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Ein Pfundskerl

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18.06.2001
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Ein Pfundskerl

„Du bist einfach nur widerlich“, höhnten sie.
Es war dunkel und nasskalt. Die Worte hallten von der Häuserfront wider und gaben ein unheimliches Echo zum Besten.
Marek blieb stehen, dass hieß, er wäre es gerne, allerdings brauchte er genau genommen nichts weiter tun, als den Rollstuhl am Weiterfahren zu hindern. Die Bremsen quietschten leise unter der Belastung. Flucht hatte sowieso keinen Sinn, überlegte er jetzt.
Er versuchte sich daran zu erinnern, wann ihn das letzte Mal Worte so zielstrebig verletzt hatten. Etwa als seine Freundin ihn mit einem gärenden Sauerteig verglichen hatte? Oder sollte er besser gleich an ihren Abschiedsbrief denken, dem sie ihm hinterlassen hatte, als sie vor zwei Jahren wie vom Erdboden verschluckt verschwand?
In schwarzen Lettern hatte dort etwas wie: „Du bist Fett, wie ein dickes, dickes Schwein“, gestanden.
Marek spürte ein tiefes Grollen in seinem Herzen und bemerkte fast beiläufig, wie Tränen in seine Augen schossen. Ja, so war es immer, wenn ihn das Selbstmitleid packte. Gerne hätte er sich in diesem Augenblick in der Sicherheit einer sonnendurchfluteten Hotelanlage gewähnt; irgendwo Abseits der Straßenschluchten von Berlin, jedoch war das Leben nicht so barmherzig.
Und nun stand es auch ganz außer Zweifel, dass Marek sich auch dort nicht wohl gefühlt hätte. Mit einem Körperumfang, der spielend an die Ausmaße des Saturns samt Ringe erinnerte, war er überall Zielscheibe von Spott und Hohn.
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf und einem Stoßgebet zum Himmel auf den Lippen, drehte er sich mit einer kreisenden Bewegung um. Er musste einen jämmerlichen Anblick abgeben: schwerfällig und plump. Mit etwas mehr Bewegung und ab und zu ein Gläschen Molke, hätte er dem derzeitigen Zustand vielleicht entkommen können, doch nun war es zu spät.
Als die fünf jungen Männer sich prustend vor Ekel näherten, fühlte er sich wieder an seine Exfreundin erinnert, wie sie da mit Taschenrechner nervtötend vor ihm stand und ausrechnete, wie er zu Traummaßen finden konnte.
Aber bei soviel Fett, dass wurde Marek jetzt klar, konnte nur noch ein Bunsenbrenner helfen.
„Wo kommst du her, Schwabbel?“ fragten die Männer jetzt, jeder für sich um Aufmerksamkeit heischend.
„Trabrennbahn“, flüsterte Marek und wäre gerne im Erdboden versunken. Er mochte es nicht im Mittelpunkt zu stehen und nicht zu letzt saß da eine schwelende Angst in seinem Herzen.
„Junge, wie fett bist du eigentlich?“ ereiferte sich einer der Männer. Er trug sein Haar streng zurückgekämmt und musste noch sehr jung sein: keine achtzehn.
„Und was ist mit deinem Bein passiert?“ fragte ein anderer.
Marek zitterte. „Das mussten sie mir abnehmen. Arterielle Verstopfung.“
Der junge mit den zurückgekämmten Haaren spie aus. „Das ist widerlich“, fauchte er. „Dann ist der Rollstuhl wohl das einzige Zweirad, das noch in Frage kommt. Oder? Eventuell noch ein Tandem?“
Gelächter.
Marek war klar, dass er nicht den gesellschaftlichen Schönheitsidealen entsprach. Tatsächlich hatte es Jahre gebraucht, bis er sich damit abgefunden hatte. Als sie ihm vor zwei Jahren sein rechtes Bein entfernen mussten, hatte er sich vorgenommen wieder mit Sport anzufangen.
Wie lächerlich das war, war ihm erst viel später zu Hause bewusst geworden. Mit nur einem Bein kamen viele Sportarten einfach nicht mehr in Frage. Und so hatte es nur noch die Spirale abwärts gegeben.
Ohne Freundin mit Taschenrechner, konnte es ihm auch keiner mehr übel nehmen, noch mehr zuzulegen. Und so war es denn auch geschehen. Im Hier und Jetzt war nun kaum mehr in der Lage sich zu bewegen. Er konnte nur noch an eines denken: Wie hatte es soweit kommen können?
Die jungen Männer beließen es nicht lange bei dämlichen Sprüchen, von denen einer gemeiner war, als der andere, sondern fingen bald an auf ihn einzuschlagen.
In Marek´s Kopf hallten die Sprüche der Männer. „Wie viele Gurken braucht man wohl für eine Gesichtsmaske, damit diese die Visage mit Doppel- und Dreifachkinn abdeckt?“
Er schmeckte Blut im Mundraum, spürte schmerzhafte Stiche im Rücken und in Leiste. „Wie hatte es nur soweit kommen können?“ fragte er sich erneut.
Und als er platschend aus dem Rollstuhl fiel und die Vandalen nicht aufhörten auf ihn einzutreten, da sinnierte er doch tatsächlich darüber, wer Schuld an Allem war?
Etwa seine Exfreundin? Nach dem sie weg war, hatte er nur noch mehr gefressen. Vielleicht sogar aus Trotz.
Etwa seine Eltern, da sie ihn so aufgezogen hatten, dass er gerne und in Massen aß?
Etwa seine Freunde, weil sie ihn nie davon abgehalten hatten, weiter zu essen?
Etwa die sozialfreundlichen Politiker mit aalglatter Weste, die es versäumt hatten, junge Männer, wie diese Angreifer von den Straßen zu holen?
Oder die Elter dieser Männer?
In einem letzten Aufbäumen schürzte Marek die Lippen zu einem Markerschütternden Schrei: oder war er selbst an allem Schuld? Hätte er nicht zu jeder Zeit sein Leben wieder in den Griff kriegen können?
Aber es gab keine Antworten, nur weitere und unzählige stumpfe Tritte.

(Die Worte, auf denen diese Geschichte beruht waren: Taschenrechner * Bunsenbrenner * sonnendurchflutet * Molke * nervtötend)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Silmaril,

ein Behinderter wird Zielscheibe von Spott. Aber nicht, weil im Rollstuhl sitzt, sondern weil er so wahnsinnig fett ist.
Die Gedanken, die sich der Protagonist aufgrund seines Körperumfanges macht, finde ich in der Situation nicht passend:

Mit etwas mehr Bewegung und ab und zu ein Gläschen Molke, hätte er dem derzeitigen Zustand vielleicht entkommen können, doch nun war es zu spät.
Da sieht man, dass du einfach versucht hast, ein Stichwort irgendwie unterzubringen.

Bei folgendem, finde ich, ziehst du die Geschichte eindeutig ins Lächerliche - und das wird dem Thema überhaupt nicht gerecht:

Aber bei soviel Fett, dass wurde Marek jetzt klar, konnte nur noch ein Bunsenbrenner helfen.

Was muss das für eine Frau sein, die so etwas schreibt:
In schwarzen Lettern hatte dort etwas wie: „Du bist Fett, wie ein dickes, dickes Schwein“, gestanden.
übrigens: fett

Für mich ist diese Geschichte leider überhaupt nicht stimmig, es wird plakativ auf die Außenseiterrolle-Tränendrüse gedrückt und in Bildern und Worten erzählt, die zu sehr ins Extreme (lächerlich / dumpfbacken) gehen.

Am meisten stört mich, dass der Prot - als Rollstuhlfahrer! - denkt, er hätte mit ein wenig Sport, der den Körper dünner macht, alle Probleme vom Tisch.

Durch die Art, wie du ihn zeichnest, ist mir der Prot unsymphatisch - aber nicht, weil er behindert und fett ist (was ich einfach eine unglückliche Lösung finde), sondern durch seine Einstellung, seine naive Art zu denken.

Hier noch Textanmerkungen:

Oder sollte er besser gleich an ihren Abschiedsbrief denken, dem sie ihm hinterlassen hatte, als sie vor zwei Jahren wie vom Erdboden verschluckt verschwand?
... Jahren, wie vom Erdboden verschluckt, verschwand

In schwarzen Lettern hatte dort etwas wie: „Du bist Fett, wie ein dickes, dickes Schwein“, gestanden.
fett, wie schon angemerkt

Gerne hätte er sich in diesem Augenblick in der Sicherheit einer sonnendurchfluteten Hotelanlage gewähnt; irgendwo Abseits der Straßenschluchten von Berlin, jedoch war das Leben nicht so barmherzig.

abseits

Als die fünf jungen Männer sich prustend vor Ekel näherten, fühlte er sich wieder an seine Exfreundin erinnert, wie sie da mit Taschenrechner nervtötend vor ihm stand und ausrechnete, wie er zu Traummaßen finden konnte.
Vielleicht ein anderes Wort für rechnen, dann hat man hier keine Wortwiederholung.
Er mochte es nicht im Mittelpunkt zu stehen und nicht zu letzt saß da eine schwelende Angst in seinem Herzen.
... nicht, im Mittelpunkt
„Junge, wie fett bist du eigentlich?“ ereiferte sich einer der Männer. Er trug sein Haar streng zurückgekämmt und musste noch sehr jung sein: keine achtzehn.
Keine
aber: da der Prot es nicht genau weiß, wäre besser: ... jung sein, wahrscheinlich noch keine achtzehn. (der Doppelpunkt finde ich hier nicht so sinnvoll.

Der junge mit den zurückgekämmten Haaren spie aus. „Das ist widerlich“, fauchte er.
Junge


Marek war klar, dass er nicht den gesellschaftlichen Schönheitsidealen entsprach. Tatsächlich hatte es Jahre gebraucht, bis er sich damit abgefunden hatte.
Hat er denn das tatsächlich?
Als sie ihm vor zwei Jahren sein rechtes Bein entfernen mussten, hatte er sich vorgenommen wieder mit Sport anzufangen.
... vorgenommen, wieder mit


Die jungen Männer beließen es nicht lange bei dämlichen Sprüchen, von denen einer gemeiner war, als der andere, sondern fingen bald an auf ihn einzuschlagen.
Komma nach war weg

Und als er platschend aus dem Rollstuhl fiel und die Vandalen nicht aufhörten auf ihn einzutreten, da sinnierte er doch tatsächlich darüber, wer Schuld an Allem war?
platschend? Ist auf der Straße eine Riesenpfütze?
- an allem
In einem letzten Aufbäumen schürzte Marek die Lippen zu einem Markerschütternden Schrei: oder war er selbst an allem Schuld?
markerschütternd

Lieber Gruß
bernadette

 

Für zwei Wochen aus der Wörterbörse nach Alltag verschoben.

 

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