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Wie definiert ihr einen Perspektivenwechsel?

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22.02.2005
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Wie definiert ihr einen Perspektivenwechsel?

Perspektivenwechsel werden gerne bekrittelt, aber ich möchte gerne wissen, was ihr denn genau darunter versteht.

Meine Geschichte "Der Kuss des Ozeans" (in einer verlängerten Fassung) wurde in die Herzblut-Anthologie der Geschichtenweber aufgenommen. Nun habe ich meine Geschichte mit einigen Kommentaren bekommen und sollte die entsprechenden Stellen verbessern. Offenbar wechsle ich ständig die Perspektive, was mir aber vorher nicht aufgefallen ist.

Die Möwen kreisten kreischend über dem Fischerboot, das einsam auf den Wellen schaukelte. Ihre weissen Körper segelten durch den strahlend blauen Himmel, doch Miron hatte kein Auge für sie. Abwesend starrte er auf die zuckenden Leiber, die sich im Netz wanden und um ihr Leben rangen. Beinahe berührte es ihn, sie dort auf den Planken so zu sehen, im Todeskampf und dennoch nicht aufgebend. Aber er war Fischer und lebte davon.
„Achtung!“
Das Seil klatschte gegen sein Gesicht.
„Pass doch auf!“, herrschte Zacharias ihn an. Der junge Bursche entschuldigte sich leise.
Der Fett markierte Teil soll angeblich ein Perspektivenwechsel sein. Was soll ich aber machen, wenn ich nicht die ganze Zeit "Miron" oder "er" schreiben will? Oder muss ich mich halt damit abfinden, dass noch mehr Wiederholungen entstehen? Ich habe einen Wechsel immer so verstanden, dass plötzlich aus der Sicht einer anderen Person erzählt wird. Das ist hier (wenn überhaupt) doch nur bedingt der Fall?

Ausserdem hat sich die Lektorin (?) noch die Mühe gegeben, einen konkreten Verbesserungsvorschlag zu machen. Der erste Abschnitt könnte ihren Vorstellungen nach so lauten (wenn ich all ihre Tipps befolge):

Miron starrte auf die zuckenden, schuppigen Leiber der Fische, die sich im Netz wanden und um ihr Leben rangen. Für einen Augenblick rührte es ihn, wie sie dort auf den Planken sinnlos kämpften, nicht aufgaben. Er war Fischer, er sollte sich keine derartigen Gedanken machen.
Muss ich mir das überhaupt gefallen lassen? Ich meine, immerhin ist es meine Geschichte und mein Stil, wenn sie es anders haben will, dann soll sie doch ihre eigene Geschichte schreiben ...

Die Sache ist mir alles in allem etwas suspekt, deshalb wollte ich euch mal fragen.

Nochmal ein Beispiel:

Miron war schon den ganzen Tag sehr schweigsam gewesen, trotz des schönen Wetters und des guten Fangs. Irgendetwas stimmte ihn nachdenklich. Da war so ein Geruch in der Luft, anders als sonst, nicht nur der Geruch von Seetang und Salz, nein, noch etwas, das er nicht kannte. Ein eigenartiger, fremder Hauch, der jedoch nicht unbedingt abstoßend war. Nein, es hatte sogar etwas Verlockendes an sich ...
(Meine Version)

Schon den ganzen Tag war Miron trotz den schönen Wetters und des guten Fangs gedankenverloren. Dieser Geruch in der Luft, fast nicht wahrnehmbar unter dem Gestank von Seetang, Fisch und Meerwasser, verwirrte ihn. Was war das? Fremd, eigenartig, nicht unangenehm. Fast verlockend ...
(Ihre Version)

Ich wäre froh, wenn sich jemand, der damit schon Erfahrungen hat, sich äussern würde. :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Also, was den Perspektivenwechsel betrifft: Da hat die Dame Recht. Wenn du schreibst: Der junge Bursche, dann brichst du ja aus der Innensicht des Prots aus ( wer zu sich selbst so etwas sagt, ist entweder extrem einsam oder hat eine multiple Persönlichkeit ) und wechselst in die auktoriale Perspektive. Das ist für den Leser immer ein wenig verwirrend. Du kannst von auktorialer Perspektive in die personale wechseln, aber nicht umgekehrt.
Deshalb bleiben für die Miron-Perspektive tatsächlich nur "Miron" und "er". Du kannst die Sätze ja so basteln, dass du den Gebrauch von beiden minimierst. ;)

Was das andere angeht: Ich kann nicht erkennen, inwiefern die Vorschläge deiner "Lektorin" besser sein sollen als deine Version. Ich finde sie im Gegenteil schlechter, teilweise sogar verfälschend.
Ich kann leider nicht behaupten, damit schon Erfahrungen gemacht zu haben, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Übernahme dieser Vorschläge verbindlich sein soll. Um dich gegen diese Frau durchzusetzen, reicht es wahrscheinlich, sie auf diese Stelle aufmerksam zu machen:

Schon den ganzen Tag war Miron trotz den schönen Wetters und des guten Fangs gedankenverloren. Dieser Geruch in der Luft, fast nicht wahrnehmbar unter dem Gestank von Seetang, Fisch und Meerwasser, verwirrte ihn.

Das hieße, Miron ist schon den ganzen Tag verwirrt von dem Geruch und deshalb gedankenverloren. Psychologisch etwas seltsam, ganz zu schweigen von dem Unterschied von gedankenverloren zu nachdenklich. :dozey:
Lass dir bloß nicht den Text verhunzen! Dafür gibt es kleine Geschwister ...

 

Hi Sirwen,

über den Perspektivwechsel weißt Du ja jetzt Bescheid.

Was den Umgang mit Lektoren betrifft: Falls Du eine Änderung von ihr ablehnst (was ich an Deiner Stelle hier manchmal tun würde - die "Verbesserungen" sind nicht besser als die Originale), versuche möglichst wertneutral zu begründen, warum Du Deine Textstellen besser findest. Versuche auch, ihre Begründung möglichst genau zu verstehen - es sollte Dir gelingen, den Text so zu bearbeiten, dass ihre Kritik ausgeräumt wird, Deine Absicht aber erhalten bleibt. (Ich nehme an, dass ihr die beanstandeten Passagen einfach teils zu lang sind - kürzen kannst Du Deinen eigenen Text sicher besser, nimm ihre Vorschläge als Anregung, nicht als Absolutum.)

Und immer freundlich bleiben! ;)

Grüße,
Naut

 

Danke für eure Antworten! Jetzt hats klick gemacht! Ich werde die Geschichte soweit korrigieren und das lassen, was ich für sinnvoll halte und danach mit der Lektorin die Details nochmal besprechen.

 

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