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Ich, das Genie

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17.12.2005
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Ich, das Genie

Ich benötigte drei volle Tage, um die Leisten vom Schreiner ins Atelier zu karren, sie zu nuten, leimen, verschrauben und mit Nesselleinen zu beziehen. Nach dem Aufbringen der Grundierung mußte ich den Rahmen erneut ausrichten und durch das Eintreiben von Keilen ein weiteres Mal spannen. Jetzt stand mir eine Zeichenfläche von sechs Quadratmetern für meinen bisher ehrgeizigsten Malversuch zur Verfügung. Am Abend des dritten Tages versuchte ich mit Hilfe eines Nudelgerichtes und eines Glases Rotwein beim Italiener um die Ecke meine Anspannung zu lindern, aber alle Gedanken kreisten wie ein Bussard über dem Feld. Aus luftiger Höhe beobachtete ich die leere Leinwand, bemühte mich, imaginäre Linien auszumachen, strich mit dem Kohlestift in der Hand über die raue Oberfläche, ohne Spuren zu hinterlassen, indem ich der Kohle die Berührung versagte.
In der Tomatensoße mit Kräutern zerdrückte ich einige Nudeln, spähte in dem Brei nach einer Struktur, aber die Farbtöne erregten nicht meine Phantasie – mir stand der Sinn nach mehr Erdverbundenheit, nach Braun, Blau und Weiß. Natürlich auch sämtlicher Nuancen dazwischen, aber diese oft auftretende Angst vor der Wahl einer falschen Mischung unterdrückte ich, solange ich aß.
Zaza, die zierliche Kellnerin, strich, nachdem ich den Teller geleert und sie ihn abgeräumt hatte, einige Male um meinen Tisch.
„Bekoommst Du noch eine Wein?“ Das französisch eingefärbte Deutsch unterstrich ihr ohnehin schon typisches Aussehen. Die schwarzen Haare standen in drahtigen Locken unbändig vom Kopf ab, die dämmrige Birne über dem Tisch spiegelte sich in ihren dunkelbraunen Augen. Die vollen, stark gekräuselten Lippen wuchsen rot-violett aus ihrem leicht geöffneten Mund und hielte eine fast schwarze Umrandung diese Pracht nicht im Zaum, einer Ausbreitung bis zur Nase und dem Kinn stünde nichts im Wege. In der rechten Wange zierte ein Grübchen die dunkle Haut, über der linken Augenbraue stellte ein prägnanter Leberfleck das Gleichgewicht wieder her.
„Danke – nein. Aber zahlen möchte ich gerne. Mühsam zog ich meine Mundwinkel in die Höhe, konnte mich kaum auf die Antwort konzentrieren. Ich war bereits abwesend, in den Jagdgründen meiner Phantasie.
„Okay, isch ol nur schnell die Portmonee." Zaza drehte sich um und durch den Stoff der Jeans war deutlich zu sehen, daß ihr Slip über der linken Backe verrutscht war und sich in die Kerbe des schmalen Hinterns vergraben hatte.
„Macht sieb´zehn Euro sieb´zisch“, ihre schlanken Finger mit den kurzen Nägeln öffneten die abgeschabte Geldtasche und als sie sich über den Tisch beugte, fiel mein Blick in den Ausschnitt ihres ausgeleierten Shirts. Ihr Busen war sehr klein und die Warze in der Größe meiner kleinsten Fingerkuppe posierte darauf überraschend forsch, aber keinesfalls unpassend.
„Sie wirkén so abwäsend – werrden Sie wiedérr malén die gansse Naacht?“
Ihr Wechsel vom Du zum Sie schien ohne Absicht, verlieh ihrer Neugier aber ein stärkeres Gewicht.
Fast tat es mir leid, daß ich ihr jüngst eines Abends, als wenig Gäste ihre Aufmerksamkeit erforderten, von meiner Tätigkeit erzählt hatte – selbst auf ihre Frage, ob sie mich einmal besuchen könne, gab ich ihr bereitwillig die Telefonnummer und Adresse meines Ateliers, allerdings rief sie weder an noch kam sie jemals vorbei.
„Ja, werde ich.“ Schroff und leise fiel die knappe Antwort zwischen uns, was sie nicht zu irritieren schien.
„Es wirrd eine grosse Bild, das ist in meine Gefühl – das sehe isch innèn ahn." Ohne weitere Ausführungen wandte sie sich ab und ich verließ mit kurzem Gruß das Gasthaus.

Die übergroße Leinwand empfing mich blank, mit einer beängstigenden Leere, aus der ich heute Nacht meine Phantasie schälen wollte. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Fläche nun schwarz oder weiß war. Bereit, die Farben zu rufen, sie zu bannen, um sie in Konturen zu zwingen, die noch unbekannt in mir spukten, griff ich abwesend zur Kohle. Das grelle Licht über mir warf einen markanten Schatten der Hand auf das Gewebe und nur das Kratzen des bröckelnden Stiftes füllte für kurze Zeit die umgebaute Garage, deren Nordwand komplett verglast war. Manchmal spiegelte ich mich in den Scheiben, manchmal drang mein Blick durch das Dunkel dahinter und verschwand im interstellaren Raum. Tagsüber lagen dort Wiesen, Wälder und Bergkuppen, aus denen ich jetzt meine Farben sog und auf dem Weiß neu zu formen gedachte.
Dicke, borstige Pinsel mit verhärteten Krusten an den Haaransätzen tauchten in die Eimer, strichen trocken über die erhöhten Grate und Vorsprünge, reizten nur gewischt die Überstände. Längst lag mein Hemd verschmiert über der obersten Sprosse der Leiter, die ich schob, auf die ich sprang, mit der ich hüpfend den Standort änderte, um an die oberen Flächen zu gelangen. Mein Haar, das auf der Stirn klebte, strich ich immer erst hinter die Ohren, wenn ich eine Zigarette anzündete und im Mundwinkel vergrub. Der Rauch reizte in der Nase, mit verkniffenen Augen maß ich Entfernungen zwischen zahllosen Linien, Ausbrüchen und Krusten. Wechselte die Pinsel, warf die benutzten achtlos auf den überladenen Tisch, rieb mit grobmaschigen Tüchern das schnell trocknende Acryl in die Gräben, die Kratzer eines Spachtels. Aus dem blassen Blau des Himmels wuchtete sich das Gedärm unheilschwangerer Wolken – alles Gift unserer Tonnen schwerer Ausstöße verdickte ich in den wenigen Quadratzentimetern, die feucht glänzende Haut meiner Arme juckte, die Finger halfen dem Pinsel, die Nägel kratzten, wo es eine Narbe zu modellieren galt.
Ohne Wahrnehmung und ohne die Arbeit aus den Augen zu lassen, öffnete ich den weichen Verschluss der Wasserflasche, setzte an, trank sie leer. Selbst beim Versuch zu pissen hielt ich Blickkontakt; erst als ich spürte, wie mich die Steife meines Gliedes an diesem Vorhaben hinderte, widmete ich mich meiner Verfassung, suchte das Gedicht von Rilke an der Toilettenwand. Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe ...
Und wieder zog ich in die Schlacht, die Muskeln der Schulter zeichneten die Anstrengung unter der Haut, mein Puls schlug beständig hoch und die Konzentration forderte ungehemmte Bereitschaft. An kleinen Stellen, wo sich die Chöre zerstörter Engelscharen in die aufgeworfenen Falten überlappender Kontinente gebohrt hatten, gerann weiches Blau in den windstillen Suhlen. An ihren wundgescheuerten Rändern franste die Scholle und verdickte im geheimnisvollen Rotbraun alter, benutzter Schamlippen. Manchmal zog ich den Gummi meiner Shorts vom Bauch weg, bewunderte die zurückgezogene Vorhaut, die umliegenden bläulichen Adern unter der samtigen, blassen Röte.
Ein berauschender Zwang verband alle Sinnesorgane, kuppelte im Körper das Sehen an das Hören, das Riechen an das Müssen; ich wand mich durch die Spalten sich verengender Felsbänder in den Schatten schneebedeckter Gletscherriesen, roch das sandige Bröckeln der Monolithen in den Weiten der heißen Prärien, das brechende Tosen der Wellenberge unter Neptuns Herrschaft und der zitternden Hitze berstender Äste. Die vier Elemente verbogen ihre physikalischen Werte, zerstoben in ihre Bausteine, starben unter meiner Hand und formten sich neu in den konvulstischen Zuckungen meines Ichs.
Ermattet und schwer atmend trat ich mehrere Schritte zurück, rieb mir mit einem alten Lappen die Farbe von den Händen. Der obere Teil des Bildes strotzte in welkem Gelb, in Grau gefasste Türme bedrohlicher Kumuluswolken schleiften die Felsformationen einer gefegten Einöde.
Das Klopfen an den Scheiben schreckte mich heftig aus meiner Welt. Draußen im Dunkel bewegte sich eine Person und ich sah nur die helle Innenfläche ihrer winkenden Hand. Langsam schlenderte ich zur Tür, öffnete, und da stand sie vor mir, die Beine fest geschlossen, auf den Zehenspitzen wippend, den Kopf schräg zur Seite gelegt, beide Hände zu Fäusten geballt in den Taschen vergraben und die Ellenbogen durchgedrückt.
„Isch schau dirr schon eine gansse Wéile ssu – större isch dir odder darf isch reinkomeen?“
„Komm rein“, ich ließ die Türe offen, wandte mich ab und wieder meiner Arbeit zu. In meinem Rücken hörte ich leise ihre Schritte auf mich zukommen, dicht neben mir blieb sie stehen.
„Wow“, aber sie sah mich nicht an. Das vor ihr wie eine glatte Felswand Aufragende taxierte sie überwältigt , als galt es, diese Höhe ohne Seil besteigen zu müssen.
Ich roch ihre Nähe, jeder Zoll ihrer dunklen Haut spie das Weibliche in meine Augen. Das Jochbein, geformt wie der Stimmungsbogen einer Sonate; die Vene am Hals schlug den weichen Takt ihres Herzens. Langsam näherte sich mein Puls dem ihren, synchron das Schauen, das Erleben, die Lust an der Nacht, das Trachten sucht die Vereinigung aller Empfindung.
In Zeitlupe schwebten unsere halb geöffneten Lippen in die Bannmeile geröteter Wangen, sie die Hände erhoben, als drohte ihnen Verbrennung, als müßten sie für die Ewigkeit an mir kleben bleiben nach nur einer Berührung. Die Feuchte unserer Zungen schmatze in der Stille, jeder Finger knisterte eine Spur unter die Achseln, ein Trippeln unter dem Shirt den Rücken hinauf. Keine Schonzeit für Textilien, die Umwandlung eines Ateliers in eine Solitüde.
Und plötzlich standen wir uns nackt an den Händen haltend gegenüber und ihre schmelzenden Augen strichen über meine Schenkel, meinen Schwanz, meinen Bauch, meine Brust und ich wollte nicht länger warten, kniete vor ihr nieder und vergrub keuchend meinen geschürzten Mund in ihrer Hitze.

Sie lag längst unter der gelben Decke vergraben, die Locken zerzaust über den geschlossenen Augen und ein Schalk in den Winkeln ihrer dunkelroten Lippen. Wie der Mund des Weibes – laut mußte ich in mich lachen wegen dieses albernen Spruches, doch ich konnte nicht umhin, der Theorie eine Spur Wahrheit zu gönnen.
Unbändig fuhrwerkte ich den Spachtel in das schmierige Gelbgrau, spuckte ihre Lust hinzu, verrieb, zerrieb und rubbelte das Weiß in die faserigen Risse. Ich malte mich, ich malte Dich. Ich liebte die hauchzarte Berührung des huschenden Pinsels mit seinen verquasteten Fuseln, wie sie ihre Lippen um mich schloß. Tunkte den Handfeger in das milchige Schwarz und stieß ihn behutsam auf die Leinwand, wie ich in sie drang, nachdem ich ihre Beine über meine Schultern gelegt hatte. Es war ein kosmischer Tanz, eine orgastische Kernschmelze unkontrollierbarer Gefühle, das Gehirn außen vor und für einen Moment klemmte die Erdachse, alle Geschwindigkeiten näherten sich der Null, unser Lärm verharrte ungehört, alle Farben in sich geborgen, alles Wissen vergeblich geliehen. Unsere Zärtlichkeiten fädelten sich durch das eine Öhr und zerstoben in einem erneuten Urknall.
Ich, das Genie.
Genau an diesem Punkt.
Als sich der Kosmos um uns schlang wie ein Mantel, wir uns die Orgasmen mit verklebten Wimpern in die Ohrmuscheln schrien, ich das vollkommen geschwungene Rund einer Erdscholle schuf. Wir waren innen und außen gleichzeitig, mit glühenden Wangen gestanden wir uns sprachlos mit Blicken.
„Du maalst wie wir bümsén“, resümierte sie lächelnd.
Die Leinwand schwitzte, wir standen aneinander geklebt rauchend hinter der beschlagenen Scheibe und draußen dämmerte das zaghafte Lila hinter den Hügeln. Vogelsang, weiche Kühle und von fern das leise Summen der Autobahn als Erinnerung an eine reale Welt drang durch die offene Tür. Wir waren gelandet in einem neuen Tag.

Sie kam, solange ich an dem Bild malte. Manchmal brachte sie was zu essen mit, ab und zu besuchte ich sie beim Italiener. Sie war meine Muse. Nie sprachen wir über die Zukunft, über das, was einmal sein könnte. Wir lebten für uns und uns war es genug. Wir rechneten nicht auf, wir zogen nicht ab – verglichen oder forderten nicht.
Mit dem letzten Pinselstrich verloren wir auch unseren gemeinsamen Weg – sie zog wieder zurück in ihr Elternhaus nach Aigues-Mortes, um dort ihre alte Mutter zu pflegen. Sie sei jetzt bereit dazu, verriet sie mir, nachdem sie es genossen hatte, jahrelang als Vagabund zu leben.
Wenn ich heute das Gemälde betrachte, spiegeln sich ihre Spuren, ihre Liebe, ihre Lust in den Gräben, in den pastellfarbenen Ebenen wieder. Ich brachte es nie übers Herz, das Bild zu verkaufen, auch wenn mir manchmal gutes Geld geboten wurde. Anfangs war es mein ganzer Stolz in den folgenden Ausstellungen, später zog ich es wie einen Klotz am Bein hinter mir her, sperrig und unhandlich, wie es war. Schlußendlich ließ ich es dort, wo es erschaffen wurde, liebte es wie meine faltiger werdende Haut, mein ausgehendes Haar.
Vielleicht werde ich eines abends, mit dem Kissen im Nacken und zufrieden lächelnd an das Werk gelehnt für immer einschlafen und gewußt haben, daß es ein Vollkommen gegeben hatte.

 
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Hi Detlev,

sei ganz herzlich Willkommen hier auf kg.de :)!
Ich geh erstmal den Text durch:

Natürlich auch sämtlicher Nuancen dazwischen, aber diese oft auftretende Angst vor der Wahl einer falschen Mischung unterdrückte ich, solange ich aß.
Unterdrückt der Prot tatsächlich die Angst - oder eher die Wahl, was mir sinniger erscheint?

„Bekommst Du noch eine Wein?“ Das französisch eingefärbte Deutsch unterstrich ihr ohnehin schon typisches Aussehen.
Wenn du, wie weiter unten geschehen, nach ihrem Mund schreibst, dann sollte das Bekommst mindestens zwei O haben ;)

Die vollen, stark gekräuselten Lippen wuchsen rot-violett aus ihrem leicht geöffneten Mund und hielte eine fast schwarze Umrandung diese Pracht nicht im Zaum, einer Ausbreitung bis zur Nase und dem Kinn stünde nichts im Wege.
Diese Beschreibung ihres negroiden Aussehens ist mir viel zu kompliziert. Die Lippen sind meiner Meinung nach ein Teil des Mundes. Mir gefällt dieses Bild, dass die Lippen aus dem Mund wachsen, überhaupt nicht. Ichweiß auch nicht genau, was du mit der Ausbreitung meinst. Der ersteTeil des Satzes hat mich auch eher an die Beschreibung von Schamlippen erinnert - ist das Absicht?

Ihr Busen war sehr klein und die Warze in einer Größe der Fingerkuppe meines kleinen Fingers posierte darauf unnatürlich forsch, aber keinesfalls unpassend.
statt Fingerkuppe würde ich nur Kuppe schreiben, dann umgehst du die Wiederholung. Etwas ungeschickt empfinde ich die Bezeichnung unnatürlich, aber Männer sehen das natürlich anders ;).

Aus dem blassen Blau des Himmels wuchtete sich das Gedärm unheilschwangerer Wolken – alles Gift unserer Tonnen schwerer Ausstöße verdickte ich in den wenigen Quadratzentimetern, die feucht glänzende Haut meiner Arme juckte, die Finger halfen dem Pinsel, die Nägel kratzten, wo es eine Narbe zu modellieren galt.
Sehr schön
und formten sich neu in den konvulstischen Zuckungen meines Ichs.
Interessante Vatriante: Sex anstatt Drogen zur kreativen Stimulation
Draußen im Dunkel stand ein Mensch und ich sah nur die helle Innenfläche seiner winkenden Hand. Langsam schlenderte ich zur Tür, öffnete und da stand sie vor mir,
Wiederholung

die Vene am Hals schlug den weichen Takt ihres Herzens
schön

Ich malte mich, ich malte Dich.
Wieso der Wechsel in die zweite Person?
Wir waren gelandet in einem neuen Tag.
Vielleicht das Verb ans Ende des Satzes?

Mir hat deine Geschichte gut gefallen - die Liason in Bezug zum Entstehen des Bildes, das Lieben, das Zusammensein und sich wieder Adieu-Sagen.
Oppulente Bilder hast du teilweise geschaffen, passend zur Größe des Bildes.
Die erotischen Momente waren sehr schön mit der Malerei vermischt.

Außer der anfänglichen Einführung ihren Aussehens ist Zaza sehr symphatisch rübergekommen, so eine Mademoiselle kann mann sich ja nur wünschen - wieso sind es nur immer diese Französinnen in der Literatur, die so charmant in der Gegend umherstreichen, aber wenn ich mich in Frankreich umsehe, vergebens diese anziehenden Frauen finde? :D
Der Prot machte jedenfalls den Eindruck, dass er ihr keine Träne hinterherweint, so als wäre sie mit seinem Wissen nur zur Entstehung des Bildes von einer höheren Stelle abgeordnet worden.

Ist man ein Genie, wenn etwas vollkommen gelungen ist?
Der Prot nennt sich genial; da der Wahnsinn bekanntlich auch in der Nähe liegt, kann ich somit seine Selbsteinschätzung mit einem Lächeln stehenlassen, aber den Titel hätte ich diesem Gedanken nicht gewidmet; ohne die Geschichte zu kennen ist er auf eine Art sehr irreführend, da er, - sorry, mir fällt nix Gediegeneres ein - großkotzig daherkommt.

Lieber Gruß
bernadette

 

Großkotzig

Hi bernadette,

danke für´s Willkommen und den Kommi - puh, hast Du Dich aber mächtig ins Zeug gelegt mit Deutungen, Meinungen und Überlegungen. Mal sehen ....
... dass mit den zwei Os geht okay ...
... das Mädchen hat kein negroides Aussehen - pardon - der Mund mancher Frauen ist glatt, mancher stark gekraust, oft klar abgegrenzt zur Haut, bei manchen eben nicht. Dort wächst die Haut des Mundes oder der Lippen fließend in die Haut über, wieder bei anderen ist der Mund mit einem dunkler gefärbten Strich umrandet. Diese Spielart ist sehr selten, die Haut dieser Geschöpfe ist oft von einer wachsartigen Blässe. Diese Lippen stehen so hoch in ihrer Beliebtheit, dass sich schwachsinnige Filmsternchen sogar auf chirurgischem Wege dieses Aussehen verpassen lassen - allerdings ohne den Charme dieser Exoten zu erreichen. Manchmal rutscht ja auch der operierte Strich durch das Gewebe bis ins Kinn hinab - sehr apart. :lol:
Wenn Du das mit Schamlippen vergleichen willst, dann herzlichen Glückwunsch zur Phantasie.:thumbsup:
... dass mit dem Finger doppelt - okay ... unnatürlich ist wirklich doof ... muß ich ändern. Entschuldige, dass ich diesen süßen Anblick als unnatürlich bezeichnete.
... keine Ahnung, wo Du in Frankreich so unterwegs bist - mir sind sie begegnet - vielleicht sehen wir Männer die Frauen mit anderen Augen? Diese Möglichkeit besteht zumindest.;)
... zum Genie: Jeder Mensch wird mehrfach im Leben zu einem Punkt geführt, an dem sein ganzes Können, vermischt mit seiner Persönlichkeit zu einer Harmonie, einem Zustand herausragender Vollkommenheit explodiert. Dass diesen Zustand auch jeder selbst "erlebt" darf bezweifelt werden; dass diesen Zustand andere "sehen" ebenfalls. Mein Prot. hat´s wenigstens mitbekommen und wie die Liebe mit Zaza nun ausging ... darum geht´s nicht in der Story - es ging nur um diesen Punkt, dem er ja auch bis zum Lebensende ... ich denke, Du hast es gelesen ...
Vielleicht werde ich eines abends, mit dem Kissen im Nacken und zufrieden lächelnd an das Werk gelehnt für immer einschlafen und gewußt haben, daß es ein Vollkommen gegeben hatte.
Manche Autoren nehmen sich als Prot. das Leben, manche erleben geniale Momente. Die ganze großkotzige Bandbreite des Lebens und wir mitten drin. Ist das nicht wundervoll? :thumbsup:
Liebe Grüße
Detlev

 

Der Einstieg gefällt mir. Ohne viel Federlesens und ohne Rücksicht auf den Leser wird mit Fachbegriffen herumgeworfen, als sei das Leinwandbauen für jeden das Selbstverständlichste der Welt. Die dann folgende Anspannung und das Zögern des Protagonisten werden sehr plastisch dargestellt – ich meine hier vor allem das Kreisen der Gedanken (Bussard!) und das imaginäre Zeichnen mit der Kohle. Daß Zaza eher beiläufig eingeführt wird, ist nur konsequent – alles Denken und Sinnen des Prot ist auf das zu schaffende Bild konzentriert -, man hat den Eindruck, sie stört.

Um so überraschender ist dann ihre Rolle bei der Erschaffung des Bildes, denn eigentlich müßte ihr Auftauchen den Protagonisten stören, denn was er bis dahin trieb, war nichts anderes als die Kopulation mit dem Bild, das er malte. Darauf deuten nicht nur seine Dauererektion, die er sinnigerweise mit Rilke bekämpft, sondern auch die Vergleiche bei der Beschreibung des Bildes – Ränder der Erdscholle wie Schamlippen – sowie das benutzte Vokabular – Muskeln, Anstrengung, hoher Puls.

Zazas Auftauchen in einer Pause kam ihm gerade Recht, jede Frau wäre ihm zu diesem Zeitpunkt Recht, käme sie nicht, er müßte sich wahrscheinlich selbst befriedigen. Aber mit ihrer Motivation hapert’s gewaltig, denn es ist nicht ersichtlich, warum sie gerade in dem Moment auftaucht und sofort auch noch zu allem bereit ist. Da muß man schon an die Vorsehung oder an die eigene Genialität glauben. Oder an seine Anziehungskraft, die die eines Malers ist, eines Künstlers also, dem Frauen bekanntlich nicht widerstehen können, wenn sie gerade ihren Eisprung haben. :D

Aber darüber kann man hinwegsehen, es ist ja nur eine Geschichte, in der das Schaffen eines Meisterwerks geschildert wird, bei solchem Tun geht es ohne Frauen nicht, sie müssen dabei sein, wenn nicht zum Ficken, dann als Muse, selbst Rilke konnte nicht ohne sie sein, ja, sie sind das Salz, der Stoff, aus dem die Träume sind – mir fällt gerade keine bessere Formulierung ein.

Nicht hinwegsehen kann man jedoch über die an manchen Stellen recht bombastische Sprache

verschwand im interstellaren Raum
[..]
Chöre zerstörter Engelscharen
[..]
konvulstischen Zuckungen meines Ichs
[..]
Es war ein kosmischer Tanz, eine orgastische Kernschmelze unkontrollierbarer Gefühle, das Gehirn außen vor und für einen Moment klemmte die Erdachse
Dann gibt es noch Bilder sehr nah am Klischee:
Mein Haar klebte auf der Stirn, das ich immer erst hinter die Ohren strich, wenn ich eine Zigarette anzündete und im Mundwinkel vergrub. Der Rauch reizte in der Nase, mit verkniffenen Augen maß ich Entfernungen zwischen zahllosen Linien, Ausbrüchen und Krusten.
[..]
da stand sie vor mir, die Beine fest geschlossen, auf den Zehenspitzen wippend, den Kopf schräg zur Seite gelegt, beide Hände zu Fäusten geballt in den Taschen vergraben und die Ellenbogen durchgedrückt.
Ja, so stellt man sich den Künstler und die manifestierte Unschuld vor, aber leider habe ich solche Szenen schon X-Mal in Filmen gesehen, die letzte vor allem in Französischen.

Trotz dieser Schwächen ist die Geschichte gut, und ich frage mich, warum sie hier so wenig Resonanz gefunden hat. Sie ist wortgewaltig und enthält zudem alles, was eine erotische Geschichte enthalten soll, und trotzdem hatte bisher es nur bernadette gewagt, sie zu besprechen. Was ist los mit euch? Ihr besprecht in dieser Rubrik fast jeden Erguß von Pubertierenden und an diesem erotischen Gemälde geht ihr achtlos vorbei - warum?

Dion

 

hallo detlev

Ich benötigte drei volle Tage, um die Leisten vom Schreiner ins Atelier zu karren, sie zu nuten, leimen, verschrauben und mit Nesselleinen zu beziehen.

Am Abend des dritten Tages
Klingt sehr nach Gott, wie er die Welt schuf, aber warum eigendlich nicht?

Am Abend des dritten Tages versuchte ich beim Italiener um die Ecke mit Hilfe eines Nudelgerichtes und Glases Rotwein meine Anspannung zu lindern, aber alle Gedanken kreisten wie ein Bussard über dem Feld.
ändere mal den Satzbau: erst mit Hilfe eines, dann beim Italiener um die Ecke

Ermattet trat ich mehrere Schritte zurück, schwer atmend und ich rieb mir mit einem alten Lappen die Farbe von den Händen.

Langsam schlenderte ich zur Tür, öffnete, und da stand sie vor mir: die Beine fest geschlossen, auf den Zehenspitzen wippend, den Kopf schräg zur Seite gelegt, beide Hände zu Fäusten geballt in den Taschen vergraben und die Ellenbogen durchgedrückt.

Taxierte überwältigt das vor ihr Aufragende wie eine glatte Felswand, die es ohne Seil zu besteigen galt.
Taxierte überwältigt das vor ihr wie eine glatte Felswand Aufragende, die es ohne Seil zu erklimmen galt.
oder besser:
Das vor ihr wie eine glatte Felswand Aufragende taxierte sie überwältigt. Es galt, diese ohne Seil zu erklimmen.

Ich roch ihre Nähe, jeder Zoll ihrer dunklen Haut spie das Weibliche in meine Augen, das Jochbein, geformt wie der Stimmungsbogen einer Sonate, die Vene am Hals schlug den weichen Takt ihres Herzens
und dann würde ich mit einem und direkt in den nächsten Satz übergehen

Auch mir gefällt deine literarische Pinselei hier sehr gut. ich hatte teilweise das Gefühl, du würdest einen Klecks malen, und dann einen Satz schreiben. Von anfang an hast du mich sehr schön in deine Geschichte mitgerissen. jaja. jeder braucht seine Muse.
Ich würde diese KG sehr gerne empfehlen, aber dafür lese ich in dieser Rubrik zu wenig, um die Konkurenzsituation einschätzen zu können.
aber für den auch schönen empfehlungstread "vollkommen gebildete MEtaphern und andere Sprachdiamanten", den du bei den autoren finden kannst, reicht deine schwungvolle Sprache allemal.

gruß

 

Hi Detlev,

da ich selbst auch ab und zu male, kann ich diese Mischung aus Geilheit an der eigenen Schöpfungskraft und körperlichem Verlangen nach einem Partner gut nachvollziehen. Die Ebenen hast du sprachgewaltig und gut verknüpft.
Aber du kennst es ja schon von mir. An einigen Dingen habe ich kleinlich zu meckern.

Ich benötigte drei volle Tage. Die Leisten vom Schreiner ins Atelier zu karren
Hier solltest du einen Satz draus machen, damit der zweite vollständig wird. Ich benötigte drei volle Tage, die Leisten vom Schreiner ins Atelier zu karren
versuchte ich beim Italiener um die Ecke mit Hilfe eines Nudelgerichtes und Glases Rotwein meine Anspannung zu lindern
"Glases" benötigt mE hier ein Fürwort, auch, wenn es sich wieder holt: versuchte ich beim Italiener um die Ecke mit Hilfe eines Nudelgerichtes und eines Glases Rotwein meine Anspannung zu lindern
Zaza, die zierliche Kellnerin, strich einige Male, nachdem ich den Teller geleert und sie ihn abgeräumt hatte, um meinen Tisch.
Damit der Bezug runder und klarer wird, solltest du umstellen: Zaza, die zierliche Kellnerin, strich, nachdem ich den Teller geleert und sie ihn abgeräumt hatte, einige Male um meinen Tisch.
„Danke – nein. Aber zahlen möchte ich gerne“, krampfhaft zog ich meine Mundwinkel in die Höhe
Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wie das in der alten RS gehandhabt wurde. Für mich liest es sich aber komisch, da ja beides vollständige Sätze sind. Besser fände ich gerne." Krampfhaft - Das hast du übrigens sehr oft so und es störte mich jedes Mal, auch, wenn ich es nur an diesem Beispiel aufzeige.
„Okay, isch ol nur schnell die Portmonee“, drehte sich um
Hier ist man die ganze Zeit beim Icherzähler und dann wird Zaza auf einmal aktiv, ohne dass du sie beim Namen nennst. "Okay, isch ol nur schnell die Portmonee." Zaza drehte sich um
öffneten die abgeschabte Geldtasche und wie sie sich über den Tisch beugte
"wie" ist nicht nur umgangssprachlich, sondern falsch. Es muss "als" heißen.
Ihr Busen war sehr klein und die Warze in einer Größe der Kuppe meines kleinen Fingers posierte darauf überraschend forsch, aber keinesfalls unpassend.
Vor "Größe" solltest du ein bestimmendes Fürwort nehmen. Besser "der" statt "einer"
„Es wirrd eine grosse Bild, das ist in meine Gefühl – das sehe isch innèn ahn“, ohne weitere Ausführungen wandte sie sich ab und mit kurzem Gruß verließ ich das Gasthaus.
wieder die Sache mit den vollständigen Sätzen in der wörtlichen Rede aber auch ein problematischer Perspektivwechsel: "Es wirrd eine grosse Bild, das ist in meine Gefühl - das sehe isch innèn ahn." Ohne weitere Ausführungen wandte sie sich ab und ich verließ mit kurzem Gruß das Gasthaus. - So sollte es mMn gehen.
Dabei spielte es keine Rolle, ob die Fläche nun schwarz oder weiß war – bereit, die Farben zu rufen, sie zu bannen, um sie in Konturen zu zwingen, die noch unbekannt in mir spukten, griff ich abwesend zur Kohle.
Auch hier hat mich der Perspektivwechsel nach dem Bindestrich irritiert. So schön Bindestriche sein können, hier wäre mit einem Punkt stattdessen die Struktur klarer.
Mein Haar klebte auf der Stirn, das ich immer erst hinter die Ohren strich, wenn ich eine Zigarette anzündete und im Mundwinkel vergrub.
Manchmal wirken deine Einschübe für mich falsch positioniert. So auch hier. Damit schaffst du dir ein Bezugsproblem. Simpler und mE besser wäre hier: Mein Haar, das auf der Stirn klebte, strich ich immer erst hinter die Ohren, wenn ich eine Zigarette anzündete und im Mundwinkel vergrub.
Kleine Stellen, wo sich die Chöre zerstörter Engelscharen in die aufgeworfenen Falten überlappender Kontinente gebohrt hatten, gerann weiches Blau in den windstillen Suhlen.
So oft ich diesen Satz auch gelesen habe, es schien mit etwas zu fehlen. Entweder hängt "Kleine Stellen" leer im Raum oder "gerann weiches Blau in den windstillen Suhlen".

Nichtsdestotrotz hat mir deine Geschichte gut gefallen.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Dion
Hilfe! Ihr nagelt mich mit Kommentaren zu, dass ich fast nicht mehr zum Schreiben neuer Stories komme - okay, es freut mich natürlich riesig - vor allem, wenn es sich um so schmeichelnde Worte handelt, wie Du sie hier eingesetzt hast. Und um Dich ein bisschen neidisch zu machen - diese Zaza gab es wirklich und sie sah genau so aus wie in einem kitschigen Franzosenfilm - allerdings vor vielen, vielen Jahren, als es noch Hippies und den 2CV gab. Leider waren die Zusammenhänge nicht annähernd ähnlich.
Nochmal - vielen Dank.
Liebe Grüße
Detlev

 

Hallo Aris Rosentrether
Danke für Deinen Kommentar, für die Tips und die geopferte Zeit. Im letzten Zitat sehe ich zwar das nötige Komma, verstand aber den Sinn Deiner Anmerkung nicht - mh... ein bisschen Ratlosigkeit.
Der letzte Satz macht mich errötend. Danke.
Gruß
Detlev

 

ich hatte vorgeschlagen, den angesprochenen Satz durch ein UND mit dem nächsten zu verbinden. hab ich schlecht ausgedrückt.

geschmeichelt hin oder her, bevor du dich von uns und unseren kommentaren vom schreiben abhalten lässt, wäre es angebracht, auch mal andere KG´s hier zu kommentieren.

gruß

 

Hallo sim
Für Dich mag es kleinliches Meckern sein - für mich ist es sehr lehr- und hilfreich. Du kritisierst ja nicht nur, sondern gibst mir Anregungen und wertvolle Tips für die zukünftigen Stories. Also vielen Dank für Deine mühevolle Aufgabe, einem Ungeübten die Grundbegriffe des Satzbaues einzutrichtern. Ich weiß das sehr zu schätzen.
Liebe Grüße
Detlev

 

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