spielraum für eine Bewertung zu geben.

Ist deine Neugierde befriedigt? :cool:

Dir gelingt es wunderbar, mich in Jörgs Gedanken und Träume zu ziehen, in seine Fantasie und in das, was er bewundert

Danke für dein Lob,
Goldene Dame :)

 

Hallo Goldene Dame!

Deine Geschichte gefällt mir, besonders die Stelle, wo Jens sich wünscht, wenn er groß ist, auch so stark wie die Mähmaschinen, diese furchteinflößenden Monster zu werden. Er beseelt sie, hält sie für Lebewesen, was Kinder gerne tun: "Der Teddybär ist traurig." "Das Auto schläft in der Garage". Ja, und ich fürchte, dieser Wunsch erfüllt sich ihm, als er an das kleine Mädchen gerät. Für sie ist er wirklich solch ein "furchteinflößendes Monster". Er hat das kleine Mädchen vergewaltigt und entjungfert, wie ich vermute.
Ein archetypisches Bild für Entjungferung ist das Abreißen einer Blume. "Die Blume pflücken" - so umschreibt man das, oder "deflorieren", von lateinisch de-flor-are, worin der Stamm flos, floris "Blume, Blüte" enthalten ist. Auch Goethes Gedicht "Gefunden" (Ich ging im Walde, so für mich hin) beschreibt symbolisch eine Verführung und Entjungferung, wonach das Mädchen aber nicht wie so oft sitzen gelassen wird.) Dem entspricht in deinem Text, dass die Mähmaschinen offenbar nicht nur Grashalme abschneiden, sondern auch Wiesenblumen: Hahnenfuß, Adonisröschen und andere. Ich fürchte, im Unterbewusstsein hat ihn der Wunsch getrieben, überwältigend und zerstörerisch über das Mädchen zu kommen wie die bewunderten Mähmaschinen über die Wiesenblumen. Er ist kein Unschuldsengel, dieses Kind im Körper eines 40-jährigen Mannes. Er hat es in sich, dein Text!

Grüße gerthans

 

Hallo Goldene Dame

sehr schön hast du mich in die Empfindungen, die Leiden und Gedanken von Jens geführt. Wie allein und traurig doch manche Behinderte oder einfach nur zurückgebliebenen Menschen sind. Ich hatte in meiner Kindheit auch einen Freund, der Zurückgeblieben ist. Es war traurig anzusehen, wie er immer aus dem Schlafzimmer seiner Eltern versucht hat mit den Leuten auf der Straße kontakt aufzunehmen. Er winkte jedem zu. Von seinen Eltern wurde er versteckt, durfte nicht zur Schule, geschweigedenn zum Spielplatz. Mit der Zeit entwickelte sich eine schöne Freundschaft zwischen Rudi und uns Kindern. Wir saßen immer vor seinem Fenster und unterhielten uns mit ihm. Irgendwann ließen seine Eltern ihn sogar zu uns auf die Wiese. Ich hatte nie Angst, daß er uns etwas antun würde. Dann war er nicht mehr da. Es war eine schöne Freundschaft.
Bei deiner Geschichte, hatte ich nicht einmal, an den Versuch einer Vergewaltigung gedacht. Nur daß doch sehr schnell jemand abgestempelt werden kann.

Ich hab sie gerne Gelesen und in meinen Erinnerungen gekramt.

Einen schönen Abend wünsch ich dir

Morpheus

 

Hallo noch mal Goldene Dame,

Ich hatte zwar mal auch einen Jörg als Prot. Dieser heißt aber Jens.
Entschuldigung, das tut mir Leid. Wie konnte ich so unkonzentriert sein.
Ist deine Neugierde befriedigt?
Es war mir schon klar, dass du es offen lassen wolltest. Da muss meine Neugier halt auf der Strecke bleiben. ;)

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Morpheus!


Bei deiner Geschichte, hatte ich nicht einmal, an den Versuch einer Vergewaltigung gedacht. Nur daß doch sehr schnell jemand abgestempelt werden kann.
Ich muss voranschicken, dass ich keine spezielle Erfahrung mit Behinderten habe. Den Text der Goldenen Dame habe ich nicht so sehr als Fallbeispiel eines Behinderten gelesen, sondern eher als Parabel, dass es ja viele Männer gibt, die körperlich voll ausgereift und stark, aber geistig-seelisch noch zurückgeblieben, in wichtigen Punkten infantil geblieben sind, was auf so manchen Rambo-Typen und Schläger zutreffen mag. (Man könnte auch politisch werden und an Bush und seinen Irak-Krieg denken, darf den Vergleich aber nicht zu weit treiben, die Saddam-Anhänger sind ja nicht schwach und unschuldig wie kleine Mädchen). Der Geist soll ja den Körper regieren, und die Seele eines achtjährigen Kindes ist da in einem voll ausgereiften Männerkörper mit seinen Muskeln, Hormonen, Trieben. Das ist unheimlich. Als ob ein achtjähriger Junge heimlich das Pferd seines Vaters besteigt, das dann mit ihm durchgeht.

Grüße gerthans
PS: Das Abbrechen einer Blume als archetypisches Symbol für eine Entjungferung und Vergewaltigung ist auch in Goethes Gedicht "Heidenröslein": "Sah ein Knab ein Röslein stehn..."

 

Hallo gerthans

da muß ich dir Recht geben. Wenn man die Geschichte als kleines Beispiel für unsere gesamte Gesellschaft sieht, trifft sie auf viele Gegebenheiten zu.
Es wird sich leider nichts ändern es kann nur jeder für sich, ein wenig umdenken.

Schönen Sonntag

Morpheus

 

Hallo Goldene Dame,

die anderen Kommentatoren haben ja schon einiges in deine Geschichte hineininterpretiert und dabei vor allem auf die Unklarheit am Ende hingewiesen.

Mir kam die Geschichte am Anfang vor, wie ein Märchen. Sie spielt in einer idyllischen Landschaft. Betulich und ohne erkennbaren Konflikt vergehen die ersten zwei Drittel des Textes damit, eine bäuerlich langweilige Gesellschaft und die in leichter Abwandlung immer wiederkehrenden Wünsche eines Kindes zu beschreiben. Vor allem Jens' Wünsche führen zu diesem "Märchen-Feeling" (Die Frau wünscht sich ein Haus, der Fischer geht zum Fisch, die Frau bekommt das Haus, die Frau wünscht sich ein größeres Haus, der Fischer geht zum Fisch, die Frau bekommt das größere Haus, die Frau wünscht sich ein Palast, der Fischer geht zum Fisch, die Frau bekommt den Palast, usw.). Bis auf seine Wünsche wird jens ansonsten praktisch nicht beschrieben, sodass er in meiner Phantasie sehr unscheinbar blieb.

Dann passiert etwas mit dem Mädchen, und die ganze märchenhafte Ausrichtung des Textes wird auf den Kopf gestellt, was ich sehr gut finde, weil es den Leser geradezu aufrüttelt (so als ob Schneewittchens Prinz plötzlich drogensüchtig oder Rapunzel eine Prostituierte wird). Das Problem ist, dass das Geschehen aber praktisch nicht beschrieben wird, nicht mal aus der Sicht des Kindes. Keinesfalls ist es ausreichend, um zu begreifen, was Jens tut oder denkt. Das steht im krassen Gegensatz zu den ausführlichen Schilderungen der banalen landwirtschaftlichen Verrichtungen aus dem ersten Teil des Textes und lässt den Leser nicht erschüttert sondern nur ratlos zurück.

Kurz: Ich kann den Prot. nicht verstehen, und ich sehe ihn auch nicht vor mir. Damit der Leser mit Jens fühlen und ihn verstehen kann, müsste er m. M. nach besser und vielschichtiger beschrieben werden.

Beste Grüße
kangorny

 

Hallo gerthans und morpheus,

erst mal freue ich mich, das euch meine Geschichte gefallen hat und dass ihr zwei konträre Ansichten hinsichtlich der Textaussage findet.

Er hat das kleine Mädchen vergewaltigt und entjungfert, wie ich vermute.
Er ist kein Unschuldsengel, dieses Kind im Körper eines 40-jährigen Mannes.
Bei deiner Geschichte, hatte ich nicht einmal, an den Versuch einer Vergewaltigung gedacht. Nur daß doch sehr schnell jemand abgestempelt werden kann.
Welche der Aussagen, die zutreffende ist, möchte ich offen lassen, da ich die anderen Leser ermutigen möchte ihre Schlussfolgerungen aus dem Text abzuleiten.
@ gerthans

Deine Argumentation kann ich nachvollziehen.
Du stellst auf die Wirkung des Monsters und des Heumachens ab.

Der Geist soll ja den Körper regieren, und die Seele eines achtjährigen Kindes ist da in einem voll ausgereiften Männerkörper mit seinen Muskeln, Hormonen, Trieben. Das ist unheimlich. Als ob ein achtjähriger Junge heimlich das Pferd seines Vaters besteigt, das dann mit ihm durchgeht.

Danke auch für deine ausführliche dargelegte Meinung. Ich sehe sie als eine zusätzliche Auszeichnung meines Textes an.

@ morpheus

Deiner Schlussfolgerung kann ich ebenso folgen.
Ich freue mich, dass ich Erinnerungen in dir wachrufen konnte, die du aufgrund einer Freundschaft mit Behinderten gemacht hast.
Danke für deine Anerkennung.
@ sim ;)

soll ich dir eine PM schreiben, oder hältst du es aus bis ich das Geheimnis hier im Thread lüfte.

Liebe Grüße
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,

Deine Geschichte hat mich sehr bewegt. Ich habe jeden Tag Kontakt zu körperlich oder geistig Behinderten. Es ist unmöglich sie nach "unseren" Maßstäben zu beurteilen, aber "ihre" Maßstäbe kennen wir auch nicht...

Berührend geschrieben. Danke.

Liebe Grüße
Tourist

 

Hallo kangorny oder knagorny ;)

Vielen Dank das du meine Geschichte gelesen hast.

die anderen Kommentatoren haben ja schon einiges in deine Geschichte hineininterpretiert und dabei vor allem auf die Unklarheit am Ende hingewiesen.
Ja, bisher hatte sim darauf hingewiesen, er hatte aber auch erkannt, das dies genau meine Absicht war.
Der Leser soll mitarbeiten, das funktioniert aber nur, wenn ihn der Text anspricht.
Dieses Ziel habe ich offenbar bei dir nicht erreicht, da Jens in deiner Phantasie unscheinbar geblieben ist.
Dem kann ich nur entgegenhalten, dass Kennzeichen einer KG ist, die Charaktere einer Geschichte nur zu skizzieren. Üblicherweise soll der Charakter indirekt aus dem Handeln und des Verhalten des Prot geschlossen werden.
Vor allem Jens' Wünsche führen zu diesem "Märchen-Feeling"

Was du Märchen-Feeling nennst, erkennen andere als kindliche Geisteshaltung.

Dann passiert etwas mit dem Mädchen, und die ganze märchenhafte Ausrichtung des Textes wird auf den Kopf gestellt, was ich sehr gut finde, weil es den Leser geradezu aufrüttelt

Du hast den Konflikt der die Wende in das Geschehen bringen soll ausgemacht. Danke.
Das Problem ist, dass das Geschehen aber praktisch nicht beschrieben wird, nicht mal aus der Sicht des Kindes. Keinesfalls ist es ausreichend, um zu begreifen, was Jens tut oder denkt.
Da du Jens Charakter nicht verinnerlichen konntest, fehlt dir natürlich jetzt der Bezug.

Kurz: Ich kann den Prot. nicht verstehen, und ich sehe ihn auch nicht vor mir. Damit der Leser mit Jens fühlen und ihn verstehen kann, müsste er m. M. nach besser und vielschichtiger beschrieben werden.
Leider ist es mir nicht gelungen, dich in meinen Text hineinzubeziehen.
Die Gründe hast du oben dargelegt.
Danke für deine offene Kritik, sie hat mir geholfen einige Punkte in Sachen Verständnis des Textes zu überdenken.
Liebe Grüße
Goldene Dame

 

Hallo tourist,
ich freue mich, dass meine Geschichte dich erreichen konnte.

Es ist unmöglich sie nach "unseren" Maßstäben zu beurteilen, aber "ihre" Maßstäbe kennen wir auch nicht...

Du hast es auf den Punkt gebracht. :)
Berührend geschrieben. Danke.
Gleichfalls:)
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,

ich hatte, ebenso wie Morpheus, nicht an eine Vergewaltigung gedacht. Ich dachte er hätte seine Kraft unterschätzt und etwas fester an ihrem Arm „gezogen“ als er es vorhatte. Aber da ich nun über die Metapher mit dem Pflücken einer Blume aufgeklärt bin, muss ich das ganze noch mal neu auslegen; ich denke schon eher, dass seine Hormone, bei denen er wohl kaum in der Lage ist sie zu unterdrücken, eine essentielle Rolle spielen. Mit der Mentalität eines 8-Jährigen „spielt“ er also mit dem kleinen Mädchen um sie aufzumuntern. Doch bedauerlicherweise auf seine Art und Weise.

Meines Erachtens eine schockierende Geschichte, dass so etwas Trauriges und Scheußliches besteht. Sehr toll geschrieben, auch wenn der notwendige Anfang etwas ermüdet.

Ryoga

 

Man o man, was für wirre Interpretationen eines simplen Textes! Geschehnisse, die irgendwann im Sommer stattfanden – Grass wird geschnitten -, sollen Hinweise sein auf Dinge, die im Herbst – vielleicht sogar des folgenden Jahres – passieren?

Warum bemüht man sich nicht und liest einfach die entscheidende Stelle:

Es war schon Herbst, es dunkelte schon. Jens wollte nach Hause radeln. Ein Wimmern ließ ihn aufhorchen. Das Mädchen hockte verängstigt hinter einem Gebüsch. Jens ging hin und strich ihr über den Kopf.
Wollen wir spielen?
Er zog das widerstrebende Kind heftig am Arm. Ihre Schreie gellten durch die Nacht.
Jens bekam Angst und lief davon.
Das ist alles, was da passiert ist. Mehr darin zu sehen ist Unsinn.*

Dion

* ich hatte einmal die Gelegenheit von einem Maler eines seiner Bilder, auf dem auch ein Huhn zu sehen war, erklärt zu bekommen. Er sagte, aus dem Fenster des Ateliers war dieses Huhn zu sehen, da hat er ihn gemalt – weil er bis dahin noch nie ein Huhn gemalt hatte -, er hätte auch einen Baum oder ein Pferd malen können, die Stelle auf dem Bild wäre sonst zu kahl gewesen. Jahre später war ich in einer Ausstellung. Auch dieses Bild hing da, davor eine Gruppe von Schüllern mit ihrer Lehrerin. Sie erklärte ihnen das Bild und zu dem Huhn erzählte ihnen Abenteuerliches – dass er eine tiefere Bedeutung hätte und in Zusammenhang mit irgendwelchen anderen Dingen auf dem Bild stünde, die Einzelheiten habe ich vergessen: es war alles frei erfunden.

 

Genau! Ich schließe mich Dions Ausführungen an.
Mutmaßungen über eventuell im Text versteckte Botschaften stiften nur Verwirrung.

Die Beschreibung des Protagonisten läßt auf einen kindlichen Charakter schließen, der lediglich die Freundschaft von Spielgefährten sucht.
Meine Meinung.

Ciao
Antonia

 

in einer Kurzgeschichte ist, im Gegensatz zu einem Roman, nichts einfach so dahingeschrieben. Alles hat etwas mit dem Geschehen und dem Hintergrund zu tun. Natürlich sind Fehlinterpretationen nicht zu vermeiden; und in diesem Falle nicht mal ganz unwahrscheinlich, aber dennoch sollte jeder die Geschichte so Aufnehmen, wie es ihn Anspricht. Die Wahrheit kennt eh nur der Autor.

 

@Dion:

ich hatte einmal die Gelegenheit von einem Maler eines seiner Bilder, auf dem auch ein Huhn zu sehen war, erklärt zu bekommen. Er sagte, aus dem Fenster des Ateliers war dieses Huhn zu sehen, da hat er ihn gemalt – weil er bis dahin noch nie ein Huhn gemalt hatte -, er hätte auch einen Baum oder ein Pferd malen können, die Stelle auf dem Bild wäre sonst zu kahl gewesen.

In einem guten Kunstwerk ist kein Detail zufällig.

Grüße gerthans

 

Hallo Goldene Dame,
mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen, ich konnte mir das von dir beschriebene Dorf gut vorstellen und das Thema regt zum Nachdenken an. Die Beschreibungen des Dorfes und auch von Jens haben mich an meine eigene Kindheit erinnert. Bei uns im Ort gab es auch so jemanden wie Jens. Meine Eltern haben mich immer vor ihm gewarnt, mir eingebleut, ja nicht in seine Nähe zu gehen, sodass ich auch jedes Mal voller Panik weggelaufen bin, wenn ich ihn gesehen habe. Und dabei hätte er doch vielleicht auch wie Jens einfach nur mit mir reden oder spielen wollen. Schade, dass da einfach immer so viele Vorurteile aufgebaut werden.

LG
Blanca :)

 

Hallo Goldene Dame,

hat mir gefallen, die Geschichte von Jens. Im Gegensatz zu meinen Vorrednern möchte ich jedoch nichts in die Geschichte hineindeuten; vielmehr will ich kurz auf Deinen Stil eingehen. Der durch einen kleinen „Kunstgriff“ noch zu verbessern wäre: Streiche alle Adjektive!
Und dann lies Dir den Text noch einmal durch. Solltest Du eine Stelle finden, an der ein Adjektiv zwingend erforderlich ist, kannst Du es wieder einsetzen. Ich bin mir sicher, dass 80 % aller Adjektive nicht wieder auftauchen. :teach:

Ein, zwei Beispiele?

Jens drehte, wie jeden Nachmittag, seine Runden mit dem Fahrrad durch das alte Dorf.
Die hell lodernden Flammen durchdrangen die Dunkelheit und spiegelten sich in dem glänzendroten Lack des Feuerwehrwagens
Ein besonders schönes Beispiel für Adjektivitis. :D Wie, wenn nicht hell, sollen Flammen sonst lodern? :hmm: Also kannst Du hell getrost streichen. Und da in Deutschland Feuerwehrwagen per se rot sind, kannst Du auch glänzendrot streichen. Das Ergebnis wirkt um ein vielfaches kraftvoller als sein Vorgänger: Die lodernden Flammen durchdrangen die Dunkelheit und spiegelten sich in dem Lack des Feuerwehrwagens.
Und ein letztes:
Sein müder alter Vater schlurfte zur Haustür.
Müde kannst Du getrost streichen, dass der Vater müde ist, kann der Leser durch das von Dir gewählte Verb erkennen. :susp: Ein Zweifelsfall ist „alt“. Klar, Du willst bereits an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es sich bei Jens nicht um einen Achtjährigen handelt. Allerdings raubst Du mit diesem Hinweis Deiner Pointe (auch wenn sie nicht als Pointe im humoristischen Sinne gemeint ist) ein wenig die Kraft. Ich persönlich würde auf das Attribut „alt“ in diesem Satz (auch in dem mit der „alten Mutter“) verzichten.

Probier’s mal aus. Streich alle Adjektive und leg die beiden Texte nebeneinander. Meist gewinnt ein Text, wenn man auf das ein oder andere Adjektiv verzichtet, es streicht oder - was auch öfter geht, als man denkt - es durch ein Verb ersetzt. Oder um einen ehemaligen Chefredakteur (dessen Name mir leider entfallen ist) zu zitieren: „Bevor Sie ein Adjektiv verwenden, kommen Sie zu mir in den dritten Stock hinauf und fragen um Erlaubnis.“

Folgende Stelle würde ich auf jeden Fall überarbeiten

Regelmäßig besuchte er die Trabantenstadt...
Eine Trabantenstadt ist etwas anderes als das, was Du meinst. Was Du meinst, ist ein Neubaugebiet. Vor allem aber bin ich, da Du mir zuvor so schön ein Dorfmilieu geschildert hast, über den Begriff "Stadt" gestolpert. Eine Trabantenstadt in einem Dorf. Das beißt sich :D

Ich hoffe, Du kannst mit diesen Anmerkungen etwas anfangen.

Viele Grüße
George

 

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