Was ist neu

Hinter grünen Augen

Seniors
Beitritt
23.08.2001
Beiträge
3.004

Hinter grünen Augen

Semesterbeginn. Ich bin früh, suche mir einen Platz, breite mich aus, nehme mein Buch zur Hand und versinke darin. Der Raum um mich herum verschwindet in Sekundenbruchteilen, die Geräuschkulisse dringt nur noch entfernt an mein Ohr.
„Ist hier noch frei?“
Ich schaue hoch. Sie ist ein bis zwei Jahre jünger als ich, vermutlich erstes Semester, schlank, fraulich, blonde Locken. Sommersprossen zieren ihre Nase, das Lächeln ist auf eine verschmitze Art ein wenig schief. Sie ist bildhübsch, und trotzdem hat sie eine Ausstrahlung, die von Unsicherheit zeugt. Sie ist sich ihrer Wirkung vermutlich gar nicht bewusst. Ich nicke auf ihre Frage, ziehe meine Sachen auf meine Seite des Tisches und nehme meine Tasche von ihrem Stuhl.
„Sorry, ich explodiere immer gleich, wenn ich mich irgendwo niederlasse.“
Wir grinsen beide, viel Zeit zum Reden bleibt nicht mehr, der Dozent betritt gerade den Raum.

„Ich bin übrigens Lara“, stelle ich mich vor, als das Seminar vorbei ist.
„Merle“, sagt sie und streckt mir die Hand entgegen. Sie ist warm und fest, der Druck ausgeglichen. Ich hasse diese weichen Waschlappen, die einem manchmal zur Begrüßung gereicht werden. Eine tote Forelle ist lebendiger!
„Hast Du noch Zeit für einen Kaffee?“, frage ich. Sie nickt, und wir gehen hinüber. Sie trinkt keinen Kaffee, sondern grünen Tee.
„Koffein ist auch in Tee, und er schmeckt mir deutlich besser“, sagt sie fast entschuldigend auf meine Frage. Muss ich aufpassen, sie nicht zu überrollen? Sie ist mir sympathisch, ich würde gerne mit ihr Freundschaft schließen, habe aber Angst, sie zu verschrecken. Wir unterhalten uns die komplette Mittagspause, gut zwei Stunden, essen gemeinsam, gehen danach zum Hauptgebäude zurück. Die Zeit vergeht wie im Flug und ich habe dieses Gefühl, sie schon ewig zu kennen, das ich immer bekomme, wenn ich einen Menschen treffe, der mit mir übereinstimmt. Ich lächle sie an, als unsere Wege sich trennen. Aus tiefstem Herzen.
„Danke, dass du mitgekommen bist. Und wenn du magst, können wir gerne immer die Pause am Dienstag miteinander verbringen.“ Sie strahlt zurück, stimmt zu. Ich bin glücklich. Ich habe Freunde, aber dieses Mädchen ist eine Bereicherung, ist ein Mensch, den ich auf meinem Lebensweg ein Stück mitnehmen möchte.

Nach und nach erfahren wir mehr voneinander. Sie hat keinen Freund, was mich wundert, aber sie stört es nicht.
„Ich hab doch noch so viel Zeit. Der Richtige war halt noch nicht dabei, und irgendwann finde ich ihn schon. Bis dahin fülle ich die Zeit halt mit Studieren.“ Sie lacht, und es klingt ansteckend.
Sie erzählt von Robert, ihrem Bruder. Er ist zwei Jahre älter als sie und lebt in Berlin. Ich bin neidisch, weil sie sich so gut zu verstehen scheinen. Er hat ihr ein Baumhaus gebaut, als sie Kinder waren, hat sie vor den Jungs aus dem Dorf beschützt, sie mit zu Parties und in die Disco genommen. Und immer, wenn es ihr schlecht ging, konnte sie zu ihm gehen und ihm ihr Herz ausschütten. Mike hätte mich verhöhnt, mich als Heulsuse abgestempelt, mir vermutlich noch eine Kopfnuss gegeben und „Mädchen“ gestöhnt. Ich habe ihn immer auf den Mond gewünscht, jeden Abend gehofft, dass er am nächsten Tag nicht mehr da ist, ich nie einen Bruder hatte. Erst jetzt können wir einigermaßen miteinander reden, wo wir mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt sind und uns nur Weihnachten sehen.
„Irgendwann musst du Robert kennen lernen. Er ist ganz anders als die meisten Männer. Er würde dir gefallen, glaube ich.“ Merle behauptet nicht einfach etwas, sondern vermutet. Sie maßt sich nie an, Dinge ungefragt als Wahrheit hinzustellen, und dennoch hat sie einen untrüglichen Sinn dafür, Zusammenhänge und Wahrheiten zu erkennen. Vielleicht ist sie deswegen so gut im Studium, mit Sicherheit rührt auch ihre Beliebtheit dorther. Sie bevormundet nicht, sie gibt Anregungen. Für eine angehende Psychologin ein unschätzbarer Vorteil.

Als das Semester etwa zur Hälfte fortgeschritten ist, treffen wir uns auch außerhalb der Uni, um gemeinsam zu lernen. Der Stoff ist spannend, aber in seinem Umfang viel, gemeinsam geht vieles leichter. Oft lesen wir unterschiedliche Bücher und vergleichen dann die Theorien in ihnen, entscheiden, ob sie wichtig genug sind, um von beiden gelesen zu werden, oder ob unsere Zusammenfassungen reichen. Es macht Spaß, mit ihr zu arbeiten, wir haben ähnliche Methoden und ergänzen uns hervorragend.
Da ich etwas außerhalb wohne, treffen wir uns fast immer bei ihr, ich bringe frische Brötchen mit, sie kocht uns Tee und in der ersten Stunde lassen wir die Uni außen vor. Lernen und Frühstücken passen nicht zusammen, und wir haben genug andere Themen, denen wir uns widmen können.
Kurz vor den Prüfungen öffnet sie mir eines Tages ungeduldig hüpfend die Tür, in der einen Hand den Telefonhörer. Ich bekomme noch mit, wie sie sich verabschiedet und vermute ihren Bruder am anderen Ende der Leitung. Im nächsten Moment springt sie mir strahlend um den Hals.
„Robert kommt mich besuchen! Sobald meine Prüfungen durch sind, nimmt er sich ein paar Tage frei und fährt nach Kiel. Du musst ihn unbedingt kennen lernen, er ist der tollste Bruder der Welt!“ Sie lacht und strahlt und ich lasse mich von ihr anstecken. Neugierig bin ich sehr auf ihn, bleibe aber etwas zurückhaltender. Zu oft habe ich erlebt, dass mir ein toller Mann versprochen wurde, der sich als mittelmäßig entpuppte.

Robert und Merle sind unterschiedlich wie Tag und Nacht. Merles weiche, honigblonde Locken fallen ihr bis zu den Schultern, umrahmen ihr weiches Gesicht mit den dunkelgrünen Augen. Er hat fast schwarzes Haar, ebenfalls lockig, dazu blaue Augen. Während Merle zierlich ist, knapp 1,60 Meter misst, ist er gut 1,90 Meter groß, breitschultrig, muskulös. Gemeinsam ist ihnen jedoch dieses verschmitze Lächeln, bei dem der eine Mundwinkel sich höher zieht als der andere. Er gefällt mir sehr, als ich ihn zum ersten Mal sehe.
„Ihr seid wirklich Geschwister?“, rutscht es mir spontan heraus. Beide lachen, ich fühle mich blöd.
„Mach dir keine Gedanken, das fragt jeder. Ja, sind wir. Wobei Papa immer behauptet, dass Merle vom Postboten ist.“ Er knufft seine Schwester in die Seite, und sie nimmt Boxhaltung an. Beide toben lachend durch die Wohnung, und wir sind alle drei froh, dass ihre Mitbewohnerin bereits bei ihren Eltern in den Ferien ist.
Es ist Anfang März, ein vorgezogener Frühling hat die Stadt in einen Rausch versetzt, den man nur hier im Norden erleben kann, wo jeder Sonnenstrahl kostbar ist. Wir sitzen auf Merles winzigem Balkon, trinken viel zu kaltes Bier aus der Flasche und lassen einen Joint kreisen. Ich fühle mich leicht, geborgen, umgeben von Menschen, die auf meiner Wellenlänge schwimmen. Wir reden, lachen und schweigen miteinander, schauen die Sterne an, die Wolken, die im Mondlicht gespenstisch wirken, beobachten die Nachbarn durch die Fenster im Hinterhof. Erst, als unsere Finger bereits taub sind, gehen wir wieder in die Küche, trinken Espresso, den nicht einmal Merle verschmäht, und wärmen uns wieder auf.
„Gehen wir noch in die Berstraße?“, frage ich, zu aufgepeitscht, um schon nach Hause zu fahren. Merle zuckt die Schultern, sie geht nicht gerne weg, mag den Lärm und den Rauch nicht in den Discos, ist lieber an der frischen Luft. Robert jedoch stimmt zu. Dilemma. Ich sehe Merle fragend, fast bittend an. Sie zwinkert mir zu.
„Geht ihr nur, ich bin auch mit mir allein zufrieden. Und Robert ist bei dir ja in guten Händen.“ Ich grinse, hoffe, dass sie nicht gemerkt hat, wie sehr er mir gefällt. Ich habe keine Erfahrung damit, mit dem Bruder einer Freundin etwas anzufangen, glaube aber, dass es kompliziert sein muss und will es nicht. Aber ganz kann und will ich mich seinem Charme auch nicht entziehen.
Wir lassen Merle allein und gehen das kurze Stück. Ich hake mich bei Robert ein, und wieder durchströmt mich eine Wärme, die mir schmerzlich vertraut und doch viel zu fremd ist. Warum hatte ich keinen solchen Bruder? Ich will nicht darüber nachdenken. Wir gehen in den Luna Club, lassen uns in die Musik fallen, tanzen wie junge Götter. Ich stelle Robert Marc vor, der heute auflegt und mit dem ich lose befreundet bin. Marc nickt mir anerkennend zu und hebt einen Daumen. Ich gehe beschwingt mit Robert zur Bar. Anerkennung von Marc für meine Begleitung ist selten und daher durchaus positiv zu werten.
Der Joint hat mich aufgeschlossener gemacht, ich lache viel und erzähle Robert von Mike, davon, wie sehr ich mir einen Bruder gewünscht habe, der mich beschützt und mir die Welt zeigt, und irgendwann küssen wir uns. Es passiert einfach, mitten im Satz treffen sich unsere Lippen, betasten sich vorsichtig, stupsen sich an, zupfen aneinander. Dann sehen wir uns lange in die Augen und gehen tanzen. Kein Wort fällt, aber unsere Blicke sprechen Bände, unsere Hände suchen immer wieder den Kontakt zum anderen. Gegen halb drei verlassen wir das Luna, gehen Hand in Hand zurück zu Merles Wohnung, wo mein Fahrrad steht. Fragen sehe ich ihn an, als wir ihre Tür erreichen.
„Magst du mit zu mir kommen?“ Meine Stimme ist rauh vom Sprechen, Mitsingen, Rauchen. Und vor Verlegenheit. Er sieht mich lange an, küsst mich dann auf die Stirn und schüttelt bedauernd den Kopf.
„Sorry, aber es geht nicht.“ Keine weitere Erklärung. Er dreht sich abrupt um, öffnet die Haustür mit Merles Ersatzschlüssel und verschwindet. Ich schaue ihm noch einige Minuten nach, sehe seinen Schatten im erleuchteten Treppenhaus nach oben gehen, warte, bis das Licht ausgeht und fahre schließlich plötzlich ernüchtert nach Hause. Ich verstehe nicht, was passiert ist, welchen Fehler ich begangen habe. Vielleicht bekomme ich morgen eine Erklärung.

Bis Robert wieder nach Berlin fährt, sehe ich ihn noch zweimal. Wir verstehen uns nach wie vor gut, kommen uns aber nicht wieder so nahe wie am ersten Abend. Meine Hoffnung, dass er Rücksicht auf seine Schwester nimmt und wir uns noch einmal alleine treffen, zerstreut sich schlagartig, als ich am Freitag bei Merle ankomme und Robert bereits abgereist ist.
„Er hat gestern einen Anruf von seinem Chef bekommen, sie brauchen ihn dringend. Schade, dass ihr euch nicht mehr verabschieden konntet.“ Ich habe nichts von ihm, keine Adresse, keine Telefonnummer, keine Mailadresse. Und ich kann Merle nicht fragen, will ihr mein Interesse nicht zeigen. Idiotisch, und doch habe ich das Gefühl, dass es besser so ist. Ich wusste gleich, dass ich mich nicht auf den Bruder einer Freundin einlassen sollte, nun habe ich die Gewissheit.
Wir treffen uns seltener in den Semesterferien, der Lerndruck ist gewichen, unser rituelles Frühstück wird wohl erst im nächsten Semester wieder einsetzen. Ich fahre in paar Tage zu meinen Eltern, Merle verreist mit einer Freundin für zehn Tage nach Italien. Wir schreiben uns, und doch habe ich Angst, dass unser enges Band Risse davongetragen hat. Ich bin unruhig, warte sehnsüchtig auf den Beginn des neuen Semesters und traue mich nicht, bei ihr anzurufen, aus Angst, ihr auf die Nerven zu gehen. Auch ich bin hin und wieder fürchterlich unsicher, und ich hasse mich dafür.

Endlich beginnt das Semester, und zu meiner Erleichterung scheint alles beim Alten zu sein. Wir haben wieder ein gemeinsames Seminar, und auch diesmal gelingt es uns, einen Tag gemeinsam Mittag zu essen. Schon bald beginnen unsere Lernsamstage wieder, und ich vergesse nach und nach, dass ich noch immer einige Fragen offen habe.
Eines Tages wirkt sie fahrig und abgelenkt auf mich, als ich bei ihr ankomme. Nach dem Frühstück schließlich, als wir zum Lernen in ihr Zimmer gehen, drückt sie mir einen Brief in die Hand und zeigt auf einen Absatz.
„Ich denke, du solltest es wissen.“ Ich schaue sie fragend an, dann beginne ich zu lesen.

Da ist noch etwas, Schwesterherz. Ich habe mich verliebt. Sie studiert Archäologie und wird dir gefallen. Ich hoffe sehr, dass du bald die Gelegenheit haben wirst, sie kennen zu lernen, daher verrate ich jetzt nicht zu viel, damit du dir dein eigenes Bild machen kannst. Nur so viel: Sie heißt Natalie und hat genauso tolle grüne Augen wie du.

Ich lasse das Blatt sinken. Meine irrationale Hoffnung der letzten Wochen, Robert doch noch näher zu kommen, ist endgültig hin. Aber auch Merles Gesicht drückt Wut, Trauer und Enttäuschung aus.
„Solltest du dich nicht eigentlich für ihn freuen?“, frage ich vorsichtig.
„Weil mir irgendeine dahergelaufene Schlampe den Bruder wegnimmt?“ So heftig hatte ich sie noch nie erlebt. „Was glaubst du, wie oft er noch Zeit finden wird, nach Kiel zu kommen? Wie sehr ich ihn in Berlin jetzt wohl belaste, wenn ich dort bin? Nein, begeistert bin ich wirklich nicht.“
Ich kann sie verstehen, Robert ist für sie so wichtig wie sie für mich, ein Halt im Leben, ein Fixpunkt, ein Mensch, den man ungern teilt – und doch finde ich sie unfair. Vielleicht spielt ein wenig Eifersucht mit hinein, als ich sage, dass er sich doch eigentlich viel besser in mich hätte verlieben können. Merle sieht entgeistert auf.
„In dich? Wieso denn in dich?“
„Weil wir herumgeknutscht haben, als er hier war. Weil ich das Gefühl hatte, dass er mich mag. Weil ich mich ein bisschen in ihn verliebt habe.“ Nun ist es heraus. Und wir beide starren uns an wie Rivalinnen. Ich begreife plötzlich, wieso man sich nicht in den Bruder der besten Freundin verliebt. Am Ende verliert man beide.
Eine Weile sagt sie nichts. Dann bittet sie mich leise, zu gehen. Es ist weder Wut noch Hass in ihrer Stimme, nur Trauer und Resignation. Ich stehe auf, verabschiede mich fast tonlos und gehe.

In den nächsten Tagen vergrabe ich mich allein in meiner Arbeit. Der nächste Freitag ist der erste, an dem wir uns nicht zum Lernen treffen, und ich verkneife mir mühsam das schlechte Gewissen. Ich sollte sie anrufen, anbieten, zu reden, aber ich schaffe es nicht. Was soll ich sagen? Es tut mir Leid? Nein, mich in Robert verliebt zu haben, tut mir nicht Leid, sie verletzt zu haben, macht mich so fertig. Erst, als Merle zum zweiten Mal nicht im Seminar sitzt, beginne ich, mich zu wundern, aber mein Gehirn ist mit anderen Dingen beschäftigt und arbeitet träge. Erst gut zwei Wochen nach unserem letzten Treffen werde ich aus meiner Lethargie gerissen. Zuhause liegt ein Brief von Merle.
Ungeduldig reiße ich ihn auf, lese ihn, lasse ihn sinken. Setze mich hin, lese ihn noch mal.

Lara,
ich hab es nicht gepackt. Ich dachte immer, das Leben hätte mich wieder, aber das war nur Selbstbetrug. Und jetzt ist mal wieder alles über mir zusammengebrochen. Ich wollte sterben und bin in der Psychiatrie gelandet. Es geht mir gut hier, und ich darf Besuch empfangen. Ich möchte Dich so gerne sehen.
Kuss, Deine Merle

Ich hatte mir die Psychiatrie immer kalt und trostlos vorgestellt, voller abgesperrter Zimmer, aus denen Wehklagen tönt. Vielleicht habe ich zu oft Einer flog übers Kuckucksnest gesehen. Hier gibt es kein hohes, bedrohliches Tor, stattdessen einen freundlichen Pförtner, der mir den Weg weist, statt deprimierender verwinkelter Gänge ohne Licht gibt es freundliche helle Flure, sympathische Patienten und eine Atmosphäre, die eher an eine Kurklinik denken lässt.
Merle ist in eine Partie Schach vertieft, als ich schüchtern in der Tür des Aufenthaltsraumes stehen bleibe, und sie springt strahlend auf, als sie mich sieht. Warum ist sie hier?
„Wir spielen später weiter, okay, Benny?“, ruft sie ihrem Spielpartner zu, dann ist sie bei mir und umarmt mich.
„Lass uns ein Stück spazieren gehen, ja?“ Sie wartet meine Antwort kaum ab, aber ich nicke eh nur. Mir ist nicht nach Sprechen, ohne dass ich es begründen könnte. Ich habe tausend Fragen und weiß nicht, wo ich anfangen soll.
Draußen scheint die Sonne, es ist mild, ein paar Vögel zwitschern, eine Katze schleicht träge durchs Gras. Mir erscheint der Ort surreal, es kann keine Psychiatrien geben, solange die Welt so friedlich ist. Warum ist Merle hier?
Wir setzen uns auf zwei Schaukeln, lassen uns vom wind treiben. Ich sehe sie lange an, bevor ich mich räuspere, endlich einen Ton herausbringe.
„Warum ... und wie ...?“
„Das warum dauert länger in der Erklärung. Wie: Tabletten. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Mia so früh nach Hause kommt. Manchmal ist auf die einfachsten Dinge kein Verlass mehr. Sie wollte doch ins Kino, das hätte noch ewig gedauert.“ Merle verstummt. Ich starre sie an. Ich bin mir dessen bewusst, und doch kann ich nicht anders.
„Du wolltest wirklich sterben? Das war kein Hilferuf?“
„Nein, ich wollte nicht nur auf möglichst dramatische Art und Weise sagen, dass es mir schlecht geht, ich wollte gehen. Weg, für immer. Nichts mehr fühlen müssen, zu Stein erstarren, mich selber auslöschen. Ist mir wohl nicht gelungen.“ Ihre Stimme klingt hart, ich kenne sie so nicht. Sie tut mir weh, dabei sind es ihre Gefühle, die sie verletzen, ihre Erinnerungen, die ihre Stimme schneidend machen. Ich will sie in den Arm nehmen und traue mich nicht. Noch immer verstehe ich nicht, fühle mich, als müsse ich ein Haus ohne Grundstein, ohne tragendes Element errichten.
„Was hat Dich bloß so aus der Bahn geworfen?“
„Robert.“ Ein einziges Wort, hingeworfen wie ein Knochen. Ich schnuppere daran, aber es sagt mir nichts. Fragend sehe ich sie an.
„Er ist dein Bruder, Du hast ihn gern, er hat eine neue Freundin. Aber das ist kein Grund ...“ Ich bin hilflos, ratlos.
„Du hast es noch immer nicht begriffen, oder? Setz Deine Informationen neu zusammen.“
„Er hat eine neue Freundin. Er hat mich geküsst. Ist es das? Wolltest du, dass er mit mir zusammekommt? Aber das macht auch keinen Sinn.“
„Es hat nichts mit dir zu tun. Ich liebe ihn.“
„Natürlich liebst du ihn, er ist dein Bruder ...“ Und mit einem Mal begreife ich. „Du liebst ihn?“
Merle nickt. Und dann wendet sie sich ab, ballt ihre Hände zu Fäusten und schlägt auf das Gerüst der Schaukel ein, immer wieder, bis ich zu ihr gehe, ihre Hände festhalte und ihren kleinen, haltlosen Körper fest an mich ziehe. Mein Kopf ist voller Fragen, die ich nicht stellen kann, nicht stellen darf, nicht stellen will. Ich schweige, lasse sie weinen, warte ab. Schalte meine Gedanken und Gefühle aus, denn ich habe Angst vor meiner Reaktion. Sie liebt ihn.
Nach einer Weile beruhigt sie sich etwas.
„Lass uns zum Haus zurückgehen, ich bin so erschöpft.“ Ihre Stimme ist brüchig wie rostiges Metall, als sei sie lange nicht genutzt worden. Sie hängt beim Gehen an meinem Arm, wir torkeln unkontrolliert über den Rasen. Es wäre komisch, wenn es nicht so hoffnungslos wäre.
An der Tür macht sie sich los, hält sich am Türrahmen fest, sieht mich prüfend an.
„Komm bald wieder, wenn du magst. Dann erzähle ich dir mehr.“
Ich nehme sie vorsichtig in den Arm, sie wirkt zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe in meinen Armen.
„Du hast mir gut getan, auch wenn es nicht den Anschein hat.“ Ihre Stimme ist leise, eine unbeschriebene Angst klingt in ihr mit. Ich drücke sanft ihre Hand, sehe ihr in die Augen.
„Pass gut auf dich auf, hörst du?“
Sie nickt und lächelt schief. „Das machen die hier schon ganz gut, glaub mir.“

Bereits am nächsten Tag bin ich wieder da. Die halbe Nacht habe ich wach gelegen, habe über Merle und Robert und die Frage nachgedacht, wie es mit den beiden so weit kommen konnte. Und sobald meine Vorlesungen vorbei waren, bin ich zu ihr gefahren.
Als ich komme, sitzt sie in ihrem Zimmer, allein, versunken, lesend. Es geht ihr nicht gut, nicht so gut, wie gestern, als ich kam. Vielleicht so schlecht, wie es ihr ging, als wir uns gestern trennten. Ich weiß es nicht, kann ihr Inneres noch immer schwer einschätzen. Oder nicht mehr, denn es gab eine Zeit, in der ich glaubte, sie durch und durch zu kennen. Eine Täuschung, die mich traurig macht. Jetzt wirkt matt, als stünde sie allein bei strahlendem Sonnenschein unter einer Wolke. Als ich hereinkomme, sie aufsieht und mich erkennt, huscht kurz die Sonne über ihr Gesicht, dann ergraut sie wieder.
„Lara. Danke. Dass du da bist.“ Jedes Wort scheint zu schwer für ihre Zunge zu sein. Ich setze mich neben sie auf ihr Bett, drücke sie kurz, gebe ihr dann wieder den Abstand, den ihr Körper zu verlangen scheint.
„Ich habe die halbe Nacht wach gelegen und mir heute früh eine Beruhigungstablette geben lassen. Nun bin ich träge, aber wenigstens werden die Gedanken durch eine Watteschicht gedämpft. Magst du mir trotzdem Gesellschaft leisten?“ Ich nicke und frage mich, seit wann sie so unsicher ist. Früher war zwischen uns doch immer alles klar gewesen. Wer bin ich geworden in ihrer Welt?
Ich ziehe das Buch aus der Tasche, das ein paar Kommilitonen für sie besorgt haben. Fast alle aus unserem Seminar haben auf der Karte unterschrieben, kommen will keiner. Angehende Psychologen, die die psychosomatische Klinik scheuen, als wären Schwermut, Angst und Depression ansteckend. Ich verachte sie dafür, doch Merle freut sich über das Buch. Sie versteht die Angst der anderen, verteidigt sie gegen mich. Ich seufze.
Eine Weile sitzen wir einfach da, schweigen miteinander, und es ist fast so wie früher.
„Immer, wenn ich masturbiere, stelle ich mir die beiden beim Sex vor“, sagt Merle unvermittelt. Ich starre sie an, mein Kopf weigert sich, den gehörten Worten einen Sinn zu verleihen. Noch nie haben wir so intim über Sex gesprochen, und obwohl ich nun weiß, welches Geheimnis sie mit sich herumträgt, ist dieses Geständnis zu plötzlich gekommen.
„Ich kann nicht anders, ich liebe ihn nach wie vor. Daran wird weder die Entfernung noch eine andere Frau etwas ändern können.“ sie sieht mich nicht an, ihre Hände drehen geistesabwensend das Buch, ihr Haar fällt ihr ins Gesicht. Sie streicht es nicht zurück. Ihre Stimme klingt spröde, als wie weiterspricht: „Ich habe versucht, an etwas anderes zu denken, aber es funktioniert nicht. Ich kann nur so kommen. Pervers, ich weiß, aber ich kann nichts dagegen tun.“
Vorsichtig lege ich zwei Fingerspitzen auf ihre schulter, mehr Gewicht scheint mit unpassend, zu schwer für eine Situation, die sich selbst kaum tragen kann. Ihr Blick bleibt in der Ferne, sie kann mich nicht ansehen. Lange sitzen wir so, und ich erkenne, dass das Schweigen zwischen uns das Pflaster ist, das hilft, den ersten Schorf auf die offenen Wunden ihrer Seele zu legen. Als ich gehe, Stunden später, Minuten, ich habe die Zeit verloren, flüstert sie tonlos „danke“, und für einen Moment treffen sich unsere Augen. Das Lächeln in ihrem Gesicht erreicht die Mundwinkel kaum.

Einige Tage bleibe ich der Klinik fern. Ich habe Angst vor dem, was mich erwartet, vor den Antworten auf meine unausgesprochenen Fragen. Immer wieder drehen sich meine Gedanken um den zentralen Punkt: Beruht diese Liebe auf Gegenseitigkeit? Oder hatte Merle sich mit ihren Phantasien, Träumen, Hoffnungen zufrieden geben müssen? Wusste Robert, was sie empfand? Ich ahne, dass ich bei meinem nächsten Besuch die Antworten bekommen werde und schiebe es hinaus. Die Uni macht es mir leicht, schon wieder habe ich viel um die Ohren, und dieses Semester muss ich alle Bücher alleine lesen, denn Merle ist nicht da, um sich die Arbeit mit mir zu teilen.
Und dann, nach fast einer Woche, nehme ich all meinen Mut zusammen. Ich kann eh an nichts anderes denken, und so wappne ich mich für die schlimmste Antwort, die ich mir vorstellen kann und mache mich auf den Weg zu ihr.
Wie beim ersten Besuch finde ich Merle im Aufenthaltsraum beim Schachspiel. Ich winke ihr zu, lasse sie in Ruhe zu Ende spielen und stelle mich neben den Tisch. Ich verstehe nicht viel von diesem Spiel, beherrsche gerade mal die Grundregeln, weiß, wie die verschiedenen Figuren ziehen können und dass sich alles auf den König konzentriert. Merle macht ihre Züge überlegt, und obwohl sie deutlich weniger figuren auf dem Brett stehen hat als ihr Spielpartner, macht sie einen zufriedenen Eindruck. Ich schaue sie mir an und sehe mehr Ruhe in ihrem Blick als letzte Woche, mehr Energie. Sie scheint wieder ein wenig Kraft gewonnen zu haben und irgendwie von Innen heraus zu leuchten.
Nach etwa zehn Zügen gibt ihr Gegner auf. Er schüttelt ihr die Hand und sagt halb anerkennend, halb ärgerlich, wie gut sie geworden sei.
„Wenn das so weitergeht, spiele ich nicht mehr gegen dich!“, droht er zwinkernd an. Merle grinst und wird ein wenig rot. Ich bin verlegen, weil sie es ist. Seltsame Welt.
In ihrem Zimmer finden wir die nötige Ruhe. Merle besorgt Tee und Kekse, und fast ist es wieder wie früher, als wir uns noch zum Lernen trafen. Doch unser Thema hat sich verschoben, all die Fragen stehen ungestellt zwischen uns.
„Danke, dass du wiedergekommen bist, nach all dem, was ich dir erzählt habe.“
Ich nicke, was soll ich auch sonst dazu sagen? Ich bin hier, weil ich sie gern hab, weil ich neugierig bin, weil tief in mir ein kleiner Voyeur sitzt, der wissen will, wie es dazu kam, dass sich Geschwister verliebt haben und nun der Bruder in einer glücklichen Beziehung lebt, die Schwester aber in einer psychosomatischen Klinik sitzt.
„Weißt du, wir haben das nie gewollt, uns war immer bewusst, dass wir ein Tabu verletzen, eine Grenze überschreiten und uns sogar am Rande der Legalität bewegen würden, aber manchmal passieren die Dinge einfach. Es begann schon in der Kindheit, wir waren unzertrennlich, haben alles geteilt, waren lieber unter uns als mit anderen Kindern zusammen. Unsere Mutter hat sich natürlich gefreut, dass wir uns so gut verstehen, es gab selten Streit, und es hätte so unschuldig bleiben können. Aber natürlich wurden wir älter und kamen in die Pubertät. Ich nahm Robert plötzlich mit anderen Augen wahr, er war nicht nur mein Bruder, sondern wurde zunehmend männlicher. Als er den ersten Bartflaum bekam, hatte ich zum ersten Mal meine Tage, und da wir noch immer keine Barriere aufgebaut hatten, wie es sonst meist zwischen Bruder und Schwester in diesem Alter ist, haben wir auch darüber geredet. Eines Nachmittags saßen wir in meinem schon viel zu eng gewordenen Baumhaus und redeten. Wir saßen eng aneinandergekuschelt da, und es war wunderschön, diese Nähe und Geborgehnheit zu spüren. Und immernoch wäre Zeit gewesen, den nächsten Schritt nicht zu gehen. Aber irgendetwas hat unseren Blick füreinander verändert an diesem Tag, und von da an suchten wir ständig die Nähe des anderen. Ich ging 'versehentlich' ins Bad, während er unter der Dusche stand, er kam genau in dem Moment in mein zimmer, als ich mich umzog. Lauter Kleinigkeiten, die für sich genommen nicht besorgniserregend waren, und unsere Eltern nahmen sie dementsprechend auch nicht wahr.
Eines Tages stand ich im Bad und putzte mir die Zähne. Robert kam herein, setzte sich auf den Badewannenrand und betrachtete mich. Ich sah ihn im Spiegel und wurde unruhig. Mein Magen zog sich seltsam zusammen, durch meinen Unterleib schoss ein Blitz, und als ich meinen Mund ausgespült hatte, drehte ich mich um, ging zu ihm und küsste ihn. Das war nicht überlegt, ich bin einfach meinem Impuls, meinen Gefühlen gefolt. Er hätte mich zurückweisen können, und es wäre nie wieder passiert, aber stattdessen küsste er mich zurück, und von da an wusste ich, dass ich ihn liebte.“
Merle nimmt einen Schluck Tee, sieht aus dem Fenster und spielt gedankenverloren mit einem Keks herum. Ich atme kaum, will sie nicht stören in ihren Gedanken, will sie nicht unterbrechen in ihrem Bekenntnis. Dann endlich redet sie weiter.
„Wir haben es immer geheimhalten können. Unsere Eltern waren oft genug nicht zuhause, und in diesen Nächten teilten wir unser Bett. Unser kindliches Vertrauen zueinander hat uns unsere Körper voller Unschuld und Neugier erkunden lassen, und ich fürchte, dass ich nie wieder einem Mann so werde begegnen können – ebensowenig wird mir jemals wieder ein Mann so nah kommen können wie Robert. Aber als wir älter wurden, wussten wir, dass es enden muss. Unsere gemeinsmen Nächte wurden seltener, und Robert ist nach dem Abi nur deswegen nach Berlin gezogen, damit wir endlich wieder ein normales Leben ohne einander führen konnten. Eine Zeit lang ging alles gut, ich habe sogar einen Freund gehabt, der lieb und süß war. Es endete nach einem halben Jahr, er konnte mir Robert einfach nicht ersetzen. In den anderthalb Jahren danach haben wir alles daran gesetzt, wieder normale Geschwister zu werden, und weil es gelungen schien, haben wir uns auf das Treffen vor wenigen Monaten eingelassen, bei dem du ihn kennen gelernt hast. In den vergangenen zwei Jahren haben wir uns ausschließlich Weihnachten gesehen, wenn das Haus voll war und wir niemals miteinander alleine sein mussten. Und als er jetzt hier war, musste ich erkennen, dass nichts ausgestanden ist. Ich liebe ihn noch so sehr wie zu Beginn, und obwohl er standhaft geblieben ist und uns daher gerettet hat, hat er es natürlich gemerkt. Er hat versucht, mich auf Abstand zu halten und gleichzeitig zu trösten, was nicht wirklich gelang, daher auch sein verfrühter Aufbruch zurück nach Berlin. Und deswegen auch der Brief, in dem er von seiner Freundin berichtet hat. Er wollte mir damit sagen, dass es endgültig aus ist.“
Wir schwiegen lange, Merle tief in ihre Gedanken versunken, noch immer den Keks zerkrümelnd, von dem kaum noch etwas übrig war, ich voller widerstreitender Gefühle. Ich wollte sie in den Arm nehmen, sie trösten, schütteln, anklagen – meine Gefühle fuhren Achterbahn ohne Zwischenstopp.
Dann endlich schaute sie mich an, sah meinen Blick, der voller entsetzen gewesen sein muss, und ihre Augen suchten nach Absolution in meinem Blick.
„Andere suchen lange nach ihrem perfekten Gegenstück und finden es nie. Meines war bereits bei meiner Geburt da, und doch dürfen wir nicht zusammen sein. Das Leben sucht sich manchmal brutale Wege.“
„Was willst du nun machen?“
„Einen Teil von mir für immer loslassen, deswegen bin ich hier.“
Mein Magen fühlt sich plötzlich kalt an, als hätte ich eine Kugel Eis am Stück heruntergeschluckt. „Und wenn du es nicht schaffst?“
„Dann werde ich hoffentlich aufhören, zu existieren.“ Ihr Blick ist voller wilder Entschlossenheit, die mir zeigt, dass es für sie keine weitere Option gibt. Mir wird kälter. Schließlich stehe ich auf, umarme sie und gebe ihr einen Kuss zum Abschied. Der Rest des Weges gehört alleine ihr.
Als ich durch das Tor gehe, atme ich tief durch, um die Freiheit zu spüren, die Merle nicht hat.

Es war das letzte Mal, dass wir uns sahen. Ich bekam in den folgenden Monaten hin und wieder eine Karte von ihr, aus verschiedenen Kliniken in Deutschland, dann versiegte der Kontakt ganz. Ich werde nie sicher sein, ob sie es geschafft hat, und wann immer ich meinen Arbeitstag in der Psychosomatik beginne, indem ich einen Becher Tee trinke und gedankenverloren einen Keks zerkrümel, denke ich an Merle.
_________________
20.03. - 27.08.2006

 

Hallo chaosqueen,

selten habe ich eine Geschichte hier so versunken und intensiv gelesen wie Deine von Merle und der Liebe an sich, die eben nicht immer nur "schön" und "gut" ist, sondern die Ausprägungen annehmen kann, die zerstörerisch wirken. Du baust die Prots gut auf, lässt sie leben und ihre Innenwelt begreifbar, nachvollziehbar werden, und schaffst es dabei auch - und darin sehe ich das Meisterstück - Laras stückweise Einführung in die Geschichte und die Leiden von Merle für mich als Leser glaubwürdig zu gestalten.
Mit jedem Detail mehr wird auch für mich das Leben und die Welt von Merle und Robert konkreter, während ich parallel Zeuge werde, wie auch Lara diese Puzzlestücke zusammensetzt und sich mit den neuen Wahrheiten, den weiteren Gesichtern ihrer neuen Freundin auseinandersetzt, setzen muss. Und wie sie letztendlich daran scheitert, weil sie diese Verantwortung nicht (er)tragen kann, weil Lara ein eigenes Leben führt und dieses offenbar nur bei Kenntnis weniger Fakten mit dem von Merle und Robert ein Einklang bringen und halten kann.
Alle drei Prots wirken lebendig, wirken logisch, stimmig, in sich nachvollziehbar und in ihrer Interaktion glaubwürdig, in ihrer Gedankenwelt und in ihrem Handeln.
Das ist bei dem Thema eine große Leistung, ich bin ehrlich beeindruckt und berührt.

Ich danke Dir für diese Studie, bei der ich mir ebenfalls ein bisken wie ein Voyeur vorkomme, deswegen, weil es keine zweidimensionalen Prots bleiben, sondern es sich so in meiner Nachbarschaft abspielen kann, könnte.
Ich habe mehr als eine Geschichte gelesen, so kommt es mir jedenfalls vor.

Danke,
C. Seltsem

PS: ein paar kleine Fehler, insb. ein paar Nomen die kleingeschrieben sind, sind noch drin, die sollte Word aber sicher finden (und sonst werden sie sicherlich von anderen angemerkt).

 

Hi!
Ich kann mich C. Seltsem nur anschließen...
Deine Geschichte ist wundervoll, ansprechend und intensiv geschrieben, ist ehrlich und doch kein bisschen plump.
Ich habe selten so eine tolle Geschichte gelesen, weder in einem Forum, noch in einem Buch!

Hochachtungsvoll:D
Smilla^^

 

Hallo chaosqueen,

eine wirklich prima Geschichte, auch, wenn ich den Eindruck habe, zum Ende wolltest du fertig werden.
Vielleicht wolltest du aber auch den Gedanken in Gang setzen, warum Lara Merle nicht wieder besucht. Was ist an ihr anders geworden? Oder ist Lara so von bürgerlicher Moral geprägt?
Ich persönlich finde das Ende etwas frustrierend, nicht, weil mir der Ausgang nicht gefällt, sondern weil er mir zu unvermittelt kommt und ich Lara deshalb in ihrer Entscheidung nicht begreifen kann.
Stilistisch liest es sich sehr gut.
Trotzdem gibt es Details:

Der Stoff ist spannend, aber in seinem Umfang viel, gemeinsam geht vieles leichter
Vorschlag: Der Stoff ist spannend aber umfangreich, gemeinsam ...
„Gehen wir noch in die Berstraße?“,
Wirklich Ber oder Berg?
Fragen sehe ich ihn an
Hier bestimmt Fragend
Ich fahre in paar Tage zu meinen Eltern
fahren ein
Ich möchte Dich so gerne sehen.
Kuss, Deine Merle
Wenn man einen Brief so abschließt, beginnt man ihn in der Regel auch persönlicher.
lassen uns vom wind treiben.
Wind
Wolltest du, dass er mit mir zusammekommt?
zusammenkommt
die die psychosomatische Klinik scheuen
vorher schreibst du von Psychiatrie. Das ist nicht dasselbe wie eine psychosomatische Klinik.
Ihre Stimme klingt spröde, als wie weiterspricht
als sie
Vorsichtig lege ich zwei Fingerspitzen auf ihre schulter
Schulter
obwohl sie deutlich weniger figuren auf dem Brett stehen hat
Figuren
Wir saßen eng aneinandergekuschelt da, und es war wunderschön, diese Nähe und Geborgehnheit zu spüren.
"da" würde ich streichen.
er kam genau in dem Moment in mein zimmer, als ich mich umzog.
Zimmer
ich bin einfach meinem Impuls, meinen Gefühlen gefolt
gefolgt
Unsere gemeinsmen Nächte wurden seltener
gemeinsamen
sah meinen Blick, der voller entsetzen gewesen sein muss,
Entsetzen
gedankenverloren einen Keks zerkrümel, denke ich an Merle.
zerkrümle

Lieben Gruß, sim

 

Hallo chaosqueen,

nun, ich habe einen langen Moment überlegt, wie ich es dir eine höfliche Kritik schreiben könnte. Aber ich kann es nicht. Also deshalb sehr ehrlich und wenig höflich.

Dir gelingt es nicht, die in der Geschichte enthaltenen Gefühle auszudrücken. Dort, wo die Figur der Merle wütend, traurig oder verzweifelt sein müsste, da findest du nur die Worte für diesen Zustand wie wütend, traurig, verzweifelt oder deren Umschreibungen zerbrechlich wie eine Puppe, sie wirkt matt, jemand ist voller widerstreitender Gefühle, .....

Wo du die Haltung der Figuren zueinander auslotet müsstest, durch den Raum, durch ihre Bewegungen, durch ihre Haltungen, bleibst du bei den einfachen Standarts: da wird angesehen und erkannt, ich wollte sie in den Arm nehmen, ein Blick voller wilder Entschlossenheit, zwinkernd, verlegen...
Entweder enthalten diese Sätze die Lösung an sich für die Geste, wie in der wilden Entschlossenheit, oder sie sind so üblich, dass sie keinen eigenen Wert haben.
Das reicht nicht, weil du dem Leser erklärst, wie er etwas aufnehmen sollst, statt sein Wissen zu verwenden, um es ihn spüren zu lassen.
(Und, damit deine Figuren dreidimensional werden: Du müsstest an Gesten, Mimik und mehr zeigen, wie die Figuren zueinander stehen, bevor du es sagst!!!)

Wenn du Dialoge schreibst, dann findest du keine eigene Sprache für die Figuren, oder für die Dialoge selber. Da schreibst du dann Sätze mit vielen Kommas- was für gesprochene Sprache unüblich ist. Und du konzentrierst dich auf die Worte, es fehlen aber paralinguale Symbole, Körpersprache, Stimmklang,...

Und die Figurenbeschreibung ist statisch, du beschreibst Personen wie Photos oder Landschaften- und verwendest noch die Standarts... diese Beschreibung habe ich vielleicht schon 100 Mal gelesen.
"Merles weiche, honigblonde Locken fallen ihr bis zu den Schultern, umrahmen ihr weiches Gesicht mit den dunkelgrünen Augen. Er hat fast schwarzes Haar, ebenfalls lockig, dazu blaue Augen. Während Merle zierlich ist, knapp 1,60 Meter misst, ist er gut 1,90 Meter groß, breitschultrig, muskulös."
Das Problem ist, du verordnest deine Geschichte nicht im Raum: wenn es ein Film wäre, gäbe es nur ein verschwommenen Hintergrund- und der Hintergrund könnte soviel zu deiner Geschichte beitragen.. schau dir mal die Stelle an, wo eine Katze durchs Gras läuft... hier gewinnst du Raum für deine Figuren. Und kannst deine Figuren agieren lassen.
Und setze deine Beschreibung mal in Bewegung, die Beschreibung der Figuren, und die Beschreibung des Hintergrundes, wenn die Figuren sich bewegen,...

Gelungener ist z.B., das du bestimmte Motive wie Tee und Kekse immer wieder aufgreifst, das du mit einem Nebensatz etwas zu den Kommilitonen sagst- also eine Wirkung deiner Geschichte in einen weiteren Rahmen erlaubst, auch der Kuss deiner Prot. mit dem Bruder... wobei es ein wenig aus dem Nichts kommt, trotzdem dramatisch stark.

Insgesamt hast du im Moment ungefähr 70% zuviele Wörter für die von dir erzielte Wirkung. Das bedeutet nicht, dass du kürzen musst, sondern du musst dich von den Dingen trennen, die ich Standarts nenne.
Also bei den oben genannten Negativas all das, was dir zuerst einfällt, um etwas zu beschreiben, ob nun bei Figurenzeichnung, bei Gefühlsbeschreibungen oder Körpersprache.
Und versuchen neue Wege zu suchen, nicht so übliche Wege, um etwas ähnliches mitzuteilen. Ich würde dir ein Buch über Körpersprache empfehlen.
Und versuche dir vorzustellen, du wärest dein Prot. und benutze deine Körpersprache für die Figuren. Wie siehst du aus, wenn du verblüfft bist,... Was ist besonders an der Körpersprache der Figuren: ist sie besonders stark oder schwach. Haben sie spezielle Gesten (du nennst nur eine),...

Und bei den Dialogen: Sprech mal deine Dialoge aus der Figur, und zwar, als würdest du zu jemand sprechen. Dann werden sich die Dialoge ordnen- und ja, wenn du irgendwelche Laute aussprichst, die keine Worte sind. Dann machst du es richtig.

Handlung:
Deiner Geschichte fehlt eine zweite, dritte, oder x-te Ebene, die die Situation wiederspiegelt(zweite Ebene: hier könnte Körpersprache schon viel über die Situation verraten, bevor du es sagst. Dritte Ebene: Die Situation deiner Prot. zum Bruder ... wenn sie es nachverstehen versucht. Vierte Ebene: der Bruder nimmt Kontakt mit der Prot. auf, nachdem seine Schwester in der Psychiatrie ist...)

Fazit:
Es fehlen dreidimensionale Figuren, weil du nur das zweckmäßige beschreibst, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Es fehlen Bilder von Hintergründen oder bewegliche Bilder von den Figuren und den Hintergründen. Und es fehlen überall wirklich Gefühle, statt nur der genannten. Und du hast nur eine Ebene in deiner Geschichte.
So konnte mich deine Geschichte nur genug fesseln sie zu Ende zu lesen, gegen einen dauernden Widerstand... ich wollte sie eigentlich immer wieder weglegen, weil du nicht zum Punkt kommst, sondern lieber mit Standarts arbeitest.
Insgesamt ist die Geschichte sehr unausgereift und wirkt sprachlich ungelenkt.

Gruss

Bluomo

 

Hallo chaosqueen,

zu den Fehlern hat sim sich ja schon geäußert. Mir scheint, irgendwann haben deine Gedanken deine Finger überholt, aber das ist nicht so schlimm. Die Geschichte bleibt les- und verstehbar.
In der Mitte des Textes erschien mir deine Darstellung sehr distanziert und farblos, geradezu sezierend objektiv. Aber langsam wurde mir klar, dass diese Sprache für die Prot vielleicht die einzige Möglichkeit ist, selber nicht zu zerbrechen. Ich habe ja nun eigene Erfahrungen und so kann ich sagen, deine Geschichte kommt mir sehr nahe, mir sind genügend Emotionen vorhanden.

Lieben Gruß

Jo

 
Zuletzt bearbeitet:

Ja, chaosqueen, die Geschichte nahm auch mich gefangen, obwohl ich schon früh ahnte, in welche Richtung die Reise gehen würde. Du hast es verstanden, das eigentliche Thema lange in der Schwebe zu halten, manchmal wunderte ich mich über die Arglos- oder auch Begriffsstutzigkeit der Ich-Erzählerin, doch genau das zeugt von außergewöhnlicher Nähe, die du durch deinen Erzählstil und durch die Ehrlichkeit, die aus ihr spricht, erzeugt hast.

Okay, es gibt schon Stellen, wo man etwas kürzen könnte – zum Beispiel ist die Bemerkung gleich am Anfang, daß sich die Prot ausbreitet, überflüssig, weil ein paar Sätze weiter mit „Sorry, ich explodiere immer gleich, wenn ich mich irgendwo niederlasse.“ das Gleiche noch einmal gesagt wird. Für mein Gefühl ist auch der Satz Eine tote Forelle ist lebendiger! überflüssig, weil erstens die Einstellung der Prot zu weichen, feuchten Händen bereits klar ist, und zweitens der Satz nichts zur Geschichte beiträgt. Es sind mir noch weitere Kleinigkeiten aufgefallen:
Ich lächle sie an, als unsere Wege sich trennen. Aus tiefstem Herzen. – Ich würde den ersten Satz umstellen, also: Als unsere Wege sich trennen, lächle ich sie an; aus tiefsten Herzen.

Der Stoff ist spannend, aber in seinem Umfang viel, gemeinsam geht vieles leichter. – da fehlt ein Wort.

Neugierig bin ich sehr auf ihn, bleibe aber etwas zurückhaltender. – zurückhaltend.

Als ich gehe, Stunden später, Minuten, ich habe die Zeit verloren, flüstert sie tonlos „danke“, und für einen Moment treffen sich unsere Augen. – der Satz ist ein bißchen konfus formuliert.

Lauter Kleinigkeiten, die für sich genommen nicht besorgniserregend waren, und unsere Eltern nahmen sie dementsprechend auch nicht wahr. – ich finde das Wort „dementsprechend“ nicht besonders passend.

Merle grinst und wird ein wenig rot. Ich bin verlegen, weil sie es ist. Seltsame Welt. – ich finde die ersten beiden Sätze sehr gut und treffend, doch den letzten Satz würde ich streichen, weil er einen Allerweltsgedanken wiedergibt, wenn schon, sollte der Leser den haben, d.h. ohne daß man ihn ihm vorsetzt.

Gegen Ende scheinst du ein wenig geschludert zu haben, es sind einige Schreibfehler drin, ich bin sicher, du findest sie auch ohne mich. ;)

Gut fand ich Angehende Psychologen, die die psychosomatische Klinik scheuen, als wären Schwermut, Angst und Depression ansteckend. – es ist bekannt, daß Leute mit psychischen Problemen gerne Psychologie und verwandten Fächer studieren, und daß Merle genau das studiert ist aufgrund ihrer Lage mehr als einleuchtend.

Trotz der Ich-Form erfährt man von der Erzählerin wenig bis gar nichts – ich meine hier ihre Vergangenheit -, aber das ist vielleicht nicht so schlimm, denn so kann sich alles auf Merle und ihr Problem der Geschwisterliebe konzentrieren, also auf das Thema dieser Kurzgeschichte. Aber das führt leider auch dazu, daß die Ich-Erzählerin trotz der darin beschriebenen emotionalen Betroffenheit nicht wirklich präsent ist - sie berichtet ja mehr als sie erzählt -, und deswegen nehme ich ihr diese Betroffenheit nicht wirklich ab. Indirekt wird das auch am Ende sichtbar, denn eine wirkliche Freundin würde Merle nicht alleine lassen, würde sie zumindest weiter besuchen und auch ihrerseits Kontakt halten.

Aber auch sie studiert Psychologie, und obwohl sie ihre Kommilitonen anfangs dafür verachtet, Merle nicht zu besuchen, tut sie letztlich genau das Gleiche – ich hätte schon gerne gewußt, warum sie Psychologie studiert ;) -, doch vielleicht macht sie gerade das sympathisch: Sie ist auch kein Übermensch.

Gefallen hat mir außerdem die völlige Abwesenheit der Kritik an der Gesellschaft, die alleinverantwortlich für solchen Dramen ist.

Dion

 

Hej zusammen,

mit so vielen Antworten hatte ich noch gar nicht gerechnet. Danke an euch alle! :)

Um jetzt nicht in die üblichen "und dann danke ich noch meiner Mama für ihre großartige Unterstützung"-Dankesrede zu verfallen, fasse ich euch mal mehr oder weniger zusammen:

Erstmal danke an sim für die akribische Fehlersuche, ich werde morgen im wachen Zustand mal ausbügeln.

Bluomo, Deine Kritik ist ehrlich und daher in keiner Weise unhöflich. Zumal Du Recht hast - ich weiß, dass das eines meiner größten Probleme ist: Ich sehe mich selber nicht, wenn ich überrascht bin und habe überhaupt kein Gefühl, wie ich dabei wirke, also kann ich leider mich nicht als Vorlage nehmen. Ein Buch über Körpersprache zu lesen ist ein ziemlich guter Tipp, den ich umgehend umsetzen werde. :)
Auch mit den Stereotypien muss ich Dir Recht geben, ich werde daran arbeiten (aber an dieser Geschichte erstmal nicht, die habe ich aus diesen Gründen schon einmal komplett umgeschrieben. Nein, die Urfassung willst Du nicht kennenlernen. ;) ).

Dion, ebenfalls danke für die Denkanstöße und für die Erläuterung, warum Lara noch nicht glaubwürdig erscheint. Wichtiger Punkt, wird mit in Augenschein genommen!

Ansonsten auch danke für das positive Feedback, erstens freut es mich und zweitens heißt das, dass meine Geschichte nicht total an ihren Mankos krankt.

Was das Ende angeht, muss ich vielleicht noch mal in mich gehen und genauer ausarbeiten, warum Lara nicht wiederkommt. Einen Hauch an ihrer eigenen Psyche kratzen und sie damit runder, dreidimensionaler gestalten.

*uffz*
Noch so viel Arbeit, aber es tut gut, endlich mal wieder etwas ansatzweise fertig bekommen zu haben! Ein paar Tage bis Wochen Ruhe, und dann schwinge ich den Rotstift (und hab bis dahin auch ein Buch über Körpersprache gelesen). :)

Liebe Grüße
chaosqueen

 

Hallo Chaosqueen,
habe deine Geschichte gerne gelesen. Sie liest sich flüssig und ist in seinen Satzbauten angenehm locker geschieben. Stilistisch also sehr gelungen.
Inhaltlich habe ich zwei Punkte zu bemängeln.
Zum einen fehlt mir einfach die Nähe der Protagonistin. Irgendwo bleibt die Prot mit dem Leser zu sehr auf Distanz, sie wirkte gar kühl auf mich (obwohl sie das natürlich in der Kg nicht ist)
Als zweiten Punkt würde ich die Länge der Geschichte bekritteln. Auch wenn es sich angenehm lesen lässt, passiert immer wieder ziemlich wenig in der Geschichte, was du über längere Zeilen zu strecken weißt. Mich hat es beim Lesen nicht gestört, aber kürzen könnte man wohl schon.
Ansonsten kann ich mich noch sims Eindruckanschließen, dass das Ende etwas hastig wirkt.
Dennoch, gerne gelesen, hat mich zum Nachdenken angeregt..

ach ja, der Titel gefällt mir übrigens sehr gut. Er gibt nur Ahnungen frei, verleitet den Leser aber nicht in eine bestimmt Richtung zu spekulieren

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Chaosqueen,

ich ahnte bereits ab der Stelle, als Robert ablehnt mit Lara nach Hause zu gehen, worauf es hinausläuft. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Robert seine Freundin nur erfunden hat, um Merle dazu zu bringen, von ihm abzulassen. Wenig sensibel, finde ich.

Deine Geschichte hat mir sehr gefallen – gerade wegen deiner lebendigen Protagonisten. In dieser Hinsicht kann ich Bluomo nicht zustimmen. Natürlich gibt es die ein oder andere Beschreibung, die durch etwas individuelleres ersetzt werden könnte – aber ich finde, dass z. B. Lara sich sehr stark durch ihre Reaktionen definiert und ich konnte sie verstehen, ihre Handlungen waren für mich nachvollziehbar. Und dass Robert und Merle nicht in aller Tiefe ausgeleuchtet werden, war für mich nur logisch, weil Lara die Erzählerin ist.

Die Entwicklung der Freundschaft zwischen Merle und Lara fand ich etwas zu hastig abgehandelt. Gerade lernen sie sich kennen und schon im nächsten Moment sind sie die besten Freundinnen.

Der Anfang – die sich entwickelnde Freundschaft zwischen Merle und Lara fand ich etwas zu hastig. Der Leser erfährt nicht, welchen Zeitraum das Kennenlernen umfasst – aber gerade noch treffen sie sich in der Uni und plötzlich sind sie die besten Freundinnen. Das war mir ein bisschen zu schnell.

Das Ende kam auch mir ein bisschen zu plötzlich – wobei ich eher das Gefühl hatte, das es wohl Merle ist, die nicht mehr möchte, dass Lara sie besucht. Vermutlich, weil Merle die Wahrheit kennt und ihr jedes weitere Treffen unangenehm wäre. Aber das Ende noch ein bisschen länger zu gestalten würde der Geschichte meiner Meinung nach sehr gut tun.

Lieben Gruß, Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich hasse diese weichen Waschlappen, die einem manchmal zur Begrüßung gereicht werden. Eine tote Forelle ist lebendiger!
ich fände hier einen Satz und ohne Ausrufezeichen besser. Vllt etwa so: Ich hasse diese weichen Waschlappen, die einem manchmal zur Begrüßung gereicht werden, sodass man das Gefühl hat, tote Forellen seien lebendiger. Ähm ... na ja, nurn Vorschlag ...
Der Stoff ist spannend, aber in seinem Umfang viel, gemeinsam geht vieles leichter.
würde vllt genau das zweite viel streichen, also gemeinsam "geht es leichter", oder so
Ich wusste gleich, dass ich mich nicht auf den Bruder einer Freundin einlassen sollte, nun habe ich die Gewissheit.
ähm ... "die Gewissheit haben" heißt doch schon, etwas zu wissen, oder? Deshalb würde ich das wusste durch was anderes ersetzen, vllt glaubte oder so
Eine Weile sagt sie nichts. Dann bittet sie mich leise, zu gehen. Es ist weder Wut noch Hass in ihrer Stimme, nur Trauer und Resignation. Ich stehe auf, verabschiede mich fast tonlos und gehe.
An dieser Stelle kamen mir fast die Tränen. Ist mir noch nie beim Lesen passiert! Und deshalb gibts auch zum ersten Mal von mir drei Daumen für eine Stelle :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:
Erst, als Merle zum zweiten Mal nicht im Seminar sitzt, beginne ich, mich zu wundern, aber mein Gehirn ist mit anderen Dingen beschäftigt und arbeitet träge. Erst gut zwei Wochen nach unserem letzten Treffen werde ich aus meiner Lethargie gerissen.
mal von der Wwdh von "erst" abgesehen (obwohl es natürlich auch eine beabsichtigte Anapher sein könnte ;)) - das zweite Mal ist doch selber schon gut zwei Wochen nach ihrem letzten Treffen? Bzw., wenn die Treffen samstags waren, und die Seminare montags, ist das zweite Seminare selber ja schon länger als zwei Wochen nach dem Treffen?
Fast alle aus unserem Seminar haben auf der Karte unterschrieben, kommen will keiner.
wie haben die davon erfahren? Lara wusste es ja aus Merles Brief. Hat sie es weitererzählt? Also, das halte ich eher für unwahrscheinlich, denn das ist ja eigentlich nichts, mit dem man hausieren geht, schon gar nicht, wenn man wie Lara eine so gute Freundin ist bzw. soviel freundschaftliche Gefühle für Merle empfindet, aber eine andere Quelle wurde ja nicht genannt, und wenn der Professor oder so davon in Kenntnis gesetzt wurde, glaube ich auch nicht, dass er es den Studenten mitteilt. (entschuldige bitte den Schachtelsatz)
Die Uni macht es mir leicht, schon wieder habe ich viel um die Ohren
Ich kann eh an nichts anderes denken
das widerspricht sich doch irgendwie, oder? Also, entweder hat sie keine Probleme damit, nicht dran zu denken, oder sie kann nur noch daran denken?
Ich winke ihr zu, lasse sie in Ruhe zu Ende spielen und stelle mich neben den Tisch.
oh je ... Vorwarnung: Tserk wird nun zum sechsten Mal auf kg.de etwas zu interpretieren versuchen ... alle in Deckung gegangen? Ok, geht los: Bedeutet das ... dass Merle innerlich auch spürt, dass Lara heute eine intimere oder sagen wir mal tiefergehende Frage nach der Beziehung ziwschen Robert und Merle stellen wird? Denn als Lara das erste Mal kam, sprang Merle ja sofort auf und unterbrach ihr Spiel freudestrahlend. Benutzt sie also so die gleiche Taktik wie Lara, und zögert das Unvermeidliche hinaus? ... Ok, könnt aus euren Schützengräben wieder raus, bin fertig mit interpretieren.
Er wollte mir damit sagen, dass es endgültig aus ist."
wer grade erleichtert ausatmend aus dem Graben gestiegen ist, möchte sich bitte umgehend wieder dorthin zurück begeben. Auch eine Premiere: Zum ersten Mal zwei Interpretationen in einer Geschichte ... schluckt nun also Tserks Interpretation Nummer sieben auf kg.de: Ich bin hier der Ansicht, dass er das Mädchen, das er da kennen gelernt hat, nur als eine Art Vorwand bzw. Ersatz äh ... mir fällt grad kein anderes Wort außer "benutzt" ein. Er selber weiß das vielleicht noch nicht mal, vielleicht geschieht das eher unterbwusst. Also, ich meine, dass er sich vor allem mit diesem Mädchen trifft, oder halt mit ihr zusammen ist, weil sie, und das erwähnt er ja selber!, grüne Augen wie die Schwester hat. Das finde ich schon bezeichnend genug, aber ich glaube auch, dass er dadurch, dass er es in dem Brief erwähnt, ihr vllt zeigen will, dass er trotz allem noch was für sie empfindet. :shy: Jetzt könnter aber wieder raus.

Hallo chaosqueen,

und wieder lässt mich deine Schreibe mit dem Gefühl zurück, dass ich weiß, wie ich sie finde, es aber nicht so richtig in Worte kleiden kann ... also, das ist keinesfalls eine negative Kritk an deiner Geschichte, es ist nicht so zu verstehen, dass ich sie scheiße finde und nur keine netten Worte finde, dies auszudrücken, im Gegenteil! Ich bin wieder mal überwältigt von dieser Kunst, wie du es verstehst, Worte zu benutzen bzw. einzusetzen (siehe die Stelle, wo ich den Tränen nahe war, was mir wie gesagt noch niemals beim Lesen passiert ist).

Etwas Negatives habe ich aber noch zu vermerken:

20.03. - 27.08.2006
Also, du hast 5 Monate dran gearbeitet. Was der Inhalt auch belegt. Aber ... also ... da sind wirklich sooo viele Flüchtigkeitsfehler drin, vor allem Groß-/Kleinschreibung ... :)

Tserk!
P.S: Fehlerliste kommt per PN.

 

Hi Chaos,

die Geschichte hat mir ebenfalls ganz gut gefallen, übermäßig begeistert hat sie mich allerdings nicht, wahrscheinlich aus denselben Gründen, die Bluomo bereits formuliert hat.

Eine Stelle ist mir negativ aufgefallen:

[...]aber stattdessen küsste er mich zurück, und von da an wusste ich, dass ich ihn liebte.“
Und vorher liebte sie ihn nicht? Ich kann mir nicht helfen, aber hier scheint mehreres nicht zu stimmen. Es wäre besser, wenn du alles ab "und" wegließest. Oder du spezifizierst "liebte", etwa >> dass ich ihn auf sexuelle Art / als Mann / sehr innig liebte. Naja, zugegeben ungeschickt, ich hoffe aber du erkennst, was ich meine. In der bestehenden Form jedenfalls hat der Satz eher den Anschein, aus dem Tagebuch eines pubertierenden Mädchens zu stammen.

Sonst fand ich abgesehen von mehreren formalen Fehlern, die du bei einer sorgfältigen Durchsicht gewiss erkennst, nichts Spezielles zu bemängeln.


floritiv.

 

Hi chaosqueen,

erstmal ein Zitat von dir - 27.8.06 -

Erstmal danke an sim für die akribische Fehlersuche, ich werde morgen im wachen Zustand mal ausbügeln.
Da ist leider noch nichts passiert.
Oder bist du einfach noch nicht aufgewacht ;)?
Wenn ein Autor zb anmerkt, dass er gerade keine Zeit zur Überarbeitung / Verbesserung hat oder erst mal einige Kritiken sammeln will, verstehe ich das und kann entsprechend darauf reagieren.

Wenn aber wie hier dann wochenlang nichts passiert, obwohl es angekündigt wird, habe ich auch wenig Lust, auf Formales einzugehen (da hakt noch einiges).
Ich bin der Meinung, eine Geschichte ist wie ein Kind, das für das man Verantwortung hat. Aber da gibts hier ja die unterschiedlichsten Verhaltensweisen zu dem Thema und letztendlich bleibt es ja jedem selber überlassen, wie er darauf reagiert.

Deshalb beschränke ich mich erstmal auf den Eindruck und warte mal ab, was noch von dir an Energie in die Geschichte reingesteckt wird.

Recht schnell war mir klar, wie der Hase läuft - denn ich fragte mich von Anfang an, wieso die Geschichte in Gesellschaft steht. Dann war es ja naheliegend, wenn Schwesterchen so von Brüderchen schwärmt. So hätte ich für mich gesehen den Text lieber in Alltag gelesen, um unvoreingenommener drangehen zu können. In Gesellschaft ist er aber schon am richtigen Platz :).

Wie bella hatte ich das Gefühl, die Prot schäumt zu schnell ob der Seelenverwandtschaft über. Schon am ersten Tag zu sagen:

Ich bin glücklich. Ich habe Freunde, aber dieses Mädchen ist eine Bereicherung, ist ein Mensch, den ich auf meinem Lebensweg ein Stück mitnehmen möchte.
Das bedeutet für mich, sie stellt sie sogar über die bisherigen Freunde :hmm:
Ich habe nichts von ihm, keine Adresse, keine Telefonnummer, keine Mailadresse. Und ich kann Merle nicht fragen, will ihr mein Interesse nicht zeigen. Idiotisch, und doch habe ich das Gefühl, dass es besser so ist.
Eine schwache Stelle aus Sicht der Prot. Ich hätte sie heimlich danach suchen lassen oder so etwas ähnliches.

„Solltest du dich nicht eigentlich für ihn freuen?“, frage ich vorsichtig.
„Weil mir irgendeine dahergelaufene Schlampe den Bruder wegnimmt?“ So heftig hatte ich sie noch nie erlebt. „Was glaubst du, wie oft er noch Zeit finden wird, nach Kiel zu kommen? Wie sehr ich ihn in Berlin jetzt wohl belaste, wenn ich dort bin? Nein, begeistert bin ich wirklich nicht.“
Er kam doch sowieso nur einmal nach Kiel und sie sahen sich doch ganz selten - diese falschen Argumente müssten doch der Prot auch auffallen?

Ich werde nie sicher sein, ob sie es geschafft hat, und wann immer ich meinen Arbeitstag in der Psychosomatik beginne, indem ich einen Becher Tee trinke und gedankenverloren einen Keks zerkrümel, denke ich an Merle
.
Das ist mir eindeutig zu theatralisch.

Der Plot gefällt mir, die Geschichte ist mir aber zu lang. Es gäbe einige Stellen, die man kürzen könnte, ohne die Intention zu nehmen, denn in der Länge passiert nicht unbedingt neues, weil du dich lange in einigen Situationen aufhälst.
Ich hab grade ein wenig ein Problem, meine Gedanken in Worte zu fassen, wie die Geschichte auf mich wirkt, da mir irgendwas nicht so ganz gefällt, was ich aber (noch) nicht zu erklären weiß. Vielleicht melde ich mich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal dazu.

Die Kritik hört sich jetzt wahrscheinlich schlechter an als ich beabsichtige. :shy:

Wenn du die schon aufgezeigten Fehler mal draußen hast, gehe ich sie nochmal an.

Liebe Grüße
bernadette

 

hallo chaosqueen

ich hab auch meine inzucht - geschichte hier gepostet und die kam nicht so gut an:(
okay, ich kann vllt auch nicht so toll wie du schreiben, wobei da einige fehler, die nicht mal ich mache. markiert dir dein word das nicht?
kleines beispiel:

eine andere Frau etwas ändern können.“ sie sieht mich nicht an, ihre Hände drehen geistesabwensend das Buch, ihr Haar fällt ihr ins Gesicht. Sie streicht es nicht zurück. Ihre Stimme klingt spröde, als wie weiterspricht: „Ich habe versucht, an etwas anderes zu denken, aber es funktioniert nicht. Ich kann nur so kommen. Pervers, ich weiß, aber ich kann nichts dagegen tun.“
Vorsichtig lege ich zwei Fingerspitzen auf ihre schulter, mehr Gewicht scheint mit unpassend, zu schwer

du hattest wahrscheinlich selber keine lust, die geschichte nochmal durchzulesen, bei der länge kann ich das verstehen.;) du könntest echt an einpaar stellen kürzen.
für mich ist es erst interessant geworden, als robert dazu kam. den anfang fand ich unnötiges geschwafel. aber anscheinend geht es wohl nur mir so. also nicht verzweifeln(:D )

das ende hättest du mMn auch weglassen können. das klingt etwas nach: ende gut, alles gut. wobei das ende ja nicht so dolle ausgeht. und trotzdem etwas unpassend. weil du den anfang so detailliert beschrieben hast und dann so ein plumpes ende.

insgesamt hat es mir jedoch gefallen. zumal ich selber eine inzucht geschichte geschrieben habe. *scherz*
auch von mir bekommst du ein:thumbsup:
okay, dann halt noch eins.:thumbsup:
ach du willst noch eins, okay, hier.:thumbsup:

cu J:baddevil:

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom