Was ist neu

Maria und der Zauberer

Mitglied
Beitritt
09.08.2006
Beiträge
472
Zuletzt bearbeitet:

Maria und der Zauberer

Ich weiß, dass es Zauberer gibt. Das weiß ich wegen Maria.

Die Maria war ein Mädchen, das bei uns im Haus gewohnt hat. Bis zum letzten Frühling, kurz bevor du in unser Dorf gekommen bist. Wir waren beste Freundinnen und saßen deshalb auch in der Schule beieinander. Die meisten anderen mochten Maria nicht so, weil sie sehr still war, aber wenn man sie gut kannte, konnte sie auch sehr lustig sein. Wir haben viel gelacht und oft hat uns Herr Leitner auch angemeckert, wenn wir im Unterricht gequatscht haben.

Warum die Maria bei uns im Haus gewohnt hat? Na, ich kannte die Maria ja schon vorher, als wir noch ganz klein waren. Unsere Eltern waren ganz früher zusammen in die Schule gegangen.
Erst hat die Maria ja im Haus neben unserem gewohnt, mit ihrem Vater. Aber der musste weg, wegen dem Krieg. Marias Papa war erst, glaube ich, noch da, weil die Maria ja sonst keinen hatte, aber irgendwann musste er dann doch weg. Nach Russland, wo mein Papa auch war, sagt Mama. Da kam die Maria zu uns. Und sie ist bei uns geblieben, weil ihr Papa nicht zurückgekommen ist.
Die Maria war deshalb oft ganz traurig. Ich habe sie häufig nachts gehört, da hat sie geweint und ich glaube, dass war wegen ihrem Papa. Mama und Papa haben das so nicht gesagt, aber ich war mir sicher, dass Marias Papa tot ist. Maria sagte, das stimmt nicht. Sie sagte, dass ihr Papa in Russland geblieben ist und da ein großer König ist und dass er in einem Schloss wohnt, das ganz groß ist, so groß wie unser Dorf und aus Gold. Davor ist ein Garten, mit den schönsten Blumen von der ganzen Welt und überall sind da Springbrunnen und ihrem Papa gehorchen tausend Ritter, aber auch sonst alle, sogar die Vögel und die Zauberer. Und sie hat gesagt, dass ihr Papa irgendwann einen Zauberer schickt, der sie mit nimmt zu ihm nach Russland und dass sie dann eine Prinzessin ist.
Ich dachte, die Maria flunkert und war dann immer böse und wir haben uns manchmal deshalb gestritten. Ich habe der Mama gesagt, die Maria lügt, aber die hat nichts gemacht.

Nein, Mama hat sich mit der Maria glaube ich nicht so gut verstanden. Sie haben nicht gestritten, aber die Mama hat sich irgendwie nicht so viel um die Maria gekümmert. Ich glaube, sie wollte nicht, dass die Maria bei uns war. Das war wohl nur wegen Papa, weil der der beste Freund vom Papa von der Maria war.
Papa ist auch sehr still. Er redet fast gar nicht. Er meckert nur häufig wegen seinem schlimmen Bein. Das hat er sich im Krieg verletzt. Das Bein ärgert ihn wohl ganz doll, er ist oft wütend. Dann schimpft er mit Mama oder manchmal auch mit mir. Meistens tut es ihm später aber wieder leid.
Das einzige ist, dass er uns, mir und der Maria, häufig Geschichten erzählt hat. Besonders im Winter, wenn es kalt und dunkel war.

Ach, das waren so Geschichten, die er von seiner Großmutter hatte. Da ging es um Nachtalben und den Teufel und um böse Zauberer. Mama hat dann gesagt: „Jetzt hör doch einmal mit deinen Märchen auf, du machst den Kindern nur Angst.“
Aber Papa hat seine Geschichten zu sehr gemocht und wir haben sie gern gehört. Trotzdem hatte ich danach Angst.
Manchmal lag ich lange wach. Wenn ich dann zum Fenster gesehen habe, da dachte ich, dass da einer herein guckt – aber es war nur der Mond. Oder, dass da etwas vor dem Fenster schwebt – aber es war nur eine Wolke, die sich da spiegelt. Obwohl ich das wusste hatte ich Angst, weil der Papa so gruselig erzählt hat: „Der Nachtmahr ist ein böser Geist, der aus den düsteren Wäldern im hohen Norden kommt. Schreiend und lachend reitet er auf dem Wind hinab und durch jeden noch so kleinen Spalt, zur Not durchs Schlüsselloch, kommt er herein. Er hat spitze Ohren wie ein Hund und einen stinkenden fetten Körper. Seine Augen sind rotes Blut. Mitten in der Nacht schwingt er sich auf deine Brust und drückt dich und macht dir Alpträume und du bekommst keine Luft mehr.
Meistens wachst du dann am nächsten morgen auf und hast Schmerzen oder bist krank. Selten aber wacht einer nach dem Besuch des Mahrs gar nicht mehr auf: Den hat der Geist dann erdrückt und erstickt und ihn mit sich genommen, in den finsteren Wald!“
In den langen Nächten dachte ich dann an den Mahr. Einmal konnte ich überhaupt nicht mehr schlafen vor Angst. Da lag ich ganz still und habe gelauscht. Mit einem mal dachte ich, ich bekomme keine Luft mehr!
Ich bin aus dem Bett gefallen und habe nach Mama gerufen. Die kam dann und hat mit mir geschimpft.
Der Maria hat das nicht so viel gemacht. Sie hatte keine Angst. Ich glaube aber, dass sie wegen den Geschichten so viel geflunkert hat. Immer hat sie geflunkert. Den Winter bevor du ins Dorf kamst hat sie gar nicht mehr aufgehört.

Das hat so angefangen, als schon überall Schnee lag. Es lag ja sehr viel Schnee und es war unglaublich kalt. Mama hat gesagt, so einen kalten Winter mit so viel Schnee gab es überhaupt noch nicht. Auch bei uns drinnen wurde es kaum noch richtig warm.
Am Tag, wenn die Sonne geschienen hat, ging es noch. Da waren wir sogar froh, über den Schnee. Hinter der Schule, da ist ein Hügel und da war ich oft mit der Maria zum Schlittenfahren. Und einen Schneemann haben wir da gebaut, einen ganz großen. Mit dicken schwarzen Steinen als Augen. Maria hat ihm dann einen langen Stock als Schwert gegeben und hat gesagt, er ist jetzt ein Ritter, einer wie die in Russland, wo ihr Vater ein König ist.
Ich wurde sauer und habe gesagt, nein, das stimmt nicht, und dass der Schneemann kein Ritter ist. Da hat die Maria angefangen zu weinen und den Tag nicht mehr mit mir geredet.
Über den Winter wurde sie dann immer trauriger. Ich glaube, das war weil es so dunkel war. Vielleicht, dachte ich, denkt sie auch an ihren Papa.
Mein Papa hat jedenfalls jetzt immer öfter seine Geschichten erzählt. Wenn er erzählt hat, ging es der Maria immer ein bisschen besser, aber nicht lange. Oft ist sie auch wenn es dunkel war, noch alleine raus gegangen und rum gelaufen. Mama wollte nicht, dass ich das mache, aber bei der Maria war es ihr egal. Ich soll das nicht machen, hat sie gesagt, weil jetzt so viele Arme und Tagelöhner bei uns durchkommen und weil man nicht weiß, ob da nicht ein Räuber bei ist.

Ziemlich lange ging es der Maria nicht gut. Da hat sie auch mit mir kaum noch geredet. Aber mit der Zeit wurde das dann auch wieder besser und wir gingen wieder öfter zum Schlittenfahren.
Da haben wir viel gelacht und deshalb habe ich die Maria mal gefragt, warum es ihr denn jetzt wieder besser geht. Sie hat gesagt, das ist, weil sie jetzt bald zu ihrem Vater kann. Ich wollte mich nicht wieder streiten, deshalb habe ich nicht gesagt, dass sie lügt, obwohl ich das geglaubt habe.
Ich habe sie also gefragt, woher sie das weiß. Da hat sie gesagt, das weiß sie, weil jetzt der Zauberer da ist, der sie zu ihrem Vater bringt. Das habe ich nicht verstanden. Sie hat aber weiter erzählt. Dass der Zauberer ein großer Mann ist, der ein bisschen gruselig aussieht, aber eigentlich ganz nett ist und dass er hier im Wald hinter dem Hügel wohnt. Und dass sie eigentlich keinem von ihm erzählen soll.
Dann hat sie aber weiter erzählt, obwohl ich ihre Lügen nicht mag. Sie hat erzählt, wie der Zauberer genau aussieht und was er so gesagt hat, dass sie sich öfter treffen.
Da wurde ich doch wieder böse und habe die Maria angeschrieen, sie soll jetzt endlich aufhören zu lügen. Sonst sind wir keine besten Freundinnen mehr und ich sitze auch in der Schule nicht mehr neben ihr.
Aber diesmal ist sie ganz ruhig geblieben. Sie hat gesagt, sie kann beweisen, dass es den Zauberer gibt. Aber ich darf es keinem erzählen. Ich erzähle es dir auch nur, weil du meine beste Freundin bist.
Wir gingen nach Hause, in unser Zimmer. Ich war froh darüber, weil es schon wieder ganz finster wurde und bitterkalt und ich immer noch ein wenig Angst hatte, wegen den Geschichten vom Nachtmahr und den bösen Zauberern.
Maria fing an, in ihren Sachen zu kramen und brachte dann eine kleine Holzpuppe heraus. Die hatte ich noch nie gesehen – und sie gefiel mir nicht. Sie war ganz grob geschnitzt und sah irgendwie unheimlich aus, wie ein Nachtmahr. Plötzlich hatte ich Angst. Ich habe der Maria gesagt, dass ich die Puppe nicht mag. Da wurde sie ein wenig sauer und sagte, dass ich nur neidisch bin.
Ab da haben wir nicht mehr viel miteinander geredet. Aber die Maria ging jetzt immer öfter noch spät raus. Und blieb lange weg.

Ja, irgendwann blieb sie dann ganz weg. Da war ich traurig, weil die Maria eine so gute Freundin gewesen war. Die Mama weint seitdem sehr oft und Papa ist noch stiller geworden. Das tut mir leid und ich hätte ihnen gern von dem Zauberer erzählt, aber die Maria hat ja gesagt, ich soll nicht. Aber ich würde es trotzdem gern machen. Dann müssten sie jetzt nicht so traurig sein. Wenn sie wüssten, was ich weiß. Dass die Maria einfach heim gegangen ist zu ihrem Papa.

 

Zu der Geschichte muss gesagt werden, dass sie (vor allem was Sprache und Ort der Handlung anbetrifft) stark inspiriert ist, durch eine der ersten Passagen in „Tannöd“.

 

Hallo Abdul,

ich kenne Tannöd nicht, weiß also nicht, wie viel Eigenleistung noch in der Geschichte steckt.
Ich persönlich merke, dass mich die Kindperspektive für diese Geschichte nicht überzeugt, vielleicht, weil die Erzählzeit Vergangenheit ist. Dadurch wirkt es auf mich etwas aufgesetzt und auch eine Spur zu übertrieben. Wäre es etwas reduzierter und in der Gegenwart erzählt, käme der Kontrast der Naivität in der Betrachtung und der Härte der Handlung mE besser zur Geltung.
Ein weiteres Manko für mich ist, dass das Wechselspiel von beste Freundin/nicht miteinander reden zwischen den beiden Mädchen mir etwas zu sterotyp wiederholt wird, fast wie ein Running Gag, der nicht lustig ist.
Von der Handlung her mag ich die Geschichte, auch dieses Flüchten in die Fantasie und die moralische Wertung der Icherzählerin dessen als Lüge, nur stimmt es mE da eben in der Dosierung der Mittel noch nicht.

Lieben Gruß
sim

 

Hallo Sim,

Ich persönlich merke, dass mich die Kindperspektive für diese Geschichte nicht überzeugt, vielleicht, weil die Erzählzeit Vergangenheit ist. Dadurch wirkt es auf mich etwas aufgesetzt und auch eine Spur zu übertrieben.
Tja, wenn die Perspektive nicht überzeugt, kann die Geschichte auch nicht überzeugen. Aber warum ist das mit der Vergangenheit störend? Kinder können doch durchaus in der Vergangenheit erzählen, oder?

Wäre es etwas reduzierter und in der Gegenwart erzählt, käme der Kontrast der Naivität in der Betrachtung und der Härte der Handlung mE besser zur Geltung.
Mit "reduziert" meinst du noch ein wenig gekürzt? Hm, ich glaube, das fiele mir schwer, ich fand es so schon ziemlich knapp gehalten. Irgendwo muss man ja auch die Atmosphäre her bekommen. :D

Von der Handlung her mag ich die Geschichte, auch dieses Flüchten in die Fantasie und die moralische Wertung der Icherzählerin dessen als Lüge, nur stimmt es mE da eben in der Dosierung der Mittel noch nicht.
Schade, dass die Geschichte dich nicht richtig überzeugen konnte. Vielen Dank für's Lesen und für die Kritik.


Gruß,
Abdul

 

Hi Abdul,

nein, mit reduzierter meine ich, die Naivität etwas dezenter zu gestalten.
Natürlich können Kinder etwas in der Vergangenheit erzählen, aber dafür empfinde ich die Haltung zwischen Nacherzählung und Reflexion nicht konsequent genug.
Vielleicht habe ich aber die Technik, Kindermund etwas Grausames erzählen zu lassen, um es dadurch noch grausamer zu machen, schon zu oft gelesen. Grundsätzlich mag ich dieses Stilmittel aber, insofern fürchte ich eher es liegt am der Dosis oder am Timing des Einsatzes. Zu erklären, was ich damit meine, ist mir aber bisher noch nie gelungen, so leid es mir tut. Ich habe schon in meinem ersten Posting nur gemutmaßt, um zu ergründen, warum mich das Mittel hier nicht überzeugt.

Lieben Gruß
sim

 

Hallo Abdul,

Die meisten anderen mochten Maria nicht so, weil sie sehr still war, aber wenn man sie gut kannte, konnte sie auch sehr lustig sein.
Kindersprache ja, aber trotzdem: Dass doppelte „sehr“ ist nicht schön. Man könnte dafür plädieren, beide rauszunehmen, zumindest eins sollte man wirklich tilgen. Die „Kindersprache“ könnte man eher über das Perfekt, zusammen mit dem Artikel vor dem Namen erreichen: „Haben die Maria nicht so gemocht“, wenn man sie „gut gekannt“ hat.
Ich weiß ja nicht, in wie weit du das möchtest.

Die Maria war deshalb oft ganz traurig. Ich habe sie häufig nachts gehört, da hat sie geweint und ich glaube, dass war wegen ihrem Papa. Mama und Papa haben das so nicht gesagt, aber ich war mir sicher, dass Marias Papa tot ist. Maria sagte, das stimmt nicht. Sie sagte, dass ihr Papa in Russland geblieben ist
Es passt nicht so richtig, finde ich. Die Sprache läuft nicht richtig rund. „Häufig“ stört in der Sprachebene, die „sagte“-Konstruktionen auch.
Das ist eine ganz diffizile Geschichte, sich der Sprache eines Kindes zu bedienen, oder überhaupt einer Sprache, die nicht die eigene ist. Da gibt es natürlich auch keine Richtlinien dafür, so dass ich jetzt sagen könnte: Zu der und der Stilebene gehören die und die Worte und Konstruktionen, sondern nur ungefähre Dinge ansprechen kann, die der nächste wieder ganz anders sehen wird.

Das war wohl nur wegen Papa, weil der der beste Freund vom Papa vom Maria war.
Von der Maria

Manchmal lag ich lange wach.
Ich glaube wirklich, das Perfekt ist es, was den Ton erzeugt, den du haben möchtest. Das Präteritum ist die typische klassische Erzählform, die Form der schriftlichen Erzählung, die „auktoriale“ Art des Erzählens. Die Umgangssprache ist allerdings fauler und einfacher. Das Perfekt bildet sich nun mal leichter als das Präteritum, weil man nur haben/sein deklinieren muss (das geht wohl automatisch) und dann den Infinitiv nehmen kann, während man beim Präteritum immer im Kopf nach der richtiger Form suchen muss.

Obwohl ich das wusste hatte ich Angst, weil der Papa so gruselig erzählt hat:
, hatte ich Angst

Der Maria hat das nicht so viel gemacht. Sie hatte keine Angst.
Die hatte keine Angst.

Den Winter bevor du ins Dorf kamst hat sie gar nicht mehr aufgehört.
, bevor du ins Dorf gekommen bist,

Mama hat gesagt, so einen kalten Winter mit so viel Schnee gab es überhaupt noch nicht.
Hat es überhaupt noch nicht gegeben. – probier’s doch einfach mal aus, vielleicht kommst du auf den Geschmack.

Oft ist sie auch wenn es dunkel war, noch alleine raus gegangen und rum gelaufen.
, wenn es dunkel (sind noch ein paar Kommafehler drin, grade jetzt in der Passage; ich such nicht alle raus)

„Tannöd“ kenn ich nicht. Die Sache mit dem „Zauberer“ hat mich an das „Versprechen“ von Dürrenmatt erinnert.
Sprachlich läuft es nicht so richtig rund, finde ich. Und die Geschichte steht und fällt eben mit dem Erzählstil, da muss ich dem, was sim sagt, Recht geben.
Aber: eine gute Idee. Der Leser weiß, was dort vorgeht. Der Erzähler nicht. Das ist schon mal richtig gut. Das „Nachtalp/Nachtmahr“-Bild ist auch toll, das ist eine wirklich starke mythologische Figur, ein tolles Motiv.
Also für mich bleibt festzuhalten: Sehr guter Ansatz, eher misslungene Ausführung.

Gruß
Quinn

 

Danke, Sim, für die Erläuterung, jetzt hab' ich kapiert was du meintest.


Hallo Quinn,

Dank dir für's Lesen, für die Kritik und für die Fehlersuche. Das mit dem Perfekt ist es wohl - damit hätte es wirklich besser geklungen! Du hast aber auch sonst recht, es ist verflucht schwer, sich so einer fremden Sprache zu bedienen. Nach dem Fertigstellen der Geschichte war ich mir auch überhaupt nicht sicher, wie gut oder schlecht mir das gelungen war. Na ja, jetzt weiß ich's - eher weniger gut. :D
Das Buch von Dürrenmatt kenne ich leider nicht, aber dafür den Film mit Jack Nicholson, der mir ziemlich gut gefiel und an den ich beim Schreiben auch tatsächlich gelegentlich dachte.


Hallo Pistole,

Auch dir schönen Dank für deine Zeit und deine Kritik.

Schöne erste Sätze.
Ja, nicht? Fand die auch sehr gelungen! :D

Mich kann die Geschichte in ihrer sprachlichen Ausführung nicht überzeugen.
Schade, dass mir das nicht gelungen ist...

Die Rede des Vaters über den Nachtmahr hat mir sehr gut gefallen.
Na, immerhin was!

Deine Geschichte hat mir buchstäblich halbwegs gefallen
Dann bin ich zumindest halbwegs zufrieden.

Wäre die Geschichte szenischer geschrieben, sprich, gäb es mehr dramatische und dramatisch dargestellte Handlung (die nicht im Rückblick abgehandelt wird) desto mehr würde dieser Erzählmodus den Leser packen.
Da hast du einerseits recht - daran habe ich beim Schreiben auch gedacht - aber: Richtige Szenen einzubauen, die den Leser packen, ist hier extrem schwer. Denn diese Szenen müssten mit der Sprache des Kindes ausgestaltet und vermittelt werde. Für mich ein Ding der Unmöglichkeit.


Gruß,
Abdul

 

Hi Abdul,

habe mich auch auf die Suche nach dem Unbehagen bei dieser Geschichte gekommen und meine Theorie wäre folgende:

Durch Perspektive des kleinen Mädchens verwischt auch die Autorenintention noch stärker. Ich spüre nicht, worauf Du hinauswillst.
Dadurch, daß das Mädchen nicht über die geschärften Sinne eines Erwachsenen verfügt, fehlt natürlich die Bewertung vieler Details und wenn es dann zu viele Details sind, dann kann sich der Leser wieder selbst zusammenbasteln, was der Autor eigentlich sagen wollte.

Wenn wir hinten anfangen, ist mir nicht mal klar, was passiert ist:
Ist das Mädchen erfroren oder beim Zauberer geblieben oder haben wir es mit einem Verbrechen zu tun.
Und wurde dieses aufgedeckt oder nicht?

Ist völlig wurscht für die kleine Protagonistin - klar, denn Maria ist für sie nicht mehr da, aber für das, was die Geschichte mir erzählen soll, ist es schon ziemlich relevant.

Denn je nach Ausgang sucht der Leser nach dem Turning Point, d.h. wo nahm die Tragödie ihren Anfang und worauf will der Autor also seinen Finger legen?

Mir ist es nicht klar - kann natürlich sein, daß ich nicht über die erforderliche Sensibiltät verfüge, dann verschließt sich aber ein großer und wichtiger Teil der Geschichte und es ist zu überlegen, wie man auch weniger sensiblere Leute, wie mich, auf die Spur bekommt.
Und dann sind wir wieder bei der Perspektive.

Wie oben schon geschrieben, wird es in solchen Situationen gern genommen, um der Tragweite der Handlung die Naivität und Leichtigkeit einer kindlichen Betrachtung entgegen zu stellen.
Aber wenn Du das machst, solltest Du trotz kindlicher Beobachtung dann zensieren und den Detailreichtum an den wichtigen Punkten betonen und einige Dinge deutlicher betonen, bei anderen aber die Wichtigkeit senken.

z.B. habe ich den Punkt mit der häßlichen Puppe nicht verstanden.

Maria fing an, in ihren Sachen zu kramen und brachte dann eine kleine Holzpuppe heraus. Die hatte ich noch nie gesehen – und sie gefiel mir nicht. Sie war ganz grob geschnitzt und sah irgendwie unheimlich aus, wie ein Nachtmahr. Plötzlich hatte ich Angst. Ich habe der Maria gesagt, dass ich die Puppe nicht mag.
Der Umstand, daß Maria etwas von Fremden geschenkt bekommen hat, mag Neid beim erzählenden Kind erzeugen und einen Aha-Reiz beim decodierenden Erwachsenen auslösen.
Aber die Häßlichkeit der Puppe und eine versuchte Andeutung zum Nachtmahr und damit Parallelität zu den Märchengestalten ist hier eher verwirrend.

Wenn wir an gerade an diesem Punkt sind:
Ich bin auch der Meinung, daß ein Kund Beobachtungen und Wahrnehmungen sehr gut wiedergeben kann, die eigenen Handlungen aber eher nicht.

D.h. die Erzählerin mag sich an die kleinsten Details der Puppe erinnern, aber eher nicht, was sie zu diesem Zeitpunkt gesagt hat. Was sie aber über die Puppe dachte, kommt schon raus, wie sie die Puppe beschreibt.
Wie gesagt, ich weiß nicht, ob Du sie häßlich machen solltest.

Für die Figuren ist auch wichtig:
Was ist eigentlich mit Marias Mutter? Sie wird gleich als nur mit Vater eingeführt. Klar interessiert die kleine Erzählerin primär nicht, wo Marias Mutter ist, aber für den Leser ist ja auch wichtig, wie die leiblichen Eltern der Erzählerin mit dem Kind umgehen.
Momentan ist für mich nicht nachvollziehbar, warum sich die Eltern nicht um Maria kümmern, denn wenn ausgeschlossen ist, daß Marias Eltern wiederkommen, weil der Vater gefallen ist und die Mutter evtl. tot, dann haben wir keinen temporären Aufenthalt von Maria, der sich permanent verlängert und aufgrund seiner Unentschieden zu einer geringeren Fokussierung auf Maria führt.
Wenn die Eltern Maria aber quasi adoptiert haben, dann spielen sie eine wichtige Rolle (auch in der Intention des Autoren).
Das kommt hier nicht sauber raus, weil die kleine Erzählerin natürlich hier bei der Schilderung keine Prioritäten legt. Und das mußt Du dann als Autor irgendwie ausgleichen, indem Du es dem Leser doch irgendwo unterjubelst.

Dies macht ja dann die Schwierigkeit - oder nennen wir´s Herausforderung - aus, wichtige und richtungsweisende Infos einfließen zu lassen, ohne daß die Geschichte leidet.

Gruß
mac

 

Hallo macsoja,

Eigentlich war es genau meine Absicht, dem Leser, durch Verwendung der Perspektive, gewisse Beobachtungen und Wertungen vorzuenthalten, um diese seiner düsteren Fantasie zu überlassen. So soll er beispielsweise selbst entscheiden oder darüber nachdenken, ob Marie weggelaufen oder einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.
Andererseits wollte ich über diese Perspektive auch bestimmte Informationen aussparen, nach denen man einen Erwachsenen vielleicht fragen würden, die für die Geschichte, meiner Meinung nach, aber irrelevant sind und nur die Zeit und die Geduld des Lesers verzehren. Ich hielt es für ganz und gar uninteressant, was mit Marias Mutter ist. Wahrscheinlich ist sie auch tot, oder?
Dass du ausgerechnet diese Dinge als negativ bezeichnest, deutete darauf hin, dass ich entweder einen fundamentalen Fehler gemacht habe, den ich noch nicht erkenne oder aber, dass sich hier unsere Geschmäcker einfach stark unterscheiden.

Der Umstand, daß Maria etwas von Fremden geschenkt bekommen hat, mag Neid beim erzählenden Kind erzeugen und einen Aha-Reiz beim decodierenden Erwachsenen auslösen.
Aber die Häßlichkeit der Puppe und eine versuchte Andeutung zum Nachtmahr und damit Parallelität zu den Märchengestalten ist hier eher verwirrend.
Der Nachtmahr spielt in der Geschichte die Rolle, dem Leser die Innenwelt der Erzählerin näher zu bringen - ihre kindlichen Ängste, ein Gefühl der Hilflosigkeit. Dass sie die Puppe als hässlich bezeichnet (vielleicht ist sie das gar nicht) und sie mit dem Nachtmahr vergleicht ist weniger Ergebnis einer tatsächlichen Abneigung gegen eben diese Puppe - vielmehr soll hier das, wenn auch nur unterbewusst vorhandene, Gefühl der Bedrohung gezeigt werden, das auch die Erzählerin ereilt. Selbst dieses junge Mädchen ahnt, dass da etwas nicht ganz koscher ist. Eventuell ist ja ihre ganze Naivität im Rückblick nur das Ergebnis einer nachträglichen Verdrängung, eines Schuldgefühls, weil sie den Eltern nichts von dem Zauberer gesagt hat?

Danke für deine Zeit und deine aufschlussreiche Kritik!


Gruß,
Abdul

 

Hallo Abdul!

Ich störe mich überhaupt nicht an der Erzählweise, im Gegenteil, die Kinderperspektive fand ich bis auf kleine Unsauberheiten sehr gelungen. Dieser Kontrast, den der naive Tonfall zum Inhalt darstellt, ist schon sehr stark, aber er könnte meines Erachtens noch stärker sein. Ich hätte da vielleicht inhaltlich anders gewichtet: den Anfang etwas gekürzt und den Fokus mehr auf die Entwicklung zwischen Maria und dem "Zauberer" gerichtet. Ich verstehe schon, dass du eher offen lassen wolltest, was denn genau mit Maria passiert ist, aber ich finde, das würde noch eher Spannung aufbauen. Du könntest da ein echt krasses Ende äh, zaubern. :) So bleibt es letztendlich in der Schwebe. Okay, war so gewollt, stellt mich als Leser aber im Endeffekt nicht zufrieden.

Ein bisschen Textkram hab ich noch:

und ich glaube, dass war wegen ihrem Papa.
das
der sie mit nimmt zu ihm nach Russland
mitnimmt
Ich habe der Mama gesagt, die Maria lügt, aber die hat nichts gemacht.
Hier ist der Bezug undeutlich. Klar ist es Kindersprache, trotzdem verwirrt es. Mich zumindest. ;)
dass da einer herein guckt
hereinguckt
aber es war nur eine Wolke, die sich da spiegelt.
Gespiegelt hat wäre konsequent.
Meistens wachst du dann am nächsten morgen auf
Morgen

Ja das wars schon. Fand ich richtig gut, könnte aber besser sein. Wie gesagt, den Mittelteil kürzen, das Ende ausbauen, dann hätte ich nix zu meckern. Vielleicht. ;)

Liebe Grüße,
strudel

 

Hallo Abdul!

Na dann will ich auch mal. Mir hat die Idee der Geschichte sehr gut gefallen, die Umsetzung könnte flüssiger sein. Das liegt zum Großteil an der kindlichen Sprache, die zwar gut gemacht ist, aber in der Erzählform irgendwann etwas abgegriffen wirkt, der Effekt verflüchtigt sich und es wird anstrengend. Da würde die Erzählung gewinnen, wenn sie kürzer wäre, oder die Sprache abwechslungsreicher.

Sams Kommentar schließe ich mich auch an. Seine Idee am Ende gefällt mir sehr gut, danke Sam. :)

Schöne Grüße,

yours

 

Salve Abdul,

anscheinend teilen sich die Leser in zwei Lager: diejenigen, die der Kinderton stört, und die, die ihn gut finden.

Ich mochte ihn, fand ihn authentisch, vor allem, weil es ein Du gibt, ein neues Kind im Dorf, dem das Mädchen berichtet. Ich schätze das Kind auf sechs bis acht Jahre alt, da jucken mich auch Worwiederholungen wenig; in dem Alter ist Sprache eben noch nicht ausgereift.

Einziges Stolpersteinchen für mich: das ambivalente Verhalten der Mutter. Einerseits lässt sie keinerlei erzieherische Aufsicht über Maria walten, obwohl sie wissen müsste, dass etwas passieren kann, andererseits ist sie schockiert, als Maria tatsächlich verschwindet.

Ansonsten mochte ich die Geschichte, und dass sie an "Es geschah am hellichten Tag" erinnert, ist wohl mehr als ein Zufall ;).

Gruß, Pardus

 

Hi Abdul,

ich habe den Text ähnlich wie apfelstrudel gelesen. Mich stört die Kinderperspektive nicht, hapert nur an einigen ganz wenigen Stellen. Ansonsten kam die Sprache bei mir recht glaubwürdig rüber.
Die Geschichte selbst ist natürlich krass. Und das wirkt eben durch diese verniedlichung der Sprache umso krasser. Ein Kontrast, den du schön hochschaukelst ohne zu werten. Bleibst konsequent in dem kleinen Erzähler.
Ich für meinen Teil kann mich mit solchen "unausgesprochenen Enden" immer sehr gut arrangieren, weil sie eben doch noch den minimalen Hauch einer positiven Wende in sich tragen. In diesem Fall würde das natürlich etwas märchenhaftes verlangen, aber der ganze Ton hat ja etwas leicht märchenhaft verschleiertes, durch die Perspektive des Kindes.

Wie auch immer, ich habe den Text gern gelesen und zolle dir meinen Respekt für den gewagten Kinderstil.

grüßlichst
weltenläufer

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom