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Konjunktiv (Ein Drama in zu erweiternden Kreisen)

sim

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13.04.2003
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Konjunktiv (Ein Drama in zu erweiternden Kreisen)

… hätte ich gelernt, hätte ich mich nicht schützen müssen, hätte vater mich nicht verprügelt, wäre er glücklich und zufrieden gewesen, hätte er nicht getrunken, hätte er arbeit gehabt, hätte er nicht getrunken, wäre er glücklich und zufrieden gewesen, hätte vater mich nicht verprügelt, hätte ich mich nicht schützen müssen, hätte ich gelernt …

… gäbest du dir mühe, schriebest du mehr bewerbungen, engagiertest du dich, würde etwas aus dir, hättest du freunde, besäßest du selbstvertrauen, hättest du freunde, würde etwas aus dir, engagiertest du dich, schriebest du mehr bewerbungen, gäbest du dir mühe …

… habet ihr mut, gehet ihr auf andere zu, lasse man euch, schaffet ihr euch netzwerke, überzeuget ihr andere von euch, machet ihr karriere, überzeuget ihr andere von euch, schaffet ihr euch netzwerke, lasse man euch, gehet ihr auf andere zu, habet ihr mut …

… werden wir es wagen, werden wir widersprechen, werden wir uns treu bleiben, werden wir uns befreien, werden wir leben, werden wir uns befreien, werden wir uns treu bleiben, werden wir kämpfen, werden wir widersprechen, werden wir es wagen …

… würde ich arbeit gehabt haben, würde ich selbstvertrauen besessen haben, würde ich karriere gemacht haben, würde ich gelebt haben, würde ich karriere gemacht haben, würde ich selbstvertrauen besessen haben, würde ich arbeit gehabt haben …?

...

hätte ich gelernt,
hätte ich mich nicht schützen müssen,
hätte mein vater mich nicht verprügelt,
wäre er glücklich und zufrieden gewesen,
hätte er nicht getrunken,
hätte er arbeit gehabt,
hätte er nicht getrunken,
wäre er glücklich und zufrieden gewesen,
hätte mein vater mich nicht verprügelt,
hätte ich mich nicht schützen müssen,
hätte ich gelernt
...
gäbest du dir mühe,
schriebest du mehr bewerbungen,
engagiertest du dich,
würde etwas aus dir,
hättest du freunde,
besäßest du selbstvertrauen,
hättest du freunde,
würde etwas aus dir,
engagiertest du dich,
schriebest du mehr bewerbungen,
gäbest du dir mühe
...
habet ihr mut,
gehet ihr auf andere zu,
lasse man euch,
schaffet ihr euch netzwerke,
überzeuget ihr andere von euch,
machet ihr karriere,
überzeuget ihr andere von euch,
schaffet ihr euch netzwerke,
lasse man euch,
gehet ihr auf andere zu,
habet ihr mut
...
werden wir es wagen,
werden wir widersprechen,
werden wir kämpfen,
werden wir uns treu bleiben,
werden wir uns befreien,
werden wir leben,
werden wir uns befreien,
werden wir uns treu bleiben,
werden wir kämpfen,
werden wir widersprechen,
werden wir es wagen
...
würde ich arbeit gehabt haben,
würde ich selbstvertrauen besessen haben,
würde ich karriere gemacht haben,
würde ich gelebt haben,
würde ich karriere gemacht haben,
würde ich selbstvertrauen besessen haben,
würde ich arbeit gehabt haben
...?

 
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Hi Sim,

interessantes Experiment, leider nur nicht konsequent genug: Nur erster und letzter Gedanke eines Absatzes sind symmetrisch. Ich hatte mich sofort gefragt: wieso nicht alle? Würde besser wirken.

Ähm, noch eine Frage: wieso kleinschreibung? Es stört mehr als es nützt, meiner Meinung nach ...

Noch eine Anregung: für den jeweils mittleren Gedanken eines Absatzes würde etwas weniger Konjunktiv besser passen: z.B:
"hätten wir etwas mit ihm unternommen"
weil dann die Konsequenzen darauf folgen. Das "können" ist vielleicht etwas zu viel.

Eine weitere Kleinigkeit, die mich störte: in dieser stark reduzierten Gedankenkette verwendest Du meist vorgefertigte (Trug-)Schlüsse die nicht einheitlich konstruiert sind.
Ich bin mir nicht sicher, ob Du nur einen der beiden Typen (Konsequenz wie im 2. oder 3. Abschnitt oder Vorurteil/Selbstbetrug/Selbst-Lüge wie eher in den letzten beiden Absätzen) einsetzen oder brandmarken wolltest, oder ob Du darauf nicht geachtet hast. Das kommt vermutlich daher, dass beides in diesem Experiment verwendet wird (z.B: Alkoholiker -> kein Selbtvertrauen ist eher Vorwand oder Lüge um sich selbst in Schutz zu nehmen als eine allgemeingültige Tatsache, während der mittlere Absatz z.B: überwiegend logisch konstruiert ist; das "wir" im Gegensatz zu einem "ich" verallgemeinert, sorgt aber auch dafür, dass ich nicht alle Absätze als zu einer Person/Gruppe gehörig ansehen kann). Wenn Du das noch mehr auf einen dieser Prototypen einschränken könntest oder den Tonfall darauf optimieren könntest, dann wäre das Ding hier top, weil dann auch eine Botschaft bei mir ankommen würde.

lg,

sarpenta

... wie gesagt, alles nur mein Eindruck nach dem ersten Lesen ...
[Edit: auch nach dem zweiten Lesen bleibt dieser Eindruck noch bestehen. Was ich allerdings vergessen hatte: Es ist ein Experiment, Gedanken, vielleicht ein Essay, aber keine Geschichte.]

 

Hallo sim,

schöne geschlossen Konstruktion, spiegelbildlich zur Nicht-Konjunktiv Mittelachse. Ausformulierte Teufelskreise, eingänglich in der ewig kreisenden Kleinschreibung, unentrinnbar dort wieder anfangend, wo eingentlich das Ende sein sollte.

Als große Klammer um alles der Alkoholiker-Vater, der Schuld und nicht Schuld ist an der eigenen Misere. Mit dem letzten Absatz greifst du in der Coda alle Themen noch einmal auf, der Zirkelschluss der Zirkelschlüsse.

Liebe Grüße,

AE

 

hi sim

… haben wir mut, gehen wir auf andere zu, schaffen wir uns netzwerke, überzeugen wir andere von uns, bekommen wir arbeit, trauen wir uns etwas zu, machen wir karriere, lässt man uns, haben wir mut …

Warum denn hier der Indikativ?

Gruß,GD

 

Hallo sarpenta,

schön, dass du so aufpasst, denn konsequent sollet es natürlich sein.
Zur Symmetrie: Meintest du, die Absätze sollten in einer Art A B C D C B A strukturiert sein und nicht wie im Moment: A B C D E A? Dann wären es keine Kreisläufe geworden, deshalb hatte ich mich dagegen entschieden. Vielleicht habe ich dich aber auch falsch verstanden.
Was die Kleinschreibung betrifft: Ziel war, in ihr den gleichförmigen Litaneicharakter zu unterstreichen.
Zur nicht einheitlichen Konstruktion der Schlüsse. Auch Trugschlüsse haben aus sich heraus eine Logik. Der alkoholkranke Vater setzt sich ja in das Leben fort. Ich habe dieses Durcheinander extra so gehalten, weil ich die Wertung unterlaufen wollte, was ist Ausrede, was Realität, was logische Kausalfolge. Zum einen kann der alkoholkranke Vater darin durchaus als entfernte Ursache gesehen werden, sich Widerstand nicht leisten zu dürfen und entsprechend keinen Betriebsrat zu gründen oder ihm beitreten zu dürfen
Zum anderen ändert sich ja auch in der Kausalfolge nichts, wenn es beim Konjunktiv bleibt. Mangelndes Selbstvertrauen mag subjektiv sein, als bloße Entschuldigung sehe ich es nicht. Es hemmt schon wirklich sehr. Und Klassenbewusstsein ist dabei vielleicht das Selbstvertrauen auf der politischen Ebene. Über "wir" oder "ich" habe ich lange nachgedacht. Irgendwann empfand ich den Plural zwingend, weil er trotz der individuellen Ausreden ein allgemeineres Prinzip darstellte.
Empfände ich es als Essay, hätte ich es natürlich nicht eingestellt. da ich aber den Kreis nicht nur innerhalb der Abschnitte, sondern auch um die Abschnitte gesehen habe, das Konjunktivleben als Konsequenz die sich durch ein Leben zieht und dies versucht habe, durch die unterschiedlichen Konjunktivzeiten innerhalb der einzelnen Absätze anzudeuten, sehe ich es als Geschichte.

Ich hoffe, meine Antwort liest sich nicht zickig, denn ich bin dir ehrlich dankbar für deine Überlegungen, zeigen sie doch, dass ich vielleicht in die falsche Richtung gedacht habe oder meine Richtung nicht sicher zum Ziel führt, selbst, wenn ich deiner Richtung widerspreche.

Es ist ein Experiment, an dem ich recht lange gesessen und probiert habe, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war. Aber trotzdem können Experimente natürlich scheitern.
Hätte ich es nicht gewagt, hätte ich es nicht gewusst. ;)

Hallo AlterEgo,

selbst, wenn es nicht so wäre, hätte ich es jetzt natürlich gesagt: Intention erfasst. *g*
Nein, so in der Tat war mein Vorhaben.

Hallo Goldene Dame

warum denn hier der Indikativ?
Das ist ein getarnter Konjunktiv. Die Satzstellung impliziert das "wenn" als Bedingung, das nicht geschieht.

Vielen Dank euch allen und einen lieben Gruß
sim

 

Hallo sim,

Dein „Drama in zu erweiternden Kreisen“ stellt das Leben als Experiment dar: was wäre, wenn …

Der Form nach ist es m. E. ein (Prosa-)Gedicht in fünf Absätzen/Strophen mit fünf bis neun Zeilen der Struktur, die Du selbst schon genannt hast A B* … A

Beispiel erster Absatz (erste Strophe):
A „… wäre unser vater kein alkoholiker gewesen“
B* „hätte(n) …“ …
A „wäre unser vater kein alkoholiker gewesen …“

und mit Ausnahme des dritten Absatzes, der mittleren Strophe im Konjunktiv, der für den Text auch den Titel abgibt.

Der mittlere Absatz fällt aus dem Schema heraus: es ist nicht einsichtig, um welche Art von Sätzen es sich handelt: „… haben wir mut“ kann eine Frage/Aussage/ein Ausruf sein wie auch jede weitere Zeile des Absatzes:

„… haben wir mut“?/./!
„gehen wir auf andere zu“ ?/./! usw.

Sie mutet an, als wolle sich jemand - nach den im Konjunktiv ausgedrückten Schuldzuweisungen auf den Vater - Mut machen, denn in der letzten Strophe taucht die Zeile A des mittleren Absatzes als Konjunktiv „hätten wir mut“ auf, was wiederum mich vermuten lässte, dass es mit dem Mutmachen und vor allem der Karriere nicht so weit her sein kann.

Und wie alle Experimente können wir auf die Kernaussage „wäre unser vater kein alkoholiker gewesen“, dann wäre er workaholic oder müsste, da Geringverdiener, zwei Jobs annehmen um über die Runden zu kommen oder sonst was – in jedem Fall sind wir Opfer eine Variante der vaterlosen Gesellschaft.

Die vorletzte Strophe „würd’“ ich ein wenig umändern:

Statt der „würde“-Konstruktionen hieße es dann

„ … wagten wir es,
wir träten in die partei ein
… etc.“

Doch in welche?

Die in den Strophen ausgedrückte Haltung erinnert mich irgendwie an Herrn Metzgers prekäre Äußerung übers „Prekariat“.

Nix für ungut

friedel

 

Hallo Friedrichhard,

ich rolle mal von hinten auf.

Nix für ungut
klingt ja wie eine Entschuldigung. Wofür? ;)
Die in den Strophen ausgedrückte Haltung erinnert mich irgendwie an Herrn Metzgers prekäre Äußerung übers „Prekariat“.
Ah, deshalb. Nun, über diese unglaubliche Äußerung eines grünen Politikers schweige ich besser. Grün ist der allenfalls hinter den Ohren.

Offenbar ist es mir nicht gelungen, mit diesem Text Denkmuster aus der Spur zu bringen, insofern hat er versagt. Dass du, wenn auch nur leichten inhaltlichen Widerspruch äußerst, ist mir in dieser Hinsicht recht. Auf den hatte ich viel massiver gesetzt.

Die vorletzte Strophe „würd’“ ich ein wenig umändern:

Statt der „würde“-Konstruktionen hieße es dann

„ … wagten wir es,

mein Problem wäre die Wiederholung. Ich habe versucht, im Konjunktiv Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft darzustellen. Die Zukunft im Würden.
Und wie alle Experimente können wir auf die Kernaussage „wäre unser vater kein alkoholiker gewesen“, dann wäre er workaholic oder müsste, da Geringverdiener, zwei Jobs annehmen um über die Runden zu kommen oder sonst was – in jedem Fall sind wir Opfer eine Variante der vaterlosen Gesellschaft
Prima. In jedem Fall sind wir nicht nur Opfer einer vaterlosen Gesellschaft, sondern einer neoliberalen Profitmaximierung oder durch Globalisierung begrüdneten Kapitalisierung, der bisher wenig Widerstand entgegengesetzt wird. Eines meiner Probleme während der langen Arbeit an diesem kurzen Text war in der Tat die Masse der sich anbietenden Konjunktive.
Das Leben im Konjunktiv scheint aus dem Text nur als Entschuldigung hervorzugehen. Ich sehe ihn auch als Vorwurf an sich selbst. Meine Absicht scheint aber nicht angekommen zu sei. An diesem Punkt muss ich meinen Text grundsätzlich infrage stellen. Drehen wir es einmal im Persona um, bekommen Arbeitslose und ALG2 Empfänger diesen Konjunktiv anders zu hören: Würden Sie sich Mühe geben, würden Sie sich ausreichend bewerben, würden Sie auch einen Job bekommen, würden Sie auch Ihren Lebensunterhalt verdienen, würden Ihre Kinder nicht unter Armut leiden, Würden Sie sich Mühe geben.

Und ich kenne kaum einen Arbeitslosen, der diese unverhohlene Unterstellung nicht als Schulduweisung doch auf sich bezieht, selbst bei hundert Bewerbungen im Monat.

Der mittlere Absatz fällt aus dem Schema heraus: es ist nicht einsichtig, um welche Art von Sätzen es sich handelt: „… haben wir mut“ kann eine Frage/Aussage/ein Ausruf sein wie auch jede weitere Zeile des Absatzes:
Der Konjunktiv 1 findet deckt sich im Plural oft mit der Infinitivform eines Verbs. "ob sie Mut genug haben"
Sie mutet an, als wolle sich jemand - nach den im Konjunktiv ausgedrückten Schuldzuweisungen auf den Vater - Mut machen
Mut machen um den Preis, sich dabei zusätzlich unter Druck zu setzen.
Der Form nach ist es m. E. ein (Prosa-)Gedicht in fünf Absätzen/Strophen
Der nächste, der an der Geschichtigkeit des Experiments zweifelt. Das überlasse ich gern den Moderatoren. Sollte es in ihren Augen keine Geschichte sein, müssen sie den Text natürlich löschen.

Dir vielen Dank für deine anregenden Gedanken

sim

 

Hi sim,

mal Punkt für Punkt:

Ich hätte trotz oder sogar aufgrund des Titels ... D C B A B C D ... bevorzugt und es dem Leser überlassen diese "Kreise" nach außen zu erweitern, da man im Einzelfall nicht sagen kann, wo das Problem beginnt, man sich aber immer zwischen einem beliebigen Buchstaben und dem Umkehrpunkt A bewegt. Für meinen Geschmack wäre diese Form dann allgemeingültiger und würde über die Symmetrie einprägsamer klingen (allerdings wäre dann vielleicht ein anderer Titel besser: Symmetrie des Schicksals oder Ein Drama in konzentrischen Kreisen ...). Die momentane Kreisform wirkte zu abgeschlossen auf mich, um es erweitern zu wollen.

Die Sache mit der "Litanei" hatte ich vermutet, allerdings hätte ich es dann eventuell so geschrieben:

wäre unser vater kein alkoholiker gewesen
hätte er nicht geprügelt
hätten wir uns nicht schützen müssen
hätten wir etwas mit ihm unternommen
wäre er glücklich und zufrieden gewesen
hätte er einen job
wäre unser vater kein alkoholiker gewesen

und dabei korrekte Rechtschreibung (groß/klein) verwendet.

Was mir gerade auffällt: Singular/Plural ist noch nicht konsequent:
Wären unsere Väter ....

Eine Geschichte ist meist etwas Personenbezogenes (zumindest in meinem Empfinden). Der Plural und die fehlende Handlung stören mich wesentlich, dieses Experiment als Geschichte aufzufassen. Ich würde diese Litanei persönlicher fassen und speziellere Beispiele wählen anstelle "allgemeingültiger" Aussagen. Nach einer ausreichenden Zahl dieser Beispiele kann der Leser selber seinen Schluß ziehen.

Ich will Dir Dein Experiment nicht madig machen, dafür ist die Idee zu gut. Ich denke aber, dass Du mit der Umsetzung noch etwas probieren solltest. Vielleicht findest Du in meiner Antwort ein paar Anregungen.

lg,

sarpenta

 

Grüß Dich sim,

ich verstehe die formalen wie inhaltlichen Probleme beim Schaffensprozess und bei der Masse der möglichen Ausdrucksformen bleibt einem gar nix anderes übrig als auszuwählen bis hin zum neo-Liberalismus. Hierzu haben wir - wenn nicht die gleiche, so doch - eine sehr ähnliche Auffassung, auch hinsichtlich der Umkehrung der Probleme auf Kosten der Leute in „prekären“ Situationen, als hätten die ihre Situation so gewollt/selbst erzeugt. Der Witz, besser das Traurige daran ist, dass die meisten Menschen sich eine gewisses Selbstverschulden einreden lassen, denn fände nicht jeder Arbeit, sofern er nur woll(t)e? Aus einer andern Sicht: Was wird der Sohn eines Arztes (wahrscheinlich)? Arzt, oder doch Akademiker. Was wird das Kind des Erwerbslosen? Wahrscheinlich das, was seine Altvorderen ihm vorlebten. Als wärs gottgewollt! Man sitzt hierzulande in der Spirale drin und es wird schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, selbst herauszufinden.
Metzger – abgehakt. Schön für ihn, dass Christdemokraten ihn jetzt umwerben …

Dennoch ein paar weitere Anmerkungen:

Wenn der vorletzte Absatz „Zukunft“ ausdrückt, warum dann nicht das Futurum verwenden?

Etwa: A’ … wenn wir es wagen, B* werden wir/wird ….etc. „ und als Clou die „würde“-Konstruktion zum Schluss beibehalten: A „würden wir es wagen …“

oder umgekehrt: A B*… A’

„Offenbar ist es mir nicht gelungen, mit diesem Text Denkmuster aus der Spur zu bringen, insofern hat er versagt“, nein, nicht versagt, ihm widerfährt aber, was den meisten anderen Texten geschieht: sie haben eine sehr geringe Wirkung, wenn überhaupt. So geht’s doch in allen Künsten zu. Was keine Resignation bedeutet. Mein Denkmuster konntestu nicht „entgleisen“ lassen aus oben genannten Gründen. Das scheint auch Deine Bemerkung „dass du, wenn auch nur leichten inhaltlichen Widerspruch äußerst, ist mir in dieser Hinsicht recht. Auf den hatte ich viel massiver gesetzt“ auszusagen.

Ich seh eigentlich keinen zwingenden Widerspruch zwischen Prosagedicht und
(Kurz-)Geschichte. Was spräche dagegen, eine Geschichte/ein Geschehen in die strengere Form eines Gedichtes zu fassen, statt prosaisch sich auszudrücken? Nix, find ich. Es ist der Versuch/das Experiment, die Geschichte von schätzungsweise allein in der BRD acht Millionen Leuten literarisch umzusetzen.

Letztlich find ich, dass der Konjunktiv, insbesondere der irrealis, trotz aller Mühen, die er verursachen kann, sowas wie Klang in die deutsche Sprache bringt. Er ist einfach schön, und er wäre noch schöner, wendete ihn eine Mehrheit von Leuten korrekt an und umginge ihn nicht mit der „würde“-Konstruktion. Aber ich will nicht jammern.

„Nix für ungut“ klingt vielleicht wie eine Entschuldigung, soll aber keine sein. Wofür denn auch? Seh ich eher als Gruß-Floskel, die hierzulande ab und zu verwendet wird.

In diesem Sinne:

Nix für ungut

friedel

 

Hallo sarpenta,

schön, dass du so sehr mitdenkst.
Mit der Abgeschlossenheit der Kreise hast du auf alle Fälle recht. Meine Überlegung war allerdings auch, dass es keinen Umkehrpunkt gibt, sondern an jeder Stelle im Kreis begonnen werden kann.
Die Zeilen untereinander drücken für mein Gefühl die Litanei nicht aus. Überlegt hatte ich zu Beginn ja mal Folgendes:

… wenn wir es wagten
träten wir in die partei ein
änderte sich vieles
gründeten wir betriebsräte
kämpften wir für gerechte löhne
lebten wir
wenn wir es wagten …
Das aber ist natürlich auch eine Formatierungs- und Gestaltungsspielerei, die nach dem Text kommen und sich diesem unterorden müsste.
Ich würde diese Litanei persönlicher fassen und speziellere Beispiele wählen anstelle "allgemeingültiger" Aussagen.
Witzig, ich hatte schon gut zwei Seiten Geschichte in diesem Stil, die ich irgendwann ad acta gelegt hatte, weil sie die Konsequenz der Form unterliefen.
Ich will Dir Dein Experiment nicht madig machen, dafür ist die Idee zu gut. Ich denke aber, dass Du mit der Umsetzung noch etwas probieren solltest. Vielleicht findest Du in meiner Antwort ein paar Anregungen.
Nein, das verstehe ich auch keinesfalls so. Schließlich bin und bleibe ich ein Lernender und es sind jede Menge wertvoller Anregungen, die du mir gibtst. An den konzentrischen Kreisen mit passendem Text werde ich auf alle Fälle noch arbeiten, eventuell in einer gesonderten Version.

Hallo Friedrichhard,

auch schön, dass du so sehr mitdenkst. Deinen Vorschlag für den vorletzten Absatz habe ich gern in die Tat umgesetzt.

Der Witz, besser das Traurige daran ist, dass die meisten Menschen sich eine gewisses Selbstverschulden einreden lassen, denn fände nicht jeder Arbeit, sofern er nur woll(t)e?
War sicher keine Frage, aber ich antworte trotzdem mal mit nein. ;)
Was wird das Kind des Erwerbslosen? Wahrscheinlich das, was seine Altvorderen ihm vorlebten. Als wärs gottgewollt!
Ist zwar in sofern off Topic, dass es nicht mehr um den Text geht, aber ich frage mich, ob das am Vorbild liegt oder an der mangelnden Chancengleichheit, die PISA an unserem Bildungssystem immer wieder kritisiert?
Metzger – abgehakt. Schön für ihn, dass Christdemokraten ihn jetzt umwerben …
Die FDP ja auch - eigentlich sollte auch CDU und FDP nach diesen Äußerungen Abstand nehmen, aber wahrscheinlich gelten sie lediglich als unbequeme Wahrheit, die niemand hören wolle.
Das scheint auch Deine Bemerkung „dass du, wenn auch nur leichten inhaltlichen Widerspruch äußerst, ist mir in dieser Hinsicht recht. Auf den hatte ich viel massiver gesetzt“ auszusagen
Ich hatte in der Tat damit gerechnet, dass so mancher Partei ergreift und mir erklärt, dass die "Entschuldigungen" doch sehr berechtigt seien.
Ich seh eigentlich keinen zwingenden Widerspruch zwischen Prosagedicht und
(Kurz-)Geschichte.
Als Autor ich auch nicht zwangsläufig. Und die Form der literarischen Ballade presst ja schon lange Handlungsfäden in die strenge Form eines Gedichts.
Letztlich find ich, dass der Konjunktiv, insbesondere der irrealis, trotz aller Mühen, die er verursachen kann, sowas wie Klang in die deutsche Sprache bringt.
Oh ja, das finde ich auch, häufiger Kritikpunkt dann allerdings: So würde niemand reden, das sei viel zu geschwollen.

Eine Überlegung, die ich dank deiner Anmekungen zur Zeit anstelle, ist, die Persona in jedem Absatz zu ändern. Erste Person singular, zweite Person singular, dritte Person singular, etc. Vielleicht wird dadurch klarer, dass ich das Leben im Konjunktiv nicht als durchgehend faule Ausrede betrachte, gleichwohl ich weiß, dass es uns behindert.

Daran werde ich mit einem bisschen mehr Zeit sicherlich noch experimentieren.

Lieben Gruß und vielen Dank euch Beiden
sim

 

Hallo sim,

jetzt find ich auch im Abschnitt „… wenn wir es wagen, …“ noch interessant, dass

„ … wir leben [werden] …“, statt nur „überleben“ werden,

denn Leben bedeutet sicherlich mehr als ein bloßes Überleben und dahinvegetieren. Sollte utopisches Denken heutigentags doch noch möglich sein, wenn auch nur in einem Satz angedeutet?

Im „Konjunktiv“ steckt verdammt viel drin!

Dann fällt mir doch der olle Brecht* zur zeitlichen Dimension Deines Experiments ein, der sich fragt, „wie lange dauern die Werke?“, und gleich die Antwort mitliefert: „So lange, als bis sie fertig sind. So lange sie nämlich Mühe machen, verfallen sie nicht“, was – selbstverständlich – bei ihm zwar buchstäblich, aber nicht so prosaisch daherkommt.

So kurz und gut für heute

friedel

* Über die Bauart langdauernder Werke

 

Hi sim

liest sich wie der lyrische Teil einer linksradikalen Studentenzeitung. Aber die würden nicht alle Schuld auf die Väter schieben.
Bevor wir uns falsch verstehen: Ich finde es gut, gelungen und interessant. Seit deiner Geschichte Möbiusschleife weiß ich ja, was das ist, und ich finde, die Geschichte ist auch irgendwie eine Möbiusschleife, die sehr schwer und ausdauernd entwickelt werden muss.

Knackig!

lieben gruß

 

Hallo Friedrichhard,

überleben ist ja der Ist-Zustand, Leben das, wonach wir uns sehnen. Und die Hoffnung darauf sollte immer bestehen bleiben.
Ich bin sicher, ich werde noch einige Mühe in dieses Werk stecken. :)

Hallo Aris,

schön von dir zu lesen. Von Oswald Metzger zur linksradikalen Studentenzeitung, was für ein Spektrum. ;) Ich gebe zu, mich in der Nähe der Zeitung wohler zu fühlen. Wenn du im ersten Absatz zum Beispiel bei "hätten sie einen Job" einsteigst, liegt die Schuld nicht mehr bei den Vätern. ;)
Der Vergleich mit der Möbiusschleife ist mir noch gar nicht gekommen, aber ich stimme dir sofort zu.
Und die Entwicklung wird wahrscheinlich über Prototypen gehen müssen. :)

Vielen Dank euch beiden und liebe Grüße
sim

 
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So leicht ich selbst zu mancher Zeit dem Konjunktiv verfalle: Dieser Text enthält zu viel davon, und zuviel Verschachtelungen. Auch deine Zitierkaskade macht ihn mir nicht eingängiger. Indessen verstanden habe ich die Variante von sarpenta #8, in der die Dannklausel im vorletzten Vers zugleich als Wennklausel für den letzten Vers fungiert. Entspricht das denn soweit der Message?

Tut mir leid, mag sein, dass zuviel Konjunktiv in meinem Kopf einen Pufferüberlauf¹ verursacht hat :D; vielleicht bin ich gerade auch nicht auf der Höhe; womöglich habe ich aber auch nur den Konjunktiv I als Präsens verstanden. Schlichtweg: Mein Verständnis scheitert schon an der Aufdröselung der zeitlich-kausalen oder sonstigen Beziehungen, so dass sich von meiner Seite eine politische Äußerung erübrigt.


-- floritiv.

[1] Begriff aus der Programmierung: Ein Wert ist/wird größer als der für ihn reservierte Speicher.

EDIT: Ach mir ists aufgegangen, die Variante von sarpenta ist auch nichts anderes als der erste Absatz, und die anderen gehen nach dem selben Schema. Aber diese Absätze beziehen sich nicht wirklich auf einander, oder? EDIT 2.0: Doch, irgendwie schon.

 

Salü Sim,

vielleicht ist mein Kommentar unpassend, ich stand mit der Grammatik immer auf Kriegsfuss. Deswegen sag ich dazu lieber nichts.
Der Inhalt beschäftigt mich aber schon seit Du ihn gepostet hast sehr nachhaltig.
Da Du die 'erweiterten Kreise' im Untertitel angeboten hast, hab ich den Text in Ich-Form gelesen und meinen Vater mit seiner ihm eigenen 'Passion' ausgestattet. Das ging mir dann schon sehr nahe und auch enorm weit über das nur Experimentelle oder über 'Entschuldigungen' hinaus.

Ein wirklich tiefsinniger Text ist Dir da gelungen. Ich fühle mich beschenkt und danke Dir.

Herzlich,
Gisanne

 

Hallo floritiv,

unverständlich sollte der Text natürlich trotz exzessiver Konjunktivnutzung nicht sein. Aber ich arbeite ja weiter dran. Nur die Kinjunktive bleiben natürlich, schließlich ist das das Experiment. ;)

Hallo Gisanne,

die Grammatik ist ja auch nur eine Form, den Inhalt transportieren. Da ich der Überzeugung bin, dass Form und Inhalt einander bedingen, muss das Experiment Konjunktiv natürlich inhaltichen Background haben, der die Form erzwingt.

Es freut mich, dass dies bei dir funktioniert hat.

Vielen Dank euch Beiden und liebe Grüße
sim

 

So, ich habe mal versucht, die Anregungen von sarpenta und Friedrichhard so gut es geht, umzusetzen. Mehr Geschichte im Sinne von Handlungsablauf ist dadurch nicht daraus geworden, vielleicht waren die Anregungen dazu zu gegensätzlich.
Die Quoteorgie, wie floritiv es schon bezeichnet hat, fand ich für diese Form allerdings sehr unterstreichend. Auf die Kleinschreibung zur atmosphärischen Litanei mochte ich noch nicht verzichten. Ich habe es zwischendurch probiert, es war mir aber zu wenig Bruch in den Aussagen.

Ich gebe zu, zwischendurch ganz schön auf dich geflucht zu haben, sarpenta, weil es immer wieder Stellen gab, bei denen die Sätze in der Synchronität zwar auf dem Hinweg, nicht aber auf dem Rückweg passten. Inzwischen ist mir wenigstens das, glaube ich, ganz gut gelungen.

Lieben Gruß und vielen Dank noch mal
sim

 

Hi sim,

fluchen musst Du da nicht gleich wegen. Auch sollte es Deine Geschichte bleiben ... ;-)

Die Idee mit den Zitaten sieht zu Beginn etwas eigenwillig aus, passt aber perfekt zum Titel und zur Idee die Geschichte allgemein zu halten:namenlose Zitate, hinter denen sich jeder von uns verbergen könnte.

Aus Symmetriegründen würde ich im dritten Absatz das zweite Zitat weglassen und mir noch zwei für den 4.ten Abschnitt überlegen. Abschnitt 4 ist meines Erachtens auch noch der schwächste.

In der jetzigen Form wird es viel klarer, dass die zentralen Sätze von Abschnitt 1-4 als Quintessenz Abschnitt 5 ergeben.

Hach, das mir nie etwas passt .... :D

Die erste Version gefiel mir bereits, 2.0 ist allerdings noch besser!

Gruß,

sarpenta

 

Hi sarpenta,

es war ja eher diese Art Fluch, den wir als Autor oft loslassen: Warum nur habe ich zu schreiben begonnen? ;)
Und mir war ja klar, dass es sich lohnen würde, sonst hätte ich mit der Umstellung ja nicht begonnen. ;)
In Absatz 3 habe ich das dritte Zitat weggelassen, es schien mir am ehesten redundant. Außerdem ist das Gefühl, "wenn man mich lassen würde" glaube ich sehr stark im Konjunktivleben vertreten.
Absatz 4 habe ich um Positiva erweitert, ob er dadurch stärker geworden ist, kann ich nicht beurteilen.

Lieben Gruß und vielen Dank
sim

 

Hi Sim,

besser geworden ist der 4te Abschnitt dadurch nicht. Ich hätte eher etwas in der Art "würden wir es durchstehen" oder "würden wir uns treu bleiben" oder "würden wir zu unseren Idealen stehen" etc .. und dann anschließend "würden wir uns befreien" vor "würden wir leben" setzen.

An den anderen Absätzen hatte ich gerade nichts mehr auszusetzen.

Ciao & Ende

sarpenta

 

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