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Wenn es Gott nicht gäbe...
...
Seitenstabilisatoren arbeiten auf grün!
Äh... Wo waren wir? Ach so ja...
Nun, die Geschichte hat eigentlich mit ein paar Jungs hier aus dem Team angefangen. Die hatten so einen Erkundungsauftrag: nichts Herausragendes, nur eine kleine Messanomalie in Sektor 14-23 am Rand des Mare Cisium überprüfen, glaube ich zumindest. Wirklich nichts Spektakuläres. Haben alle gedacht, es handelt sich um einen Meteoriten, ein Raumschiffwrack oder so was ähnliches. Nun ja, die Jungs – ich bilde mir ein, es waren Bleacher und Holley – fuhren jedenfalls raus, und funkten dann zurück, dass sie so etwas wie einen Tunneleingang gefunden hatten.
War plötzlich ziemlicher Trubel bei uns. Keiner wusste was von einem Tunnel oder Stollen, aber ich hatte gleich so eine Ahnung, dass da was im Busch ist.
Gut, Bleacher und Holley – ja, denke schon, dass die das waren – gingen halt hinein, und dann war mit einem Mal Ruhe.
Ich meine, keine Funksignale, kein gar nix. Kurze Zeit später fand man sie irgendwo auf der arabischen Halbinsel. Spazierten da mutterseelenallein durch die Wüste und wussten von überhaupt nichts.
Wurden dann auch gleich mal untersucht, und was glauben Sie, was man gefunden hat? Richtig! Immer noch nichts. Erst als man sich die Gedächtnisengramme der beiden Männer anschaute, wurde klar, dass da jemand herumgepfuscht hatte.
Als die entsprechenden Profis das wieder in Ordnung gebracht hatten, da haben Bleacher und Holley aber plötzlich mit einer Story ausgepackt. Also wirklich, ich kann Ihnen sagen, was die erzählt haben, konnte selbst ich erst mal nicht glauben:
In der Höhle sind sie wohl auf so eine Art automatischen Lift gestoßen, der hat sie einige Hundert Meilen in den Mondkern hinunterbefördert, ins Zentrum einer riesigen Maschine. Können Sie sich das vorstellen? Offensichtlich außerirdische Artefakte; uralte Maschinen; wahrscheinlich funktionsfähig; bei uns auf dem Mond; so weit ab vom Schuss, weit weg von allen sonst bekannten Fundfeldern wie bei Atair und Wega – einfach unglaublich!
Bleacher, ein recht fähiger Exoarchäologe, versuchte zwar die Herkunft der Anlage zu bestimmen, gelang ihm aber nicht. War anscheinend etwas neues Altes.
Jedenfalls sind sie dort unten einige Minuten umhergeflogen und haben dann so eine Art Eingabekonsole gefunden. Sie wissen nicht wie, doch Holley hat aus Versehen möglicherweise das außerirdische Äquivalent eines Reset-Knopfes gedrückt, und plötzlich sprangen überall um sie herum die Lichter an, und das Ding begann einen höllischen Krach zu machen.
Und dann war es auch schon vorbei. Also ich meine für Bleacher und Holley.
Die wurden schlagartig irgendwie auf die Erde teletransportiert, wobei man, wie bereits gesagt, versucht hat ihre Erinnerungen an die ganze Sache zu löschen.
Auf jeden Fall wurde uns nun richtig Stress von der Zentrale aus gemacht. Immerhin gab es da draußen etwas, was man nicht unter Kontrolle hatte. Es musste ein größeres Untersuchungsteam in aller Eile auf die Beine gestellt werden. Bevor man jedoch alles absperren konnte, war mit Verlaub gesagt die Kacke so richtig am Dampfen.
Plötzlich war er nämlich wieder da.
Wer, fragen Sie? Na wer schon: Gott!
Aber nicht der nette, freundliche Habt-euch-alle-lieb-Gott der westlichen Christenheit – ob es den überhaupt je gegeben hat, ist mittlerweile sowieso fraglich. Nein, nein, nicht der, sondern der zürnende Gott des Alten Testaments. Eben dieser!
Die orthodoxen Juden haben sich jedenfalls ziemlich gefreut – zumindest am Anfang.
Äh... Kurzen Augenblick bitte...
Schildkompressionen reversibel und zeitstabil! Alles auf grün!
Gut, also Gott war wieder da nach über zweitausend Jahren Funkstille, wenn man so sagen will.
Und der hatte vielleicht plötzlich was zu erzählen, kaum zu glauben.
Tag und Nacht dröhnte seine Stimme vom Himmel. Überall! Kein schlechter Trick, haben mir die Jungs von der Wettertechnik verraten. Ganz schön kompliziert die Molekülschwingungen zu dosieren und so.
Er zählte uns – also der gesamten Menschheit – alle aktuellen Verstöße gegen die heiligen Zehn Gebote auf. Und das hat gedauert, sage ich Ihnen! Eine meilenlange Anklageschrift war das. Die Gebote sind nun mal sehr explizit – mit Auslegungsfreiheit ist da nicht viel gewesen.
Angefangen hat er gleich mal mit der Mondstation, die ihn ja auch entdeckte. Von wegen ein zweiter babylonischer Himmelsturm und göttliche Anmaßung und so.
Hat dann auch versucht, die ganze Station zu teleportieren, aber als die unten auf der Erde ankam, war es nur noch ein Milliarden teurer Metallschrottberg. Unser Team war gottseidank – oder vielleicht auch nicht – noch rechtzeitig evakuiert worden.
Mhmm... Moment bitte.
Komponentenpaketsbelastung innerhalb der Toleranzgrenzen! Schwankungen unterhalb der Alpha-Marke!
Also, Gott fuhr nun das volle Programm auf: Erdbeben; Feuerstürme; hier und da mal ein paar Salzsäulenerstarrungen; Flutwellen noch und nöcher.
Ich kann Ihnen sagen: einige Wochen war hier echt die Hölle los. Ein paar Städte in Europa, Nord- und Südamerika sind beinahe wie Sodom und Gomorra platt gemacht worden. Das buddhistische Asien wurde ebenfalls beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen. Toleranz gegenüber anderen Religionen wurde halt schon im Altertum nicht sehr groß geschrieben.
Überhaupt war Gott nicht sonderlich wählerisch und hat so ziemlich jedem Volk irgendetwas übel genommen. Von diesem Punkt aus betrachtet, war das alles durchaus gerecht.
Man hat dann verhältnismäßig bald spitz gekriegt, dass Ionen-Körperschilde der Stufe vier, den Einfluss von Gott gut abschirmen können, wenigstens im direkten persönlichen Bereich.
Daher hat man sich auch gleich an den Bau eines großen, globalen Schildsystems gesetzt. Die aus der Zentrale haben mit der Konstruktion nur die besten Männer und Frauen beauftragt, so dass alles auch recht schnell spruchreif wurde.
Erstaunlich klein ausgefallen, der Feldkonverter, dafür, dass er die ganze Welt vor Gott schützen musste. Wenn das alles hier endlich vorbei ist, können wir ihn uns ja mal anschauen gehen. Denke nicht, dass man ihn so schnell abreißen wird.
Hat nur zwei Monate gedauert, dann war das Ionenfeld voll aktiv und wir hatten wieder unsere Ruhe. Die Schiffe unserer interstellare Handelsflotte waren ja glücklicherweise von Anfang an bereits damit ausgerüstet, so dass es zu keiner Störung in den universalen Verträgen kam.
Aber so richtig toll war das Leben unter einem vier Petawatt starken Energiefeld nun auch nicht.
Man hatte zwar anfangs noch versucht, direkt bis zu Gott auf den Mond durchzukommen, um vielleicht vor Ort etwas ausrichten zu können, aber der war seinerseits sehr gut abgeschirmt. Das ging also nicht, daher entschloss man sich zu einer etwas radikaleren Lösung des Problems.
Mit Zustimmung der Weltbevölkerung und den Führern der drei großen, direkt betroffenen Weltreligionen stellte das Militär eine seiner Phasenbomben bereit. Ein tolles Stück Technik, dass kann ich Ihnen versichern. Sie wären begeistert.
Den Start der Trägerrakete haben Sie ja leider verpasst, aber gleich ist es soweit. Wir sehen dann...
Oh, jetzt habe ich mich aber wirklich von Ihnen ablenken lassen. Warten Sie bitte noch mal ganz kurz.
Alle Systeme auf grün! Bestätigung der Zündungssequenz! T minus eine Minute dreißig Sekunden!
Also, ab sofort liegt es nicht mehr in unserer Hand. Gibt gleich ein ganz schönes Feuerwerk da oben. Wird bestimmt toll aussehen.
Ist etwas schade um den Mond, aber das wird die Zentrale schon richten können, denke ich.
Bin eigentlich auch nicht sonderlich davon begeistert, dass wir das alles verdampfen müssen. Immerhin geht uns damit ein wichtiger archäologischer Fund verloren. Aber was sein muss,...
Wollen wir nach dem Mittagessen mal raus zum Flugfeld fahren? Dann zeige ich Ihnen die vorbereitete Ersatzrakete. Einfach gewaltig! Sie werden staunen.