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Wie der kleine Hase den heiligen Franz traf

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22.12.2002
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Wie der kleine Hase den heiligen Franz traf

Der kleine Hase rannte um sein Leben. Hinter sich, auf dem Feld, hörte er die Hunde kläffen.
Wenn ein einzelner Hund hinter ihm herjagte, konnte er leicht entkommen, indem er Haken schlug. Aber diesmal waren es zu viele, und der Hase musste sich vor ihnen verstecken. Deshalb lief er auf den Waldrand zu. Er wusste, der Wald war gefährlich; dort gab es Füchse und andere wilde Tiere. Aber für den Augenblick war der Wald die einzige Rettung.
Er lief in das dichteste Unterholz und hoffte, dass die Hunde zu groß seien, um ihm zu folgen. Und tatsächlich: Schon bald wurde das Gebell hinter ihm leiser, bis es gar nicht mehr zu hören war. Doch der Hase lief immer weiter, so verängstigt war er.
Endlich gelangte er auf eine Lichtung, wo er erschöpft liegen blieb. Von Zeit zu Zeit fiel eine einzelne Schneeflocke auf sein Fell. Wenn nur der Winter endlich vorbei wäre!
Plötzlich sagte eine sanfte Stimme: „Wovon bist du denn so außer Atem, kleiner Hase?“
Der Hase blickte auf und bekam gleich wieder Angst. Vor ihm stand ein Mann. Obwohl er keine Hunde dabeihatte, würde ein Hasenbraten ihm sicher gut schmecken. Aber weil der Hase zu erschöpft war, um weiterzulaufen, blieb er einfach liegen und flüsterte: „Bitte tu mir nichts.“
Der Mann setzte sich neben ihn in das Gras, das schon wieder durch die Schneedecke ragte. „Aber ich will dir doch gar nichts tun“, sagte er. Er sagte es so freundlich, dass der kleine Hase ihm glaubte. Und der Mann begann, das Fell des Hasen zu streicheln. Das tat gut.
„Wie kommt es“, fragte der Hase nach einer Weile, „dass du verstehst, was ich sage?“ Er hatte noch nie einen Menschen getroffen, der ihn verstand.
„Oh“, sagte der Mann, „das weiß ich auch nicht – es ist einfach so. Ich rede oft mit den Tieren. Vielleicht hast du ja schon von mir gehört. Mein Name ist Franz.“
Dem Hasen fiel ein, dass er tatsächlich einmal von einem Mann gehört hatte, der zu den Tieren sprach. Und die Amsel, die ihm von diesem Mann erzählt hatte, hatte ihn den heiligen Franz genannt. Deshalb nickte der kleine Hase.
Nun fragte Franz noch einmal: „Wovon warst du denn so außer Atem?“
Da erzählte ihm der Hase, dass die Menschen ihre Hunde auf ihn gehetzt hatten.
„Ja, das ist schlimm“, sagte Franz. „Aber die Menschen tun das nicht, weil sie böse sind. Sie tun es, weil sie Hunger haben. Der Winter dauert an, und die Vorräte der Menschen sind aufgebraucht. Deshalb machen sie Jagd auf wilde Tiere.“
„In den letzten Tagen wurde es besonders schlimm“, erzählte der Hase. „Jeder versucht, einen Festtagsbraten zu fangen. Für dieses schreckliche Fest, das die Menschen Ostern nennen.“
Auf einmal sah Franz sehr traurig aus.
Er schwieg eine Weile, dann sagte er: „Ich verstehe, dass das für euch Tiere schrecklich ist. Aber eigentlich ist Ostern etwas Wundervolles. Das Osterfest sollte uns lehren, dass niemand dem anderen etwas Böses antun muss. Weißt du, vor langer, langer Zeit lebte ein Mann mit Namen Jesus. Der sagte, dass jeder in Frieden leben soll. Viele Menschen meinten, das sei nicht möglich, aber er wusste es besser. Wenn man nämlich ganz fest an etwas glaubt, dann wird es wahr.“
Der kleine Hase überlegte, dann fragte er: „Du meinst, wenn die Menschen ganz fest daran glauben, genug zu essen zu finden, dann ist es auch so? Dann brauchen sie auch keine Hasen mehr zu jagen?“
Franz lächelte und nickte. „Eines Tages ist Jesus dann gestorben, aber weil er ganz fest daran geglaubt hatte, wurde er wieder lebendig. Und zur Erinnerung daran feiern die Menschen Ostern. Damit sie niemals vergessen, dass einfach alles möglich ist.“ Etwas leiser fügte er hinzu: „Leider vergessen sie es manchmal trotzdem. Besonders, wenn sie Hunger haben.“
Der Hase dachte lange über das nach, was Franz gesagt hatte. Er hatte es nicht eilig mit dem Nachdenken, denn solange er hier bei Franz war, fühlte er sich ganz sicher. Und es war schön, gestreichelt zu werden.
Plötzlich fragte er: „Wenn ich den Menschen etwas zu essen bringen würde – meinst du, sie würden dann aufhören, Tiere zu jagen? Wenigstens zu Ostern?“
„Ich finde, das solltest du auf jeden Fall ausprobieren“, antwortete Franz.
Doch schon wurde der Hase wieder ganz mutlos. „Aber wo soll ich um diese Jahreszeit etwas zu essen für die Menschen finden, ohne den anderen Tieren zu schaden?“
Dem heiligen Franz fiel so auf Anhieb auch nichts ein, deshalb sagte er: „Du wirst bestimmt etwas finden. Das hat uns Jesus nämlich auch gesagt: Wer etwas sucht und sich wirklich Mühe gibt, der findet es auch.“
Wieder begann der Hase, nachzudenken.
Da kam ein Zaunkönig angeflogen und setzte sich auf Franz’ Schulter.
„Na, kleiner Vogel“, begrüßte der Mann den Zaunkönig, „wie geht es dir?“
„Mir geht es gut“, piepste der Zaunkönig. „Unser Nest ist fertig, und meine Frau hat Eier gelegt und brütet.“
Bevor Franz antworten konnte, sprang der Hase auf und rief: „Eier! Das ist es!“ Vor Schreck flog der Vogel davon.
Franz aber nickte und sagte: „Natürlich, du hast recht. Und ich weiß auch, wo du Eier bekommen kannst. Hier im Wald leben viele Hühner, die ihren Bauern davongelaufen sind, weil sie in die Suppe sollten. Die legen viel mehr Eier, als sie ausbrüten können. Wenn du ihnen sagst, dass ich dich geschickt habe, geben sie dir sicher welche ab.“
Aufgeregt machte sich der kleine Hase an die Arbeit.
Bald fand er die Hühner, von denen Franz gesprochen hatte. Und tatsächlich gaben sie dem kleinen Hasen so viele Eier, wie er brauchte. Allerdings hatte er in seinem Eifer nicht daran gedacht, dass er sie gar nicht tragen konnte. Deshalb lief er zurück zu Franz, um ihn noch einmal um Rat zu bitten. Franz nahm ein paar Zweige, flocht daraus einen Korb und setzte ihn dem Hasen auf den Rücken. So hüpfte der Hase wieder zu den Hühnern und holte die Eier.
Als es dunkel wurde, begann der kleine Hase, die Eier zu den Menschen zu bringen. Eigentlich wollte er sie vor die Haustüren legen, aber dann hatte er eine bessere Idee. Er würde die Menschen daran erinnern, was Jesus gesagt hatte – dass man fleißig suchen muss, um etwas zu finden.
So verbrachte der kleine Hase die ganze Nacht vor Ostern damit, die Eier in den Gärten der Menschen zu verstecken.
Am Morgen waren die Kinder die ersten, die zum Spielen herauskamen. Als sie durch Zufall ein paar Eier entdeckten, begannen sie, nach weiteren zu suchen. Bald kamen die Erwachsenen dazu, und am Ende hatten sie so viele Eier gefunden, dass sie viele Tage lang davon satt werden konnten.
Der kleine Hase, der aus einem Versteck heraus zusah, freute sich darüber, wie glücklich die Menschen waren.
An diesem Osterfest waren die Tiere auf dem Feld und im Wald sicher vor den Jägern. Deshalb beschlossen der Hase und die Hühner, es in Zukunft jedes Jahr so zu machen.
„Aber ein bisschen mehr Mühe sollen sich die Menschen beim Suchen schon geben“, sagte der Hase. „Die leuchtend weißen Eier waren ja viel zu leicht zu finden, weil in den Gärten kaum noch Schnee lag. In Zukunft werde ich die Eier vorher anmalen.“
Jahr für Jahr versteckte nun der kleine Hase zu Ostern die bunten Eier, und bald nannten ihn alle nur noch den „Osterhasen“. Der heilige Franz aber war glücklich, denn endlich konnten sich auch die Tiere über das Osterfest freuen.

 

Wie der kleine Hase den hlg. Franz traf

Hi Roy,
wieder eine ganz nette Geschichte für die Kleinen und ein wenig auch für die Großen. Ich habe rein gar nichts daran auszusetzen.
Gruß stauni :rolleyes:

 

Roy, wundervoll!
Leider ist Ostern jetzt schon wieder vorbei und - na ja - ehrlich gesagt hat der Osterhase Melissa nicht nur Eier zum Essen gebracht, sondern auch Spielsachen, aber es ist eine wundervolle Geschichte, wieso der Hase jedes Jahr Eier bringt. Woher er die bekommt und v.a. was den Anstoß dazu gab.
Ich bin zwar nicht im christlichen Sinne gläubig, aber die Grundsätze, die in der Geschichte stecken, gelten ja für alle Menschen, egal, ob es nun Jesus war, der das gesagt hat oder nicht.
Zurückbesinnen, was Ostern einem selbst bedeutet, außer Lammbraten und freie Tage.

Du hast ein paar Rechtschreibfehler drin, ich schick sie dir in einer PM, wenn du willst.

Liebe restösterliche Grüße,
Sylvia

 

Hallo Stauni,

vielen Dank fürs Lesen, und schön, daß Du nichts auszusetzen hattest. :)

Hallo Sylvia,

auch über Dein Lob freue ich mich wieder einmal sehr. Schick mir doch bitte die Rechtschreibfehler, die Dir aufgefallen sind.

Ehrlich gesagt haben meine Töchter auch nicht nur Ostereier bekommen. ;)

Übrigens war dieses die erste Kurzgeschichte, die ich nach meiner Anmeldung bei kg.de schrieb - letztes Jahr zu Ostern. Ich hatte mich wieder einmal darüber geärgert, wie sinnentleert dieses und andere Feste inzwischen begangen werden (ich bilde da mit meiner Familie gar nicht so eine große Ausnahme), und wollte die allgegenwärtige Osterhasenthematik in die ursprüngliche Ostertradition integrieren. Das scheint mir ja auf einigermaßen unterhaltsame Weise gelungen zu sein. :shy:

Liebe Grüße
Roy

 

Der Mann setzte sich neben ihn in das Gras, das schon wieder durch die Schneedecke ragte.
Der Hase hofft kurz davor, dass der Winter endlich vorbei sein soll und auch später geht es darum, dass die Vorräte der Menschen zur Neige gehen, weil der Winter so lange und hart ist/war. Da passt in diesem Satz das "schon wieder" irgendwie nicht dazu.
Aber eigentlich ist Ostern etwas wundervolles.
etwas Wundervolles
dass niemand dem anderen etwas böses antun muss.
etwas Böses antun
Da merkte er erst, dass er sie gar nicht tragen konnte.
Diesen Satz fand ich schon beim ersten Lesen störend, aber jetzt hab ich Melissa die Geschichte vorgelesen und sie meinte sofort: "Aber das ist doch klar, dass der Hase nicht so viele Eier wie er für die Menschen braucht in seinen Pfoten (ok sie sagte Hände ;)) tragen kann." Na ja, er hat so tolle Ideen und Einfälle, ich fände es besser, wenn ihm die Tatsache, dass es zu viele Eier sind, da wieder einfällt/auffällt. Er also nur im Eifer des Gefechtes erst nicht drandachte.

Ok, das ist jetzt doch keine PM. :) Macht aber nix, oder?

 

Hallo Roy

Wirklich eine sehr schöne Geschichte. Das ernste Thema von Ostern hast du in einem tollen Märchen verpackt. Ich werd mir die Geschichte ausdrucken und aufheben für den Fall, dass ich mal Vater werde ;).

Gruss

 

hallo Roy!

Jetzt ist Ostern schon vorbei - macht aber nichts. Ich habe Deine Geschichte gespannt gelesen - eine tolle Idee. Kitana hat es schon gesagt, selbst wenn man nicht christlich glaubt, die Grundaussage ist einfach und sollte allgemeingültig sein. Und wenn man seine Kinder im Glauben erzieht, dann hast Du hier eine tolle Geschichte, einen Anknüpfungspunkt geschrieben.
Besonders gelungen fand ich diesmal den Anfang - da ist man sofort mit dabei, will wissen, wie es ausgeht und ob der Hase auch ja gut davonkommt.
Toll gemacht!

liebe Grüße
Anne

 

Hallo Sylvia,

vielen Dank für die Hinweise. (Nein, macht nichts, daß es keine PM geworden ist. :) )

Die Rechtschreibfehler habe ich verbessert (da war ich mir schon vorher sehr unsicher), und den Satz mit dem NIcht-tragen-Können habe ich auch geändert. (Der war erst beim Überarbeiten nachträglich hineingerutscht, deshalb hatte ich auch kein Problem damit, ihn wieder rauszuschmeißen. :D )

Das mit der Schneedecke und dem Gras lasse ich aber erst mal so, und zwar aus folgendem Grund: Der Winter dauert zwar noch an, nähert sich aber allmählich dem Ende - sonst ist es nicht plausibel, daß zum Schluß in den Gärten kaum noch Schnee liegt und die weißen Eier so leicht zu finden sind. Darüber muß ich vielleicht noch mal nachdenken.

Schöne Grüße an Melissa!

Hallo Khan,

danke für die Antwort - ich hoffe, die Geschichte wird Deinen Kindern später gefallen! ;)

Hallo Anne,

Du machst mich mal wieder glücklich! :shy:

Ich hoffe auch, daß die Geschichte nicht nur etwas für Christen ist (obwohl man sich fragen könnte, warum jemand anders überhaupt Ostern feiern und Ostergeschichten lesen sollte).

Liebe Grüße
Roy

 

Hi Roy,
ich meinte auch nicht, dass der Teil mit dem Gras durch den Schnee weg soll, nur vielleicht das "schon wieder". Das hört sich ein bisschen nahc "ach, war ja letzte Woche erst so" an und nicht nach einem langen, kalten Winter, dessen Ende herbeigesehnt wird.

:)
Werde die Grüße ausrichten, von Roy, "dem Mann, der die Monitor-Geschichten schreibt." :D

 

Hallo Sylvia,

hinsichtlich des "schon wieder" hatte ich Dich falsch verstanden. Ich habe inzwischen verschiedene Formulierungen ausprobiert, aber bisher alle wieder verworfen. Falls mir noch etwas einfällt, das mir zusagt, werde ich diese Stelle noch ändern. Bis die Geschichte zum nächsten Osterfest wieder ausgegraben wird, ist ja noch ein bißchen Zeit. ;)

Liebe Grüße
Roy

 

Lieber Roy,

zur Zeit komme ich kaum zum Lesen hier auf kg.de - welch ein Glück, dass ich Deine Ostergeschichte heute doch gelesen habe. Sie hat mir wieder einmal sehr gefallen. Eine entzückende Erklärung für die Existenz der Ostereier. Und eine sehr liebevolle Verdeutlichung der christlichen Botschaft.


Dürfte ich die Geschichte vielleicht zu einem Theaterstück umarbeiten? Wir würden dann bald den gesamten Jahresverlauf mit kg.de-Kurztheaterstücken bestücken: Herbst (Susafees Kartoffelgeschichte), Winter (Deine Sonja-Geschichte) und nun vielleicht Ostern/Frühling (Deine Hasen-Geschichte ?)

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo Barbara,

ich freue mich, daß Du die Geschichte gelesen und daß sie Dir wieder gefallen hat.

Dürfte ich die Geschichte vielleicht zu einem Theaterstück umarbeiten?
Ich hatte gehofft, daß Du das fragen würdest! :D Du darfst natürlich - wir können uns deswegen ja die Tage mal in Verbindung setzen.

Liebe Grüße
Roy

 

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