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Serie Galaktopol - Singende Zellen

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06.06.2002
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Galaktopol - Singende Zellen

"Hast du dich erholt? Dachte du wolltest nicht mehr?“, fragend sah Polizeioberst Peter Henning die Reporterin Silvia aus noch fast schlaftrunkenen Augen an. „Glaubst du etwa, ich könnte mir die Reportagen nach Lust und Laune aussuchen. Ich muss, ich musste zu dir, ich muss arbeiten“, begründete Silvia ihren neuerlichen Dienstbesuch bei Galaktopol, der obersten Kriminalbrigade auf Milchstraßenebene. Diesmal sollte über einen x-beliebigen Fall berichtet werden, keine Staatsaffäre. „Nehmen wir hier das Eingangskörbchen. Bitte einfach irgendeinen Vorgang rausziehen. Das Ding können wir dann als Duo recherchieren und ermitteln.“ Silvia zog einen Schriftsatz heraus, dessen Betreffzeile in Fettdrucklettern nur das Wort SELBSTANZEIGE enthielt. Absender war der Direktor eines mikrobiologischen Institutes ihres Heimatplaneten Saturn. Er schrieb: „Mediziner haben bei Mikroskopischen-Untersuchungen eine bizarre Entdeckung gemacht: Einzelne Zellen können dumpf murmeln, sphärische Lieder singen und nervenzerfetzenden Lärm schlagen. Krankheiten, so hoffen die Forscher, könnten dadurch eines Tages hörbar werden. Unter meiner Leitung wurden diese Forschungen forciert und sind nunmehr, da sie nicht nur Menschen, sondern auch Tiere und Pflanzen der gesamten Milchstraße extrem gefährden, außer Kontrolle geraten. Ich werde erpresst und soll das Vernichtungswerk anorganischer Automatenwesen noch in diesem Jahr ausführen und hohe Geldsummen aus dem Forschungsetat zahlen. Können Sie mir helfen?“ „Auf, Gruppe auf, wir gucken uns eine Laborwelt in Mondcity an!“ Henning, seine Kollegen und Kolleginnen, sowie Silvia schwangen sich in einen Transportcontainer, der sie unterirdisch nach Mondcity brachte und dann seine kriminalistische Fracht nach verschiedenen Umladungen auf dem Hof der MIKROBIOLOGISCHEN FORSCHUNGSLABORE ablieferte. Der Institutsleiter führte sie über lange Flure an einer gutausgestatteten Laborwelt vorbei, die man durch runde Sichtgläser in den Türen wahrnehmen konnte. Dann waren sie am Ziel, ein Experimentierzentrum, dessen Außenschild auf das Forschungsobjekt hinwies: PROJEKT SINGENDE ZELLEN. Der Direktor informierte über die Einzelheiten des Zelllabors: „Biologische Zellen vibrieren und geben so Laute von sich. Bei allen Tönen kommt ein bestimmtes Gemisch aus Schwingungen immer vor. Auch Zellen, die voneinander entfernt sind, schwingen in diesem bizarren Rhythmus. So als ob es eine Verbindung zwischen diesen getrennten Bio-Bausteinen gäbe. Es sind elektromagnetische Wellen, durch welche alle Zellen in bestimmte Vibrationen versetzt werden. Dieses Frequenzgemisch kommt in sonstigen technischen Anwendungen der Menschen nicht vor. Ich war es, der die Anweisung gab, diese Kombination von Schwingungen mit Hilfe von hundert Frequenzgeneratoren zu generieren und über eine Trägerfrequenz zu senden. Glücklicherweise abgeschirmt, mit kleiner Sendeleistung und gerichtet. Auf diese Vorsichtsmaßnahmen möchte ich zu meiner eigenen Entlastung hinweisen.“ „Sabbeln Sie nicht soviel, machen Sie vor, was passierte“, forderte Henníng etwas ruppig und durchsetzungsorientiert. Sie gingen zu einem Bereich, der mittels Bleiplatten wie eine Röntgenstation von der Umwelt isoliert war. Nur verwinkelte Optiken ermöglichten den Blick hinein: Auf einem Tisch stand ein Alpenveilchen und in etwa zwei Meter Entfernung war eine Sendevorrichtung angebracht, die entfernte Ähnlichkeit mit einer Radarantenne hatte. Auf dem Monitor konnten alle die bizarre Schwingungsform sehen, die von den Generatoren nach dem Einschalten erzeugt wurde. „Jetzt steigere ich die Sendeleistung nur um wenige Watt.“ Die Pflanze in der Bleikammer zerriss mit einem auch außen wahrnehmbaren Knall. „Jede Zelle reagiert sofort auf dieses Schwingungsgemisch, bei Steigerung der Amplitude zerreißt jede Zelle. Diese Schwingungen können über die gesamte Milchstraße abgestrahlt werden und würden somit nur noch die anorganischen Roboter als Spezies übriglassen.“ „Und wer erpresst sie?“ „Irgendjemand muss Wind von den Konsequenzen unserer Forschungen bekommen haben und will für sein Wissen mit Summen honoriert werden, die der Forschungsetat nicht hergibt.“ Es tuschelte. Dann hörte man Silvias mutige Stimme: „In den Laboratorien gab es bestimmt einen Undercover-Agenten, der das große Geld für seine Firma gewittert hat.“ Henning errötete leicht und murmelte: „Okay, okay!“ Ungläubiges Schweigen lastete auf den Wissenschaftlern und der Reporterin. Silvia versuchte eine Fortsetzung: „Lieber Herr Polizei-Oberst Henning, Sie wollen uns doch nicht ernsthaft die Einschleusung eines ihrer Beamten in dieses Labor beichten?“ Ihre Wangen erröteten. „Jemand, der dann noch dazu Zahlungen, wie soll ich es klug ausdrücken, vom Institut erpressen wollte?“ Henning erhob sich langsam: „Natürlich nicht. Aber der Fall ist abgeschlossen. Die Selbstanzeige des Direktors wird nicht angenommen!“ Ein Protestschrei ertönte. Und der Direktor forderte Oberst Henning dazu auf, wieder Platz zu nehmen. Mit geschlossenen Augen murmelte der Kriminalist leise, dass Galaktopol eine Organisation für die Bürger der Milchstraße wäre. Wenn es Wunsch aller sei, dann gingen die Ermittlungen selbstverständlich weiter. Er konzentrierte sich auf das Digitaltelefon und rastete gedanklich die Frequenz seines Sekretariats. „Bitte veranlasst, dass Manni, unser verdeckter Ermittler bei dem mikrobiologischen Institut in Mondcity, sofort hierher kommt!“ Mit Vorrang glitt die Kabine heran. Heraus traten ein Arzt mit zwei Pflegern. Sie begleiteten einen locker gefesselten Mann mit wirren Haaren aber erhobenen Kopf. „Manni, was ist?“, fragte Henning besorgt. „Die Nerven und eine Mist Verwundung von dem Frequenz-Strahler. Mehr wollt ihr mir nicht zufügen?“ Silvia wurde trotz allem streng: „Sie haben die Erpressung des Institutes versucht? Wollten Sie sich persönlich bereichern?“ Manni krümmte sich vor Lachen und zuckte dann, als sich der Verband an seinem Arm dehnte, wieder etwas zurück. „Ihr wollt alles wissen?“ Die Pfleger machten pflichtschuldigst beruhigende Gesten. Manni gab klare Kommandos: „Bitte helft mir und lasst mich ohne diese Armbänder an meinen Arbeitsplatz. Plötzlich war er in seinem Element und ließ die Vergrößerungsanlage auf ein Präparat fokussieren. Zuerst sahen sie die wabenartige Struktur der pulsierenden Zellformation. Dann wählte er einen engeren Bereich, der nur noch eine einzelne Zelle zeigte. Auf einem anderen Bildschirm wurden die Schwingungen abgebildet. Er glich die Bewegungen der Zelle mit der Geschwindigkeit des Abtaststrahles ab, so dass man die Zelle ruhig pulsieren sah. „Bevor wir hier weiter machen, möchte ich eine Erklärung abgeben. Ich selber werde von einer gemischten Bevölkerung aus Robotern und Menschen eines ziemlich weit entfernten Planeten erpresst. Diese Leute wissen um die Wirkung der lebensschädlichen Schwingungen und wollen die totale Macht über alle besiedelten Planeten. Dazu brauchen sie auch Geld, das ich von nun an eintreiben sollte. Sylvia hatte die Lösung: „Ein Fall für die Raumflotte, klar!“ Manni bebte erneut unter Lachanfällen, während er sich wieder seinen Apparaturen zuwandte. “Gut, die Vergrößerung wird gesteigert.“ Gespannt blickten alle auf den bewegten Zellrand, der nunmehr immer mehr zerbröselte und schließlich aus einer Vielzahl bewegter kugelförmiger Objekte gebildet wurde, die einheitlich Wellen darstellten. „Sieht fast wie unser Weltall im Modell aus!“ „Oh, du kluge Reporterin! Dies ist das Weltall. Aber das passt in die Denkschädel nicht rein, sehe ich es richtig?“ Langsam fasste er die Ergebnisse seiner Arbeiten zusammen. Esoteriker hätten schon sehr frühzeitig vom Mikrokosmos und Makrokosmos gesprochen. Andere formulierten die Weisheit, dass es im Großen so wäre wie im Kleinen. Dann fasste er das Resultat seiner Forschungen zusammen: „Die Materie wird durch das Gesamte gebildet. Das Universum mit seinen Sternen, sind die Atome, aus denen auch wir bestehen!“ Zitternd lenkte er den Bildausschnitt auf eine Kugel, die immer stärker vergrößert, die Umrisse des Saturn annahm, bis die Stadt MONDCITY plötzlich sichtbar wurde. Dann sahen sie in der überdimensionalen Vergrößerungsmaschine den Laborraum mit ihren eigenen Körpern. Oberst Henning griff nunmehr ein: „Du bist hier auf ein Trugbild dieser Riesenlupe hereingefallen, lieber Manni.“ Der Einwand war widerlegbar. Je nach Navigation mit dem per Strichlinie markierten Vergrößerungsausschnitt sahen alle den Inhalt von Silvias Handtasche oder was gerade am heimischen Herd der Familie Henning geschah. Dann glitt der Fokus auf einen weit vom Saturn entfernten Planeten zu einer Art von Kommandozentrale voller High-Tech-Roboter und einiger Menschen. Dort war Stimmung. „Na, wie läuft das mit den Finanzen, Herr Manni?“, dröhnte der Leitungsroboter und wedelte mit Banknoten. „Genau diese Erpresserbande können wir auch per Nachrichtenrakete erreichen und uns deren Forderung schriftlich holen“, erläuterte der V-Mann. Frau Witt guckte Oberst Henning fragend, fast hilfesuchend an: „Und nun?“ „Das ist ganz einfach, ich wiederhole mich. Der Fall ist abgeschlossen, der Selbstanzeige wird nicht stattgegeben. Hier wird nicht eine einzige Ermittlungsminute verschwendet. Zentral ist für mich nunmehr nur der Fall eines interplanetarischen Fahrraddiebes, der Luxusräder vom Saturn zur Erde verschiebt!“ Am nächsten Tag saß Sylvia wieder vor ihrem Textautomaten. Redaktionsschluss in drei Stunden. Sie tippte ihre Reportage: SO KLEIN MIT HUT, ist jeder, wenn er mit der obersten Ermittlungsbehörde der Milchstraße zu tun hat. Niemand hätte es für möglich gehalten, wenn er den Verlust seines Rennrades anzeigt: Diese Luxusräder werden in riesigen Zahlen auf Saturn zusammen geklaut und dann per Raumtransporter zur Erde verfrachtet und dort zu horrenden Preisen verkauft. Der Drahtzieher dieses einträglichen kriminellen Gewerbes, ein Herr Klaus Pamir, konnte nach einer dramatischen Verfolgung von Polizeioberst Henning aus der Dienststelle für interplanetarische Schwerstkriminalität verhaftet werden und wird derzeit vernommen. Das wird wohl einige Jährchen geben. Aber schließen sie ihre Räder weiter gut an. Bis morgen, Eure Silvia Witt.

 

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