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Rache an Robbie Williams
Bei unserer Ankunft waren die Zimmer noch nicht fertig vorbereitet, und so gesellten wir uns zu den anderen Gästen an den Pool. Ich hatte nur mitfahren dürfen, weil meine Schwester das Zimmer mit mir teilte, doch Carla hatte überhaupt nicht vor, die Tage mit mir zu verbringen. Sie freute sich auf einen ungestörten Aufenthalt mit ihrem Freund, der schon zwei Tage früher angekommen war. Also drückte sie mir Geld und Zimmerschlüssel in die Hand und sagte leichthin: „Amüsier dich!“
Ich war noch genervt von der langen Reise, und jetzt stand ich ganz allein am Becken. Wenn das meine Eltern wüssten, was ich mit meinen siebzehn Jahren so erlebte! Aber natürlich würde ich es ihnen nicht sagen! Und dann passierte das, was mir ja doch noch Hoffnung auf ein paar schöne Tage machte.
Plötzlich stand Robbie Williams vor mir. Zumindest sah er ihm verdammt ähnlich, diese großen Augen, das spitzbübische Lächeln, die Falten um den Mund. Wenn er nicht akzentfrei Deutsch gesprochen hätte, hätte die Vision noch einen Moment länger gehalten. Aber auch so war ich ganz aus dem Häuschen, mein stockender Atem setzte erst nach einer Pause wieder ein.
Ich legte mich auf eine Liege und schloss die Augen, wohl wissend, dass dieser tolle Mann nur ein paar Meter von mir entfernt war. Gerade in diesem Moment ertönte auch noch Rock DJ. Bei uns zu Hause war die Scheibe schon längst ein Oldie, aber hier galt sie wohl als aktuell. Ich kannte den Clip auswendig, in dem Robbie inmitten der gleitenden Menge steht und nacheinander seine Hüllen fallen lässt, um die Aufmerksamkeit zu erregen. Nun, bei meinen Freundinnen und mir war es nicht nur die Aufmerksamkeit. Me with the floorshow kickin' with your torso …
Ach, sollte sein Stellvertreter doch hier strippen! Langsam und genussvoll das Shirt über den muskelbepackten Oberkörper ziehen. Unwillkürlich stöhnte ich auf und öffnete erschrocken die Augen. Nein, niemand nahe genug, der es hätte hören können. Erleichtert ließ ich mich wieder zurücksinken in die Liege, beobachtete jetzt den Robbie-Ersatz zwischen halbgeschlossenen Augenlidern. Er hatte tatsächlich sein Hemd ausgezogen, das die Tätowierungen der Oberarme freigab. Von der männlich behaarten Brust verlief ein dünner Haarstreifen hinunter zum Bund seiner Boxershorts. Hm, die Ferien fingen göttlich an!
Mir wurde merkwürdig heiß, und ich entschied mich für einen Drink an der Bar.
„Campari-Orange“, sagte ich selbstbewusst und hoffte, nicht nach dem Alter gefragt zu werden. Ich spürte mein schon aufgeputschtes Herz bis in die Ohren, als er plötzlich neben mir stand. Warum nicht Small Talk machen, während der Barkeeper meinen Drink mixte? Nur, mir fiel nichts ein. Der Fremde lächelte mich freundlich an, und auch ich zeigte meine wohlgeformten Zähne.
„Na, allein hier?“ fragte er, und ich geriet etwas ins Stammeln.
„Ja und nein. Meine Schwester ist ...“, ich zeigte zu den Zimmern hinüber, „ ... dort irgendwo.“
Eine kleine Pause, während der Barkeeper den Orangensaft auffüllte.
„Dein Zimmer auch noch nicht fertig?“ fragte ich, obwohl es offensichtlich war.
„Nö, und das bei den paar Tagen!“ Ich nickte zustimmend. Es lohnte sich sowieso nicht wirklich, so kurz hierher zu kommen. Jetzt nicht den Kontakt verlieren! Noch ein Lächeln.
„Und, wie heißt du?“ fragte er mich.
„Nadine“, sagte ich schüchtern und schämte mich für den Allerweltsnamen. „Und du?“ Ich nahm mir meinen Drink und hielt ihn an die Lippen.
„Robert“ Ich prustete in mein Glas, versuchte , mich wieder zu beruhigen.
„Jaaa“, sagte er gedehnt, „ich werde Robbie genannt ... und jaaa, du bist die Hundertzweite, wenn du mich auf die Ähnlichkeit aufmerksam machen willst.“
Ich zog scherzhaft meine Nase kraus, schenkte ihm dann wieder mein schönstes Lächeln. Ja, diesmal könnte es klappen, und von Robbie Williams entjungfert zu werden, war ja nicht das Schlechteste.
„Wie alt bist'n du?“ versuchte ich, das Gespräch in Gang zu halten.
„Dreiundzwanzig.“ Ja, ein reiferer Mann! Das passte ja gut zu meinen siebzehn.
„Und du?“ fragte er zurück.
„Rate mal.“ Mein neckischster Blick, zu Hause lange vor dem Spiegel geübt.
„Vierundzwanzig?“ Was? Er hielt mich für älter als Zwanzig? Mein Lächeln drohte mir zu entgleiten. Ich hatte das für einen Flirt gehalten, und er sah mich als ältere Frau? Und damit nicht genug, kam ein Mädchen in meinem Alter auf uns zu, die ich vorher schon am Pool gesehen hatte. Er nahm sie unvermittelt in den Arm:
„Und das ist meine Freundin Deborah!“
Ich wollte nur weg, nach Hause, nicht vier Tage hier festgenagelt sein! Welche Schmach! Schamesröte trat mir ins Gesicht. Deborah sah mich aber begeistert an und meinte: „Weißt du, dass du Ähnlichkeit mit Jeanette Biedermann hast ...?“
Dabei nahm sie eine Strähne meiner langen Haare und wickelte sie sich kurz um den Finger. Ich wollte sie mit dem gerade erlernte Spruch anblaffen: „Damit bist du die Hundertzweite, die das sagt“, aber sie war es ja gar nicht, auf die ich so sauer war. Eigentlich war es ja eine nette Bemerkung. Und sie sah mich arglos an, nicht ahnend, dass ich noch vor zwei Minuten ihren Freund in mein Bett locken wollte. Ich atmete kurz durch und sagte dann:
“Hat noch keiner gesagt – ich heiße Nadine, aber du kannst mich ja auch Jeannie nennen.“
So war es auch Debbis Vorschlag, dass wir den Abend zu Dritt verbrachten. Wir gingen hinunter zum Strand, wateten gemächlich durch das noch warme Wasser. Robbie bot uns einen Joint an, an dem Debbie auch ein paar Mal zog. Ich hatte daheim schon die Erfahrung gemacht, dass das Zeug merkwürdige Dinge in meinem Hirn veranstaltete und wollte das in dieser fremden Gegend lieber nicht noch mal erleben. Also lehnte ich dankend ab und schlug stattdessen vor, in der Kneipe abzuhängen. Robbie kippte ein paar Gläser Bier hinunter, während wir bunte Cocktails schlürften.
Robbies Bewegungen wurden fahriger, seine Stimme lauter, und ich sehnte das Ende des Abends herbei. Zusammen mit Debbie schlenderte ich aufs Klo, wo sie mir ihr Herz ausschüttete.
„Ach, es ist furchtbar, ich habe gar keine Lust, den Urlaub mit ihm zu verbringen“, jammerte sie mir in dem großen Raum vor, in dem altmodische Waschtische und Plüschsofas standen. „Nichts gefällt ihm, wenn er high ist, an allem hat er was zu mäkeln, und er ist auf jeden und alles eifersüchtig.“
Ich muss sie einen Augenblick mit leerem Blick angesehen haben, bis sie meine Hand nahm und mir gestand: „Ich bin so froh, dich getroffen zu haben.“
Das war der Augenblick, als mir klar wurde, wie ich mich in meinem verletzten Stolz an Robbie rächen konnte. Ich setzte mich den ganzen Abend sehr nahe neben sie und wartete auf meine Chance. Als Debbi noch mal in Richtung Plüschraum ging, blieb ich diesmal bei Robbie sitzen, und so nebenbei ließ ich die Bemerkung fallen:
„Ein hübsches Mädchen, deine Freundin. Mit Jungs hab ich es ja nicht so“, dabei sah ich ihm mysteriös tief in die Augen, „ aber Debbi ist was ganz Besonderes.“
Ich hielt den Augenkontakt, um in ihm zu lesen. Verunsicherung wechselte sich ab mit Zweifel, dann Argwohn, Ärger, wieder Zweifel. Bestimmt fragte er sich, ob er mich richtig verstanden hatte. Einen Tick zu lang dauerte es, bis er endlich reagierte:
„Dann sieh zu, dass du deine Finger bei dir behältst.“ Nachdem Debbi wieder bei uns war, ließ er sie nicht mehr aus den Augen. Mich auch nicht. Seine Blicke wanderten immer zwischen uns her.
Von meiner Schwester hörte ich bis zum Frühstück nichts bis auf ihr Gestöhne durch die dünne Zimmerwand. „Mach dir einen schönen Tag, wir verschwinden dann wieder!“, meinte sie gutgelaunt.
„Willst du denn nicht wenigstens mal in den Pool?“, fragte ich ungläubig? „Wofür hast du denn die lange Reise gemacht?“
„Für ...“, entgegnete sie vielsagend und lachte. Dann reagierte sie auf meinen enttäuschten Blick. „Wir können ja heute Abend ausgehen. Dann kannst du dein Jacket ausführen.“ Sie betonte das Wort „Jacket“, und ich verzog mein Gesicht. Musste sie mich denn immer damit ärgern, dass ich oft Männerkleidung trug? Ich hatte nun mal nicht so Hüften wie sie, und so schlabberten Damenhosen an unpassenden Stellen. Und das Jacket war mein ganzer Stolz: ein Traum in weiß-meliertem Leinen.
Den Tag verbrachte ich mit Robbie und Deborah am Pool. Meine Bemerkung vom Vorabend hatte ich schon wieder vergessen, aber Robbie anscheinend nicht. Er wirkte missmutig, bestimmt hatten sie sich schon gestritten. Etwas genervt wollte er ihr den Rücken einreiben, doch Debbi wand sich unter seinen Händen.
„Lass mal, Robbie, brauchste nicht.“ Sie sah mich flehend an. „Das macht Nadine schon.“ Er warf mir einen feindseligen Blick zu, doch über ihren braunen Rücken hinweg grinste ich Robbie triumphierend an.
„Weich, deine Haut“, sagte ich mit genießerischem Unterton.
Er kochte, sagte aber nichts.
Abends wartete ich gut gestylt auf meine Schwester, aber sie kam nur kurz und meinte, dass es heute nicht ging. „Hier hast du noch etwas Geld. Mach dir ’nen schönen Abend mit deinen neuen Freunden.“ In dem Moment kamen Debbi und ihr Typ die Treppe herunter. Wie starrten uns gegenseitig an, und Debbi prustete los.
„Ihr habt ja den gleichen Blazer!“ Sie schüttete sich aus vor Lachen. „Macht nichts, kommt, wir machen einen drauf.“
Der Abend in der Bar zog sich in die Länge, und es war auch nicht meiner Stimmung zuträglich, dass sie schon wieder Rock DJ spielten. Wave your hands if you're not with a man … Can I kick it? Ich war erlöst, als ich endlich wieder in meinem Zimmer ankam und fiel müde und ziemlich betrunken ins Bett. Die Ruhe nebenan zeigte mir, dass meine Schwester wohl auch schon am Schlafen war, oder hatten sie das Zimmer tatsächlich einmal verlassen?
Der vorletzte Tag! Was waren das für Ferien? Ich saß bei einem traurigen Orangensaft beim Frühstück und wollte nur noch verschwinden. Nach Hause? Ach, was erwartete mich da? Meine Freundin Anna würde mich löchern, ob ich es denn endlich hinter mir hätte, dieses verdammte erste Mal. Viel lieber würde ich mich auflösen, einfach aufhören zu existieren. Im Radio redete ein Sprecher vor sich hin: „...se presentaria con el nombre Inferis …” Untot? Ja, so fühlte ich mich auch gerade.
In dieser Stimmung kamen mir Debbi und ihr Freund gerade recht. Sie war gesprächig, Robbie missmutig wie schon zuvor. „Kommt, ihr trüben Tassen, wir machen jetzt einen Strandspaziergang“, sagte sie im Ton der Animateure und zog an meinem Arm.
„Was soll’s?“ seufzte ich und ließ mich ziehen. Als ich Robbies Blick aufschnappte, musste ich grinsen. Na gut, neuer Tag, neues Spiel! Ich schlang meinen Arm um ihre Hüfte, wie ich es vor Jahren immer mit Anna gemacht hatte. Als wir das Hotel verließen, hatten sie wohl den Sender gewechselt. ... Boys getting high and the girls even more so … dröhnte es aus den Lautsprechern. Und in meinem Kopf pellte sich Robbie Williams gerade die Hautschichten vom Körper ...
Der letzte Abend sollte ihm den Todesstoß geben. Sie hatten schon wieder gestritten, und Debbi saß auf meinem Bett. Von unten dröhnte Rock Dj, als wenn sie nur die eine Platte hätten! Und aus dem Nebenzimmer meine Schwester ... Mir war es peinlich, aber Debbi fragte amüsiert. „Stöhnst du auch immer so dabei?“
Ich hatte ja keine Ahnung, schließlich hatte ich nur Erfahrung mit meinem eigenen Körper, und dabei war ich gewohnt, den leisesten Laut zu unterdrücken.
„Weiß nicht“, entgegnete ich leichthin.
„Komm, wir tun mal so!“, lachte Debbi mich an. „Mal sehen, ob wir deine Schwester übertönen können ...“ Und sie begann zu stöhnen.
Ich wusste nicht, was ich machen sollte, versuchte, mich an die Szene aus Harry und Sally zu erinnern. Meine ersten Laute waren eher verunglückt und leise, aber Debbi und ich putschten uns gegenseitig auf. Schließlich schafften wir es, alles zu übertönen: die Musik von unten, die Geräusche von nebenan ... Wir waren bestimmt über den ganzen Flur zu hören. Can I get a witness? Wir lachten.
Ich brachte sie zu ihrem Zimmer zurück, doch es war leer. „Komm, ich schlaf bei dir“, schlug Debbi vor, und ich traute mich nicht, mich zu wehren. Neben mir schlief sie bald darauf ein, doch ich konnte keine Ruhe finden. Ich habe sie am nächsten Tag noch zum Bus gebracht, in den sie ohne Robbie einstieg. „Ach hier, sein Jacket, hab ich aus Versehen eingepackt ...“ Sie reichte mir den Traum in weiß, in völlig zerknittertem Zustand. „Und das Geld kriegt er noch von mir ... Kannst du ihm das geben?“
„Wenn ich ihn noch treffe ...“
Es war ein bedrückender Abschied, und ich wollte alles aus meinem Gedächtnis löschen. Nie wieder wollte ich an diesen Urlaub denken, nie wieder an Deborah oder an Robbie. Doch Anna fragte begeistert nach dem Foto, das Debbi mit meiner Kamera von uns am ersten Tag aufgenommen hatte. Von mir und Robbie, fürs Foto glücklich strahlend. Ich erzählte Anna, was sie hören wollte: die Entjungferung durch einen smarten Robbie Williams.
Ein paar Jahre später strippte der echte Robbie wieder. Auf seiner Homepage konnten Fans ihn Stück für Stück freilegen. Mich hat das alles nicht interessiert. Schließlich habe ich ihn entblößt genug gesehen, bis zu den Knochen.