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Unlogik in Geschichten

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17.04.2007
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Unlogik in Geschichten

Ich habe mir sagen lassen, dass das dieses Problem nicht nur eine Eigenart von mir ist, sondern dass auch andere davon betroffen sind, daher dieser Thread.

Die Kritiker sagen dann (zurecht) Dinge wie: "Das ist total unlogisch, wie die handeln, das klingt wie konstruiert, das nehme ich dir so nicht ab." Und meist liegt das nicht an mangelnder Recherche.
Dem Autor selbst kommen die Geschichten und das Handeln der Charaktere logisch vor, sie bekommen dann erst von den Kritikern die Augen geöffnet (oder auch nicht).

Deswegen wüsste ich gerne, ob es Möglichkeiten wie z.B. spezielle Schreibübungen dazu gibt, die das Gefühl für das Logische trainieren.
Oder ist das wie mit dem Schreibstil, dass das mit der Zeit von alleine kommt?
Könnte es nicht auch sein, dass Menschen wirklich manchmal unlogisch handeln?

Wenn jemand was sagen kann, was weiterhilft, wäre ich echt dankbar.

Grüße von Jellyfish

 

Ich glaube Unlogik resultiert oftmals daraus, dass man seine Protagonisten nicht gut genug kennt und aber trotzdem versucht, sie so zu lenken, wie man es vorgesehen hat. Mir persönlich ist das noch nicht passiert, aber ich hab schon von vielen gehört, dass die Protagonisten dann ein "Eigenleben" entwickeln. Klingt irgendwie gruslig. :D
Oft hat man als Autor seine Geschichte auch schon so oft gelesen, dass man Logikfehler einfach überliest und das selbst nicht mehr bemerkt, wie mit den Rechtschreibfehlern ja auch. Oder man weiß selbst was man meint, aber verzichtet aus welchen Gründen auch immer darauf, das in die Geschichte mit einfließen zu lassen. Da vergisst man dann, dass man selbst seine Geschichte ja kennt, andere sie aber zum ersten Mal lesen.

 

Was als unlogisch gebrandmarkt wird, hat oft weniger mit Logik als mit den Erfahrungshintergründen zu tun.
Nehmen wir mal Floristen zum Beispiel, die frische Rosen mit den Füßen in kochendes Wasser stellen, weil diese dann länger stehen. Als unbedarfter Leser könnte ich nur auf die Idee kommen, zu sagen, das sei doch total unlogisch, gekochtes Gemüse würde doch schließlich auch weich. Rosen, die so behandelt würden, müssten schneller verblühen. Die physikalische Logik, die den Floristen recht gibt, aber genau aufzuschreiben, würde eine Geschichte langweilig machen, als Autor berufe ich mich auf das empirische Rechercheergebnis. Im zwischenmenschlichen Bereich ist es noch schwieriger. Die meisten Menschen halten ihre eigene Reaktion auf Ereignisse für logisch, alle anderen für unlogisch. Die Logik steckt aber höchstens in der Entwicklungspsychologie, die zu dem Verhalten in seiner Ausprägung führt. Und die in jedem Menschen angelegte Ambivalenz zu vielen Dingen ist oft alles andere als logisch. Nehmen wir hier zum Beispiel das Klischee der Frauen, die schon von ihrem Vater geschlagen wurden und sich immer wieder Männer suchen, die sie auch schlagen. Der eine sagt, das ist doch unlogisch, die sind doch bekloppt, der andere sieht die Prägung, nach der die Frauen immer noch danach trachten, vom schlagenden Vater endlich geliebt zu werden genau als logische Basis, sich auch in den Männern immer wieder den Vater zu suchen.
Und da wir als Menschen nun auch nicht auf identische Traumatisierungen konstitutionell unterschiedlich reagieren, hat in jedem Menschen eine andere Entwicklungslogik Platz. An uns Autoren liegt es nur, diese plausibel zu erzählen. Ob es dafür sinnvolle Übungen gibt, weiß ich nicht. Die Charaktere sollen ja schließlich auch nicht nach Reißbrett wirken, logisch durchkonzipiert, aber deshalb um so unmenschlicher und lebensferner.

Lieben Gruß
sim

 

Die meisten Menschen halten ihre eigene Reaktion auf Ereignisse für logisch, alle anderen für unlogisch.
Hm, ja, aber es kommt auch immer darauf an, wie man das als Autor rüberbringt. Reaktionen müssen ja nicht so sein, wie man es erwartet oder wie es vernünftig wäre, aber es muss schon nachvollziehbar sein. Ich persönlich mag es, wenn mich Protagonisten überraschen und nicht immer das tun, was man von ihnen erwartet. Wenn man den Charakter der Person gut darstellt, liegt dort kein Problem. Aber wenn man sie einfach mal so oder so reagieren lässt, wie's grad gefällt, dann ist das für mich Unlogik oder mangelhafte Darstellung. Das Eine resultiert meist aus dem anderen.

 

Plausibilität hatte ich auch nicht ausgeschlossen. ;)

 

Idealtypisch entwirft der Autor eine Welt, in der er seine Geschichte und seine Figuren setzen kann. Diese Welt muss in sich relativ geschlossen sein, sie muss nicht den Regeln der wirklichen Welt folgen, aber ihren eigenen sollte sie folgen. Das heißt, der Autor muss vorher für sich Regeln aufstellen, denen er dann folgt, die im Text aber gar nicht zu sehen sind. Das heißt auch, der Autor muss immer mehr wissen, als der Text sagt. Ich glaube, dass es dabei auch weniger um Logik im herkömmlichen Sinn geht, sondern um Authentizität.

 

Ich unterscheide dabei generell zwischen Logik auf emotionaler Ebene und der Geschichte darstellenden. Selten kritisiere ich "falsche" Dialoge oder scheinbar nicht passende Handlungsabläufe, wenn sie von einem Protagonisten iniziiert ist und so sein könnte.

Was mich nervt sind Beschreibungen, die dem normalen Gedankenlauf entgegentreten. Plakativ: Wenn zB ein Prot mit Klamotten ins Wasser fällt und danach gleich in ein Restaurant zum Essen gehen würde, hätte ich ein Problem. Es stört keinen, inklusive ihn, dass er triefend nass am Tisch sitzt?

Oft denke ich bei solch einem Lapsus, dass sich der Autor die Geschichte nicht als Film vorstellt, mit allen Requisiten und den genauen Abläufen vor Augen. Diese Fehler sind aber gut zu vermeiden, wenn man sich in der Geschichte mitbewegt, quasi Mäuschen spielt ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Zitat Lea:

soll heißen, es geht mehr darum, den Leser etwas nachvollziehen lassen zu können, als darum ob es nun logisch ist oder nicht.

Dito!

Ich habe im Laufe meiner 25jährigen Berufstätigkeit Dinge erlebt, die mir keiner, der nicht dabei gewesen ist, glauben würde. Das Leben spielt einem verrückte Plots vor. So verrückt, dass sie in keinem Film, Roman und keiner Geschichte etwas zu suchen hätten. Eben, weil sie nicht nachvollziehbar wären.

Als ich letztens in einer Geschichte eine Katze Dinge tun ließ, die grundsätzlich Katzen tun, teilten mir einige Leser mit, dass es unglaubwürdig sei, was die Katze da tue, das täte eher ein Hund. Beschrieben hatte ich aus meiner Sicht nur Taten, die wirklich bei Katzen vorkommen, aber der Leser konnte es so nicht nachvollziehen, für ihn war es unglaubwürdig.

Will ich den Leser erreichen und zwar in allen Punkten erreichen, dann habe ich den Job meine Geschichten nachvollziehbar zu schreiben. Will ich ihn nicht um diesen Preis in allen Punkten erreichen, dann bleiben eben solche sog. unlogischen Darstellungen in den Geschichen erhalten.


@Jellyfish

ich weiß es ist schwer, aber wenn es dir gelingt, deine eigene Geschichte dir selbst so vorzulesen als seist du erster Premierenzuhörer, dann fallen dir vielleicht Ungereimtheiten auf. Versuche, während du laut vorliest, so zu tun als wärest du noch nie dieser Geschichte begegnet.

 

Warum. Warum, warum, warum. Warum tut meine Figur das, und ist es für den Leser nachvollziehbar? Was passiert gerade? Woraus resultiert es? Wenn jemand vom Klavier erschlagen wird, wo kommt es her?

 
Zuletzt bearbeitet:

Mich nervt das oft, wenn Kritiken einer Geschichte vorwerfen, sie wäre unlogisch, unrealistisch oder unglaubwürdig, oder die Prots wären unlogisch, unrealistisch oder unglaubwürdig, nur weil sie möglicherweise von dem Erfahrungsschatz abweichen, auf den der Kritiker bei seinem Urteil zugreifen kann.

Ich sehe das kann nicht als Aufgabe der Literatur an, immer wie ein Spiegel die Realität reflektieren zu müssen. Eines meiner absoluten Lieblingsbücher während meiner Kindheit war Karlsson vom Dach von Astrid Lindgren. Karlsson hatte einen kleinen Propeller auf dem Rücken und konnte fliegen.

Darum geht's. Wenn ich will, dass in meiner Geschichte einer fliegen kann, dann habe ich die Macht dazu, genau das zu entscheiden. Und wenn er oben auf dem Dach ein kleines Häuschen haben soll: bitte sehr, dann gebe ich ihm das auch.

Und selbst in der Wirklichkeit geschehen unvorstellbare Dinge. Wichtig ist, dass man einfach überzeugend schreibt und den Leser verzaubert, mit seiner Fantasie. Dann ist alles erlaubt.

Grüße von Rick

 

Hallo Rick,

ich glaube Jellyfishs Frage galt keineswegs derjenigen Unlogik, die sich wiederum durch die Phantasie erklärt. Das ist nicht das Thema. Selbstredend käme niemand auf die Idee, den Pan Tau Plot für unlogisch zu erklären, weil er sich eben selbst erklärt durch seine Darstellung.
Klar, schluckt jeder Leser Unlogik, wenn die Verpackung stimmt.

Aber wie verhält es sich mit den anderen Sachverhalten?

Ich verstehe, dass es dich (insbesondere weil ich so hartnäckig blieb bei "Sackgasse") genervt hat, als ich dir vorhielt, dass man nicht den Prot eine Waffe kaufen lässt, um sie dann nie wieder im Plot vorkommen zu lassen, egal wie sie dann wieder auftaucht. Aber genau das ist so ein Beispiel, wo es um Unlogik geht.
Wenn mir in einer Geschichte, die eine ganz normale Alltagsgeschichte ist, jemand erzählt, dass das Wasser die Regenrinne raufläuft, dann passt es nicht, weil es unlogisch ist. Unlogisch, weil Alltagsgeschichten gewisse Logiken voraussetzen. Wenn also weiterhin das Wasser die Regenrinne raufläuft, bedarf es der Erklärung für den Leser.

Ich stimme dir zu, dass die Literatur nun weiß Gott nicht die Aufgabe hat, die Realität 1:1 widerzuspiegeln. Dann könnten wir den Begriff Kunst in die Mottenkiste packen. Das ändert aber nichts an der Forderung, dass bestimmte Sachverhalte in bestimmten Geschichten logisch sein sollten bzw. die Unlogik eine nachvollziehbare Darstellung erhalten muss.

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo lakita,

die Fragestellung habe ich schon richtig verstanden, aber dennoch bleibe ich bei meiner Ansicht, dass bei den Kritiken dennoch oft über das Ziel hinausgeschossen wird - und zwar genau in der von mir beschriebenen Weise.

Dabei meinte ich nicht unsere kürzliche Diskussion über den unmotivierten Waffenkauf bei einer meiner Stories.

Ich erinnere mich da eher an eine Geschichte von gisanne (Endstation), bei der kritisiert wurde, dass es ein unrealistisches oder unlogisches Verhalten wäre, wenn jemand, der seinen Job verloren hätte, die Strecke zu seiner Firma noch einmal ohne wirklich Verbitterung oder Verägerung zu empfinden abfahren würde. Es ist ein nicht leicht vorstellbares Verhalten aber auch keines, was man grundsätzlich ausschließen könnte.

Da behaupte ich einfach mal, dass dies wegen der vielschichtigen Reaktionen von Menschen in bestimmten Situationen gar nicht abschließend beurteilt werden kann. Und wenn man einen Prot entwickelt, der sich atypisch verhält, dann kann das ohnehin spannender sein, als die Beschreibung zu liefern, die eine zwangsläufige Erwartungshaltung erfüllt.

Natürlich verstehe ich den grundsätzlichen Ansatz der Diskussion und mir fallen auch in KGs oft Punkte auf, in denen man über unlogische Stellen und unrealistisches Verhalten stolpert. Aber ich denke einfach, man sollte dann noch einmal genau für sich überlegen, ob das dann wirklich kritikwürdig ist, oder ob man nur darüber stolpert, weil man es mit dem eigenen Denken & Erlebten nicht in Einklang bringen kann.

Einer meiner Freunde lebt und verhält sich dermaßen "seltsam", dass, würde ich darüber eine Geschichte schreiben, mir man schnell vorwerfen könnte: so verhält sich kein normaler Mensch. Das Verhalten ist unlogisch und unrealistisch. Ja, klar. Aber eben nicht auszuschließen.

Worauf ich natürlich immer besonders Wert lege, ist die saubere Recherche. Wenn einer mit einer sechsschüssigen Waffe sieben Mal schießt, dann sind wir an dem Punkt, wo die Kritik einsetzen muss. Wenn sich ein Mensch aber marottenhaft oder verschroben verhält, tauchen wir in die Grauzone.

Interessante Diskussion, aus der ich für die zukünftige Beurteilung von Geschichten auch ordentlich was mitnehmen werde. Logisch!

Grüße von Rick

 

@all

wenn ich mal zusammenfassen darf, geht es eigentlich nicht um Logik, sondern um Realismus. Lea Victoria würde gerne noch Stringenz und Authentizität in die gleiche Kiste dazupacken.

Ein Punkt, der in der Diskussion irgendwie noch nicht aufgetaucht ist, wäre das mit den Rubriken. Ich formuliere mal folgende boshafte These: An eine unter Krimi gepostete Geschichte werden andere Maßstäbe angelegt, als an einen Fantasy Text. Bei einem Krimi erwartet die Leserschaft logisch denkende Ermittler, knallharte Mordplaner und eine Aufklärung durch Kommisar Zufall. Nirgendwo sonst ist der Anspruch der Leser so hoch, einen auch in allen Nebenaspekten nachvollziehbaren Plot präsentiert zu bekommen.

Bei Fantasy oder Märchen ist das anders. Dort dürfen sich schräge Gestalten tummeln, Wunder und seltsame Zufälle passieren, traumhafte und konstruierte Begegnungen stattfinden ...

Tja und die goldene Mitte? Alltag zum Beispiel? Das, denke ich, ist der Diskussionsfall. Wenn in einer Alltagsgeschichte die Geister ein- und ausgehen oder ein Hauch von Metaphysik durchschimmert, wird sich schnell ein Kritiker finden der die Abschiebung in den sicheren Drittstaat "Sonstiges" beantragt. Sobald diese Seltsamkeiten von einem "allwissenden" Erzähler geäußert werden und sich nicht der Merkwürdigkeit einzelner Protagonisten zugeordnet werden kann (denen man ein kleines Quantum an Schrulligkeit zugesteht) steht AutorIn in der Feuerlinie der Kritk.

Interessanterweise gab es in der Rubrik Alltag in letzter Zeit einige Geschichten, die versuchten diese Grenze tastend zu überschreiten.

Die allgemein wegen "Logikproblemen" kritisierten Texte leiden, wie zutreffend schon von anderen gesagt wurde, typischerweise an liebloser Recherche oder Personengestaltung, autorenimmanenter Betriebsblindheit oder schlichtweg an der Mehrdeutigkeit oder schlechten Verständlichkeit von Textpassagen. In der Regel steckt hinter jeder Kritik das berühmte Körnchen Wahheit.

Schönen Tach noch,

AE

 

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