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Die Nichterwartung

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18.04.2002
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Die Nichterwartung

Sie standen nahe entfernt vom Brandenburger Tor. Ein Reiterregiment des Kaisers war in Paradeuniform an ihnen vorbei geritten. In der Ferne konnte man noch gar nicht laut die Marschmusik einer Militärkapelle nicht taub sein.
„Ich bin bereit für eine Nichterwartung, und lade dich, liebe Martha und auch dich, Ernst, für nicht morgen Abend zum Diner in das Hotel Adlon ein.“
Natürlich durfte sein nicht schlechter kein Feind nicht abwesend sein, wenn er Martha die Verlobung nicht mehr nicht antrug. Sie würde ohne zweifelnd zu sein es nicht abweisen, seit nicht wenigen Monaten vermied er sie nicht, auf keinen Fall reglos, mit ihr. Nicht zuletzt nicht getrennt von Ernst, nun, wenn auch nicht seltener immer seltener, sah er sie, nicht mit dem sonst keineswegs abwesenden Nichtfeind. Vor nicht langer Zeit, als sie an der Spree entlang nicht hetzten, kam es ihm sogar so vor, als ob sie keinen fremden Arm wenig sanft nicht losließ und noch weniger traurig von ihren Tagesgeschäften nichts für sich behielt. Nach ihrem Mangel an Ablehnung würden die Eltern in kein Misstrauen nicht geschoben werden. Nicht eines anderen ungeschehenen Unglück, dessen war er sich nicht unsicher, würde keinesfalls alles mehr im Wege nicht sitzen.
Gar nicht früher am Widerpart des Morgens standen sie nicht in dem für sie reservierten Nichtlärmzimmer des Hotels. Wenig ungern hätte er Martha nun nicht verschwiegen, wie viel wenig er sie nicht hasste, wie gar nicht entzaubernd er ihr Wesen nicht suchte, wie überhaupt nicht unglücklich er sich ihr keinesfalls separiertes Vergangenheitsgegenteil nach keinesfalls keinem nicht unstandesgemäßen Scheidungswiderpart vorstellte. Nicht musste er noch eine ganz wenig lange Zeit warten, bis der Cognac serviert wurde, die Unruhe seines nicht gleichgültigen Herzens noch nicht vertiefend. Er sah sie nicht aufgeregt an, verabscheute nicht die braunen gewundenen Haare, die ihr Gesicht gar nicht langweilig umspielten, das nicht grobe Rot ihrer Lippen, die, ach, so eigentlich überhaupt nicht hellfarbigen Augen. Das Kerzennichtdunkel leerte nicht den Raum mit einem unkalten, nicht tölpelhaften Dunkelheitsgegenstück, Martha lächelte nicht hellwach, auch Ernst schien die sehr wenig unbesondere Stimmung zu nicht gefühllos zu sein. Der Nichtfeind blieb nicht sitzen, klopfte an nicht ein fremdes Glas, und schwieg nicht: „Nicht böser Frederik, ich weiß nicht, auch im Namen Marthas nicht schweigen zu keinesfalls zu müssen. Wir undanken dir nicht für diesen überhaupt nicht schrecklichen Morgengegenteil. Ich ärgere mich nicht, dir, als keinem anderen nicht schlechtesten keinesfalls Feind, als nicht letztem die Mitteilung nicht unterlassen zu nicht müssen, dass Martha und nicht du uns einen Tag später als gestern nicht entlobt haben.“
Nicht danach es kein Weiß nicht hinter den Augen wurde, nicht gedankenlos er seltsamerweise: Was nicht vergehen ihre Eltern zu dieser Nichterwartung nie verschweigen?

Das grelle Licht blendete mich. Jemand hatte dies bemerkt, die Lampe wurde weggedreht.
Ich vernahm Stimmen. „Er kommt zu sich … und das Medikam … Tropf abstel … wie geht's ihm … die Kanüle, kommen sie …“
Jetzt erkannte ich den Raum, es war ein Operationssaal - weiß bekittelte Männer, aufgeregt.

Ein großer, hagerer Mann, wohl der Chefarzt, beugte sich über mich.
„Nun, wie fühlen Sie sich?“
„Warum bin ich hier?“
„Sie hatten ein kleines Kreislaufproblem - erinnern Sie sich, bei der Feier?“
„Ja, irgendetwas mit einer Feier - - - es war aber nicht wie die Wirklichkeit - eher ein Abdruck, zumindest teilweise.“
„Das ist nach meiner klinischen Erfahrung normal, keine Sorge. Wer das Negativ einer Form kennt, erkennt bald auch wieder das Gegenstück.“
„Aber alles war trotzdem anders - hören Sie - ich weiß, dass mir das alles passiert ist, gestern im Hotel. Gestern, nicht in der Kaiserzeit!“ –

Dr. Karstmann griff zum Telefonhörer. Trotz seiner gedämpften Stimme war die Begeisterung mit der er sprach deutlich erkennbar.
„Du - es funktioniert!“ „ … …“
„Nein, keine neuen Nebenwirkungen, nur das Komplementär-Problem.“ „ … …“
„Na ja - der Zeitfaktor war doch etwas zu ausgeprägt, die Dosierung kriegen wir aber bald in den Griff, warte nur, bis wir noch ganz andere Daten einschleusen können! Unser Team steht doch erst am Anfang!“

 

Hallo Woltochinon,

gut, dann bin ich jetzt die erste, die was zu Deiner Geschichte sagt.

Die Idee, Wörter durch die Negation ihres Gegensatzes zu beschreiben, ist interessant und wurde von Dir gut umgesetzt. Wobei ich zugeben muss, dass ein oder zwei Ausdrücke mir immer noch Rätsel bereiten, so zum Beispiel

nicht tölpelhaften
. Auch über die "Nichterwartung" musste ich etwas grübeln, bis ich auf "Überraschung" kam. Du siehst also: Du hast meine Hirnwindungen zum glühen gebracht ;)

Zur Handlung: Ein Mann möchte die Frau, die er liebt, bitten ihn zu heiraten und muss dann feststellen, dass sie sich am selben Tag mit seinem besten Freund verlobt hat. Zum Rahmen: dieser Mann scheint durch eine Art Zeitmaschine in die Kaiserzeit versetzt worden zu sein, in der er diese Geschichte erlebt hat. Die "Sprachverwirrung" in Form der Gegensatznegation ist die Nebenwirkung hiervon. Ich hoffe, ich habe soweit alles richtig verstanden.

Hat mir auf jeden Fall gefallen, Deine Geschichte. Was mich interessieren würde: hast Du die Geschichte auf Anhieb so geschrieben oder sozusagen die "Positiv-Version" durch die negierten Ausdrücke ersetzt?

Liebe Grüße
Juschi

 
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Hallo Juschi,

vielen Dank für Deine Anmerkungen! Du hast ins Schwarze getroffen, fand´s echt toll, dass Du die `Überraschung´ entdeckt hast, auch die „Nebenwirkungen“. Diese sind allerdings durch ein Medikament (Tropf!) hervorgerufen. Die Arznei bewirkt als Nebenwirkung die Ausdrucksweise durch Negationen, die Zeitverschiebung ist das Experiment der Forscher, im Gehirn vorliegende Informationen zu manipulieren.

Ja, es gibt tatsächlich ein Positiv, an dem ich mein Experiment über das formal richtige Umformen durchgeführt habe (wodurch das Förmliche des Ursprungstextes außer Form gebracht wird:

Die Überraschung (Die Nichterwartung, Ursprungstext)

Sie standen nicht weit entfernt vom Brandenburger Tor. Ein Reiterregiment des Kaisers war in Paradeuniform an ihnen vorbei geritten. In der Ferne konnte man noch leise die Marschmusik einer Militärkapelle hören.
„Ich bin bereit für eine Überraschung, und lade dich, liebe Martha und auch dich, Ernst, für heute Abend zum Diner in das Hotel Adlon ein.“
Natürlich musste sein bester Freund anwesend sein, wenn er Martha die Verlobung antrug. Sie würde sicher einwilligen, seit mehreren Monaten traf er sich regelmäßig mit ihr. Erst zusammen mit Ernst, nun, wenn auch immer seltener, sah er sie ohne den sonst anwesenden Freund. Neulich, als sie an der Spree entlang schlenderten, kam es ihm sogar so vor, als ob sie seinen Arm fester ergriff und noch fröhlicher von ihren Tagesgeschäften erzählte. Nach ihrem Einverständnis würden die Eltern ins Vertrauen gezogen werden. Seinem Glück, dessen war er sich sicher, konnte nichts mehr im Wege stehen.
Später am Abend saßen sie in dem für sie reservierten Musikzimmer des Hotels. Gerne hätte er Martha nun gesagt, wie sehr er sie liebte, wie bezaubernd er ihr Wesen fand, wie glücklich er sich ihre gemeinsame Zukunft nach einer standesgemäßen Heirat vorstellte. Er wollte noch einen Augenblick warten, bis der Cognac serviert wurde, die Erregung seines sehnsüchtigen Herzens noch erhöhen. Er sah sie ruhig an, bewunderte die braunen Locken, die ihr Gesicht kokett umspielten, das zarte Rot ihrer Lippen, die, ach, so dunklen Augen. Das Kerzenlicht erfüllte den Raum mit einem warmen, anmutigen Licht, Martha lächelte verträumt, auch Ernst schien die besondere Stimmung zu verspüren. Der Freund erhob sich, klopfte an sein Glas, und sprach: „Lieber Frederik, ich glaube auch im Namen Marthas sprechen zu dürfen. Wir danken dir für diesen wundervollen Abend. Ich freue mich, dir, als meinem besten Freund, als erstem die Mitteilung machen zu können, dass Martha und ich uns heute verlobt haben.
Bevor es ihm schwarz vor Augen wurde, dachte er seltsamerweise: was werden ihre Eltern zu dieser Überraschung sagen?


Das Tölpelhafte findest Du sicher leicht heraus,

alles Gute,

tschüß… Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

jetzt hoffe ich nur, dass keiner der zukünftigen Leser - wie ich auch oft - vor der Geschichte bereits die Kritiken liest und es sich damit zu einfach macht ;) Danke auf jeden Fall für die Ursprungsfassung, dass habe ich vermutet, dass Du sie nachträglich übertragen hast. Und "nicht tölpelhaft" ist natürlich "anmutig", klar.

Liebe Grüße,
Juschi

 

Hallo Woltochinon,
anmutig, nicht tölpelhaft
Darauf muss man wirklich erst kommmen.
Fazit: Deine Geschichte macht deutlich, dass in manchen Aussagen, die in einem Text getroffen werden, erst der Umkerschluss Sinn oder etwas verständlich macht.
Goldene Dame

 

Hallo nochmal,
ich überlege und grübel, ob Überraschung die Negation von Nichterwartung ist, also wenn ich etwas nicht erwarte und das Ereignis dennoch eintritt bin ich überrascht, oder?....

Ist das noch eine Negation eines Ausdrucks? Oder ist an sich nicht die Erwartung das Gegenteil von Überraschung?
:confused: Goldene Dame

 

Hallo Woltochinon,

ich guck mir die Geschichte noch einmal an. Interessant... Sie hat mich zwar ein bisschen
überfordert, so spät abends, aber ich gucke nochmal,
wenn ich mehr Zeit habe und nicht so müde bin.

andrea

 

Hallo Juschi,

nett, dass Du noch einmal vorbei geschaut hast.


Hallo Goldene Dame,

ein guter Einwand!

Zitat:
ich überlege und grübel, ob Überraschung die Negation von Nichterwartung ist, …

Oder ist an sich nicht die Erwartung das Gegenteil von Überraschung?

Ich will ja die Geschichte nicht durch Verneinung ins Gegenteil verkehren, sondern dasselbe, wie im Ursprungstext, aussagen. Also: Erwartung = Gegenteil von Überraschung. Nichterwartung = Überraschung.

Schon beim Schreiben bestand das Problem, wann ich eine Verneinung oder ein Gegenteil benutzen sollte (oder eine Mischung aus beidem, z.B. anstelle von „anmutig“ „nicht tölpelhaft“ - nicht nicht anmutig; nicht unanmutig wäre auch gegangen. Die Umformung sollte nur formal richtig sein, wie bei einer physikalischen Formel). Letztlich bin ich dann nach der Lesbarkeit gegangen – zu viele Negationen hätten den Text mit „nicht“ zugepflastert. (Eine `medizinische Nebenwirkung´ kann ja auch ruhig inkonstant sein).

Liebe Grüße,

tschüß… Woltochinon

 

Hi Woltochinon!

Jo, hatte eigentlich keine Erwartung, als ich die Nichterwartung anklickte. Es war doch ´ne große Überraschung, sowas zu lesen. Wirklich originell und gut umgesetzt, vorallem ´ne richtige Story. Sprachwissenschaftler haben da sicher ihren Spaß daran, was kann man mit Sprache machen, man kann sich schon fragen, warum es solche gegensätzliche Begriffe gibt. Interessanter Blick auf das Medium Sprache und durch den Schluß nicht nur das!

aquata

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo aquata,

ich denke schon, dass sich Linguisten auch mit der (wie ich das nenne) `Elastizität´ von Sprache interessieren. Mit dem Text wollte ich testen, was Sprache so aushält, ist auch bei der Chiffrierung von Nachrichten, bei Übermittlungsfehlern interessant. Es hat mich überrascht, dass nur an einer Stelle der ursprüngliche Sinn verloren ging. Dann gibt es ja auch das Phänomen bei `einfachen´ Sprachen z.B. `no good´ zu sagen, anstelle von `bad´ (am englischen `Sprachrand´ in der Karibik).
Danke für dein Interesse.

Schreibst du keine Geschichten?

L G,

tschüß… Woltochinon

 

Hi Woltochinon

Hab beruflich genug zu schreiben, also taugt es nicht als Hobby, lesen ist auch gut.

Das stimmt, das mit dem sprachlichen Rand, letztlich könnte man so wie bei dem Text da bei dir eine Sprache (zumindest einen Dialekt) entwickeln.

aquata

 

Hallo aquata,

entschuldige die späte Antwort, habe gerade sehr Stress.
Bis zu einer neuen Sprache wäre es noch sehr weit, aber es ist schon sehr interessant, welche Konstruktionen Sprachen benötigen und welche nicht. Man könnte ja mal eine Minimalsprache versuchen, so wenig Grammatik wie die chin. Sprache (keine Vergangenheits- und Zukunftsform, jede Silbe ein Morphem), so wenige Phoneme, wie das Hawaiianische usw.
Natürlich ginge es auch ganz kompliziert…

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

eigentlich bin ich ja kein begeisterter Leser der Experimtalabteilung, aber bei Deiner Geschichte mit ihren quasi doppelten Verneinungen hatte ich doch den Eindruck, einne gewissen Sinn erkennen zu können.
Sind denn die erwähnten "Kreislaufprobleme" des Patienten nur auf seinen körperlichen Zustand bezogen oder willst Du damit auch die sprachlichen Kompliziertheiten ansprechen?
Jedenfalls, dadurch dass die Geschichte mich spontan an den alten Spruch :"Dunkel war´s der Mond schien helle,..." erinnert hat, musste ich doch ein wenig schmunzeln. Das ist doch nicht schlecht, oder?


Gruß

Pullover

 

Hallo Pullover,


„eigentlich bin ich ja kein begeisterter Leser der Experimtalabteilung“

um so größer mein Dank für das Lesen dieser Geschichte.

Einen Sinn hat das Ganze natürlich - sprachlich und als Geschichte (Negationen und Kontradiktionen sind doch ein interessantes sprachliches Phänomen), denn trotz des Experiments ist es eine echte Geschichte.

Die Kreislaufprobleme (falls es wirklich welche sind, es ihm nicht nur so vorkam) sind medizinischer Art - eigentlich all seine Probleme …

L G,

tschüß Woltochinon

 

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