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380 Pt. 2

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380 Pt. 2

Lynn tat einen Schritt in diese Welt und fiel. Sie fiel so hart, dass sie nicht mehr aufstehen wollte. Blut rann über ihr Gesicht und mischte sich mit den Tränen, die aus ihren Augen traten.
Lynn war ein nettes und zuvorkommendes Mädchen. Sie hatte allen Anstand dieser Welt, war vorurteilsfrei und immer zu jedermann freundlich gewesen. Der Welt, in der sie lebte, hatte sie immer alles gegeben. Sie opferte sich bislang für wirklich jeden und versuchte den Traurigen ihre Einsamkeit und den Einsamen ihre Trauer zu nehmen. Sie war die bescheidenste und ganz einfach beste Seele überhaupt.
Doch man ließ sie fallen. Hart fallen. So tief und hart, dass sie begann zu zweifeln. An sich und der Welt um sich herum. Machte sich Vorwürfe, etwas falsch gemacht zu haben, etwas aus seinem perfekten Gleichgewicht gebracht zu haben.
Dann erkannte sie etwas, dass sie bislang nicht bemerkt hatte. Niemand schien ihr helfen zu wollen, wieder aufzustehen. Sie hätte sich selbst geholfen. Ganz sicher. Wie sie so blutend da lag, fragte sich Lynn, warum niemand der vielen Menschen um sie herum auch nur den kleinsten Schritt tat, um ihr beizustehen. War sie etwa anders als die anderen?
Sie schloß, dass dieser Gedanke richtig sein musste. Also war ihre Fremdartigkeit der Grund für ihren Sturz. Wenn sie so gewesen wäre, wie alle anderen, hätte es diesen Unfall niemals gegeben.
So machte sie sich noch mehr Vorwürfe und Schuldeingeständnisse an sich selbst und verantwortete sich für alle Probleme und Schwierigkeiten, die das Leben mit sich brachte.
Zu ihrem weiteren Erstaunen legte niemand sein Wort dagegen ein. Alle akzeptierten ihre Einsicht und waren sichtlich beruhigt und erleichtert über ihr offenes, uneigennütziges Eingeständnis.
Wieder stand also keine Seele auf ihrer Seite. Sie war nun alleine mit ihrer Schuld an allem.
Dann sah Lynn ein: Niemand hatte sich verändert. Jeder war immer der selbe und sie seit jeher alleine gewesen.
Das Mädchen haderte mit dem Gedanken, machte sie fast verrückt. Die Situation schien denkbar hilflos, die Lösung wesentlich leichter.
So starb sie noch an der selben Stelle, an der sie gefallen war. Mit blutüberströmten Gesicht und einem herzzerberstenden Gesichtsausdruck.
Sie blieb dort liegen. Für immer. Ihre sterblichen Überreste verschmolzen mit dem Erdreich und bilden dort noch heute die einsamste Stelle der Welt.
Hast Du Lynn fallen lassen?

 

Uff, du legst es ja mal wieder darauf an, den Leser tief bewegen zu wollen. Nicht gerade leichte Unterhaltung, sowas. :sad:

Lynn erscheint mir wie eine weibliche Ausgabe Jesu Christi. Die Ähnlichkeiten sind frappant: Wie auch Jesus blutet und weint sie nach ihrer Hinrichtung, stirbt schließlich. Auch er opferte sich für die Menschen, war der Prototyp eines Altruisten. Der Unterschied in deiner Geschichte liegt darin, dass Lynn im Gegensatz zu Jesus damals an der Richtigkeit ihres Handelns zweifelt - weil sie Mensch und kein unmittelbar von Gott gesendetes Wesen ist.

Die Idee einer "einsamsten Stelle der Welt" finde ich sehr inspirierend. Ob es eine solche Stelle wohl gibt? Aber diese würde wohl für jeden Menschen woanders liegen.


So long...

 

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