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Immer diese Hormone
Jetzt hat sie sich schon wieder aus dem Haus geschlichen. Ich sitze am Fenster und schaue ihr hinterher, wie sie mit ihrem Fahrrad die letzten paar Meter auf den Hof schiebt. Es quietscht, ständig sage ich ihr, dass sie es ölen soll, aber sie tut es nicht. Irgendwie merkt man da doch, dass es vom Sperrmüll ist.
Ich hab sie wirklich lieb. Aber manchmal, da könnte ich sie schütteln. Hüfthosen - wer trägt denn heute Hüfthosen? Das tun nur Mädchen bis zehn Jahre, und aus dem Alter ist sie nun wirklich raus, auch, wenn das rosa Fahrrad eine andere Sprache spricht. Tausendmal habe ich ihr gesagt, dass niemand mehr solche albernen Schlaghosen trägt - Cargo-Hosen sind in, in Cordoptik, mit mindestens sechs Taschen. Die Taschen hätten außerdem den Vorteil, dass sie diese alberne Handtasche zu Hause lassen könnte.
Und dann die In-Extremo-CD. Man könnte beinahe meinen, sie macht eine Trotzphase durch. Das ist eben so in ihrem Alter. Die Hormone. Zum Glück habe ich dieses Problem nicht.
Es ist schon dunkel draußen. Normalerweise liegt sie um diese Zeit schon im Bett, hört noch die letzten paar Takte Geschrammel. Andauernd versuche ich, ihr bessere Sachen vorzuspielen, richtige Musik. In Extremo ist für Anfänger, aber sie traut sich nicht so recht in die Tiefen des Genres. Irgendwie süß.
Jetzt hat sie mich gesehen. Sie dreht den Kopf - sind das Zöpfchen? - und schließt hektisch ihr Fahrrad an. Ich seufze. Sie macht die Tür auf, und ich erwarte sie an der Treppe, sehe auf sie herab. Es ist nicht besonders hell und ich kann ihr Gesicht nicht sehen, aber es scheint fast, als hätte sie einen schuldbewussten Gesichtsausdruck. Was schleicht sie sich auch ständig aus dem Haus? Wir sind doch beide erwachsene Menschen, vielleicht sollten wir einfach drüber reden?
"Wie lange soll das so weitergehen?", frage ich so geduldig wie möglich. "Willst du mir deinen neuen Freund nicht mal vorstellen, Mama?"