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Copywrite Iyyad

Seniors
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20.11.2001
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Iyyad

»Horch«, sagt Iyyad, »wieder die Flugzeuge.« Ich gebe ihm die fertige Matrize, er spannt sie fest und dreht die Kurbel der alten Abziehmaschine. Das Quietschen bei jeder Umdrehung, von dem ich sonst immer Gänsehaut bekomme, geht unter im Lärm der Flugzeuge. Ich rauche mir eine Zigarette an. Die fertig bedruckten Flugblätter schieben sich immer schneller heraus auf den Stapel, der sich davor bildet.
Iyyad ist siebzig und trotzdem stets für unseren Kampf um ein unabhängiges Kurdistan auf den Beinen. Er ist ein Motor für uns junge Kurden. Ich schenke ihm ein anerkennendes Lächeln. Detonationen sind spürbar. Die von der Decke hängende Glühbirne zittert. Der Flugzeuglärm entfernt sich, Schreie treten in den Vordergrund. Ich dämpfe meine Zigarette aus, nehme den ersten Stoß unseres Aufrufes, halte wie immer meine Nase kurz daran, weil ich den Geruch der Druckerfarbe so mag, und sage: »Bis gleich. Ich schau mal, wie es draußen aussieht.«

Ich gehe die ausgetretenen Stufen vom Keller hinauf und sehe ein kleines Mädchen in der Ecke kauern. »Was ist denn mit dir, wo ist deine Mama?«, frage ich.
Sie zuckt mit den Schultern, schluchzt, dann laufen Tränen ihre Wangen hinunter. »Ich hab mit Leilah gespielt, da kamen auf einmal die Flugzeuge … Leilah war dann auf einmal weg und Mama saß auch nicht mehr auf dem Platz, wo sie vorher war.« Ein neuerlicher Tränenfluss bricht los.
»Sie wollte dich bestimmt suchen.« Ich nehme sie an der Hand und bringe sie zu Iyyad. »Hier im Keller bist du erst einmal sicher, und wenn das Chaos draußen vorbei ist, werden wir deine Mama gemeinsam suchen.«
Iyyad begrüßt sie und fragt nach ihrem Namen. »Aisha«, antwortet sie leise.

Beim Öffnen der Haustür sehe ich gelbe Nebelschwaden auf uns zukommen. Menschen laufen vor ihnen davon oder wirr umher. Nirgends brennt es, wie die letzten Tage. Heute ist es kein Napalm, schießt es mir durch den Kopf, es ist viel schlimmer. »Wer oben ist, lebt länger«, hat der Doktor gesagt, als wir in der Partei über mögliche Giftgasangriffe gesprochen haben. Ich kehre noch einmal um, rufe Iyyad über die Stiegen zu: »Geht hinauf, es ist Gas!«
Viele sind während der letzten Tage in die Berge ringsum geflüchtet, haben sich aus Angst vor weiteren Angriffen in Höhlen verkrochen oder kämpfen von dort aus. Ich wollte Iyyad auch in Sicherheit bringen, aber er sagte entschlossen: »Ich kann nicht mehr kämpfen, also was soll ich in den Bergen? Alles hier seinem Schicksal überlassen? Ich lebe und sterbe für ein autonomes Kurdistan, und meine Hoffnung, es noch zu erleben, habe ich noch nicht begraben.«
»Aber du kannst doch dann wieder zu…«
»Nein, ich bleibe hier. Ich lasse mich nicht von diesen Hundesöhnen vertreiben.«
Seit meine Eltern tot sind, ist Iyyad wie ein Vater zu mir, und noch viel länger mein Vorbild, deshalb schob ich meine Fluchtgedanken beiseite. Aber im Moment wäre ich am liebsten weit weg von hier …
Ich gehe noch kurz mit den beiden nach oben. Die Fenster haben wir bereits mit Brettern zugenagelt, weil sie bei den Angriffen der letzten Tage gesprungen sind. Im Büro liegen zwei Gasmasken, ich nehme sie und bringe sie den beiden. Iyyad nimmt eine und setzt sie Aisha auf. Die zweite schiebt er samt meiner Hand, mit der ich sie ihm entgegenhalte, zu mir zurück. »Setz du sie auf, Tarik. Du bist noch jung.«
»Nein, nimm du sie«, kontere ich, doch er schaut demonstrativ weg. Ich nehme sie mit schlechtem Gewissen und nur, weil ich weiß, dass Iyyad ein Sturschädel ist.

Die Flugblätter lasse ich liegen, gehe mit Gasmaske und einem langen Regenponcho auf die Straße und schaue, ob ich irgendwo helfen kann. Die Menschen rennen hysterisch herum, wissen nicht, wohin. Ich möchte am liebsten auf einen Strommast klettern, aber dann wird mir klar, dass sie nicht hoch genug sind.
Gegenüber steht ein alter Mann mit erhobenen Armen auf einem Trümmerhaufen und schreit immer wieder »Allah ’u Akbar! Allah ’u Akbar!«, während eine Frau verzweifelt an seinen Beinen rüttelt. Er hustet und fällt plötzlich um. Die Frau läuft weiter, ich gehe zu dem Mann. Seine Augen sind blutunterlaufen, er ist verkrampft und hat große Brandwunden auf seinen Schultern und Armen, vermutlich von dem Napalm, mit dem sie uns die letzten Tage beschossen haben. Er hustet immer stärker, verzerrt das Gesicht vor Schmerzen, krümmt sich, bis er schließlich entspannt zu Boden sinkt. Ich schließe seine Lider.

Ich sehe mich um, aber ich weiß nicht, wie ich helfen kann. Hätten sie uns gewöhnliche Bomben geschickt, könnte ich mich jetzt um Verletzte kümmern, auch wenn all unser Verbandsmaterial längst aufgebraucht ist. Ich beschließe, wieder zu Iyyad und Aisha zu gehen, mit ihnen zu überleben oder zu sterben, da sehe ich beim Brunnen ein Mädchen stehen. Sie schreit in Todesangst, klammert sich an ihre Puppe, und gerade, als ich mich auf den Weg zu ihr mache, rempelt eine Frau sie um – ist es nicht die selbe, wie vorhin bei dem Alten? –, dann aber kümmert sie sich umso liebevoller um das Mädchen, ganz, als wäre sie ihre Mutter. Es ist gut so, die Kleine beruhigt sich.
Starr und so planlos, wie die Flüchtenden ziellos herumrennen, stehe ich da. Eine junge Frau zerrt plötzlich an meinem Arm, schreit und deutet, ich solle aus der Stadt laufen. Doch ich kann nicht. Wie die Mütter nicht einfach weiterlaufen, sondern warten, wenn ihre Kinder gestolpert sind, ist es für mich keine Frage, bei Iyyad zu bleiben. Ich gebe der Frau meine Gasmaske, wünsche ihr viel Glück, sie lässt meinen Arm los und läuft weiter. Während ich ihr nachschaue, überkommt mich die beruhigende Gewissheit: Es wird immer eine neue Generation von Kurden geben. Sie können uns nicht auslöschen.

Beim Öffnen der Tür höre ich Iyyad husten. Ich laufe nach oben und sehe ihn am Boden kauern. Aisha hat er in einen Deckenberg gehüllt, unter dem sie mit ihrer Gasmaske hervorlugt.
»Die Menschen laufen weg vor dem Gas«, sage ich, »es wäre vernünftiger, das auch zu tun.«
Iyyad überlegt nicht lange. »Geht, ich bleibe hier.« Wieder hustet er, spuckt blutigen Schleim. »Nimm Aisha und lauft gemeinsam um euer Leben!«
Aisha wehrt sich anfangs, doch als ich ihr sage, dass ihre Mama sicher auch mit den anderen geflüchtet ist, ist sie bereit, aufzubrechen. Ich gebe ihr meinen Regenmantel, darüber eine der Decken, lege mir selbst eine Decke über die Schultern und gehe mit ihr zur Tür, deute nach links die Straße hinauf und sage: »Du läufst jetzt einfach immer in diese Richtung. So schnell Du kannst.«
»Aber du …«
»Ich bleibe bei Iyyad, er ist … mein Vater.« Ich möchte mir die Tränen zurückhalten – nicht, weil ich mich schäme, kurdische Männer schämen sich nicht, wenn sie weinen –, aber dann schwappt der See in meinen Augen doch über. Mit zitternden Fingern fische ich eine Zigarette aus der Packung, nehme zwei kräftige Züge, beruhige mich und sage: »Lauf, Aisha. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann wieder.«
Meine Nase beginnt zu rinnen, als hätte ich Schnupfen, und meine Augen brennen. Es riecht nach Äpfeln, Zwiebeln, Knoblauch und stinkendem Fisch. Aisha rührt sich nicht von der Stelle, schaut mich an. Ich versuche, einen mutmachenden Blick aufzusetzen, während ich wahrnehme, wie viele Tote bereits überall herumliegen. Ich schreie sie an, »Los, renn!«, und schrecke mich vor mir selbst, als sie dabei zusammenzuckt.
Unsicher macht sie die ersten Schritte, bleibt kurz neben einem toten Baby und seiner Mutter stehen, und hat dann offenbar verstanden: Sie rennt, wie nur jemand rennen kann, der vom Tod gejagt wird. Ich schließe die Tür von innen, stürze die Treppen hinauf zu Iyyad. Er ist verkrampft, spuckt Blut, sein Gesicht ist rot, trotzdem bäumt er sich noch einmal auf. »Was machst du hier noch«, fährt er mich, von Husten unterbrochen, an.
»Ich bleibe bei dir, Iyyad.«
»Du bist ein Idiot.«
Ich reibe meine brennenden Augen. »Sagtest du nicht immer ›Berxwedan jiyan e‹?«
»Ja, Widerstand ist Leben. Aber …« Ein neuerlicher Hustenanfall, seine Blase leert sich, dann fällt sein Kopf schwer zu Boden.
Eine eigenartige Mischung aus Angst, Trauer und Wut breitet sich in mir aus und mein Drang zu flüchten fühlt sich plötzlich an, als müsste meine Seele dringend aufs Klo. Während ich Iyyads Augen schließe, ist mir, als hörte ich seine Stimme, die sagt: »… nur, wenn du lebst, kannst du Widerstand leisten!«

Ich nehme drei Stufen auf einmal, öffne die Haustür. Nur noch vereinzelt laufen Menschen herum, viele liegen tot oder sich vor Schmerzen krümmend wie sterbende Fliegen auf der Straße. Die Frau von vorhin hängt leblos über der Brunneneinfassung. Ohne mich mit der Frage aufzuhalten, wo das Mädchen mit der Puppe hingekommen ist, setze ich einen Fuß vor den anderen, immer schneller. Das Brennen in den Augen wird stärker, der Schmerz in meiner Nase fühlt sich an, als würde sie von unzähligen Nadelstichen malträtiert.
Nach wenigen Minuten sehe ich Aisha vor mir. Ich rufe sie und kurz darauf nehmen wir uns an der Hand, laufen gemeinsam noch schneller die staubige Straße entlang.
Meine Augen fühlen sich an wie Feuer, dann sehe ich plötzlich nichts mehr. Ich werde langsamer, erzähle Aisha davon und bitte sie, mich zu führen. Sie lenkt mich, als hätte sie ihr ganzes Leben nichts anderes gemacht. Ich frage mich, ob der Geruch schwächer geworden ist, oder ob ich nichts mehr riechen kann, egal, wir laufen weiter.

Nach einer Weile vernehme ich Motorengeräusche. »Was kommt da?«, frage ich Aisha.
»Weiße Autos«, antwortet sie, und als wir ihnen näherkommen, ergänzt sie: »Mit Menschen drin, die uns fotografieren.«
Dann sind die Motorengeräusche hinter uns.


*

 
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Diese Copywrite-Geschichte habe ich nach dem Original von JoBlack, »Halabja - Verraten Verleugnet Vergessen (16. März 1988) geschrieben.

Leider konnte ich bei meinen Recherchen nicht herausfinden, in welcher Form das Giftgas von den Flugzeugen auf die Erde gelangte – war es in Bomben, wurde es einfach versprüht, war es in sonstigen Behältnissen? Würde mich daher sehr freuen, wenn mir darüber jemand Auskunft geben kann, damit ich die betreffende Stelle evtl. richtigstellen kann. Bis dahin bleiben es leichte Detonationen, auch wenn bei JoBlack die Erde bebt. ;)

@JoBlack: Kritik zu Deiner Geschichte kommt noch. erledigt :)

 
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Ola Susi!

Da war es wieder, das Phänomen: Ich lese eine Geschichte, tauche ein, und am Ende merke ich, dass ich mir keine Notizen gemacht und mir nichts angestrichen habe. Ein gutes Phänomen. Leider viel zu selten!

Einen solchen Angriff zu schildern, stelle ich mir handwerklich schwer vor. Wie schnell kann man sich da in schockierender Effekthascherei verlieren, oder in schwülstigen "Alles war so furchtbar"-Beschreibungen. Davon gibt's hier zum Glück keine Spur. Die fast nüchterne Art der Erzählung hat bei mir richtig gewirkt! Wie gesagt: Ich bin eingetaucht, und die Saiten, die während der Tauchfahrt angeschlagen wurden, schwingen imemr noch nach.

Durch den Stil ist das Grausamste an der Situation fast noch, wie alltäglich dieser Horror für Tarik scheint. Das fiel mir im Nachhinein noch auf.

Ja, der Stil ... Das ist schon komisch. Ich-Erzählung, Gegenwart, knapper Satzbau ... Das waren immer meine natürlichen Feinde. Aber, verdammt, mir gefällt's. Schätze, so langsam muss ich umdenken, gelle? ;)

Also: Bei mir hat's gezündet. Die Stimmung hält auch nach dem Lesen an. Handwerklich sauber umgesetzt (wenn auch für mich noch immer ein wenig ungewohnt). Ich hab's gerne gelesen!

Ditt noch:

Es riecht nach Äpfeln, Zwiebeln, Knoblauch und stinkendem Fisch.
Na, recht schönen Dank auch. So kricht man's schon im Voraus gedankt ... Also wirklich. Fisch stinkt nicht! Er will sich halt nicht oktroyierten Geruchsnormen unterwerfen ...
Aber nebenher fällt mir auf: Wenn man den Satz kürzt, steht da: Es riecht nach stinkendem Fisch. Entscheide selbst, ob Handlungsbedarf besteht. Eigentlich schon, aber eigentlich auch nicht. Freue mich, dass ich helfen konnte. :D

Er ist verkrampft, spuckt Blut, sein Gesicht ist marsrot ...
Wenn der Mars in der kurdischen Kultur eine Rolle spielt, der ich mir in meiner Ignoranz nicht bewusst bin, dann soll es so stehenbleiben. Sonst tät ich mal sagen: Streich den Mars! Der fällt etwas aus dem Rahmen.

Ein eigenartiger Gefühlscocktail breitet sich in mir aus, eine Mischung aus Angst, Trauer, Wut und einem Drang, zu flüchten, als müsste ich dringend aufs Klo.
Streich um Himmels, oder eher um der Stimmung Willen, das Klo! Und das Wort Cocktail weckt bei mir auch eher Partystimmung, die hier nicht angebracht ist.
Das sind aber auch schon die einzigen Wörter, die der Stimmung im Wege standen. :)

Nach einer Weile vernehme ich Motorengeräusche. »Was kommt da?«, frage ich Aisha.
»Jeeps«, antwortet sie, und als wir ihnen näherkommen, ergänzt sie: »Mit Menschen drin, die uns fotografieren.«
Dann sind die Motorengeräusche hinter uns.
Autsch ... Das saß.

Das wär's von mir. Ich hab's gerne gelesen!

Bis denne,
Fisch

EDIT:
Ich sehe gerade, dass mir ja doch jemand zuvorgekommen ist ... und fast dasselbe geschrieben hat.
Na, das bestärkt den Eindruck weigstens. :)

 

Danke Euch beiden, Zerbrösel und Fischstaebchen, fürs Lesen und Kommentieren! :)
Hatte schon den Eindruck, die Kreativbörse wäre eine Felsspalte, in der die Geschichte auf Nimmerwiedersehen versunken ist.

Freut mich natürlich ganz besonders, daß Euch die Geschichte gefällt und daß Ihr Euch beim Loben und beim Meckern so ziemlich einig seid.

Zerbrösel-Pistole schrieb:
Deine Frage hinsichtlich der Art des Angriffs kann ich nicht sicher beantworten; ich vermute Bomben.
Ich nehme einfach mal »Leichte« raus, dann sind es einfach nur Detonationen. Im Prinzip ist das Wie ja auch gar nicht so wichtig – daß das Gas dann da war, ist das Entscheidende. Aber es ist schon seltsam, daß das überall, wo darüber berichtet wird, ausgelassen wird.

Zerbrösel schrieb:
Optimierung halte ich genau in diesem Punkt - Einzelschicksal vs Allgemeinheit - für möglich; es wäre sicherlich sowohl drastischer (der Horror eines Giftgasangriffs ist kaum vorstellbar) als auch eine Herausforderung in Sachen Recherche:
Recherchiert hab ich jetzt echt viel darüber, und es war schon belastend, einen Bericht nach dem anderen zu lesen, um ab und zu auf neue Details zu stoßen. Aber irgendwie will ich nichts so Berichtmäßiges reinbringen oder hinten anhängen, und anders könnte ich mir das bei einer Ich-Erzählung nicht vorstellen. Einerseits wäre das, als würde man bei Geschichten über den 2. Weltkrieg immer dazuschreiben, wie viele Menschen in KZs umgekommen sind etc., andererseits denke ich: Die Leser, die sich aufgrund der Geschichte dafür zu interessieren beginnen, werden sich auch selbst weiter informieren – mit »Kurden« und »Giftgas« ist das ja leicht zu ergoogeln.
Daß ich Halabja nicht erwähnt habe, hat auch einen Grund: Weil es wenige Tage zuvor auch in einer anderen Stadt (wenn ich mich jetzt richtig erinnere, war es Sardasht) einen Giftgasangriff gegeben hat – nur kamen da nicht zufällig die Reporter vorbei, deshalb wurde das auch nicht so bekannt.

Zerbrösel schrieb:
Der Aufbau gefällt mir auch sehr gut: Du steigst in medias res ein, der Anschlag - den deine Charaktere fast schon zur Kenntnis nehmen wie das altbekannte Übel, was es ja auch letztlich ist - läuft bereits, während du noch deine Figuren einführst.
Fischstaebchen schrieb:
Durch den Stil ist das Grausamste an der Situation fast noch, wie alltäglich dieser Horror für Tarik scheint.
Freut mich, daß das aufgefallen ist, dafür mußte Tarik schließlich extra zum Druckfarbenjunkie werden.

Zerbrösel schrieb:
'marsrot' ist hier nicht ganz stimmig, finde ich. Es geht ja um etwas kränkliches, deshalb besser etwas pathologische oder einfach nur 'rot'.^^
Fischstaebchen schrieb:
Wenn der Mars in der kurdischen Kultur eine Rolle spielt, der ich mir in meiner Ignoranz nicht bewusst bin, dann soll es so stehenbleiben. Sonst tät ich mal sagen: Streich den Mars! Der fällt etwas aus dem Rahmen.
Habt Ihr Euch abgesprochen? ;) Ich weiß auch nichts darüber, ob der Mars in der kurdischen Kultur eine Rolle spielt, wohl eher nicht.
Ich bin nur neulich über »marsrot« gestolpert und weil es mir so gut gefallen hat, hab ich es in die Hosentasche gesteckt. Und als ich das Gesicht beschreiben wollte, hab ich es wieder gefunden. Aber gut, dann steck ich den Mars wieder in die Hosentasche … ;-)

Zerbrösel schrieb:
Das gefällt mir nicht; 'Angst', 'Trauer', 'Wut' sind zu allgemein, der folgende Vergleich ist unfreiwillig komisch.
Fischstaebchen schrieb:
Streich um Himmels, oder eher um der Stimmung Willen, das Klo! Und das Wort Cocktail weckt bei mir auch eher Partystimmung, die hier nicht angebracht ist.
Ich hab’s jetzt anders formuliert und den Cocktail rausgenommen, aber das Klo muß drinbleiben: Eine eigenartige Mischung aus Angst, Trauer und Wut breitet sich in mir aus und mein Drang zu flüchten fühlt sich plötzlich an, als müsste ich dringend aufs Klo.

Zerbrösel schrieb:
Finde ich stilistisch nicht schön; vielleicht 'Meine Augen brennen zunehmend heftiger' ?!
Neu: Meine Augen fühlen sich an wie Feuer

Zerbrösel schrieb:
Punkt statt Komma.
Oder das Fehlende ergänzen. :-)

Fischstaebchen schrieb:
Einen solchen Angriff zu schildern, stelle ich mir handwerklich schwer vor. Wie schnell kann man sich da in schockierender Effekthascherei verlieren, oder in schwülstigen "Alles war so furchtbar"-Beschreibungen.
Naja, durch die Rolle des Tarik (keine Kinder, alleinstehend) hab ich es mir auch relativ einfach gemacht. Aus der Sicht einer Mutter mit drei kleinen Kindern, die nacheinander auf der Strecke bleiben, wäre es deutlich schwieriger, nicht in solche Beschreibungen zu kippen.

Fischstaebchen schrieb:
Ich bin eingetaucht, und die Saiten, die während der Tauchfahrt angeschlagen wurden, schwingen imemr noch nach.
Schön gesagt, danke. :)

Fischstaebchen schrieb:
Ja, der Stil ... Das ist schon komisch. Ich-Erzählung, Gegenwart, knapper Satzbau ... Das waren immer meine natürlichen Feinde. Aber, verdammt, mir gefällt's. Schätze, so langsam muss ich umdenken, gelle?
Also ich schreibe am liebsten in Ich-Form und Gegenwart, und lesend gefällt mir das auch am besten. Wenn ich Dich überzeugen kann, freu ich mich natürlich, aber müssen … Schreib so, wie es Dir am ehesten liegt, dann findest Du Deinen persönlichen Stil. Ohne irgendwen kopieren zu wollen bzw. im Stil von xy zu schreiben. Solange es der Stil eines anderen ist, ist es nicht Dein eigener. Würde mir jemand immer wieder unter meine Geschichte schreiben »das liest sich wie Autor sowieso«, wie das in letzter Zeit ja einige mit Vorliebe machen, sähe ich darin kein Kompliment. ;-)

Fischstaebchen schrieb:
Na, recht schönen Dank auch. So kricht man's schon im Voraus gedankt ... Also wirklich. Fisch stinkt nicht! Er will sich halt nicht oktroyierten Geruchsnormen unterwerfen ...
Aber nebenher fällt mir auf: Wenn man den Satz kürzt, steht da: Es riecht nach stinkendem Fisch. Entscheide selbst, ob Handlungsbedarf besteht. Eigentlich schon, aber eigentlich auch nicht. Freue mich, dass ich helfen konnte. :D
:lol: Ich hab ja die verschiedensten Beschreibungen gefunden, und der stinkende Fisch kam darin vor. Aber ich denke, daß mit »stinkend« verdorbener Fisch gemeint war. Und so verdorben bist Du ja nicht, oder? :p
Handlungsbedarf … nein. Würde ich schreiben »Es stinkt nach …«, würde ich den Geruch von Äpfeln ja auch als Gestank bezeichnen. Umgekehrt mag ich aber auch verdorbenen Fisch nicht als »Geruch« bezeichnen – der stinkt eindeutig. ;-)

Autsch ... Das saß.
Ja, die Szene mußte ich aufgrund eines Fotos schreiben, das ich fast so erschütternd fand wie den Giftgasangriff selbst. Du findest es, wenn Du auf dieser Seite zu den Videos gehst. Das erste Video, da sieht man es bereits als Titelbild unscharf, richtig siehst Du es, wenn die Restzeitanzeige auf 3:22 steht, also nach einer halben Minute.
Dieses Bild von der Mutter mit dem Kind am Rücken. Man sieht richtig, daß sie schon nicht mehr kann, daß sie ihre Energie, mit der sie läuft und dabei das Kind trägt, nur mehr aus ihrem Drang, zu überleben, bezieht. Und der sch… Reporter hat nichts Besseres zu tun, als ein Foto zu machen. Und es ist nicht etwa von weiter weg ganz toll hingezoomt – die Augen der Frau verraten, daß er neben ihr ist. Sowas nenn ich Ausbeutung von Leid.
Klar müssen sie der Welt zeigen, welches Leid da stattgefunden hat. Aber das hätten sie genausogut gekonnt, wenn sie zuerst helfen. Die Toten wären sicher nicht weggelaufen.

Danke nochmals fürs Lesen und Gutfinden,

alles Liebe,
Susi :)

 

Servus Susi,

Recherchiert hab ich jetzt echt viel darüber, und es war schon belastend, einen Bericht nach dem anderen zu lesen, um ab und zu auf neue Details zu stoßen.
ja, das kann ich nachvollziehen, beschränkt sich doch mein bisheriges Hintergrundwissen auf das Original, Dein CW und den Link, den Du gepostet hast und dieses Triplet bereits lässt mich missmutig zurück, macht mich wütend, zornig, hilflos.

So bleibe ich aus Gründen des Selbstschutzes erstmal auf der Ebene der literarischen Eindrücke, die Rahmenvorgabe CW hast Du gut umgesetzt, die Handlungsstränge laufen glaubwürdig parallel und mit Verflechtungen, Spiegelungen, das finde ich gut umgesetzt. Du erzählst somit die Urgeschichte aus einem anderen Blickwinkel, bringst damit und dabei weitere Perspektiven hinein, die nicht nur literarisch spannend, einladend zum weiterlesen sind, sondern die auch der Sache, wider dem Vergessen dienlich sind.

Der Spannungsbogen ist dabei intensiv, die Geschichte treibst Du nach vorne, lässt Deinen Prot glaubwürdig agieren, das passt.

Was mir jedoch nicht passt ist am Ende die Verklärung des Rauchens.
Es mag ja sein, daß Senfgas bei Raucherlungen weniger toxisch wirkt, doch zum einen kann ich dieses nicht aus dem Text ableiten, und desweiteren finde ich die dadurch auch mitschwingende Moral (Zigaretten retten Leben) wirklich furchtbar. Vielleicht, weil ich auch meine eigenen Argumente für das Rauchen (weniger Erkältungsprobs, ein gestressteres und damit vitaleres Immunsystem,...) nicht (mehr) glauben will und für Schutzbehauptungen halte, die dem Ziel dienen, mein Rauchen zu rechtfertigen. Und da ich seit einigen Monaten dabei bin, eine bei mir 23 Jahre andauernde Konditionierung aufzulösen und durch etwas Echtes zu ersetzen, bin ich vermutlich empfindlicher als ich es mal war. Doch Du exponierst diese Moral auch noch durch die Platzierung am Ende der Geschichte, und so glaube ich fast, hätte ich das auch als aktiver Raucher schon seltsam, befremdlich gefunden.

Für mich hätte die Geschichte auch mit der Schilderung des Motorgeräusches enden könnendürfen.

»Nein, ich bleibe hier. Ich lasse mich nicht von diesen Rotzbuben vertreiben.«
nee, Rotzbuben glaube ich im Kontext nicht, weil es sprachlich nicht passt, der Bub gehört an die Alpen, doch nicht in den Iran.
Während ich ihr nachschaue, überkommt mich die beruhigende Gewissheit: Es wird immer eine neue Generation von Kurden geben. Sie können uns nicht auslöschen.
diesen Satz glaube ich dafür umso mehr, der sitzt und wirkt auf mich nach.

Insgesamt eine schmerzhafte Lektüre, doch das Leben erzählt halt nicht nur schöne Geschichten. Und auch die anderen wollen erzählt, erinnert, erfasst werden.

Grüße,
C. Seltsem

 

Hallo C. Seltsem!

Freut mich sehr, daß Dich die Geschichte mitgenommen und Dich betroffen gemacht hat.

die Rahmenvorgabe CW hast Du gut umgesetzt, die Handlungsstränge laufen glaubwürdig parallel und mit Verflechtungen, Spiegelungen, das finde ich gut umgesetzt. Du erzählst somit die Urgeschichte aus einem anderen Blickwinkel, bringst damit und dabei weitere Perspektiven hinein, die nicht nur literarisch spannend, einladend zum weiterlesen sind, sondern die auch der Sache, wider dem Vergessen dienlich sind.

Der Spannungsbogen ist dabei intensiv, die Geschichte treibst Du nach vorne, lässt Deinen Prot glaubwürdig agieren, das passt.

Danke, so ein Lob freut mich natürlich! :)

Was mir jedoch nicht passt ist am Ende die Verklärung des Rauchens.
Es mag ja sein, daß Senfgas bei Raucherlungen weniger toxisch wirkt, doch zum einen kann ich dieses nicht aus dem Text ableiten, und desweiteren finde ich die dadurch auch mitschwingende Moral (Zigaretten retten Leben) wirklich furchtbar. […] Doch Du exponierst diese Moral auch noch durch die Platzierung am Ende der Geschichte, und so glaube ich fast, hätte ich das auch als aktiver Raucher schon seltsam, befremdlich gefunden.
Dazu findest Du auf zeit.de dieses Zitat (ziemlich genau in der Mitte):
„Rauchen Sie?“, hat uns Doktor Baban gefragt.
„Ja.“
„Das ist gut, denn wenn Sie ein extremer Kettenraucher sind, dann leben Sie länger. Ihre Chancen, den Gasangriff zu überleben, sind dann um etwa 45 Prozent größer“, meinte der Doktor in seinem Haus in Suleimanija, und er hat dies in aller Ernsthaftigkeit und sehr entschieden gesagt. Seit 15 Jahren beschäftigt sich der Doktor mit den Folgen der biochemischen Mixtur aus Senfgas, Nervengas und Sarin, unter denen die Opfer bis heute leiden. Missbildungen bei Kindern, Fehlgeburten und Krebserkrankungen sind hier viel stärker verbreitet als andernorts, fand der Arzt heraus.
Doktor Baban ist ein äußerst höflicher Mann, der in klangvoll akzentuiertem Englisch manche Fragen nur sehr allgemein beantwortet. „Viele Länder haben Saddam Hussein das Gas zur Verfügung gestellt, mit dem die Menschen hier vergast wurden“, sagt er, „nur wenige haben sich bis zum heutigen Tag um die Opfer gekümmert.“
„Auch Deutschland?“
Der Doktor schweigt und reicht Tee.

Falsch ist also nur, daß sie das 89 noch nicht gewußt haben, also der Arzt in meiner Geschichte die Erkenntnis nicht direkt nach dem Angriff haben konnte. Aber ich wollte es trotzdem unterbringen, weil es sich in meinem Kopf etwas seltsam mit den weltweiten Anti-Raucher-Kampagnen vermischt hat …

Ich will auch keineswegs die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens herunterspielen. Aber wenn man bedenkt, daß es auch andere gesundheitsschädliche Dinge gibt – nicht nur z. B. Alkohol, sondern auch Dinge, auf die der Einzelne keinen direkten Einfluß hat, wie etwa Umweltgifte oder die Gefahren durch Atomkraftwerke oder Gentechnik usw., wo es ihnen ganz egal ist, wie gesund oder gefährlich das für uns ist –, dann muß man sich doch auch fragen, warum ihnen gerade beim Rauchen unsere Gesundheit plötzlich Geld wert ist (diese Kampagnen kosten ja auch etwas).

Für mich hätte die Geschichte auch mit der Schilderung des Motorgeräusches enden könnendürfen.
Sollte sie ursprünglich auch. ;)

nee, Rotzbuben glaube ich im Kontext nicht, weil es sprachlich nicht passt, der Bub gehört an die Alpen, doch nicht in den Iran.
Irak. ;) Ich wüßte ja gern einen gleichwertigen kurdischen Ausdruck … aber nicht einmal auf deutsch fällt mir eine richitge Alternative ein, denn sie sollte einerseits zu dem Alten passen, andererseits auch nicht zu harmlos sein. Bei uns verwendet man ja »Rotzbuben« neuerdings recht gerne für Politiker im ganz rechten Eck, von daher war es für mich passend. Über einen Alternativvorschlag würd ich mich aber natürlich freuen.

diesen Satz glaube ich dafür umso mehr, der sitzt und wirkt auf mich nach.
Da bin ich erleichtert, denn ich war mir nicht sicher, ob der Gedanke nicht zu aufgesetzt wirkt. :)

Danke Dir fürs Lesen und Kommentieren,

liebe Grüße,
Susi :)

 
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Hallo Susi,

ich habe erst deine Geschichte angefangen, dann Jos Halabja überflogen (um zu sehen, was von ihr übernommen und was von dir ist) und dann wieder deine Geschichte gelesen - und sie hat mich angerührt. Natürlich.

Mit der ersten Szene an der Matrize bringst du sofort Atmosphäre hinein: die Charaktere, die Umgebung werden sofort plastisch. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob dort der Widerstandskampf mit Flugblättern geführt wird, aber es ist auf jeden Fall eine gute Eingangsszene.

Insgesamt habe ich wenig zu meckern. Sprachlich und vom Aufbau her gut gemeistert, die Ursprungs-Handlung geschickt eingewoben (bis auf: "Ohne mich mit der Frage aufzuhalten, wo das Mädchen mit der Puppe hingekommen ist" - warum erwähnt er das dann?), nur die "Rotzbuben" und vllt sogar der "Idiot" passen nicht wirklich. Also sowohl copywritemäßig als auch als eigenständige Geschichte überzeugend - deshalb bin ich auch für ein Verschieben in eine andere Rubrik.

EDIT: Zu der Schlussszene: Da hältst du dem Leser noch mal den Spiegel des Voyeurismus vor, denn ohne die Nachfrage würde es nicht so viele Bilder geben. Andererseits: Schon im Vietnam-Krieg waren es die Bilder, die aufgerüttelt haben. In deiner Geschichte ist es aber das Wegfahren des Wagens ohne Hilfeleistung, das einen letzten Knalleffekt bietet.

Gruß, Elisha

 

Liebe Elisha!

Freut mich sehr, daß Du die Geschichte gelesen hast und sie Dir gefallen hat! :)

Ich bin mir zwar nicht sicher, ob dort der Widerstandskampf mit Flugblättern geführt wird, aber es ist auf jeden Fall eine gute Eingangsszene.
Die Flugblätter sind ja nur ein Aufruf - wozu aufgerufen wird, steht da nicht, das kann alles Mögliche sein, von einer Versammlung bis zur Nahkampfausbildung. ;)

die Ursprungs-Handlung geschickt eingewoben (bis auf: "Ohne mich mit der Frage aufzuhalten, wo das Mädchen mit der Puppe hingekommen ist" - warum erwähnt er das dann?),
Um seine Veränderung zu zeigen, da er ja erst unbedingt helfen wollte, ihm aber jetzt doch ganz schön der Reis geht, wie man auf Wienerisch sagt.

nur die "Rotzbuben" und vllt sogar der "Idiot" passen nicht wirklich.
Wie oben schon gesagt: Für den Rotzbuben hätte ich gern eine Alternative, die die Anforderungen erfüllt, aber bisher weiß ich noch keine.

Also sowohl copywritemäßig als auch als eigenständige Geschichte überzeugend - deshalb bin ich auch für ein Verschieben in eine andere Rubrik.
Über das Lob freu ich mich natürlich, aber es sind ja auch andere Copywrite-Geschichten richtige eigenständige Geschichten. Ich finde, es sollte so, wie in der Wörterbörse gehandhabt werden, daß die Geschichten für zwei Wochen in eine andere Rubrik kommen.
Obwohl, durch die Zusatztitel wäre es ja eigentlich gar nicht mehr notwendig, daß die Geschichten hier und in der Wörterbörse stehenbleiben, es gibt ja hier ohnehin die Threads, in denen die Geschichten erfaßt und verlinkt sind.

Zu der Schlussszene: Da hältst du dem Leser noch mal den Spiegel des Voyeurismus vor, denn ohne die Nachfrage würde es nicht so viele Bilder geben. Andererseits: Schon im Vietnam-Krieg waren es die Bilder, die aufgerüttelt haben. In deiner Geschichte ist es aber das Wegfahren des Wagens ohne Hilfeleistung, das einen letzten Knalleffekt bietet.
Soll ich daraus schließen, daß Du es auch lieber gesehen hättest, wenn ich mit "Dann sind die Motorengeräusche hinter uns" aufgehört hätte? ;)

Danke nochmal fürs Lesen und das Lob,

liebe Grüße,
Susi :)

 
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Wow!

Tragisch, direkt auf die 12 und dabei trotzdem durchtränkt von Gefühlen - die einzige Sache die bei mir immer den Alarm auslösen sind Stereotypen und auch wenn ich bei Tarik trotz der Kürze mehr als genug charakterliche Würze sehe, finde ich seinen "Vater" etwas platt (naja, kontrastmäßig gewinnt das Ganze vielleicht dadurch eher Fahrt - klar erkennbare Charakterköpfe machen es bei Kurzgeschichten ja immer leichter die Welt im eigenen Kopf zum Leben zu erwecken - Geschmackssache)

Das Ende finde ich klasse - auch wenn ich den Raucherteil nicht verstanden habe (Napalm wirkt ja nur begrenzt über die Lungen und bei Rauchern ist die fehlende Lungenkapazität doch kein Vorteil, oder?)

Napalm wird mittels Bomben abgeworfen (wobei bis zum Vietnamkrieg MK-74 und danach MK77 verwendet wurden - gerade erst wieder im Irakkrieg), die Bomben haben aber die Form von Mülltonnen und werden ungelenkt abgeworfen - wenn sie dann am Boden zerplatzen verteilt sich ein Benzolgemisch in der Umgebung, also ist die bebende Erde vielleicht gar keine üble Idee. Giftgas hingegen (habe gerade wieder daran gedacht, dass es ja eigentlich um die geht ;) ) wird normalerweise durch Haubitzen mittels Bomben (oder auch Flugzeugen) in urbanen Gebieten verteilt - über die Sprengwirkung kann ich dir aber leider nichts sagen.

Zum Schluß noch ein RIESENlob: Hätte ich die Geschichte vorher gelesen hätte ich sie gar nicht dir zuordnen können - das Thema ist ungewohnt und du hast eine unglaubliche Arbeit abgeliefert, wenn man bedenkt wie leicht solche Themen in moralapostolarische Hetzreden abschweifen.

Kleine Logikfrage: Wieso drucken die Beiden nach tagelangem Bombardement Rebellenflugblätter??

Ich lasse mir Feuer geben und denke an Iyyad.

Schön melancholisch, göttlich!

weil ich den Geruch der Druckfarbe so mag

Druckerfarbe?!

Ich nehme sie mit schlechtem Gewissen und nur, weil ich weiß, dass Iyyad ein sturer Hund ist.

Wäre: Ich nehme sie mit schlechtem Gewissen, so ein sturer Hund! nicht prägnanter?

Rotzbuben => vom Charakter her würde eher so etwas wie Faschisten oder ähnliches passen (vielleicht findest du ein kurdisches Wort dafür??)

Greez Manuel

 

hallo häferl,

bei mir hat diese Geschichte gesessen. Es ist schon anders, wenn man über solch schreckliche Ereignisse in der Zeitung liest, oder ob man sie als Geschichte präsentiert bekommt. In diesem Fall tut es sehr viel mehr weh.
Gerade weil du alles recht einfach hältst (Sprache, Aufbau, Beobachtungen, Länge) kam die Kg bei mir wahrscheinlich so heftig rüber. Keine großen Stilblüten, die diesem Drama auch noch etwas "ästhetisches" abgewinnen wollen, sondern die (mögliche) ungeschminkte Realität.
Ich fühlte mich beim Lesen in meine Grundschulzeit zurückversetzt,als wir gerade das Buch "Damals war es Friedrich" lasen. Mich überkamen damas heftige Ohnmachtsgefühle und ich verstand die Welt nicht mehr.
Die Stelle mit den Fotografen ist wirklich die Krone des Ganzen...
Eigentlich wollte ich noch irgendetwas anmerken, aber das ist mir jetzt entfleucht, vielleicht komme ich später noch mal darauf(?) zurück.

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Agron und lieber weltenläufer!

Danke Euch beiden fürs Lesen meiner Geschichte, hab mich sehr über Eure Kommentare gefreut! :)

Agron schrieb:
Wow!
Tragisch, direkt auf die 12 und dabei trotzdem durchtränkt von Gefühlen
So ein schönes Lob, danke. :)

- die einzige Sache die bei mir immer den Alarm auslösen sind Stereotypen und auch wenn ich bei Tarik trotz der Kürze mehr als genug charakterliche Würze sehe, finde ich seinen "Vater" etwas platt
Hm, also ich finde, daß ich ihm doch an einigen Stellen Charakter gegeben habe. Manche sind allerdings nicht so offensichtlich, etwa verzichtet er für Tarik auf die Gasmaske, oder er gibt Aisha alle verfügbaren Decken (wie viele Menschen würden sich wohl sagen »ist ja nicht mein Kind, sollen sich ihre Eltern um sie kümmern«?). Und so stur er auch von Tarik beschrieben wird: Am Ende steigt er ja doch von seinem Grundsatz herunter, als er Tarik zuredet, wegzurennen.
Ich finde den eigentlich viel interessanter als ich Tarik finde, den ich eher wie eine noch nicht ganz reife Kopie von ihm sehe (Iyyad ist ja sein Ideal, und irgendwie lebt Iyyad dadurch in Tarik weiter). :)

Das Ende finde ich klasse - auch wenn ich den Raucherteil nicht verstanden habe (Napalm wirkt ja nur begrenzt über die Lungen und bei Rauchern ist die fehlende Lungenkapazität doch kein Vorteil, oder?)
Nicht Napalm. ;) Woran es liegt, daß Raucher bei Giftgasangriffen eine größere Überlebenschance haben, weiß ich nicht. Vielleicht die Tatsache, daß sie an gewisse Gifte schon gewöhnt sind, oder der Teer in der Lunge nimmt die Substanzen auf und gibt sie nicht so schnell an den Körper ab – keine Ahnung.
Aber du kannst auch fleißig Miso-Suppe essen. Miso macht zumindest gegen Atomverstrahlung weniger empfindlich, vielleicht ja auch gegen die Auswirkungen von Giftgasen?

Ja, daß man Giftgas auf verschiedene Arten von oben nach unten bringen kann, hab ich gelesen, aber wie es in Halabja war, konnte ich nicht finden. Ich denke aber, wenn sie es versprüht hätten, wäre es gleichmäßig verteilt gewesen und hätte vermutlich keine solchen Wolken gebildet, die meiner Meinung nach auf ein Austreten aus Bomben schließen lassen. Rein subjektiv schätze ich aber das spezifische Gewicht, welches ja für die Wucht ausschlaggebend ist, mit der etwas herunterfällt, von Napalm höher ein als das von Giftgas, weshalb dann die Detonationen im Vergleich doch leichter sein müßten, nicht?

Zum Schluß noch ein RIESENlob: Hätte ich die Geschichte vorher gelesen hätte ich sie gar nicht dir zuordnen können - das Thema ist ungewohnt und du hast eine unglaubliche Arbeit abgeliefert, wenn man bedenkt wie leicht solche Themen in moralapostolarische Hetzreden abschweifen.
Danke. :)

Kleine Logikfrage: Wieso drucken die beiden nach tagelangem Bombardement Rebellenflugblätter??
Als Beschäftigungstherapie für Iyyad, damit er auf keine anderen Gedanken kommt. – Nein, ich suchte einen Grund, warum mein Protagonist weder draußen war, noch aus dem Fenster gesehen hat, und da ich ohnehin einmal so eine alte Abziehmaschine in eine Geschichte einbauen wollte (ich mochte den Geruch immer so, wenn wir in der Schule solche Zettel bekamen …), hat es ganz gut gepaßt, die beiden damit in den Keller zu verfrachten. ;)

Schön melancholisch, göttlich!
Den ganzen Honig schmier ich mir jetzt auf ein Brot.

Druckerfarbe?!
Richtig. War in dem Fall Absicht, weil ich mich beim Schreiben gefragt habe, warum es zwar Druckbuchstabe, Druckplatte, Druckfehler etc. heißt, aber die Farbe plötzlich nicht für den Druck, sondern die Farbe des Druckers ist. Aber ich hab’s jetzt trotzdem geändert, wollte ja nur wissen, ob es jemandem auffällt. ;-)

Wäre: Ich nehme sie mit schlechtem Gewissen, so ein sturer Hund! nicht prägnanter?
Nein, »so ein sturer Hund« könnte er erst sagen, wenn er die Maske nicht gleich angenommen hätte, sondern sie weiterhin Iyyad angeboten hätte, und Iyyad sich noch einmal dagegen gewehrt hätte. So aber nimmt er sie und kann nur aus seiner Erfahrung ahnen, daß es keinen Sinn hätte, sie Iyyad weiter aufzudrängen.

Rotzbuben => vom Charakter her würde eher so etwas wie Faschisten oder ähnliches passen (vielleicht findest du ein kurdisches Wort dafür??)
»Faschisten« ist mir zu direkt, ein kurdisches Wort hätte ich wirklich gern.


weltenläufer schrieb:
bei mir hat diese Geschichte gesessen. Es ist schon anders, wenn man über solch schreckliche Ereignisse in der Zeitung liest, oder ob man sie als Geschichte präsentiert bekommt. In diesem Fall tut es sehr viel mehr weh.
Gerade weil du alles recht einfach hältst (Sprache, Aufbau, Beobachtungen, Länge) kam die Kg bei mir wahrscheinlich so heftig rüber. Keine großen Stilblüten, die diesem Drama auch noch etwas "ästhetisches" abgewinnen wollen, sondern die (mögliche) ungeschminkte Realität.
Danke, das lese ich gern. :-) Ja, ich finde, gerade bei solchen Themen darf man sich als Autor nicht in den Vordergrund stellen – Leid ist nunmal nicht ästhetisch, deshalb haben große Stilblüten etc. meiner Meinung nach bei solchen Themen nichts verloren.

Ich fühlte mich beim Lesen in meine Grundschulzeit zurückversetzt,als wir gerade das Buch "Damals war es Friedrich" lasen. Mich überkamen damas heftige Ohnmachtsgefühle und ich verstand die Welt nicht mehr.
Ich kenne das Buch nicht, wurde natürlich als Kind mehr mit österreichischer Literatur zu dem Thema versorgt, hab aber jetzt die Beschreibung gelesen und kann mir gut vorstellen, wie die Geschichte auf Dich als Kind gewirkt hat. – Daß Dir das nun beim Lesen meiner Geschichte einfällt, ist mehr als ein Lob, oder jedenfalls ist es schwerer als die Skala meiner Lob-Waage anzeigen kann. ;-)

Die Stelle mit den Fotografen ist wirklich die Krone des Ganzen...
Ja, und ich hätte mich nicht getraut, das so zu schreiben, wenn nicht dieses Bild auf dem oben verlinkten Video gewesen wäre. Das fand ich wirklich erschütternd. Aber Geld regiert die Welt und der Fotograph hat für das Foto bestimmt ordentlich abkassiert.

Eigentlich wollte ich noch irgendetwas anmerken, aber das ist mir jetzt entfleucht, vielleicht komme ich später noch mal darauf(?) zurück.
Naja, wenn Dir sonst nichts mehr einfällt, dann nutze ich die Gelegenheit noch für einen weiteren Link, der mir sehr am Herzen liegt.
Weil man sich unter den so harmlos klingenden genetischen Veränderungen so wenig vorstellen kann. Soll man an sechs Zehen und drei Finger denken? An starken oder keinen Haarwuchs, drei Nasenlöcher? - Die bei dem Link zu sehenden Kinder sind zwar nicht die Folge von Giftgas, aber auch da wird von genetischen Veränderungen gesprochen. Die Kinder auf den Bildern sind die Folge der amerikanischen DU-Munition im Süden des Irak.
Aber schaut das nicht vor dem Frühstück an (und Schwangere klicken da bitte gar nicht drauf).

Danke nochmal Euch beiden,

liebe Grüße,
Susi :)

 

Hi Häferl

Copywrite - Iyyad
Iyyad ist nicht gerade ein typisch kurdischer Name. Aber da er ein alter Mann ist, hätte ich dann diese "typischen" moslemischen Namen genommen: Ahmed, Mohammed, Hussein, ...
Ich wollte Iyyad auch hinbringen, aber er sagte entschlossen: »Was soll ich denn in den Bergen? Alles hier seinem Schicksal überlassen? Ich lebe und sterbe für ein autonomes Kurdistan, und meine Hoffnung, es noch zu erleben, habe ich noch nicht begraben.«
Also, es ist schon richtig, dass viele aus Angst in den Bergen flohen, aber in den Bergen der Türkei oder auch in den Iran. Aber viele, die in den Bergen von Kurdistan "geflohen" sind, haben Kurdistan beschützt und gekämpft. Hast du bestimmt bei deinen Recherchen auch gefunden, dass die Peshmergas in den Bergen leben.
»Nein, ich bleibe hier. Ich lasse mich nicht von diesen Rotzbuben vertreiben.«
Aber das hier ist wieder typisch für die alten Menschen im Krieg. Auch im zweiten Golfkrieg sind viele alte Menschen nicht geflohen und sind Zuhause geblieben. Gut getroffen!
»Setz du sie auf, Tarik. Du bist noch jung.«
Ich nehme sie mit schlechtem Gewissen und nur, weil ich weiß, dass Iyyad ein sturer Hund ist.
Schon der Höflichkeitshalber würde sie da noch diskutieren, wer die Maske doch tragen sollte. Und er würde niemals sein Vorbild einen sturen Hund nennen. Im Deutschen hört sich das so locker und fast überzeugend an, aber Hund zu jmd zu sagen, auch wenn man es nicht so meint, ist fast so als würde man Schwein sagen.
Die Flugblätter lasse ich liegen, gehe mit Gasmaske und einem langen Regenponcho auf die Straße und
Ich bin echt nicht pingelig, aber sowas fällt mir auf: Regenponcho. Trugen die da sowas? Ist in Irak oder Kurdistan nicht wirklich üblich.
Gegenüber steht ein alter Mann mit erhobenen Armen auf einem Trümmerhaufen und schreit immer wieder »Allah ’u Akbar! Allah ’u Akbar!«, während eine Frau verzweifelt an seinen Beinen rüttelt.
Finde ich wirklich gut, dass du ein paar Stellen meiner Geschichte in die deine eingefügt hast, auch wenn deine natürlich viel besser ist als meine.
Doch ich kann nicht. Wie die Mütter nicht einfach weiterlaufen, sondern warten, wenn ihre Kinder gestolpert sind, ist es für mich keine Frage, bei Iyyad zu bleiben. Ich gebe der Frau meine Gasmaske, wünsche ihr viel Glück, sie lässt meinen Arm los und läuft weiter. Während ich ihr nachschaue, überkommt mich die beruhigende Gewissheit: Es wird immer eine neue Generation von Kurden geben. Sie können uns nicht auslöschen.
Richtig gute Passage!
nicht, weil ich mich schäme, kurdische Männer schämen sich nicht, wenn sie weinen
Nee, würde ich rauslassen.
und gebe ihr einen leichten Klaps auf den Hintern.
Ist nicht so übich, dass man einem Mädchen einen Klaps auf den Hintern gibt, egal wie alt sie ist.
Ich hätte sie ihn lieber anschreien lassen, mag in deinen Augen aggressiv sein, aber in dieser verzweifelten Lage ist es denkbar und für mich persönlich realistischer.
fühlt sich plötzlich an, als müsste ich dringend aufs Klo
Das ist echt kein guter Vergleich, haben dir aber auch schon die anderen gesagt. Aber ich kann dir auch nicht wirklich sagen, was ich da schreiben würde.
»Jeeps«, antwortet sie,
Einfach Autos oder große Autos. Jeeps sind ja bestimmte Autos, ich glaub nicht, dass ein kleines Mädchen da wissen kann, wie diese Autos heißen.
Leider konnte ich bei meinen Recherchen nicht herausfinden, in welcher Form das Giftgas von den Flugzeugen auf die Erde gelangte – war es in Bomben,
Vereinzelt heißt es, dass es versprüht wurde. Oft ist die Rede von C-Bomben. Deshalb gehe ich davon aus, dass es Bomben waren.
Daß ich Halabja nicht erwähnt habe, hat auch einen Grund: Weil es wenige Tage zuvor auch in einer anderen Stadt (wenn ich mich jetzt richtig erinnere, war es Sardasht) einen Giftgasangriff gegeben hat – nur kamen da nicht zufällig die Reporter vorbei, deshalb wurde das auch nicht so bekannt.
Ja, ich meine ein iranisches Dorf und noch eine kurdische Stadt.
nee, Rotzbuben glaube ich im Kontext nicht, weil es sprachlich nicht passt, der Bub gehört an die Alpen, doch nicht in den Iran.
Irak und ja, ich gebe dem Celtsem Recht. So ganz typische Ausdrücke sind: Hundesöhne. Oder Sohn eines Esels, aber auf Deutsch hört sich das total schräg an. "Hundesöhne" würde ich nehmen.
Soll ich daraus schließen, daß Du es auch lieber gesehen hättest, wenn ich mit "Dann sind die Motorengeräusche hinter uns" aufgehört hätte?
Dafür plädiere ich auch.

In den Kritiken wurde schon alles gesagt, ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Ich schließe mich einfach den anderen an!

Cu JoBlack

P.S: Ein großes Lob für die Recherche natürlich! Das ist verdammt schwer und du hättest es dir natürlich auch viel einfacher machen können und eine andere Geschichte nehmen können. Von daher: :thumbsup:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo JoBlack!

Das freut mich sehr, daß Du nun auch zu dieser Geschichte gekommen bist! :)

JoBlack schrieb:
Iyyad ist nicht gerade ein typisch kurdischer Name. Aber da er ein alter Mann ist, hätte ich dann diese "typischen" moslemischen Namen genommen: Ahmed, Mohammed, Hussein, ...
Ob er typisch ist oder nicht, konnte ich bei meiner Recherche nicht feststellen, aber ich habe nur Namen verwendet, die tatsächlich auch Namen von Kurden waren, da ich dachte, es gäbe sicher irakische Namen, die von Kurden nicht verwendet werden, bzw. daß sie überhaupt eigene Namen haben, nachdem sie ja auch eine eigene Sprache haben – beim Thema Namen bin ich also tatsächlich etwas geschwommen.
»Iyyad« hat mir ziemlich gut gefallen und tut es noch immer, deshalb will ich ihn eigentlich nicht gegen einen der »gewöhnlichen« Namen austauschen. »Ahmed« hatte ich auch auf meiner Liste (außerdem Omar und Qazi), aber es hat mir keiner so gut gefallen wie Iyyad. ;-)
Aber wenn Du mir einen typisch kurdischen Namen sagen kannst, der mir genauso gut gefällt, ändere ich ihn.

JoBlack schrieb:
Also, es ist schon richtig, dass viele aus Angst in den Bergen flohen, aber in den Bergen der Türkei oder auch in den Iran. Aber viele, die in den Bergen von Kurdistan "geflohen" sind, haben Kurdistan beschützt und gekämpft. Hast du bestimmt bei deinen Recherchen auch gefunden, dass die Peshmergas in den Bergen leben.
Iyyad ist aber zu alt zum Kämpfen, und es waren auch Menschen in den Bergen ringsum, um sich da in Sicherheit zu bringen. Ich hab aber die Stelle etwas geändert:
Viele sind während der letzten Tage in die Berge ringsum geflüchtet, haben sich aus Angst vor weiteren Angriffen in Höhlen verkrochen oder kämpfen von dort aus. Ich wollte Iyyad auch in Sicherheit bringen, aber er sagte entschlossen: »Ich kann nicht mehr kämpfen, also was soll ich in den Bergen? Alles hier seinem Schicksal überlassen? Ich lebe und sterbe für ein autonomes Kurdistan, und meine Hoffnung, es noch zu erleben, habe ich noch nicht begraben.«

JoBlack schrieb:
Aber das hier ist wieder typisch für die alten Menschen im Krieg. Auch im zweiten Golfkrieg sind viele alte Menschen nicht geflohen und sind Zuhause geblieben. Gut getroffen!
Danke, das Lob freut mich. :)

JoBlack schrieb:
Schon der Höflichkeitshalber würde sie da noch diskutieren, wer die Maske doch tragen sollte. Und er würde niemals sein Vorbild einen sturen Hund nennen. Im Deutschen hört sich das so locker und fast überzeugend an, aber Hund zu jmd zu sagen, auch wenn man es nicht so meint, ist fast so als würde man Schwein sagen.
Gut, Tarik redet jetzt doch noch einmal zurück und der Hund ist weg:
»Setz du sie auf, Tarik. Du bist noch jung.«
»Nein, nimm du sie«, kontere ich, doch er schaut demonstrativ weg. Ich nehme sie mit schlechtem Gewissen und nur, weil ich weiß, dass Iyyad ein Sturschädel ist.

JoBlack schrieb:
Ich bin echt nicht pingelig, aber sowas fällt mir auf: Regenponcho. Trugen die da sowas? Ist in Irak oder Kurdistan nicht wirklich üblich.
Daß ein Regenponcho dort nicht üblich ist, hab ich geahnt, aber »nicht üblich« heißt nicht, daß er nicht trotzdem irgendwo einen gefunden hat. Vielleicht kamen irgendwann Kleiderspenden einer Hilfsorganisation an, wo einer dabei war. Ich brauchte doch etwas, womit er etwas mehr geschützt ist, um sein Überleben glaubwürdiger zu machen. ;)

JoBlack schrieb:
Finde ich wirklich gut, dass du ein paar Stellen meiner Geschichte in die deine eingefügt hast, auch wenn deine natürlich viel besser ist als meine.
Es ist ja schließlich eine Copywrite-Geschichte, also müssen sie sich ja irgendwie treffen, und da ist es recht naheliegend, die markanten Stellen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. ;-)
Und so vergleichend werten will ich sie gar nicht, da meine ja ohne Deine nicht entstanden wäre. Aber ich freu mich trotzdem, daß Du sie gut findest. :)

JoBlack schrieb:
Richtig gute Passage!
*freu* Dabei war ich selbst anfangs gar nicht so zufrieden mit der Szene, weil ich eigentlich wollte, daß die beiden sich kennen – dafür hat mir jedoch ein (sicher auch von Kurden verwendeter) Frauenname gefehlt. Als ich nachträglich dann doch noch eine Quelle gefunden habe, gefiel sie mir plötzlich so besser, wie sie ist.

JoBlack schrieb:
Nee, würde ich rauslassen.
Daß kurdische Männer sich nicht schämen, wenn sie weinen, hab ich bei meiner Recherche gelesen und das hat mir so gefallen, daß es unbedingt in die Geschichte mußte. ;)

JoBlack schrieb:
Ist nicht so übich, dass man einem Mädchen einen Klaps auf den Hintern gibt, egal wie alt sie ist.
Ich hätte sie ihn lieber anschreien lassen, mag in deinen Augen aggressiv sein, aber in dieser verzweifelten Lage ist es denkbar und für mich persönlich realistischer.
Gut, geändert auf: Ich schreie sie an, »Los, renn!«, und schrecke mich vor mir selbst, als sie dabei zusammenzuckt.

JoBlack schrieb:
Das ist echt kein guter Vergleich, haben dir aber auch schon die anderen gesagt. Aber ich kann dir auch nicht wirklich sagen, was ich da schreiben würde.
Ich hab’s mal präzisiert, vielleicht geht es so besser: als müsste meine Seele dringend aufs Klo.

JoBlack schrieb:
Einfach Autos oder große Autos. Jeeps sind ja bestimmte Autos, ich glaub nicht, dass ein kleines Mädchen da wissen kann, wie diese Autos heißen.
Da hast Du wahrscheinlich auch Recht. Ich hab jetzt erst mal weiße Autos draus gemacht.
Wobei ich mich gefragt habe: Die Autos von Journalisten sind doch sicher irgendwie gekennzeichnet – weiß das vielleicht jemand?

JoBlack schrieb:
Vereinzelt heißt es, dass es versprüht wurde. Oft ist die Rede von C-Bomben. Deshalb gehe ich davon aus, dass es Bomben waren.
Dann scheint ja jede Variante der Wahrnehmung richtig zu sein. ;-)

JoBlack schrieb:
Ja, ich meine ein iranisches Dorf und noch eine kurdische Stadt.
Das fand ich ja besonders erschreckend, daß es solcher Zufälle bedarf, daß sowas überhaupt bekannt wird.
Dafür ist die Presse natürlich wichtig, aber für gewisse Fotos sitzen sie bei mir trotzdem auf der geistigen Anklagebank. Da steckt mir zuviel Sensationsgier dahinter, sowas wie ein Preis für das Pressefoto des Jahres sollte abgeschafft werden, die Hilfe soll wichtiger sein als das beste Foto. Man kann in der Presse auch mit Worten beschreiben, was man gesehen hat, und es mit Danach-Bildern schmücken.
Angenommen hier bei uns wird ein Reporter Zeuge eines Mordes, wird man sich ja auch erwarten, daß er nicht das sterbende Opfer fotografiert, sondern erst versucht, dessen Leben zu retten. Geht es um andere Völker, ist das Foto wohl mehr wert als der Mensch.

JoBlack schrieb:
Irak und ja, ich gebe dem Celtsem Recht. So ganz typische Ausdrücke sind: Hundesöhne. Oder Sohn eines Esels, aber auf Deutsch hört sich das total schräg an. "Hundesöhne" würde ich nehmen.
Die Hundesöhne sind gekauft. :-)

JoBlack schrieb:
Dafür plädiere ich auch.
Na gut, ich gebe mich geschlagen. Aber nur, weil ich die Sache mit dem Rauchen inzwischen ausführlich erläutert hab. ;-)
Und als Erinnerung kopiere ich sie jetzt noch einmal hierher (vielleicht kommen dann ja fünf Kritiker, die sagen, ich soll sie wieder zurückkopieren … :D).
Der Arzt sagt, dass ich in ein paar Monaten wieder sehen werde. Und dass ich wahrscheinlich nur deshalb überlebt habe, weil ich starker Raucher bin.
Aisha hat faustgroße Blasen an ihren Beinen. Ihre Eltern haben wir noch nicht gefunden.
Ich lasse mir Feuer geben und denke an Iyyad.

P.S: Ein großes Lob für die Recherche natürlich! Das ist verdammt schwer und du hättest es dir natürlich auch viel einfacher machen können und eine andere Geschichte nehmen können. Von daher: thumbsup:
Das Lob freut mich besonders. Natürlich hätte ich es mir einfacher machen können, aber erstens schreibe ich eigentlich gern über so politische bzw. anspruchsvollere Themen, und zweitens habe ich in Deinem Thread aus Deinen Kommentaren herausgelesen, daß Dir das Thema sehr am Herzen liegt. Also war es kein langer Entschluß, mich in die Recherche zu stürzen. :-)

Danke fürs Lesen, Kommentieren und die vielen Tips! :)

Liebe Grüße,
Susi :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Susi!

Gerade habe ich die Mail-Post gelesen, und bin so auf Umwegen zu deiner Geschichte gelangt. ;)
Sie hat mir ausgezeichnet gefallen. Mit knappen Sätzen treibst du die Handlung voran und hältst den Leser (mich) damit atemlos. Ausdrucksvolle Bilder hast du gezeichnet, mein Herz berührt und ein Thema drastisch beschrieben, das mich zutiefst bewegt.
Bin froh, dass du keine Landesnamen genannt hast, in deiner Darstellung. Vom Giftgaseinsatz einmal abgesehen, geht es ihnen nämlich auf der anderen Seite vom Berg auch nicht besser, dem von der Weltöffentlichkeit vergessenen Volk der Kurden. Dort, in Ostanatolien, bombardiert man seit Jahren ihre ärmlichen Dörfer mit Hilfe westlicher Logistik und satten Urlauberdevisen. Sind immerhin 14 Millionen Menschen die über drei Länder verteilt, mehr oder weniger rechtlos ihr Dasein fristen. Ach, lassen wir das!
Du hast mich jedenfalls erreicht mit deiner Geschichte, auch wenn sie neues Salz in alte Wunden streute.

Ein paar Vorschläge:

Die Fenster sind bereits mit Brettern zugenagelt, weil sie bei den Angriffen der letzten Tage gesprungen sind.
Das doppelte "sind" wäre leicht vermeidbar.

Nur noch vereinzelt laufen Menschen herum, viele liegen tot oder sich vor Schmerzen krümmend wie sterbende Fliegen auf der Straße.

Vielleicht irre ich mich, aber: ... krümmend, wie sterbende Fliegen, auf der ...

Das Brennen in den Augen wird stärker, meine Nase fühlt sich an wie ein Nadelkissen von innen.
Der Vergleich hat mir nicht so gut gefallen, wegen der Ausweitung: von innen.
Wer weiß schon, wie sich ein Nadelkissen von innen anfühlt?
Vorschlag: Stacheldraht, Stahlwolle, etc.

Ist IMHO vielleicht die beste Geschichte, die ich von dir kenne.

Einen lieben Gruß, und Freundschaft,
sagt Manuela :)

 

Hallo Manuela!

Freut mich natürlich, daß Du die Geschichte gelesen hast und sie dir gefallen hat, aber ...

Gerade habe ich die Mail-Post gelesen, und bin so auf Umwegen zu deiner Geschichte gelangt.
... meine Mail hatte damit gar nichts zu tun. :confused: Hast du dich durch meine Mail wieder an mich erinnert? ;)

Sie hat mir ausgezeichnet gefallen. Mit knappen Sätzen treibst du die Handlung voran und hältst den Leser (mich) damit atemlos. Ausdrucksvolle Bilder hast du gezeichnet, mein Herz berührt und ein Thema drastisch beschrieben, das mich zutiefst bewegt.
Danke für das Lob.

Ach, lassen wir das!
Du hast mich jedenfalls erreicht mit deiner Geschichte, auch wenn sie neues Salz in alte Wunden streute.
Man kann zum Beispiel auch wadi Austria unterstützen und so etwas für die Menschen dort tun.

Das doppelte "sind" wäre leicht vermeidbar.
Danke, ist geändert auf "Die Fenster haben wir bereits mit Brettern zugenagelt".

Vielleicht irre ich mich, aber: ... krümmend, wie sterbende Fliegen, auf der ...
In dem Fall müssen glaub ich keine Beistriche sein, jedenfalls will ich sie wegen der Betonung nicht.

Der Vergleich hat mir nicht so gut gefallen, wegen der Ausweitung: von innen.
Wer weiß schon, wie sich ein Nadelkissen von innen anfühlt?
Vorschlag: Stacheldraht, Stahlwolle, etc.
Ich weiß nicht, was du mit "Ausweitung: von innen" meinst - ich meinte jedenfalls, daß sie ihm von innen weh tut; er atmet das Gas ja ein.

Ist IMHO vielleicht die beste Geschichte, die ich von dir kenne.
Danke. Ich mache also scheinbar doch Fortschritte? :)

Danke fürs Lesen, Gutfinden und Deine Vorschläge,

liebe Grüße,
Susi :)

 

Hi Susi, again!

... meine Mail hatte damit gar nichts zu tun. Hast du dich durch meine Mail wieder an mich erinnert?

Nein, ich meinte auf geistigen Umwegen. Wie könnte ich dich vergessen? ;)

Ich weiß nicht, was du mit "Ausweitung: von innen" meinst - ich meinte jedenfalls, daß sie ihm von innen weh tut; er atmet das Gas ja ein.

Schon klar!
Mit Ausweitung meinte ich, dass du nicht gesagt hast: Wie ein Nadelkissen, sondern, wie ein Nadelkissen von innen. Sinngemäß: Seine Nase fühlte sich innen an, wie ein Nadelkissen (von innen.) Das fand ich nicht so hübsch. Ist vielleicht nur Geschmacksache. :)

Ich mache also scheinbar doch Fortschritte?

Es steht mir nicht zu, das zu beurteilen.
Aber: Solange der senile Leistungsknick noch nicht erreicht ist, sollte doch die letzte Geschichte immer die beste sein, denke ich ;) und vom absteigenden Ast bist du bestimmt noch meilenweit entfernt,

meint lächelnd,
Manuela :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Manuela!

Danke fürs nochmalige Melden! :)

Schon klar!
Mit Ausweitung meinte ich, dass du nicht gesagt hast: Wie ein Nadelkissen, sondern, wie ein Nadelkissen von innen. Sinngemäß: Seine Nase fühlte sich innen an, wie ein Nadelkissen (von innen.) Das fand ich nicht so hübsch. Ist vielleicht nur Geschmacksache. :)
Ah, jetzt hab ich kapiert, was Dich an dem Satz stört. - Ich hab ihn gleich noch ein bisschen drastischer gemacht: "der Schmerz in meiner Nase fühlt sich an, als würde sie von unzähligen Nadelstichen malträtiert."

Solange der senile Leistungsknick noch nicht erreicht ist, sollte doch die letzte Geschichte immer die beste sein, denke ich ;)
Und wenn er dann erreicht ist, fange ich halt an, unter Seltsam zu posten. :D
(Eigentlich hatte ich die Bemerkung ja anders gemeint, aber egal. ;))

und vom absteigenden Ast bist du bestimmt noch meilenweit entfernt,
Richtig, denn es ist noch gar nichts da, von wo es bergab gehen könnte. (Allerdings tu ich ja auch nichts dafür.)

Danke nochmal,
liebe Grüße,
Susi :)

 

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