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Traumwanderer

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13.05.2008
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Traumwanderer

Ich brauchte keine Träume, solange ich den Abendlauf der Sonne beobachtete, denn es berauschte mich jedes Mal, wenn ich sah, wie sie sich von ihrem Thron über den Baumwipfeln zu ihrem Gemach unter dem Horizont zurückzog. Ich liebte diese Momente. Sie waren ehrlich und real. Aber diese Momente waren nur ein Aufflackern von Schönheit, die im Gegensatz zu meinem restlichen Leben stand.

Am Tag war ich nicht mehr als ein einfacher und glückloser Bürohengst, welcher, umgeben von grauen Wänden, grauen Anzügen und grauen Kollegen, sein Dasein fristete. Es gab nichts Ungewöhnliches in meinem Leben, bis auf die wenigen Sonnenuntergänge und die vielen Träume in der Nacht.

Dennoch träumte ich nicht wie all die anderen Menschen. Sicherlich hatte ich solche Träume gehabt, früher einmal. Aber da meine Suche nach menschlicher Nähe am Tag keinen Erfolg gebracht hatte, hatte ich begonnen auch in der Nacht danach zu suchen. Diese Suche hatte meine Träume verändert. Ich hatte mich in ihnen immer weniger als Akteur, sondern mehr und mehr als Beobachter gefühlt.

Ich war nun nicht länger die Person, welche vor der Dunkelheit flüchtete und ich war auch nicht mehr der, der liebte. Ich war nun der, welcher zusah, wie jemand flüchtete und jener, der zusah, wie jemand liebte. Aber so komisch es auch klang, ich spürte, dass diese Menschen, die ich beobachtete, real waren und keine Hirngespinste meiner Fantasie.

So zog ich in jeder Nacht in die unterschiedlichsten Träume. In jene, die voller Hoffnung, Liebe und Freundschaft waren, aber auch in jene, die mir Verzweiflung, Hass und Feindschaft zeigten.
In einer dieser, durch Schlaf geborenen Fantasien, konnte ich erkennen, wie eine Frau und ein Mann sich starr gegenüber standen. Ich spürte, dass dies der Traum dieser wunderschönen, schwarzhaarigen Frau war. Sie beide standen auf einer Kreuzung inmitten einer Großstadt, an einem wolkenlosen Tag. Aber ein schweres Gefühl über allem, strafte diese Fassade lügen, denn als sie ihre Sehnsucht nicht länger zurückhalten konnte, hob sie die Hand um sein Gesicht zu berühren. Doch als sie ihm durch diese Geste näher kam, glitt er ohne jede Bewegung rückwärts und ich konnte zusehen wie ihr eine Träne über die Wange lief. Sie sah merkwürdig aus - so , als ob sie wüsste was geschehen würde, es aber nicht würde verhindern können.

Die Frau machte einen Schritt vorwärts. Der Mann glitt zwei zurück. Der Himmel verdunkelte sich und endlose Häuserreihen verkamen zu Ruinen. Sie begann auf ihn zu zulaufen und wurde immer schneller, um ihn doch noch erreichen zu können. Währenddessen breitete Dunkelheit sich vom Horizont her aus und verschlang die Ruinen und toten Straßen. Nun rannte sie so schnell sie konnte, aber sie kam ihm einfach nicht näher. Stattdessen raste die Dunkelheit unaufhörlich auf sie zu. Als diese schwarze Wand dann den Mann verschlang, blieb sie inmitten der Dunkelheit stehen und brach zusammen.

Dieser Traum blieb mir noch Tage danach im Bewusstsein. Ich konnte einfach das Gesicht dieser Frau nicht vergessen, dass, im Moment, in dem sie zusammengebrochen war, jegliche Gefühlsregung verloren hatte. Ihre Augen waren leer geworden, schon mehr als nur des Todes nah; und ihre Lippen hatten keinerlei Emotion mehr in dieses makellose Antlitz gezeichnet. Ohne Hoffnung und ohne Trost war ihr Geist dann in einen traumlosen Schlaf hinübergeglitten.

So verstrichen nun die Nächte. Ich musste zugeben, dass ich jeden dieser Träume genoss, obwohl sie größtenteils die gleichen Situationen beschrieben. Auch in dieser Nacht schlich ich mich wieder in fremde Träume, bis ich begriff, dass mein Tun dem eines Parasiten glich. Mein eigener Verstand, nicht fähig selbst zu träumen, kroch in geheime Wünsche und Ängste anderer Menschen, um sich daran zu ergötzen. Ich wusste nicht woher dieser Gedanke kam, aber er ließ mich aus meinem Schlaf aufschrecken und mit hämmerndem Herzen auf meinem Bett zurück.

Unfähig meine Augen wieder schließen zu können, stand ich auf und blickte aus dem Fenster.
Es wurde schon langsam hell und ich beschloss, noch vor der Arbeit eine Runde mit dem Rad zu drehen, um über dieses bittere Gefühl in meinem Gewissen nachzudenken.

Es war ein herrlicher Moment. Der Geruch einer verregneten Nacht an einem klaren Sommermorgen hing in der Luft und die Vögel zwitscherten dem neuen Tag entgegen. Diese Minuten waren wunderschön, ehrlich und real.

Ich fuhr bis zu jenem Hügel, von dem aus man über die Wälder wie über ein grünes Meer sehen konnte. Ich liebte diesen Ort. Er war so still und unberührt. Mein Fahrrad legte ich in das feuchte Gras und setzte mich mit dem Rücken an meinen Lieblingsbaum. Von hier aus hatte ich einen traumhaften Blick über die sich wogenden Baumwipfel.

Gerade als ich zur Ruhe kam, kehrten meine nächtlichen Gedanken zu mir zurück:
Ich breche die Privatsphäre anderer Menschen. Wie ein widerlicher Voyeur streife ich durch ihre Sehnsüchte, Verlangen und Begierden. So jemand will ich nicht sein. Ich will niemand sein der anderen bei ihren Ängsten oder Wünschen zusieht. Einmal schon, konnte ich vom Akteur meiner eigenen Träume zum bewussten Beobachter fremder Träume werden.

Meine eigenen Träume? Jene meiner Kindheit habe ich fast vergessen. Worum ging es bei ihnen eigentlich? Ich wollte doch Menschen anspornen und ihnen Hoffnung schenken, stattdessen beobachte ich sie bei ihrem Leid. Vielleicht ist es mir möglich meine Träume noch einmal zu verändern und den Menschen so die Hoffnung zu geben die sie benötigen, um stärker zu werden.

Diese Gedanken hatten meinen Geist beschwichtigt und die Sonne wärmte mich, wie meine Daunendecke in der Nacht. Ich glitt schon bald wieder in einen tiefen Schlaf und verspürte einen Sog zu einem mir bekannten Traum.

Da stand sie wieder, mit dem Gesichtsausdruck als wüsste sie, was geschehen würde. Sie hob die Hand um ihn zu berühren aber er glitt bewegungslos zurück. Dieser Traum muss sich ändern lassen. Ich will nicht noch einmal in ihr leeres und totes Gesicht sehen. Sie soll die Hoffnung bekommen die sie sucht. Meine Gedanken verflechteten sich mit ihrem Traum und ließen mich erstarren. Ihre Sehnsucht, die ich nun deutlicher spüren konnte als je zuvor, überwältigte mich.

Als ich mich wieder fing, kroch diese schwarze Wand gerade den Horizont empor. Die Frau rannte auf ihren Geliebten zu aber er entfernte sich immer schneller von ihr. Für jeden ihrer Schritte glitt er zwei zurück, näher und näher an die Dunkelheit. Ich konzentrierte mich auf diese Dunkelheit um zu verhindern, dass sie ihn verschlang. Und tatsächlich stoppte sie ihren Lauf. Meine Gedanken überschlugen sich: Sie sieht mich an. Sie weiß, dass ich hier bin. Sie ist wunderschön. Sie spürt mich. Ob sie weiß, dass ich real bin? Sicher nicht; es ist doch nur ein Traum.

Ich schreckte auf und mein Herz hämmerte wie es das wenige Stunden zuvor getan hatte. Mein Verstand war wie vernebelt von der Tatsache, dass ich ihren Blick auf mir hatte ruhen sehen. Aber ihre Augen waren ruhig gewesen und ihre Lippen zu einem leichten Lächeln geformt. Sie hatte wunderschön ausgesehen.

Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich schon wieder zu spät zur Arbeit kommen würde, aber das hatte im Moment keine Bedeutung. Wer ist sie?, hallte es ununterbrochen durch meinen Kopf. Den gesamten Weg bis zu meinem Büro in der Innenstadt, flog ich mehr als ich fuhr. Endlich angekommen stellte ich mein Fahrrad an die Hauswand und eilte hinein.

Meine Kollegen, welche mit mir im Büro arbeiteten, würden sich sicher wieder einige Sprüche einfallen lassen, um mir zu zeigen wie spät ich war. Darin waren sie kreativ. Ich hatte die Eingangstür noch nicht einmal richtig geschlossen, als ich bereits die erste schnippische Frauenstimme vernahm: „ Na, da sieht dich unsere neue Chefin gleich von der besten Seite.“

Ich drehte mich um und wollte, ohne jeden Kommentar, einfach an meinen Platz. Doch sie stand bereits vor mir. Die neue Chefin - mit ihrem wunderschönen langen schwarzen Haar und diesem makellosen Gesicht, welches von einem zärtlichen, wissenden Lächeln durchzogen war.

Wir sahen uns an, sicher mehr als eine Ewigkeit. Dann hob sie ihre Hand und ich wusste, dass ich nie wieder fortlaufen würde. Nie wieder.

 
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Hi TräumerChris,

fangen wir mit dem Textkram an:

Ich brauchte keine Träume solange ich den Abendlauf
...Träume, solange...
über den Baumwipfeln, zu ihrem Gemach
ohne Komma
von Schönheit, das im Gegensatz
..., die...
welcher umgeben von grauen Wänden, grauen Anzügen und grauen Kollegen sein
...welcher, umgeben von ... Kollegen, sein...
Diese Wiederholung des Wortes grau finde ich übrigens äußerst passend
welcher zusah wie jemand flüchtete und jener, der zusah wie jemand liebte.
...zusah, wie ... zusah, wie...
konnte ich erkennen wie eine Frau
...erkennen, wie...
immer schneller um ihn doch noch erreichen zu können
...schneller, um...
schnell sie konnte aber sie kam
...konnte, aber...
im Moment in dem sie zusammengebrochen
...Moment, in dem...
Gedanke kam aber er ließ mich
...kam, aber...
zu jenem Hügel von dem aus
...Hügel, von dem...
die sie benötigen um stärker zu werden
...benötigen, um...
als wüsste sie was geschehen würde
...sie, was...
Wer ist sie?, hallte es
Kursiv, in Anführungsstriche, irgendwas, was den Gedanken vom Rest abhebt.


Das ist alles, was mir beim ersten lesen aufgefallen ist. Sieh dir also die Kommaregeln unserer schönen, komplizierten deutschen Sprache noch einmal an.
Was den Stil angeht, habe ich wenig zu meckern. Ich persönlich mag disen etwas komplizierteren Schreibstil durchaus. Dennoch eine kleine Anmerkungen:

Diese Minuten waren wunderschön, ehrlich und real, so ganz im Gegensatz zu meinem restlichen Leben.
Mir persönlich gefällt diese Dopplung vom Anfang her nicht sehr gut. Sie klingt einfach aufgesetzt. Vielleicht änderst du das.

Sonst, wie gesagt, nichts zu meckern.

Also, wenden wir uns dem Inhalt zu:
Ich weiß nicht, ob diese Kg hier in der Fantasy so gut aufeghoben ist. Vielleicht passt sie besser in Seltsam oder..., ja, was eigentlich?
Dennoch hat mir die Story ganz gut gefallen, auch als eigtnlich Fantasy-Liebhaber. Klare Charaktere, nachvollziehbare Handlungen - man konnte sich in die Geschichte hineinversetzen.
Dennoch zwei kleine Anmerkungen:

Einmal schon, konnte ich vom Akteur meiner eigenen Träume, zum bewussten Beobachter fremder Träume werden.
??? - was auch immer du damit ausdrücken wolltest, ich habe es nicht verstanden.
Übrigens muss das Komma nch Träume weg.
Dann hob sie ihre Hand und ich flüsterte ihr zu:
„Ich werde nicht fortlaufen. Nie wieder“.
Schöner Ausstieg, aber hier ist erstens ein Stilbruch, der in meinen Augen nicht passt und zweitens eine inhaltliche Schwäche.
Vorher hast du immer recht kompliziert geschrieben, jetzt auf einmal in klaren und einfachen Sätzen. Natürlich würde verschnörkelte Rethorik in solch einer Situation nicht passen, also - warum die Charaktre überhaupt etwas sagen lassen? Ich glaube die Wirkung würde ebenso so gut rüberkommen, wenn du ihn schweigen lässt und nur erwähnst, dass er nicht davonrennt.

Somit insgesamt ganz gern gelesen, wenn man auch durch die ganzen Kommafehler immer wieder im Schriftbild stockte.

Tar Calion

 

Guten Abend Tar Calion,

vielen Dank für Deine Kommahinweise und ich freue mich, dass du meine Geschichte trotzdem gern gelesen hast.
Ich hab alle von dir bemängelten Kommata eingefügt oder gelöscht und werde mich mit diesen "wunderschönen" Regeln der deutschen Zeichensetzung nochmals ausgiebig auseinandersetzen.

??? - was auch immer du damit ausdrücken wolltest, ich habe es nicht verstanden.

Dieser Satz sollte der Anfang für seine Überlegung sein, wie er seine Träume ein weiteres mal ändern kann. Aber er hatte danach einen kleinen Gedankensprung zu seinen früheren Träumen, mit dem ich ausdrücken wollte, wovon er früher träumte.

Ich hab noch allen Gedanken eine kursive Schrift verpasst, um sie zu verdeutlichen und das Ende hab ich ebenfalls noch leicht geändert.

Ich bedanke mich noch mal vielmals und wünsche ein schönes Wochenende. :)

Träumer

 

Danke für die ganzen Änderungen, es liest sich flüssiger.
Und das Ende ist so viel besser und schließt meiner Meinung nach die ganze Sache sehr gut ab. Ist eine gelungene und äußerst passende Variante.

Danke

Tar Calion

 
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Hi Träumer,
Melancholischer Traum mit Happyend.

Also an der Geschichte gibt 's nicht wirklich Großes zu meckern. Außer, das ich sie ein wenig blass und bisslos finde.
Gib dem Träumer mehr Gesicht, mehr Fleisch. Er kommt so voller Selbstmitleid und ohne wirkliche Not, blass bei mir Leser an.
Die Abhängigkeit von den Träumen Anderer, bietet soviel Stoff zur Sozialenkritik oder auch zu fantastischen Abenteuern.
In deiner Geschichte schöpfst du diese Möglichkeiten aber leider nicht aus, sondern gibst dich mit der Oberfläche zufrieden.
Trau dich und wühl ein wenig Tiefer, du wirst echte Schrecken und echtes Leid oder auch echte bunt schillernde Abenteuer und Freude finden mit welchen du den Leser unterhalten kannst. Dafür darf die Geschichte dann auch zwei Seiten länger werden, das wäre schon in Ordnung.
Im Moment plätschert deine Geschichte nämlich nur seicht vor sich hin ohne den Leser zu fesseln und zu begeistern.

Deswegen nette Fingerübung, aber trau dich ruhig tiefer in die Materie einzutauchen. Ich will Fleisch Knochen nur mit Haut überzogen sind mir zu mager.

les' dich
Nice

 

Prima!

Hallo TräumerChriss!

Mir hat Deine Geschichte sehr gefallen. Sie hat etwas unwirklich-wirkliches, das Du mit Deiner Traumgeschichte vor allem im letzten Absatz auch wirklich gut herausstellst.

Aus meiner Sicht gibt es nur die Kritik, dass Du eben diese ganzen Emotionen, die Du auch sehr bildhaft mit Farben unterstützt, andeutest, aber nicht ausreichend ausarbeitest. Irgendwie glaube ich, dass sie schon auch in Deinem Plan vorhanden waren, aber Du hast die Geschichte scheinbar einfach zu früh abgeschickt.

Endresultat ist dennoch aus meiner Sicht: lesenswert.
Gruß,
Jakob mit der Laterne

 
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Eine sehr gute Geschichte, die ein sehr bewegendes Ende hat.

Die Kommasetzung ist mir nicht so aufgefallen.

Was mich persönlich etwas stört ist die Tatsache, dass man sich den Helden nicht so richtig vorstellen kann. Mich hat die Geschichte um ihn schon sehr gepackt, aber das alternative Ende, was du wohl vorher hattest, hätte mir besser gefallen.

Es ist ein Stilbruch, klar. Aber ich denke das sollte auch den Wandel in der Handlung zeigen. Das er nicht mehr Träumen braucht, sondern das er seine "Frau" nun bei sich hat und glücklich sein kann. Das ist ja schon ein Bruch zu seinem Verhalten.

Trotzdem gefällt mir deine Geschichte sehr gut :) Hab sie sehr gerne gelesen.

 

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