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Straßenköter

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20.09.2007
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Straßenköter

Neulich bin ich Straßenbahn gefahren. Das mache ich sonst nie, ist mir zu voll da. Und zu teuer. Früher bin ich viel Bahn gefahren, jetzt nicht mehr. Aber dann habe ich es mal wieder gemacht, keine Ahnung wieso, wollte mich wahrscheinlich erinnern, wie das ist, Bahn zu fahren.
Ich hab mir einen Fahrschein gekauft, eine Monatskarte habe ich ja nicht, lohnt sich nicht. Und den hab ich dann die ganze Zeit in der Hand gehalten, bis er total zerknüllt war und irgendwie feucht von meinem Schweiß. Hab ihn in der Hand gehalten, falls ein Kontrolleur kommt, damit ich ihn dann nicht aus der Tasche kramen muss. Dann werde ich hektisch, wenn einer was will und ich muss erst kramen. Und ich habe gedacht, das sieht dann aus als würde ich schwarz fahren, wenn ich so krame. Deshalb der Fahrschein in der Hand.
Mir schräg gegenüber saß ein Mädchen. Saß da so neben dem Eingang, direkt in der Nähe des Fahrscheinentwerters. Mein Fahrschein ist entwertet. Ich weiß noch, dass meine Mutter früher immer knipsen gesagt hat. Aber knipsen ist ein blödes Wort. Fällt mir erst auf, wenn ich so drüber nachdenke. Knipsen klingt komisch. Deshalb sage ich entwerten, auch wenn das noch komischer klingt, aber wenigstens hört es sich korrekt an. Knipsen.
Gegenüber saß also dieses Mädchen. Das erste, was mir an ihr auffiel, war ihr Lippenstift. Ganz rot war der. Nuttig, hätte meine Mutter gesagt. Und ihre Haare waren struppig, straßenköterblond, so nichtssagend, als hätte die Natur keine Farbe mehr gehabt für sie, und alle Reste zusammengemischt, blond und schwarz und braun und rot, und sowas kam dabei raus. Wenn sie vor einer dreckigen Hauswand stünde, dann sähe es bestimmt aus, als hätte sie gar keine Haare. Und wahrscheinlich war deshalb ihr Lippenstift so rot, um das alles wieder wettzumachen.
Das Mädchen trug Bermudashorts, in khaki, und eine weiße Bluse. Passte gar nicht zu ihr, so eine weiße Bluse. Und zwischen ihren Füßen auf dem Boden fläzte ein Seesack, oder zumindest stelle ich mir einen Seesack so vor. Irgendwie alt, groß und unförmig, und er hatte dieselbe Farbe wie ihr Haar.
Ich hab das Mädchen beobachtet und wusste gar nicht, wieso. Sie hat die ganze Zeit mit ihren Füßen auf dem Boden rumgebohrt, ein bisschen zappelig, aber ihr Oberkörper blieb dabei ganz ruhig.
Und dann kamen tatsächlich Kontrolleure, gleich mehrere. Es stieg einer hinten ein, einer ganz vorn und einer in der Mitte. Mich kontrollierte einer mit Schnauzer. Sagte: „Fahrscheine bitte“, und mir ist ganz heiß und kalt geworden, an das Gefühl erinnere ich mich noch. Das war schon immer so gewesen, wenn ich kontrolliert wurde, früher, als ich noch öfters Bahn gefahren bin. Und dann ist mir eingefallen, achso, ich hab ja einen Fahrschein, kein Grund zur Panik. Aber früher bin ich oft schwarz gefahren, mit meiner Mutter war das. Nicht, weil wir es uns nicht leisten konnten, aber meine Mutter fand es einfach praktisch. Sie hätte auch bestimmt gelacht über diesen Kontrolleur mit dem akkuraten Schnauzer. So wie sie immer was zu kritteln hatte an den Leuten, meine Mutter.
Ich gab dem Kontrolleur mein Ticket und er sah es sich an, ging ganz schnell. Und ich hab zu dem Mädchen rübergeschaut, an dem massigen Körper des Kontrolleurs hab ich vorbeigeschaut und da steht einer neben ihr, sagt: „Fahrscheine bitte“, und das Mädchen steht auf, nimmt einen Fahrschein aus ihrer Hosentasche und knipst ihn. Also entwertet ihn. Saß ja direkt neben so einem Fahrscheinentwerter. Vor den Augen des Kontrolleurs macht sie das, und der ist ganz baff. Sie lächelt ihn an, mit ihrem breiten, roten Mund und sagt: „Bitte“, und der Mann nickt. Ist immer noch baff, aber er nickt und sagt: „In Ordnung.“
Und ich hab gedacht: Wow. Oder nein, das nicht. Ich dachte wahrscheinlich: Wahnsinn. Oder ich glaube, ich habe eher gar nichts gedacht. Oder ich weiß es einfach nicht mehr. Was denkt man in so einem Moment?
Das Mädchen ist in der Liebknecht-Straße ausgestiegen. Ich hab ihr hinterhergesehen, ihren struppigen Haaren, die man gar nicht sieht. Sie hatte einen raschen Gang, so wie man es überhaupt nicht erwartet, von so einer. Man denkt, so Menschen mit Seesäcken als Tasche laufen ganz behäbig, als könnte sie nichts aus der Ruhe bringen. Und am besten barfuß. Aber das Mädchen hier war nicht barfuß, die hatte Schuhe an. Was das für welche waren, darauf hab ich nicht geachtet. Aber ihr Gang war flott, sie hat ganz kleine Schritte gemacht, hat so gewippt dabei.
Komisch, hab ich gedacht, das weiß ich noch. Komisch.

Ich fahre jetzt immer mal mit der Bahn, wenn mir danach ist. Nicht oft, weil meistens ist es wirklich zu voll, und teuer ist es auch. Früher bin ich ja viel schwarz gefahren, aber das mache ich jetzt nicht mehr.
Anfangs habe ich immer geschaut, ob ich das Mädchen nochmal sehe, aber das habe ich nicht. Ich hab mich sogar an dieselbe Stelle gesetzt und hab versucht, um dieselbe Zeit Bahn zu fahren, so gut es halt ging. Aber dann ist mir neulich eingefallen, totaler Schwachsinn eigentlich, so eine wie die, also wie das Mädchen, die setzt sich nicht immer an dieselbe Stelle. Und fährt auch nicht um dieselbe Zeit Bahn. Genauso knipst sie ihren Fahrschein, wann sie halt lustig ist. Wann sie halt lustig ist, wieder so ein blödes Wort. Eigentlich sind es ja mehrere Wörter. Das kommt auch von meiner Mutter, muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das sagt doch keiner.

Auch wenn ich denke, dass es Schwachsinn ist, fahre ich jetzt doch ab und zu Bahn.
Nach vier Monaten oder so, also vier Monate, nachdem ich dieses Mädchen gesehen habe, ich hab sie schon fast vergessen, da sehe ich sie wieder. Sie steigt ein, ganz hinten in der Bahn, und ich stehe in der Mitte. Weil ich keinen Platz gefunden habe beim Einsteigen, dabei war noch vieles frei, aber ich wollte mich nicht neben jemanden setzen. Und dann, so nach zehn Sekunden, da ist es zu spät, es sich anders zu überlegen, weil das sieht dann immer komisch aus, sich doch noch hinzusetzen, so unentschlossen. Also stehe ich. Und sehe das Mädchen, zufällig.
Und komisch, denke ich, komisch, das Mädchen sieht genauso aus wie vor vier Monaten, derselbe Seesack, dieselben struppigen Haare, derselbe Lippenstift. Und sie knipst nicht. Also entwertet nicht. Und so eine wie die hat bestimmt keine Monatskarte.
Ich habe auch keine Monatskarte, fällt mir ein und ich lächle überrascht. Ich habe keine Monatskarte und ein Ticket hab ich auch nicht gekauft, komisch. Ganz vergessen. Ich fahre schwarz.

Am nächsten Tag fahre ich wieder schwarz, diesmal mit Absicht, und insgeheim hoffe ich, dass jetzt ein Kontrolleur kommt und meinen Fahrschein sehen will, damit ich es machen kann, wie das Mädchen. Ich sitze also direkt neben dem Eingang, den Fahrscheinentwerter ganz in der Nähe und stelle die Tasche zwischen meine Füße auf den Boden. Sie ist zwar aus Leder, aber das stört nicht. Hin und wieder schiele ich zum Fahrscheinentwerter, dann wieder zu dem Ticket, das ich in der Hand halte. Versuche, ein bisschen mit den Füßen zu wackeln, aber dann merke ich, wie mich ein älterer Herr anguckt und ich lasse es bleiben. Starre stattdessen aus dem Fenster.
Es kommt niemand.
In der Milchinselstraße muss ich eigentlich aussteigen, ich ringe mit mir. Bleibe sitzen. Ich fahre noch eine Runde, und noch eine, es sind schon zwei Stunden vergangen. Der Fahrschein ist in meiner Hand, ein bisschen feucht vom Schweiß, aber nicht so schlimm zerknüllt, ich stecke ihn in die Hosentasche und ich frage mich, ob um die Zeit überhaupt noch ein Kontrolleur unterwegs ist.
Und in dem Moment, in dem ich das denke, steigen sie ein, drei Kontrolleure. Einer vorn, einer in der Mitte und einer hinten. Mir wird wieder heiß und kalt, Blut schießt mir ins Gesicht. Bestimmt werde ich rot, aber ich darf nicht rot werden, das Mädchen ist auch nicht rot geworden. Dabei hatte sie ganz helle Haut, richtig blass.
Der Kontrolleur steht vor mir, irgendwie sieht er grob aus, auch wenn er keinen Schnauzer hat diesmal. Und er starrt auf mich hinab und sagt: „Ihr Ticket bitte“, und ich starre zu ihm hoch und bin irritiert, weil er mich so direkt anspricht und „Ihr Ticket bitte“ sagt, statt „Fahrscheine bitte“, so wie sie es sonst immer machen. Ich zwinge mich, an das Mädchen zu denken, wie sie aufgestanden ist, ganz flink, und ich stehe auf, stolpere fast über meine Tasche und drücke mich vorbei an dem Kontrolleur. Drücke mich an ihm vorbei, sage: „Entschuldigung“, ganz leise und beiße mir hinterher auf die Zunge, so ein Blödsinn, entschuldigung. Mit glitschigen Fingern krame ich den Fahrschein aus meiner Tasche, ewig dauert das, weil die Hosentasche eng ist, fummle an dem Ticketentwerter herum, kriege den Fahrschein nicht rein irgendwie, weil er jetzt doch ganz zerknüllt ist und ich komme gar nicht dazu, ihn zu knipsen, weil da greift der Kontrolleur schon nach meinem Handgelenk und sagt: „Kommen Sie bitte mit.“
An der Milchinselstraße steigen wir aus.

 

Hi apfelstrudel,

du hast ja ein Output, da könnte man direkt neidisch werden ;)

Ich hab' sie gerne gelesen, diese Straßenbahngeschichte. Hat mich zwar zuerst irritiert, dass die Protagonistin ständig von Bahn spricht, obwohl sie doch offensichtlich Straßenbahn oder S-Bahn meint, denn wenn ich Bahn sage, meine ich die Deutsche Bahn, also Züge, und in denen gibt es keine Fahrscheinentwerter, also so Apparate, in denen man den Fahrschein knipsen kann, aber dann habe ich mich nicht mehr daran gestört, dass sie Bahn sagt, obwohl sie Straßenbahn meint. Oder S-Bahn.

Überhaupt hat mir der Stil der Erzählung gut gefallen, dieses lapidare Erzählen, dieser bestimmt Duktus in der Stimme der Erzählerin. Ich konnte sie sehr gut vor mir sehen, diese schüchterne Person, die auch mal mutig sein will, genauso mutig, wie dieses blonde Mädchen mit dem Seesack.
Doch, das hast du sehr gut geschildert - und den Ton, diesen Erzählton auch sehr gut durchgehalten.

Allerdings (es gibt fast immer ein Allerdings) ist dir zeitlich etwas durcheinandergeraten. Oder? Du beginnst die Erzählung mit

Gestern bin ich Bahn gefahren.
und schilderst dann das erste Erlebnis mit diesem Mädchen und dem Seesack. Dann ist diese Schilderung vorbei und dann sagt mir die Erzählerin, dass sie seit diesem Erlebnis wieder öfter mit der Bahn fährt. Seit gestern? Öfter? Da muss was durcheinander geraten sein. Später sagst du (bzw. die Erzählerin) sogar, dass sie nach diesem Erlebnis, das ja eigentlich erst gestern passiert ist, vier Monate mit der Bahn gefahren ist, ohne das Mädchen noch einmal zu sehen.

Diese zeitliche Ungereimtheit solltest du noch mal überarbeiten.

Gruß
George

 

Hi George!

Das nenn ich mal ne schnelle Reaktion.

du hast ja ein Output, da könnte man direkt neidisch werden
Das ist nur vorübergehend, glaub ich. ;)

Die zeitliche Ungereimtheit ist ausgemerzt, das stimmt, ich hab ein "neulich" draus gemacht. Und ob nun Bahn oder Straßenbahn: Bei mir ist das Jacke wie Hose. Und Straßenbahn finde ich vom Klang nicht so schön, jedenfalls denke ich, dass es nicht zum Erzählton passt. Vom Prinzip her hast du natürlich recht, aber es ergibt sich ja dann aus dem Text, hoffe ich. :)

Freut mich wirklich sehr, dass es dir gefallen hat, danke für deine Rückmeldung!

Liebe Grüße,
strudel

 

Hallo apfelstrudel,

auf einer Metaebene finde ich deine Geschichte vor allem interessant. Deiner Erzählerin wertet permanent, zum Teil recht abfällig. Selbst das Mädchen, dessen Verhalten sie ja beeindruckt, bleibt von dieser Abfälligkeit nicht verschont. Das wiederholte "So eine" ist jedenfalls im deutschen Sprachgebraucht eindeutig negativ konnotiert. Und wenn man so bewertend durch die Bahngeschichte fährt, hat man natürlich Angst, die anderen Menschen agieren ähnlich. Entsprechend ist deine Erzählerin genauso permanent mit der Angst davor beschäftigt, was andere über sie denken könnten. Und in dieser Angst kann sie natürlich nicht so cool sein, wie das "farblose" Mädchen.
Als Hamburger hatte ich es schwer, deiner Geschichte zu entnehmen, in welchem Typ Bahn deine Erzählerin fuhr. Das liegt zum einen daran, dass wir dieses Entwertungssystem nicht kennen, es stehen schon, wenn man das Tickett löst, Datum und Uhrzeit darauf, zum anderen daran, dass du ungenau bist. Denn deine Protagonisten haben durchaus alle Fahrscheine, sie haben sie eben nur nicht entwertet. Darin liegt ein Gedankengang, den du in deiner Geschichte unter die Sitzbank fallen lässt, denn wenn deine Erzählerin das nicht entwertete Ticket in der Hand hält, müsste sie, statt der Idee, auszusteigen, auch die Idee, zum Entwertungsautomaten zu gehen, immer wieder neu bekommen und verwerfen, je nach innerer Spannung, selbst, wenn ihr Ziel klar ist.
Ein bisschen schade finde ich, dass du ab und zu Andeutungen darüber machst, was du überhaupt erzählen möchtest, es dann aber nicht tust. Das führte bei mir ab und zu zu Unlust.
Zu Beginn etwa frage ich mich, warum ein ganzer Absatz über das Bahnfahren? Dann kommt das Mädchen hinzu und ich denke, okay, sie möchte über das Mädchen erzählen, wenn die Geschichte aber vorbei ist, geht der Text weiter und es entsteht eine Geschichte darüber, dass es einer inneren Haltung zu Verhalten bedarf, damit dieses identisch wird, man also nicht einfach kopieren kann. Das ist soweit stimmig, im ersten Moment hatte ich aber den Gedanken, die Geschichte ist doch vorbei, warum folgt da noch so viel.
Mit der Mutter verfährst du ähnlich. Sie hat prägende Ausdrücke verwendet, die deine Erzählerin ablehnt (weil sie vielleicht die Mutter ablehnt), sie ist mit ihrer Tochter häufig schwarz gefahren (warum? Hatten sie vielleicht einfach wenig Geld?), man spürt die Auswirkungen aufs Selbstbewusstsein, aber keinen direkten Zusammenhang.
Das klingt jetzt gröber, als ich es meine, denn vom Erzählton her hat mir deine Geschichte auch gut gefallen.
Noch drei Dinge:

Mein Fahrschein ist entwertet. Ich weiß noch, dass meine Mutter früher immer knipsen gesagt hat. Aber knipsen ist ein blödes Wort. Fällt mir erst auf, wenn ich so drüber nachdenke. Knipsen klingt komisch. Deshalb sage ich entwerten, auch wenn das noch komischer klingt, aber wenigstens ist es korrekt.
"knipsen" ist ebenfalls korrekt und stammt aus einer Zeit, in der auch in den U- oder Straßenbahnen die Kontrolleure mit einer Zange Löcher in die Karten knipsten, um diese zu entwerten. Die Zangen sind natürlich technischer geworden und heute werden damit Daten auf die Billets geknipst.
Und dann kam tatsächlich ein Kontrolleur, gleich mehrere.
dann kam gleich mehrere Kontrolleur? Diese Vermischung von Singular und Plural geht nicht.
Nach vier Monaten oder so, also vier Monate, nachdem ich dieses Mädchen gesehen habe, ich hab sie schon fast vergessen, da sehe ich sie schon wieder.
schon drückt aus, die Erzählerin sieht sie dauernd, da sie das nicht tut, solltest du es streichen.


Lieben Gruß
sim

 
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Hallo Strudel,

ich mag die Geschichte. Mutwilliges Schwarzfahren ist ein super Thema. Man beweist sich die eigene Verwegenheit (oder auch nicht) und hoert das Blut in den Ohren rauschen. Ich zum Beispiel kann gar nicht schwarz fahren und habe das besonders als Teenager immer als Schande empfunden, empfinde ich noch heute so, wenn mein albanischer Freund dem Londoner Busfahrer eine ungueltige Fahrkarte unter die Nase haelt und schnell in den Bus springt, waehrend ich brav meine Muenzen abzaehle.
Auch den Titel finde ich super, denn abgesehen davon, dass "Strassenkoeter" eines der besten deutschen Worte ist, kann ich mir auch noch Sinn ausdenken. Naemlich folgenden: Das Maedchen ist zwar farblos, aber eben auch gerissen wie ein Strassenkoeter. Das eine erleichtert natuerlich das andere.
Im Gegensatz zu sim stoeren mich die unausgefuehrten Hinweise zur Mutter auch gar nicht. "Nuttenlippenstift" auf der einen und eigenes Schwarzfahren auf der anderen Seite ergeben fuer mich ein schoenes Miniportraet einer Person, die selbst nicht ganz sauber ist, aber eben doch gerne noch auf andere herabschaut.
So. Lob, Lob, Lob. Jetzt Tadel. Der Erzaehlstil gefaellt mir nicht so besonders, nicht im allgemeinen, sondern an Dir. Wenn ich mich hier im Forum nicht mittlerweile orientiert haette, waere mir wahrscheinlich gar nichts aufgefallen, aber dieses Erzaehlen im Perfekt, diese sich selbst berichtigenden und vervollstaendigenden Aussagen, das "irgendwie", das Umkreisen bestimmter Leitvokabeln (knipsen), das kenn ich eigentlich nicht von Dir. Kenne ich aber von einem anderen, Dir nahestehenden Forumsautor. Aber vielleicht ist das auch ganz natuerlich, dass man sich gegenseitig beeinflusst. Hier war mir die Stilanleihe aber etwas viel, zumal ich Deinen eigenen eigentlich sehr schoen finde.

Beweismittel:

stolpere fast über meine Tasche und drücke mich vorbei an dem Kontrolleur. Drücke mich an ihm vorbei, sage

Und ich hab zu dem Mädchen rübergeschaut, an dem massigen Körper des Kontrolleurs hab ich vorbeigeschaut und da steht einer neben ihr

Aber wie gesagt, eigentlich super.
lg
feirefiz

PS: Ich vergass, die vor schmutziger Wand unsichtbaren Haare zu loben

 

Hallo strudel,

auch für mich hat diese Geschichte irgendwie einen besonderen Reiz, da ich wohl auch zu den Menschen gehöre, die einfach nicht schwarz fahren könnten. Ich weiß auch gar nicht, woran das liegt. Auf jeden Fall habe ich in deiner Geschichte die Warnhinweise vermisst: 40 Euro sind viel Geld, Schwarzfahrer sind Verbrecher, usw. usf., du weißt schon. Das aber nur ein kleiner Kritikpunkt. Interessant finde ich die geheimnisvolle Beziehung deines Erzählers zu seiner Mutter, die nur angedeutet wird. Und diese Faszination, die der "nuttige Straßenköter" auf ihn auslöst, obwohl solche "Tussen" ja nun wirklich keine Seltenheit in der Straßenbahn sind. Das Ende der Geschichte war abzusehen und kam dennoch überraschend, was ich vor allem deiner Sprache zuschreibe, die mir in dieser Geschichte sehr gut gefallen hat, auch wenn - wie feirefiz auch meinte - von der deiner sonstigen Geschichten deutlich abweicht. Ich finde trotzdem, dass dir dieser Stil liegt, dieses hektische, leicht verwirrte, in der Darstellung eines durchaus leicht abgedrehten Erzählers. Einzelne Stellen finde ich wirklich großartig, z.B. die Beschreibung der Straßenköterhaare, die triste Mischung aus allen Farben der Natur, der das Mädchen mit Lippenstift entgegen wirken will. Aufpassen würde ich, wie sim war es glaube ich schon angemerkt hat, was das "Fahren ohne Fahrschein" angeht, da beide Figuren ja jeweils einen Fahrschein haben, der nur nicht entwertet ist. Das ist mir an manchen Stellen auch etwas durcheinander vorgekommen, vielleicht achtest du beim nächsten Korrekturlesen nochmal darauf, dass da nichts durcheinander gerät.

Ansonsten wirklich eine reizvolle Geschichte, die mir sehr gut gefallen hat!

Liebe Grüße,
Smilodon

 

Eine interessante Geschichte, finde ich. Von der Protagonistin habe ich mir ein etwas minderbemitteltes Bild gemacht, vielleicht daher. An dem Stil habe ich nicht die Bohne auszusetzen, die Geschichte las sich angenehm runter. Okay, ich dachte die ganze Geschichte lang auch, dass es um die Deutsche Bahn geht, allerdings ohne dass es mich sonderlich gestört hätte. :)

-- floritiv.

 
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Hallo sim!

Zunächst einmal vielen Dank für deine ausführliche Kritik und die Mühe, die du dir gemacht hast. Deine Gedanken zur Geschichte fand ich sehr interessant und hilfreich, besonders die Mutter werde ich noch überdenken, zumal ich ausnahmsweise das Gefühl habe, dass da noch ein wenig Spielraum für mich ist. Ich denke, dass das Schwarzfahren der Mutter nicht unbedingt im Geldmangel begründet war, sondern in einer generellen Ablehnung. So wie es jetzt ist, ist das noch recht spekulativ, da werd ich auf jeden Fall nochmal drübergehen. Aber es soll nicht um die Mutter selbst gehen, sondern um die Beziehung der Erzählerin zu ihr und die daraus resultierende Haltung. Muss ich mal sehen, was ich da für einen Mittelweg finde.

Das ist soweit stimmig, im ersten Moment hatte ich aber den Gedanken, die Geschichte ist doch vorbei, warum folgt da noch so viel.
Naja, wegen der Handlung! :D Ich wollte doch nicht wieder so ein Stimmungsbild, oder eine ziemlich langweilige Geschichte darüber, wie jemand Bahn fährt. Zudem käme es mir dann auch unfertig vor und ich wette, es hätte Kritik gehagelt. Und um das Verhalten der Protagonistin zu verstehen, braucht es doch einfach die Passagen über das Bahnfahren und das Mädchen, das baut doch aufeinander auf. Oder verstehe ich dich falsch?
Als Hamburger hatte ich es schwer, deiner Geschichte zu entnehmen, in welchem Typ Bahn deine Erzählerin fuhr.
Okay, was du hierzu sagst, da ist was dran. Ich werd mir was einfallen lassen, wie ich das Verständnis ein bisschen erleichtern kann, zumal die Kritik jetzt noch von anderen kam. Daran hatte ich beim Schreiben gar nicht so gedacht, wie ich gestehen muss.
Die Textstellen die du herausgesucht hast, hab ich abgeändert, danke auch hierfür. Freut mich wirklich sehr, dass die Geschichte dir gefallen hat. :)

Hallo feirefiz!

Auch dir vielen Dank für deinen Kommentar, schön, dass dir die Geschichte gefallen hat.

Auch den Titel finde ich super, denn abgesehen davon, dass "Strassenkoeter" eines der besten deutschen Worte ist, kann ich mir auch noch Sinn ausdenken.
Juhu! Ich hatte zuerst einen anderen, sehr langweiligen Titel, gut dass ich den nicht genommen habe. Das Lob freut mich insbesondere deshalb, weil ich mich mit Titeln immer sehr schwer tue.
Im Gegensatz zu sim stoeren mich die unausgefuehrten Hinweise zur Mutter auch gar nicht. "Nuttenlippenstift" auf der einen und eigenes Schwarzfahren auf der anderen Seite ergeben fuer mich ein schoenes Miniportraet einer Person, die selbst nicht ganz sauber ist, aber eben doch gerne noch auf andere herabschaut.
Ja wie gesagt, da muss ich einen Mittelweg finden. Es war nämlich durchaus so gedacht, wie es bei dir angekommen ist, also eine Charakterisierung der Erzählerin durch ihre Haltung zur Mutter. Ich stimme aber sim zu, ein bisschen könnte da noch dran.
Jetzt zum Tadel. :D
Der Erzaehlstil gefaellt mir nicht so besonders, nicht im allgemeinen, sondern an Dir. […] Kenne ich aber von einem anderen, Dir nahestehenden Forumsautor.
Jaa, dieser mir nahestehende Forumsautor hat schon was in der Richtung gesagt, dass Einwände dieser Art kommen würden. Mir war das beim Schreiben gar nicht so bewusst. Und ich finde auch jetzt nicht, dass ich einen fremden Stil kopiere. Die Idee zur Geschichte hatte ich schon länger, ich konnte es nur nie richtig aufschreiben, wie das so oft ist. Mir hat halt der passende Ton gefehlt, und gestern ging es dann ohne weiteres. Soll heißen, ich hab da eher mein Unterbewusstsein arbeiten lassen. Natürlich ist niemand immun gegen Beeinflussung und ich ganz bestimmt nicht, aber ich habe niemanden versucht zu kopieren, somit kann mir auch keiner vorwerfen, der Stil wäre aufgesetzt. Hat sich halt so ergeben und damit ist es immer noch meine Art zu schreiben, auch wenn es sich von meinen anderen Geschichten stilistisch abhebt. Aber mein Gott, warum um alles in der Welt darf ich nicht auch mal was anderes machen? Ich bin weit davon entfernt, perfekt zu schreiben, ein bisschen Ausprobieren wird ja wohl drin sein. ;)
Nichtsdestotrotz hat es dir ja gefallen, das freut mich.

Hallo Smilodon!

auch für mich hat diese Geschichte irgendwie einen besonderen Reiz, da ich wohl auch zu den Menschen gehöre, die einfach nicht schwarz fahren könnten. Ich weiß auch gar nicht, woran das liegt.
Ich weiß nicht was ihr habt, ich hab damit kein Problem. :D
Zum kleinen Kritikpunkt: Naja, auf Warnhinweise hab ich jetzt bewusst verzichtet. Dieses Schwarzfahrerthema ist ja nur das Setting im Prinzip, das Drumherum, es geht ja nicht explizit ums Schwarzfahren. Diese Strafhinweise fand ich eigentlich überflüssige Details.
Aufpassen würde ich, wie sim war es glaube ich schon angemerkt hat, was das "Fahren ohne Fahrschein" angeht, da beide Figuren ja jeweils einen Fahrschein haben, der nur nicht entwertet ist. Das ist mir an manchen Stellen auch etwas durcheinander vorgekommen, vielleicht achtest du beim nächsten Korrekturlesen nochmal darauf, dass da nichts durcheinander gerät.
Jepp, das werde ich gleich noch überarbeiten.

Dass dir die Sprache gefallen hat, freut mich, vor allem, weil es auch richtig Spaß gemacht hat beim Schreiben. Vielen Dank auch dir fürs Lesen und Gutfinden!

Hallo Are-Efen!

Dieses Bild drängt einen, sich die beiden Protagonisten in Verbindung mit einer Hauswand, oder eher noch mit einem ganzen Bau, vorzustellen.
Bei der einen hat man den Blick auf das Äußere und bei der anderen eher auf das Innere.
Da durch das verwandte Verhalten die Aufmerksamkeit auf diese gewisse Symmetrie gelenkt wird, ist man als Leser geneigt, in diesem Rahmen die jeweils fehlenden Attribute zu ergänzen, indem man zurückgreift auf das, was "geschichtlich" zur Verfügung steht.
Ja, das liegt dann wohl an der Perspektive, oder? Die Erzählerin kennt das Mädchen nicht und kann deshalb nur beschreiben, was sie sieht, und aus diesen Gedanken wird man dann schlau über die Erzählerin. Wenn ich deinen Kommentar jetzt richtig verstehe, hat das irgendwie geklappt. ;)
Übrigens würde keiner annehmen, dass nur eine Person damit gemeint ist, wenn im Titel stünde "Schwarzfahrer".
"Straßenköter" kann, so wie es da steht, auch nur in der Mehrzahl verstanden werden.
Nein, den jetzigen Titel finde ich besser. Außerdem rückt mir dann der Fokus zu sehr auf das Thema Schwarzfahren, was ja eigentlich nur die Nebensache ist. Und klar, der Straßenköter ist doch Einzahl, oder nicht? Kann also im Plural und auch im Singular verstanden werden. Bleibt jedenfalls so.
Danke für deinen Kommentar!

Hi floritiv!

Schön, dass dir die Geschichte mitsamt dem Stil gefallen hat. Ob die Erzählerin minderbemittelt ist, weiß ich nicht, ich würde es vielleicht nicht ganz so krass ausdrücken. Eher unsicher. Aber gut, es kam bei dir so an und das kann ich annehmen. ;) Ob nun Deutsche Bahn oder Straßenbahn, da werde ich mal gucken, ob ich gleich am Anfang noch was ändere, damit das von vornherein klar ist.
Vielen Dank auch dir für deine Rückmeldung.


Liebe Grüße an euch alle,
apfelstrudel

EDIT: So, Änderungen sind eingefügt. Ich hoffe, es ist jetzt besser und ich hab kein Brett vor dem Kopf.

 

hallo, apfelstrudel

also von schwarzfahren habe ich recht viel ahnung, auch deshalb gefiel mir deine story. mich hat auch anfang verwirrt ob du nun den zug meinst oder sie s-bahn, aber das kann man schnell ändern. der erzählstil interessant, so ein wenig dümmlich und einfältig kommt der protagonist rüber, was er ja glaube ich auch sein soll... zum schluss habe ich gelacht

gruß,

juju

 

Hallo JuJu!

Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Ich habe das jetzt ein bisschen deutlicher gemacht, ob es sich um Straßenbahn oder Zug handelt, das dürfte jetzt klar sein. Für mich persönlich ist die Erzählerin nicht unbedingt dümmlich, aber das ist eine Sache der Wahrnehmung, wenn du das so empfunden hast, ist das okay. Vielen Dank für deinen Kommentar!

Liebe Grüße,
strudel

 

Hallo Are-Efen!

Im Grunde war er seit eh und je der Herr der Straße --- und wenn er nun großzügigerweise eine Bahn da fahren läßt, ist es für ihn doch selbstverständlich, dass er sie unentgeltlich nutzen darf. :-)))
Das nenn ich mal ein Argument. :D Ja, die Interpretation gefällt mir. Diese Eigenschaft ist es ja letztendlich, was das Mädchen so beneidenswert für die Erzählerin macht, auch wenn sie es sich nicht so recht eingestehen mag. Ist interessant zu sehen, was für Gedanken die Geschichte auslöst, Dinge, an die ich beim Schreiben entweder gar nicht oder nur unterbewusst gedacht hab. Vielen Dank für deine Interpretation und deine erneute Rückmeldung!

Liebe Grüße,
strudel

 

Hallo apfelstrudel

Eine Raffinesse, ausgesprochen! Duktus wird durchgehalten, was ich als schwierig erachte. Mir persönlich ist dieses dauernde nochmalige Bestätigen des Denkens zu einschläfernd, zumal auch grobe Umgangssprache gewählt wurde (aber das, wie gesagt, sauber umgesetzt).
Die Person wird ausreichend gezeichnet, das Bild stand klar vor Augen - auch das Mädchen mit dem Seesack.
Verwirrend finde ich, dass sie lieber "entwertet" denkt, weil ihre Mutter ja immer "knipsen" sagte, sie das aber nicht korrekt findet. Am Ende der Geschichte denkt sie aber wieder "knipsen" - was soll ich denken?
Die Person kommt mir sehr bieder daher, auch wenn sie zum Schluss das Abenteuer wagt - und diese Person denkt: Wow! Diesen Sprachschatz traue ich ihr nicht ganz zu - so, genug gemeckert.
Gerne gelesen und famos erzählt.
Liebe Grüße
Detlev

 

Hallo Detlev!

Ja, der Text ist natürlich sehr umgangssprachlich, das gefällt oder es gefällt nicht. Deinen Geschmack hab ich nicht getroffen, aber man kann es ja auch nicht allen recht machen. :)

Verwirrend finde ich, dass sie lieber "entwertet" denkt, weil ihre Mutter ja immer "knipsen" sagte, sie das aber nicht korrekt findet. Am Ende der Geschichte denkt sie aber wieder "knipsen" - was soll ich denken?
Naja, das soll eigentlich nur verdeutlichen, dass sie ihre Mutter ablehnt und es anders machen möchte als sie, aber im Prinzip hat sie einige Verhaltensmuster von ihr übernommen und kann gar nichts dagegen machen. Deshalb korrigiert sie sich ja auch ständig. So sehe ich das jedenfalls.
und diese Person denkt: Wow! Diesen Sprachschatz traue ich ihr nicht ganz zu
Ach doch, ich schon. Sooo ungewöhnlich ist das jetzt nicht. Es macht auch einen Unterschied, ob man nur was denkt oder ob man es sagt. Viele Sachen, die man denkt würde man gar nicht aussprechen.
Gerne gelesen und famos erzählt.
Das ist doch schön. :) Danke für deine Kritik!

Liebe Grüße,
strudel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo apfelstrudel,

auch mir gefällt deine Geschichte sehr gut. Durch die Sprache, den rotzigen Plauderton wird man schnell in das Geschehen hineingezogen. Super auch das angedeutete Verhältnis zur Mutter.
Allerdings klingt der Prot für mich eher wie ein Junge. Also für mich ist er einer.
Vieles Positive ist ja schon gesagt worden. Da schließe ich mich gerne an.
Allerdings finde ich, das die Geschichte durch ein paar Kürzungen noch erheblich gewänne. Besonders die zweite Hälfte ist für mein Empfinden viel zu lang.
Außerdem kommt dein Plauderton manchmal etwas ins Holpern. Das merkst du, wenn du mal laut liest. Das würde ich an deiner Stelle ändern.
Hier mal ein paar Beispiele:

Ach so, der Anfang...

Neulich bin ich Straßenbahn gefahren. Das mache ich sonst nie, ist mir zu voll da. Und zu teuer. Früher bin ich viel Bahn gefahren, jetzt nicht mehr. Aber gestern habe ich es mal gemacht

Das "gestern" muss natürlich auch weg. Wie wäre es mit:
Ich bin mal wieder Straßenbahn gefahren. Das mache ich sonst nie, ist mir zu voll da. Und zu teuer. Früher bin ich viel Bahn gefahren, jetzt nicht mehr. Aber dann hab ich das mal wieder gemacht ...

oder so ähnlich.

Und wahrscheinlich trug sie deshalb den Lippenstift so rot, um das alles wieder wettzumachen.

Im nächsten Satz kommt wieder "trug". Deshalb Vorschlag: Wahrscheinlich deshalb der knallrote Lippenstift, um das alles wieder wettzumachen.

Und zwischen ihren Füßen auf dem Boden fläzte ein Seesack

Kann ein Seesack fläzen? "lag" oder "war" fände ich da besser.

Es stieg einer hinten ein ...

Einer stieg hinten ein ...

und ich weiß, dass mir ganz heiß und kalt geworden ist ...

Du hast mehrere Stellen mit "ich weiß, dass". Deshalb vielleicht besser: mir ist ganz heiß und kalt geworden ...

Das war immer so gewesen, wenn ich kontrolliert wurde

Das war schon immer so, wenn ...

Nicht, weil wir es uns nicht hätten leisten können

Nicht, weil wir es uns nicht leisten konnten ...

Vielleicht weißt du jetzt, was ich meine. Das sind zwar ganz kleine Eingriffe in den Text, aber ich denke, der Plauderton wird konsequenter, wenn du die Ausrutscher in die Schriftsprache vermeidest.

Ich weiß noch, dass ich gedacht hab: Wow

Ich hab gedacht ...
Ich denke auf einige "ich-weiß-noch-dass-Sätze kannst du verzischten.

Oder ich glaube, ich habe eher gar nichts gedacht. Oder ich weiß es einfach nicht mehr. Was denkt man in so einem Moment?

Wahrscheinlich hab ich gar nichts gedacht. Was denkt man in so einem Moment?

Und am besten barfuß. Aber das Mädchen hier war nicht barfuß, die hatte Schuhe an.

Und natürlich barfuß. War sie aber nicht, sie hatte Schuhe an.

Komisch, hab ich gedacht, das weiß ich noch. Komisch.
Komisch, hab ich gedacht, echt komisch.

Soweit einfach mal ein paar Vorschläge. Auffallend sind auch die vielen Sätze, die mit "Und" beginnen. Da könntest du einige von streichen, finde ich.

Der folgende Absatz, beginnend mit "Ich fahre jetzt immer mal mit der Bahn" wirkt wie eine neue Einleitung und bremst deine Geschichte unnötig. Außerdem widersprichst sich der Prot im nächsten Absatz. Er fährt ja Bahn, um das Mädchen wiederzusehen, sagt dann aber, er habe sie schon fast vergessen.
An der Stelle würde ich auch radikal kürzen, um der Geschichte das Tempo nicht zu nehmen.

Vorschlag:
Ich fahre jetzt immer mal mit der Bahn. Eigentlich Schwachsinn, aber ich denke, vielleicht sehe ich sie mal wieder. Und dann, tatsächlich, fast vier Monate später steigt sie auf einmal ein. Ganz hinten steigt sie in die Bahn, und ich stehe in der Mitte. Weil ich keine Lust hab mich neben jemanden zu setzen, steh ich in der Mitte. Und komisch, denke ich, komisch, das Mädchen sieht genauso aus wie damals, Seesack, struppige Haare, Lippenstift. Und sie knipst nicht. Also entwertet nicht. Und so eine wie die hat bestimmt keine Monatskarte.
Ich habe auch keine Monatskarte, fällt mir ein und ich lächle überrascht. Ich habe keine Monatskarte und ein Ticket hab ich auch nicht gekauft. Ganz vergessen. Ich fahre schwarz.

Ich sitze also direkt neben dem Eingang, den Fahrscheinentwerter ganz in der Nähe und ich stelle meine Tasche zwischen meine Füße auf den Boden.

Hier würde ich das ich rausnehmen und vielleicht sogar sagen: ... und stelle meine Tasche wie einen Seesack zwischen meine Füße auf den Boden.

Das verstärkt die Nachahmung.

Versuche, ein bisschen mit den Füßen zu wackeln

mit den Füßen wackeln klingt komisch. Besser: ich bohre mit den Füßen... denn das hat das Mädchen ja auch gemacht.

Der Fahrschein ist in meiner Hand, ein bisschen feucht von meinem Schweiß, ich stecke ihn in meine Hosentasche und ich frage mich
Auch solche Wiederholungen solltest du konsequent vermeiden.

Der Fahrschein in meiner Hand, ist schon ganz feucht vom Schweiß, ich stecke ihn in die Hosentasche und frage mich ...

Und in dem Moment, in dem ich das denke, steigen sie ein,

Und genau in dem Moment steigen sie ein,


Mit dem Schluss bin ich mir unsicher. Der Kontrolleur greift nach dem Handgelenk. Darf der das? Am nächsten Halt steigen wir aus. Ist es nicht so, dass er sofort die 40 Euro verlangt und / oder den Personalausweis sehen will?
In dem Fall könnte er ja auch sagen: Ich bekomme 40 Euro und den Personalausweis bitte.
Oder so ähnlich.

So, apfelstrudel, jetzt hab ich mich hier ganz schön festgebissen.
Ich hoffe, du kannst mit den Vorschlägen was anfangen.

Beste Grüße
falky

 

Hallo falky!

Vielen Dank für deine wirklich ausführliche Kritik, hat mich sehr gefreut! Ich stimme dir in vielen Dingen zu, in anderen wieder nicht und ein paar Sachen muss ich mir noch durch den Kopf gehen lassen. Ich geh jetzt mal auf einige Punkte im einzelnen ein.

Allerdings klingt der Prot für mich eher wie ein Junge. Also für mich ist er einer.
Ja das ist ganz seltsam, weil bevor ich das aufgeschrieben hab, war der Erzähler für mich auch ein Junge. Ich dachte dann aber, ich mach ein Mädchen draus, weil ich wusste nicht, wie gut ich aus der männlichen Perspektive erzählen kann. Offenbar besser als ich dachte. :D Das ist auf jeden Fall nicht ganz deutlich, die Tasche ist vielleicht das einzig wirklich Weibliche, das Kramen usw. Aber naja, mich störts nicht und bisher hat sich keiner beklagt, also tja.
Außerdem kommt dein Plauderton manchmal etwas ins Holpern. Das merkst du, wenn du mal laut liest.
Hab ich eigentlich. Und ich finde gar nicht, dass es holpert, aber es liest ja auch jeder anders. Naja mal sehen.
Das "gestern" muss natürlich auch weg. Wie wäre es mit:
Ich bin mal wieder Straßenbahn gefahren. Das mache ich sonst nie, ist mir zu voll da. Und zu teuer. Früher bin ich viel Bahn gefahren, jetzt nicht mehr. Aber dann hab ich das mal wieder gemacht ...
Ich weiß nicht. Da kommt zwei mal "mal wieder" vor. :D Also, das "gestern" fliegt auf jeden Fall raus, das hatte ich übersehen und nach hundert Mal lesen fällt einem selbst sowas nicht mehr auf.
Kann ein Seesack fläzen? "lag" oder "war" fände ich da besser.
Klar, ein Seesack kann alles. :D Ach ich mag die Stelle eigentlich sehr gern, fläzen klingt doch toll. Auf jeden Fall finde ich "lag" oder "war" ein bisschen langweilig.
Einer stieg hinten ein ...
Ich versteh nicht, wieso das besser ist als "Es stieg einer hinten ein" ehrlichgesagt.
Du hast mehrere Stellen mit "ich weiß, dass". Deshalb vielleicht besser: mir ist ganz heiß und kalt geworden
Jupp, werd ich mal gucken, welches "ich weiß, dass" ich da rausschmeiße.
Vielleicht weißt du jetzt, was ich meine. Das sind zwar ganz kleine Eingriffe in den Text, aber ich denke, der Plauderton wird konsequenter, wenn du die Ausrutscher in die Schriftsprache vermeidest.
Ja mal sehen. Da sind einige Ecken und Kanten drin, aber ich wills gar nicht so aalglatt. So viel Schriftsprache sehe ich da auch nicht, vieles was du zitiert hast, würde ich persönlich wirklich so sagen oder denken.
Und natürlich barfuß. War sie aber nicht, sie hatte Schuhe an.
Ach naja. Das wäre wirklich inkonsequent von mir. ;)
Außerdem widersprichst sich der Prot im nächsten Absatz. Er fährt ja Bahn, um das Mädchen wiederzusehen, sagt dann aber, er habe sie schon fast vergessen.
Hm, ich hab nochmal nachgelesen und gebe dir recht, dass das nicht ganz eindeutig ist. Es war so gemeint, dass er (bzw. sie) zuerst Ausschau nach dem Mädchen hält und dann aber ganz automatisch weiter Bahn fährt. Das Mädchen hat er schon fast vergessen, fährt aber trotzdem noch gelegentlich, obwohl er ja eigentlich keinen Grund mehr hat. Sollte ich deutlicher machen, danke für den Hinweis.

Kürzen ist eine wirklich schwierige Sache. Kann sein, dass du recht hast, ich kann das im Moment nicht sagen. Erstmal muss ich Abstand zu der Geschichte gewinnen, dann werd ich da objektiver rangehen können und vielleicht ein paar Dinge streichen. Im Moment scheint mir alles wichtig zu sein.

Hier würde ich das ich rausnehmen und vielleicht sogar sagen: ... und stelle meine Tasche wie einen Seesack zwischen meine Füße auf den Boden.
Das "ich" fliegt raus, aber der Rest bleibt so. Das wäre schon wirklich ein Wink mit dem Baumstamm, da kann man als Leser selber drauf kommen.
mit den Füßen wackeln klingt komisch. Besser: ich bohre mit den Füßen... denn das hat das Mädchen ja auch gemacht.
Ja eben. Der Erzähler versucht es genauso zu machen, kriegt es aber nicht hin. Deshalb ja das Wackeln, das sieht albern aus und deswegen wird er ja auch schief angeguckt.
Auch solche Wiederholungen solltest du konsequent vermeiden.
Jap.
Mit dem Schluss bin ich mir unsicher. Der Kontrolleur greift nach dem Handgelenk. Darf der das?
Keine Ahnung, ehrlichgesagt. Das habe ich beim Schreiben auch kurz überlegt. Aber ich wurde bisher auch nur einmal erwischt und da hab ich nicht so eine Show abgezogen, dass anfassen nötig gewesen wäre. :p Ich finde das aber okay so. In meiner Geschichte macht der Kontrolleur das halt.
Ist es nicht so, dass er sofort die 40 Euro verlangt und / oder den Personalausweis sehen will?
Hm, ist unterschiedlich glaub ich. Ich hab auch schon welche aussteigen sehen. Das ist so, wenn man ewig rumkramt usw, wenn es zu lange dauern würde, das in der Bahn abzufertigen. Dann muss man aussteigen.

Also nochmal vielen Dank für deine Anregungen, das ist sehr hilfreich für mich. Ich werde das auf jeden Fall noch überarbeiten. Und das Lob hat mich natürlich auch gefreut. :)

Liebe Grüße,
strudel

 

Hallo Apfelstrudel,

Am nächsten Tag fahre ich wieder schwarz, diesmal mit Absicht, und insgeheim hoffe ich, dass jetzt ein Kontrolleur kommt und meinen Fahrschein sehen will, damit ich es machen kann, wie das Mädchen.
Der Satz stört mich ein bisschen, weil er etwas anführt, das ich aus der Gschichte schon selbst weiß.

Ansonsten gefällt mir die Geschichte sehr gut. Das Aberwitzige Tempo macht wirklich Spaß, das Abgleiten der Gedanken immer wieder zu der Mutter hin macht die Figur rund, sympathisch und neurotisch, ohne die Mutter würde die Geschichte zu sehr im luftleeren Raum spielen, so als wäre die Figur nur für die Geschichte erschaffen worden, so wirkt sie viel fassbarer.

Also ich fand's echt gut und na ja, ich schreib vielleicht manchmal auch so ähnlich, aber den Stil hab auch ich sicherlich nicht erfunden ;)
Quinn

 

Keine Ahnung, ehrlichgesagt. Das habe ich beim Schreiben auch kurz überlegt. Aber ich wurde bisher auch nur einmal erwischt und da hab ich nicht so eine Show abgezogen, dass anfassen nötig gewesen wäre. :p Ich finde das aber okay so. In meiner Geschichte macht der Kontrolleur das halt. Hm, ist unterschiedlich glaub ich. Ich hab auch schon welche aussteigen sehen. Das ist so, wenn man ewig rumkramt usw, wenn es zu lange dauern würde, das in der Bahn abzufertigen. Dann muss man aussteigen.
Man muss in jedem Fall aussteigen, jedenfalls hier beim Hamburger Verkehrsverbund. Schon, weil man zu den 40 Euro auch noch ein Ticket kaufen muss. Es werden aber auch die Personalien aufgenommen.

 

Hallo Strudel,
die arme Protagonistin! Ich fahre jeden Tag Straßenbahn, manchmal ist es ein Abentuer, immer eine Milieustudie und die Erinnerung an gute alte Zeiten, als der Schaffner noch selbst "knipste" und sich alle Leute verträglich benahmen, macht mich ein bißchen wehmütig. Heute wird beim Schwarzfahren keine Ausnahme gemacht, wer kein abgestempeltes Ticket hat, wird abkassiert. (Bei uns in Duisburg jedenfalls) Jedenfalls hätte ich Deiner P. gewünscht, dass sie mal "durchkommt". Der Anfang ist mir etwas zu holperig, ansonsten habe ich die Geschichte mit Genuß gelesen.
LG,
Jutta

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Quinn!

Über die zitierte Stelle denk ich noch nach. Dass dir die Figur gefallen hat freut mich besonders, weil das Hauptaugenmerk hier ja wirklich auf den Charakteren liegt. Schön, dass du das gelungen fandest. :) Zum Stil sag ich jetzt nix mehr, das hab ich schon zur Genüge getan.
Vielen Dank für deinen Kommentar!

Hallo nochmal sim!

Man muss in jedem Fall aussteigen, jedenfalls hier beim Hamburger Verkehrsverbund. Schon, weil man zu den 40 Euro auch noch ein Ticket kaufen muss. Es werden aber auch die Personalien aufgenommen.
Also bei uns ist es so, dass man mit dem Knöllchen auch in der Bahn sitzen bleiben darf. Und man kann dann auch den ganzen Tag damit fahren, ohne noch ein Ticket zu kaufen. Ziemlich praktisch eigentlich, Schwarzfahren lohnt sich hier. :D

Hallo Jutta!

Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat und du dich darin irgendwie wiedergefunden hast. Und Mitgefühl ist immer ein gutes Zeichen. Auch dir vielen Dank für deinen Kommentar!

Liebe Grüße an euch drei,
strudel

 

Guten Tag, apfelstrudel!

Erstmal: Ich fand die Geschichte herrlich zu lesen. Man hört die Protagonistin richtig erzählen, ganz lebensecht, ein bißchen verzettelt und überaus farbenfroh.

Dann gefiel mir auch die Handlung. Das ist so eine Geschichte, die ja eigentlich tragisch ist: Der Straßenköter macht da ganz souverän was Illegales vor den Augen des Gesetzes und kommt durch, und die Heldin plant mit viel Adrenalineinsatz und weitschweifigen Gedanken eine Nachahmungstat und wird kalt erwischt.

Gekonnt schwarzfahren, Türsteher überzeugen, daß man auf der Gästeliste steht, einen Aldi-Leergutbon vorzeigen und als Pressemitglied durchgehen, ein befugtes Gesicht machen: Das sind umstrittene, aber sehr coole Künste. Man bekommt etwas extra, nicht weil man es verdient hat, sondern "weil du's bist".
Gemeinerweise können manche Menschen das und andere nicht. Die, die es nicht können, sind oft heimlich neidisch, selten geben sie (wie Deine Heldin) offen zu, daß sie das auch gern können würden, oder versuchen es sogar.
Daß sie dabei keinen Erfolg haben würde, war ziemlich klar, aber man hätte es ihr gewünscht. Gemein, wenn man mit den großen Hunden pinkeln will und das Bein nicht hoch genug kriegt. Andererseits sind das ja nicht die großen Hunde. Es sind einfach diese Hunde. Auf die könnte man mal anstoßen.

Nochmal: Klasse Geschichte.
Liebe Grüße und XXL-Sonntagsfrieden,
Makita.

 

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