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So, jetzt wird geröncht.

Seniors
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13.02.2008
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So, jetzt wird geröncht.

Meine Freundin hieß Marilyn. Sie war nicht wie meine anderen Freunde – sie wohnte gegenüber. Wir lebten gemeinsam in der Bärenstraße. Am Ende der Straße war eine Mauer, die uns den Weg zur Wupper versperrte. Auf die Flussseite der Mauer hatte jemand einen schönen Bären gemalt, den man von der Schwebebahn aus sehen konnte. „Damit die Bärenstraßenkinder wissen, wo sie aussteigen müssen“, sagte meine Mutter. Daneben stand „Sonne statt Reagan“, aber das war nicht zum Nachhausefinden gedacht und hatte mit Regen gar nichts zu tun.
Marilyn durfte nicht alleine Schwebebahn fahren. Sie war viel größer als ich und breit mit vielen dunklen Haaren und öligen Augen. Sie hatte nie Ideen, was wir spielen könnten. Daher musste ich immer sagen: „Lass uns Nahrung suchen!“
Nahrungssuche war Teil jeden Spiels, egal ob wir Igel oder Ozelote waren. Der Budenbau kam zuerst, aber dann mussten Vorräte in die Höhle getragen werden.
Bei uns in der Küche konnte man Reiterchen finden – Käsebrote in leckere Würfel geschnitten. Wenn die Reiterchen besonders klein waren, hießen sie Krankenbrot. Und wenn ich sie ganz winzig schnitt, waren sie Totenbrot und guter Vorrat – wie Pemmican. Marilyn verstand die Notwendigkeit der Nahrungssuche niemals wirklich, auch wenn sie mir folgte. In ihrer Wohnung gab es immer die dicke Mutter. Es roch nach Bratfett und Marilyn musste zum Mittagessen hin, selbst wenn sie viele Reiterchen gegessen hatte. Einmal wollte ich sie abholen, um Nahrung in einem Töpfchen für den Winter im Sandkasten zu verbuddeln, aber sie war gerade in die Schule gekommen und musste ein Bild ausmalen, obwohl sie keine Lust dazu hatte.
Marilyn kannte kaum Tierarten und war schlecht im Hüpfen auf Flusssteinen. Trotzdem behandelte sie mich wie ein Baby. Wenn ich aufs Klo ging, kam sie mit, damit sie mir nachher die Unterhose hochziehen und das Unterhemd durch die Beinlöcher zerren konnte. Die Stoffzipfel sahen aus wie Flügel und ich wusste, dass das Rauszerren unsinnig war. Das sagte auch meine Mutter.
Manchmal tat Marilyn Dinge, die mir dumm erschienen. Wann immer wir uns vor meiner Schwester in einem Hauseingang versteckten, musste sie aus dem Eingang auf die Bärenstraße rotzen und verriet uns durch das Schnoddergeräusch und die fliegende Spucke. Sie rotzte immer viel rum und sagte, das könne sie gar nicht verhindern. Es müsse einfach raus.
Zu meinem fünften Geburtstag bekam ich ein Meerschweinchen, weil ich nun alt genug für so eine Art von Tier war. Da konnte ich schon mal auf Katze üben. Mein Vater schlug vor, das Meerschwein Felix zu nennen, und ich hatte keine Einwände.
Viel konnte man mit Felix nicht machen, weil er nie angefasst werden wollte. So war das eben, aber Marilyn beschwerte sich sehr über Felix, weil man nicht gut mit ihm Doktor spielen konnte. Immer wieder streifte er sich die Klopapiergipse von den Stummelbeinen. Da nahm Marilyn ihn um den Bauch, obwohl ich ihr gesagt hatte, dass man ihn so nicht anfassen durfte, und drückte ihn vor sich auf den Boden, damit er nicht wegrennen konnte. Mit der freien Hand nahm sie das Puppenhausdach und sagte: „So, jetzt wird geröncht.“
„Ge-röncht“ sagte sie, weil sie das Dach auf der letzten Silbe mit aller Kraft und ihrem gesamten Gewicht auf mein Meerschweinchen presste. Ich spürte die Reiterchen sauer in meinen Hals steigen und ich wusste, dass das Rönchen nicht zurückgenommen werden konnte. Danach musste Marilyn zum Abendessen. Ich spielte weiter mit Felix.
Als meine Mutter abends von der Arbeit nach Hause kam, zeigte ich ihr, wie gut man jetzt Felix' Zähnchen untersuchen konnte und wie steif die zarten Pfoten in ihren Klopapierverbänden geworden waren.
Am nächsten Morgen holte ich Marilyn ab, um Felix in seinem Schuhkarton zu verbuddeln. Man durfte ihn jetzt nicht mehr anfassen, denn er war tot und hatte Leichengift.
Als mein Vater auszog und meine Mutter uns ein neues Haus mit neuen Nachbarskindern fand, endete meine Bärenstraßenfreundschaft mit Marilyn.

 

Hallo,

Zu meinem vierten Geburtstag bekam ich ein Meerschweinchen, weil ich nun alt genug für so eine Art von Tier war. Da konnte ich schonmal auf Katze üben. Mein Vater schlug vor, das Meerschwein Felix zu nennen und ich hatte keine Einwände.
Das ist echt schön. "Da konnte ich schonmal auf Katze üben" ist ein toller Satz.

Ist ein hübscher Text, kann man gar nicht so viel dazu sagen. Das Ende sieht man kommen, die Logik in der Kindersprache kommt auch gut rüber; ja ... man könnte dann noch mäkeln, ob's das und das braucht und, na ja, du verknallst dich halt oft eher den Klang als in die Handlung, Schnotzgeräusche. ;)
Man braucht am Anfang ein bisschen, um zu verstehen, dass es noch in Kindersicht erzählt ist, weil dieses Reagan statt Sonne, und hatte nichts mit Regen zu tun, ist so ein komödiantischees Kabarett-Augenzwinkern.
Das ist vielleicht sowas, was man halt bekritteln könnte, die leichte Unentschiedenheit: Blickt der Ich-Erzähler auf seine Kindheit deutlich aus der heutigen Warte zurück oder in dieser Schein-Naivität. Dann neigst du ein klein wenig zu der Popkultur-Unsitte des totalen Namedroppings, ehm, die nur cool ist, wenn man die auch kennt. Also Pemmican oder was da war? Da setzt's bei mir aus.
Aber naja, runde, kleine Geschichte, gut gemacht. ;)

Quinn

 

Hi firefiz,

so schön, wie du auch ins Detail der Erinnerungen gehst, ich vermisse die Erzählmotivation. Zu zufällig erscheint da irgendwann ein Meerschweinchen, das dann getötet wird, die Titelfigur wird fast gar nicht charakterisiert, die Geschichte hat keine Richtung, es plätschert dahin. Wozu diese Erinnerungen? Warum kommen sie jetzt, was ist der Auslöser, was das Element, dass aus Erinnerungen Literatur oder eine Geschichte macht? Was ist für dich so interessant an dem Erzählten, dass du es mir vermitteln möchtest?
Es ist ja nicht schlecht erzählt, aber es fehlt mir zu viel.
Oder wolltest du nur erreichen, dass ich mich die ganze Geschichte frage, ob es sich bei Marilyn nun um ein Mädchen oder um einen Bären handelt?

Lieben Gruß
sim

 

Das ging ja mal fix.

Hallo Quinn, schoen, dass Dir die Geschichte mit Abstrichen gut gefallen hat. Zum Erzaehlton kann ich nur sagen, dass ich so als Kind wirklich gedacht und gefuehlt habe. Das ist nicht von heute draufprojiziert, sofern man das ueberhaupt jemals ausschliessen kann. Das aendert natuerlich nichts daran, dass es dem Leser trotzdem unauthentisch erscheinen mag. Ich guck nochmal auf die Feinheiten.
Dass der Spruch nichts mit Regen zu tun hat, entspricht uebrigens genau meinem damaligen Wissensstand.

du verknallst dich halt oft eher den Klang als in die Handlung, Schnotzgeräusche.
Mit den Schnotzgerauschen bin ich eigentlich gar nicht gluecklich. Zuerst hatte ich einfach "Rotzgeraeusch" hab mich dann aber von WW-Kritikern gefuerchtet. Ausserdem fehlt dem lautmalerischen natuerlich das charakteristische chrrrr.

Meinst Du mit dem namedropping nur Pemmican oder auch Baerenstrasse und Wupper? Pemmican war einfach fester Bestandteil meines Vokabulars, weil es Indianerproviant ist. Ich kannte auch viele wissenschaftliche Dinosauriernamen, die mir mittlerweile anhanden gekommen sind.

Vielen Dank


Hallo sim,

ich kann jeden verstehen, der nichts mit der Geschichte anfangen kann.

Zu zufällig erscheint da irgendwann ein Meerschweinchen, das dann getötet wird, die Titelfigur wird fast gar nicht charakterisiert, die Geschichte hat keine Richtung, es plätschert dahin.
Ich weiss jetzt nicht, ob Du mit "Titelfigur" Marilyn oder Ich meinst. Ich denke schon, dass klar rauskommt, das beide eigentlich nichts gemeinsam haben, ausser die Baerenstrasse. Dass beide ganz unterschiedlich leben, dass Ich ein kluges und Marilyn ein dummes Kind ist, was eine schwierige Situation ist, weil das die natuerliche Altershierarchie stoert. Deshalb denke ich, musste auch das mit dem Hosehochziehen sein.
Das Meerschweinchen laesst diesen Konflikt eben aufbrechen. Es ging mir aber darum, zu erzaehlen, wie manche Kinderfreundschaften funktionieren.
Das muss sich der Leser alles aus dem Text zusammenklauben, denn ich will eben keine Erzaehlerin, die von oben auf ihr damaliges Kind schaut und dem Leser alles voranalysiert.
Ich hoffe, das macht die Intention deutlicher. Am Text aendert es nichts - der muss allein funktionieren.

Vielen Dank auch fuer Deine Gedanken.

lieben Gruss,

feirefiz

 
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Hallo firefiz,
die kindliche Logik, mit der dein Protagonist (deine Protagonistin) die Geschehnisse reflektiert, kommen in deinem Text gut zum Tragen.

Dennoch ließen sich in einigen Passagen dieses kurzen Textes Wortwiederholungen vermeiden, ohne die Kindersprachebene zu verlassen.
(z.B. Textstelle mit dreimal „rotzen“
oder die:
„...und musste ein Bild ausmalen, obwohl sie keine Lust dazu hatte. Obwohl Marilyn kaum Tierarten kannte....“

“Wenn die Reiterchen besonders klein waren, waren (nannten wir sie) sie Krankenbrot.

Den Text inhaltlich betrachtet, schmunzelt man, trotz des auf grausame Art herbeigeführten Hamstertodes, über den fehlenden Durchblick beider Protagonisten.
Der (die) Vierjährige fühlt sich Marilyn gegenüber zwar geistig überlegen, begreift aber dennoch nicht die wahren Hintergründe.

Noch einpaar Anmerkungen und Fehlerchen:

„Sie war viel größer als ich und breit mit vielen dunklen Haaren und öligen Augen.“
(Das Mädchen muss ein Monster gewesen sein.)

„Damit die Bärenstraßenkinder wissen, wo sie aussteigen müssen,“ (“, ) sagte meine Mutter.
. Sie rotzte immer viel rum und sagte, dass (das) könne sie gar nicht verhindern.
Da konnte ich schon mal (schon mal ) auf Katze üben.
„... zeigte ich ihr, wie gut Felix sich jetzt die Zähnchen untersuchen liess (ließ) und wie steif die zarten ..."

Gruß
kathso

 

Hi Firefiz,

mit Titelfigur meine ich Marilyn, denn deren Ausspruch führt ja zum Titel. Es bleibt mir nur eben unklar, wovon du überhaupt erzählen möchtest, ob von Marilyn oder von dem Meerschweinchen? Da ich nicht erfahre, wer Marilyn ist (wie gesagt, ich habe bis zum Ende damit gerechnet, dass sich Marilyn noch als Tier herausstellt, gerade, weil ihre Dummheit bei ausgeprägterer Größe so herausgestellt wird), sehe ich auch keinen aufbrechenden Konflikt am Ende, nicht mal, als das tote Meerschweinchen einfach so hingenommen wird. Und die Freundschaft endet durch Umzug. Genau in dieser Konfliktlosigkeit liegt ja für mich das Problem der Geschichte.

Das muss sich der Leser alles aus dem Text zusammenklauben, denn ich will eben keine Erzaehlerin, die von oben auf ihr damaliges Kind schaut und dem Leser alles voranalysiert.
Ach, für diese Ausrede solltest du dir wenigstens mir gegenüber zu schade sein. Glaubst du im Ernst, ich hätte etwas gegen das Denken beim Lesen?

Lieben Gruß
sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kath,

vielen Dank fuer Deinen Kommentar. Mir ist beim Lesen einiges ueber meinen eigenen Text klar geworden.
Die Fehler habe ich verbessert und einige Wiederholungen rausgenommen. Das rotzen lasse ich aber drin, weil es mich als Kind als Wort zugleich fasziniert und schockiert hat.

Den Text inhaltlich betrachtet, schmunzelt man, trotz des auf grausame Art herbeigeführten Hamstertodes, über den fehlenden Durchblick beider Protagonisten.
Der (die) Vierjährige fühlt sich Marilyn gegenüber zwar geistig überlegen, begreift aber dennoch nicht die wahren Hintergründe.
Hier hab ich gemerkt, dass ich was falsch geschrieben und mein damaliges Ich verleumdet habe. Mir war damals naemlich tatsaechlich dumpf bewusst, was da mit Felix passiert war. Ich glaub, selbst die dumme Marilyn wusste es. Das habe ich jetzt geandert.

Vielen Dank fuer Deine Hinweise.

Hallo sim,

ich hab doch jetzt erklaert, dass es mir um das Thema Freundschaft geht. Also weder um Marilyn alleine noch um Felix. Daneben finde ich die erste Begegnung eines Kindes mit dem Thema Tod auch kein undankbares Sujet. Das es Dir in der jetzigen Ausfuehrung nicht deutlich und konfliktgeladen genug ist, akzeptiere ich. Ich persoenlich mag aber keine deutlichen Geschichten und ich mag Konflikte, die ausgesessen werden, weil ich es als lebensnaeher in einigen Faellen empfinde - ob man das als literarisch gelten laesst, ist Geschmacksache.

Ach, für diese Ausrede solltest du dir wenigstens mir gegenüber zu schade sein. Glaubst du im Ernst, ich hätte etwas gegen das Denken beim Lesen?
Ich habe nur versucht, die Undeutlichkeit als Resultat der gewaehlten Erzaehlperspektive zu erklaeren. Ich wollte Dir damit nicht unterstellen, dass Du nicht gerne denkst. Tut mir leid, wenn es falsch ruebergekommen ist.

lg
fiz

Edit: Mensch sim, jetzt kann ich meinen eigenen Text nicht mehr Lesen ohne mir Marilyn als Baerin vorzustellen. Das ist schlimmer als Ohrwurm. :)

 

Hey Feirefiz!

Hat mir auch gefallen, das Kindliche hast du wirklich fein ausgearbeitet, also ja, so stelle ich mir vor, wenn ein großes Kind (also du jetzt ;D) mir was von seiner Kindheit erzählt und in die Kindersprache verfällt und die Denkweise. Ich weiß nicht, was ich noch großartig sagen soll. Es ist bei mir angekommen, und konnte mir gefallen, also es war ganz interessant mal in Fizzys Kinderwelt entführt zu werden. :P
(Die Bärin an der Wupper gibts doch wirklich, oder bilde ich mir das jetzt ein?)

JoBlack

 

Hallo, feirefiz!
Mir gefällt die Geschichte, sie ist warmherzig und kindlich-grausam, das war noch nie ein Widerspruch. Allerdings bezweifle ich, dass der Erzähler, wenn er jünger als vier ist, sich so genau erinnern kann. Als die Stelle mit dem vierten Geburtstag kam, habe ich mich gewundert, an was der sich alles detailgetreu erinnern konnte, als er noch drei war!!
LG,
Jutta

 

Hallo die Damen,

Es ist bei mir angekommen, und konnte mir gefallen, also es war ganz interessant mal in Fizzys Kinderwelt entführt zu werden. :P
(Die Bärin an der Wupper gibts doch wirklich, oder bilde ich mir das jetzt ein?)
Schoen, dass es gefallen konnte. Die Baerin an der Wupper gibt es echt. Die kann man besichtigen, wenn sie niemand weggemacht hat. Ich war schon laenger nicht mehr da.

hallo rueganerin,

he,he,he bisschen böse, aber gut.
Als boese kann man es auch lesen. Das steckt auf jeden Fall drin. Fuer mich ist es aber auch ein tragisches Schulddrama, weil ich Felix nicht geschuetzt habe, obwohl ich wusste, das was boeses vor sich geht.

Ich habe ganz dringend was zum mäkeln gesucht und bin fündig geworden
Das begruesse ich, so muss man lesen, dann hilfts dem Verfasser. Jetzt muss ich mich allerdings verteidigen, dass der Spruch, so doof er ist, nun einfach neben der Baerin steht. Den hab ich mir nicht ausgedacht - so alt bin ich auch nicht.

hallo Jutta,

schoen dass der warmherzig-boese Mix ankam, denn ich stimme Dir zu, dass Kinderwelt so ist. Was das Erinnerungsvermoegen angeht: Ich denke schon, dass sich ein vierjaehriges Kind an seine Vergangenheit als dreijaehriges Kind erinnern kann. Ich bin jetzt ein sechsundzwanzigjaehriges Kind (wie Jo bemerkte) und kann mich ja schliesslich auch noch an meine dreijaehrige Vergangenheit erinnern. Das kann aber individuell unterschiedlich sein.

vielen Dank und lieben Gruss,
fiz

 

Halllo feirefiz,

eine kleine, interessante Kinderalltagsgeschichte. Die Reiterle und das Essen-Sammeln kenne ich auch, leider war das immer für die Bande meines älteren Bruders.
Du ziehst einem kurz in eine andere Welt, was ich angenehm fand. Etwas verblüffend ist, dass die so kleine Protagonistin kapiert, dass ihre Spielgefährtin dumm ist. Wahrscheinlich ist diese dann im späteren Leben Pathologin geworden, so, wie sie mit ihrem toten Meerschwein umgegangen ist.

sim bemängelt eine Erzählintention, ich brauche die hier nicht intensiver, da ich sehr viele Berührungspunkte fand, die in mir Erinnerungen wach werden ließen.

Als Leser jedoch wanke ich, in welcher Alters-Position die Geschichte erzählt wird.

Sie war viel größer als ich und breit mit vielen dunklen Haaren und öligen Augen.
Mit öligen Haaren hätte ich mehr anfangen können. Was meinst du mit öligen Augen?

Trotzdem behandelte sie mich wie ein Baby. Wenn ich aufs Klo ging, kam sie mit, damit sie mir nachher die Unterhose hochziehen und das Unterhemd durch die Beinlöcher zerren konnte. Die Stoffzipfel sahen aus wie Flügel und ich wusste, dass die gesamte Aktion unsinnig war. Das hatte mir auch meine Mutter bestätigt.
Sehr schön. Ich kanns mir richtig vorstellen mit den altmosischen Unterhosen, die es damals gab.

Als mein Vater zurück zur Oma zog und meine Mutter uns ein neues Haus mit neuen Nachbarskindern fand, endete meine Bärenstraßenfreundschaft mit Marilyn.
Dieser Abschluss gefällt mir nicht. Die Freundschaft wird durch äußere Umstände beendet - es ist nicht Marylins Dummheit (wieso heißt die denn gerade so :D ?) oder ihr morden.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo feirefiz,

ich bin etwas unentschieden, was deine kleine Geschichte angeht. Mir gefällt der Erzählton, aber ebenso wie sim finde ich die kg noch etwas richtungslos. Zudem fällt es mir schwer, dem Kind ein Alter zuzuschreiben. Manche Formulierungen/ bzw Erkenntnisse scheinen mir dann doch zu erwachsen.

Ansonsten recht flüssig geschrieben.

grüßlichst
weltenläufer

 
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Guten Tag.

Hallo Bernadette,

schoen, dass Dich die Reiterchen/-le erreicht haben. Zum Glueck habe ich keinen aelteren Bruder sondern nur eine juengere Schwester, die ich sammeln schicken konnte.

Etwas verblüffend ist, dass die so kleine Protagonistin kapiert, dass ihre Spielgefährtin dumm ist.
Darueber habe ich heute lange nachgedacht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das Rotzen beim Verstecken dumm fand. Die Frage ist aber, ob ich daraus auch den Schluss gezogen habe, dass die ganze Marilyn dumm ist. Ich werde das aendern.

Als Leser jedoch wanke ich, in welcher Alters-Position die Geschichte erzählt wird.
So einfach diese Geschichte daherkommt, ich glaube, es ist die komlizierteste, die ich je geschrieben habe. Eben weil mir auch nicht ganz klar ist, aus welcher Perspektive da erzaehlt wird. Die Gedanken und Gefuehle sind auf jeden Fall die, die ich als 3/4jaehriges Kind hatte. Heute wuerde ich Marilyn wahrscheinlich ganz lieb und auch gar nicht gross und dunkel finden. Andererseits ist es natuerlich schon ein Text, der so nicht direkt von einem Kind geschrieben oder gesprochen wuerde. Ich denke, es ist daher schon eine nicht-kindliche Position aus der heraus das kindliche Erleben geschildert wird, allerdings ohne die erwachsene Reflektion draufzupfropfen. Vielleicht hat Jo das schon ganz gut getroffen.
Vielleicht waere es einfacher, in der dritten Person zu erzaehlen um diese Perspektiven klarer auseinanderzukriegen. Das zu aendern, waere aber gefuehlsmaessig ein riesiger Schritt fuer mich, weil es eben auch autobiografisch ist. Da muss ich noch lange drueber brueten.

Was meinst du mit öligen Augen?
Das ist gar nicht meine Metapher *schaem*. Das kenne ich so als Ausdruck fuer dunkle Augen mit unsauberem Weiss. Fuer mich sind es irgendwie auch traege Augen.

Ich kanns mir richtig vorstellen mit den altmosischen Unterhosen, die es damals gab.
Also sooo alt bin ich nun auch nicht, dass ich vorchristliche Unterhosen getragen haette. ;)

Dieser Abschluss gefällt mir nicht. Die Freundschaft wird durch äußere Umstände beendet - es ist nicht Marylins Dummheit (wieso heißt die denn gerade so ?) oder ihr morden.
Hier musste ich schon wieder schwer denken, weil ja auch sim den Schluss nicht mochte. Nun ist mir dieser Schluss aber Pointe - eben weil ich es so absurd finde, dass es die Freundschaft nicht beeinflusst hat. Die Freundschaft hat eben nie auf Gemeinsamkeiten oder Sympathie beruht sondern auf der Nachbarschaft. Folglich ging sie auch nicht durch den Mord auseinander sondern durch das Wegziehen. Vielleicht sollte ich die Seltsamkeit dieser Zweckfreundschaft noch besser herausstellen.
Ich finde die Tatsache, dass sich nichts aendert eben viel spannender als den nach bestimmten literarischen Erzahlmustern erwartbaren Konflikt.

Denk, denk, denk....

Hallo Weltenlaeufer,

mit dem Alter sprichst Du ein Problem an, das viele Leser hatten. Die Formulierungen wuerde ich eben eher einem erwachsenen Erzaehler und die Erkenntnisse dem Kind zuschreiben, aber das ist eine sehr verworrene Angelegenheit, das sehe ich ein. Ich weiss noch nicht, wie ich das loesen kann.
Bei der Richtungslosigkeit bin ich nicht ganz Deiner Meinung, denn eigentlich finde ich die Geschichte sehr geschlossen. Es beginnt im ersten Satz mit der Freundschaft, die dann den ganzen Text ueber charakterisiert wird und es schliesst mit dem Ende dieser Freundschaft. Vielleicht wuerde das Thema deutlicher, wenn der Titel "Baerenstrassenfreundschaft" oder so waere.

Vielen Dank euch beiden fuer eure Kommentare. Es arbeitet auf jeden Fall in mir.

lg
feirefiz

PS: Sie heisst uebrigens Marilyn, weil ihre dicke Mutter sie so genannt hat. Ich hab es dann beibehalten, weil es so gar nicht zu ihr passt und doch die Ambitionen ihrer Eltern ausdrueckt.

Edit: Man, ich vergess Zeuch:

Wahrscheinlich ist diese dann im späteren Leben Pathologin geworden, so, wie sie mit ihrem toten Meerschwein umgegangen ist.
Das war tatsaechlich lange Zeit geplant (Quincy Einfluss und Faszination fuer Totes s. Profil). Es ist dann aber doch ganz anders gekommen.

 
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Hallo feirefiz!

Da hab ich erst einmal eine Verständnisfrage:

Als meine Mutter abends von der Arbeit nach Hause kam,
Der Vierjährige war also den ganzen Tag allein zuhause? :confused:

Mir hat die Geschichte soweit schon gefallen, aber am Ende hätte ich mir auch mehr gewünscht. Diese Zeilen …

zeigte ich ihr, wie gut man jetzt Felix' Zähnchen untersuchen konnte und wie steif die zarten Pfoten in ihren Klopapierverbänden geworden waren.
Am nächsten Morgen holte ich Marilyn ab, um Felix in seinem Schuhkarton zu verbuddeln.
Als mein Vater zurück zur Oma zog und meine Mutter uns ein neues Haus mit neuen Nachbarskindern fand, endete meine Bärenstraßenfreundschaft mit Marilyn.
… beinhalten so viel, was noch im Stil des Vorhergehenden erzählt gehörte. Die Empfindungen des Jungen, ein bisschen mehr Einblick ins Elternhaus; ich kann mir zwar vorstellen, daß es eine Eisfabrik war, aber ich bin ja hier um zu lesen, und nicht, um mir alles selbst dazuzudichten – was wiederum nichts mit der Bereitschaft zu denken zu tun hat. ;)

Ich konnte mir eigentlich gut vorstellen, daß die Geschichte ein paar Jahre später, aber noch bevor der Protagonist erwachsen ist, erzählt wird. Eine gute Idee, wie Du das Alter des Erzählers festlegen könntest, hab ich leider auch nicht, nur die, dem Erzählen einen Anlaß zu geben, an dem man das Alter erkennt. Aber das wäre Dir vielleicht zuviel Drumherum.

Vielleicht wuerde das Thema deutlicher, wenn der Titel "Baerenstrassenfreundschaft" oder so waere.
Nein, den jetzigen Titel finde ich echt gut! Er hat ja irgendwie auch doppelte Bedeutung – Marilyn »röncht« das Meerschweinchen und der Ich-Erzähler wirft einen Röntgenblick auf das vergangene Geschehen. Und er wirkt interessant, ganz im Gegensatz zu »Bärenstraßenfreundschaft«.
Da fällt mir doch noch was ein, wie Du das Alter des Erzählers festmachen könntest: Er mußte wegen irgendeiner Sportverletzung zum Röntgen – irgendwie könntest Du dabei das Alter sicher unterbringen und ein Grund für das Erinnern wäre es auch, wenn der Arzt sagt: »So, jetzt wird geröncht!«

Und wenn er schon ein paar Jahre älter ist, könnte er ruhig so manches schon kritischer sehen, und damit könntest Du dem Leser helfen, Deiner Intention gemäß den Blick etwas mehr auf die Freundschaft zu richten, ohne daß Du gleich alles vorkaust.
Ich sehe nämlich im Moment viel mehr das Alleingelassenwerden durch die Eltern im Vordergrund, das sich auch in der Gefühl- oder Lieblosigkeit gegenüber dem Meerschweinchen widerzuspiegeln scheint. Wer nicht geliebt wird, lernt auch nicht zu lieben. Auch die Entscheidung des Vaters über Kauf und Name des Meerschweinchens zeigt, daß auf den Buben nicht eingegangen wird. So las ich eigentlich mehr eine Geschichte über seelische Verwahrlosung, in der die »Freundschaft« mehr eine Art Spiegel darstellt. – Mich stört das natürlich überhaupt nicht, aber wenn Dir der »richtige« Blick wichtig ist, solltest Du den Röntgenapparat noch etwas besser auf den Punkt ausrichten. Und nicht durch den Titel, sondern durch das Erzählte. ;)

Noch ein paar Kleinigkeiten:

»Sie war viel größer als ich und breit mit vielen dunklen Haaren«
– »und breit mit vielen dunklen Haaren« finde ich ziemlich seltsam ausgedrückt, vielleicht »mit ihren vielen dunklen Haaren wirkte sie breit« oder »die vielen dunklen Haare machten sie breit«?

»Da konnte ich schon mal auf Katze üben. Mein Vater schlug vor, das Meerschwein Felix zu nennen und ich hatte keine Einwände.«
– »das Meerschweinchen Felix zu nennen« ist eine Ergänzung zu »schlug vor«, daher auch einen Beistrich nach »nennen«

»das Puppenhausdach mit dem beweglichen Scharnier«
– Weiß nicht genau, was ich mir darunter vorstellen soll, ein Scharnier ist ja grundsätzlich etwas Bewegliches, aber wo ist auf dem Dach ein Scharnier?

»Ich spürte die Reiterchen sauer in meine Kehle hinaufsteigen«
– Da würde ich das »hin-« streichen und nur »in meine Kehle aufsteigen« schreiben.


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Häferl,

Der Vierjährige war also den ganzen Tag allein zuhause?

Interessant finde ich, dass du von einem Er sprichst. Für mich war das eine Protagonistin. Aber das ist auch unerheblich. Vielleicht war die Schwester ja einige Jahre älter und hat auf die Kleine aufgepaßt?

Ich habe überhaupt nicht herausgelesen, dass sich das Kind in seiner Rolle unwohl gefühlt hat. Auch macht es keinen Eindruck, als sei es nicht geliebt. Das zu interpretieren, nur, weil die Mutter arbeitet (vielleicht auch nur einmal die Woche - und gerade da ist das passiert?), ist für mich weit hergeholt.

Es gibt viele Kinder, die zusammen mit größeren Geschwistern mal ein paar Stunden alleine sind. Hab ich auch schon mit meinen gemacht. Gelernt habe ich das von meinen Eltern, die mich mit meinem großen Bruder abends auch oft alleine im Haus ließen, wenn sie Chorprobe oder ähnliches hatten. Ich fand das (auch schon als Kleinkind) eher angenehm, wenn sie mal nicht da waren :D.


Auch die Entscheidung des Vaters über Kauf und Name des Meerschweinchens zeigt, daß auf den Buben nicht eingegangen wird.
Vielleicht hieß das Meerschweinchen Felix, damit der Vater nicht der einzige Mann in der Familie ist ;)? Als wir unseren Kater beim Bauer geholt haben, habe ich den Kindern auch einige Namensvorschläge gemacht. Das finde ich nun keine Bevormundung.

Für mich siehst du in der Geschichte was ganz anderes, als sie für mich sein will. Aber so hat jeder seinen Ansatz.

Da fällt mir doch noch was ein, wie Du das Alter des Erzählers festmachen könntest: Er mußte wegen irgendeiner Sportverletzung zum Röntgen – irgendwie könntest Du dabei das Alter sicher unterbringen und ein Grund für das Erinnern wäre es auch, wenn der Arzt sagt: »So, jetzt wird gerönch
t!«

Das fände ich auch eine prima Idee.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hej feirefiz,

genau!!! - wann tut endlich mal einer was für die zarten Rückgrate der Meerschweinchen, die von klebrigen kleinen Kinderhänden durch Quetschen, Röntgen oder aus großer Höhe fallen lassen gebrochen werden? Die Dunkelziffer ist bestimmt enorm hoch.

Ich fand den Namen gewöhnungsbedürftig - aber Marilyn war ja auch nicht wie andere Mädchen. 'N bisschen lang fand ich den Vorlauf, obwohl er amüsant zu lesen war, 'n bisschen abrupt das Ende.

Sonst hat es mir gefallen.

Viele Grüße
Ane

 

Liebe bernadette!

Ich habe überhaupt nicht herausgelesen, dass sich das Kind in seiner Rolle unwohl gefühlt hat. Auch macht es keinen Eindruck, als sei es nicht geliebt.
Meine Meinung darf doch von Deiner etwas abweichen, oder? Danke.
Davon abgesehen hab ich z. B. nichts davon geschrieben, daß das Kind sich unwohl gefühlt haben muß - ich schrieb, daß ich seine Empfindungen gern gelesen hätte. Und Liebe finde ich nunmal nicht in der Geschichte, daher gehe ich auch nicht von einer liebevollen Erziehung aus.

Vielleicht hieß das Meerschweinchen Felix, damit der Vater nicht der einzige Mann in der Familie ist ? Als wir unseren Kater beim Bauer geholt haben, habe ich den Kindern auch einige Namensvorschläge gemacht. Das finde ich nun keine Bevormundung.
Ich sehe zum Beispiel einen Unterschied zwischen Einzahl und Mehrzahl (Du hast die richtige Stelle dazu ja schon fett markiert). Auch mit Vorschlägen (MZ) ist es die Wahl des Kindes oder der Kinder, und das unterstützt den Aufbau einer persönlichen Beziehung des Kindes zum Tier. Bei der hier gezeigten lieblosen Namensgebung ist diese Chance vergeben, und es lernt auch im weiteren Verlauf nicht, das Meerschweinchen zu lieben. Es ist ein Ding, mit dem man spielen können soll - das lernt das Kind von der Zweckfreundin, die es auch nicht besser gelernt hat -, und ein Mittel zum Zweck des Übens auf Katze. Ich glaube nicht, daß feirefiz das in die Geschichte geschrieben hat, nur weil es lustig klingen soll. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

hi fire!

Find ich nett! - positiv jetzt! :) Kurz, knackig und mitnem Schuss Gänsehautfaktor. Die kindliche Sprache hab ich ganz klug *g auf die Weise interpretiert, dass der Erzähler sein Meerschweinchen-Marylin-Trauma noch nicht überwunden hat. :)
Gern gelsen!

Gruß
Kasimir

 
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Hallo zusammen!

Erstmal Susi und Bernadette:

Ich will jetzt eigentlich gar nicht Schiedsrichter spielen, denn grundsaetzlich habe ich ja keine hoehere Interpretationsautoritaet als meine Leser. Ich sag trotzdem mal, was ich mir dazu denke.

Zum ersten, ich habe mir bei der Geschichte ein Maedchen vorgestellt. Es kann aber genausogut ein Junge sein. In dem Alter find ich das egal - alle die da Unterschiede machen gendern ihre Kinder und das ist pfui.

Der Vierjährige war also den ganzen Tag allein zuhause?
hehe, haettest Du die Frage auch gestellt, wenn da “Vater” statt “Mutter” gestanden haette. Ehrlich gesagt, weiss ich nicht mehr, ob wir ganz allein waren. Manchmal war ein Kindermaedchen da. Vielleicht hat mein Vater im Wohnzimmer Formel 1 geguckt. Auf jeden Fall waren wir allein genug, Felix zu toeten und meine Mutter hat es erst erfahren, als er schon steif war.

Zum Thema seelische Verwahrlosung:

Das Thema Elternhaus war mir tatsaechlich wichtig und ich finde es schoen, dass Du (Susi) es ansprichst. Mir ging es darum, ganz unterschiedliche Familien zu zeigen. Marilyns Mutter ist immer Zuhause und kocht regelmaessige Mahlzeiten. Dort wird einem wahrscheinlich das Hemd in die Unterhose gestopft, damit man sich nicht die Nieren verkuehlt. Andererseits gibt es auch mehr Zwang. Man muss essen auch wenn man nicht hungrig ist, muss malen, obwohl man keine Lust hat und darf nicht alleine Schwebebahn fahren. Bei Ich macht man sich selbst Kaesebrote, wenn man Hunger hat und die Mutter geht arbeiten.
Ich finde nicht, dass eines der beiden Modelle mehr oder weniger liebevoll ist und das Kind bewertet es auch nicht.
Ich habe nicht viel ueber die Eltern-Kind-Beziehung geschrieben, weil hier eben die Freundschaft im Vordergrund stehen sollte. Und im Leben vielbeschaeftigter Kinder sind die Eltern ja oft nur Randfiguren.
Auch wenn es mir nicht darum ging, Lieblosigkeit darzustellen und das nicht den autobiografischen Hintergruenden entspricht, kann man diese Leerstelle aber auch so wie Haeferl interpretieren – das haengt womoeglich auch davon ab, wie man die oben erwaehnten Familienmodelle bewertet. Der Text selbst laesst diese Lesart sicher zu und ich sehe keinen Anlass ihn so umzuschreiben, dass er sie verbietet. Ich denke, dass ist ein Mass an Offenheit, das noch nicht an Beliebigkeit grenzt.

Bei der Schweinebenamsung schliesse ich mich allerdings Bernadette an. Wenn ich nun geschrieben haette: "Mein Vater nannte ihn Felix", koennte ich den lieblosen Eindruck nachvollziehen, aber einen Vorschlag, egal ob es nun einer oder mehrere sind, kann ich nicht als Zwang empfinden.

Es ist ein Ding, mit dem man spielen können soll - das lernt das Kind von der Zweckfreundin, die es auch nicht besser gelernt hat -, und ein Mittel zum Zweck des Übens auf Katze. Ich glaube nicht, daß feirefiz das in die Geschichte geschrieben hat, nur weil es lustig klingen soll.
Es wird ja auch gesagt, das Ich sehr wohl weiss, wie man ein Meerschwein anfassen soll und dass man es akzeptieren muss, wenn Tiere nicht spielen wollen. Das ein Kind ein Tier lieber mag, mit dem man spielen kann, finde ich aber normal. Ich haette tatsaechlich lieber eine Katze gehabt.

Zum Thema Roentgenrahmen, da seid ihr euch ja einig:

Ich finde die Idee auch gut, haette sogar mehrere autobiografische Roentgenerlebnisse und einen Umzug in die Roentgenstadt Lennep als Anknuepfungspunkt.
Was mir im Moment dagegen spricht ist aber estens, dass ich die Einfachheit des Textes nicht durch Rahmenhandlung aufplustern will und zweitens, dass mir das unreflektiert Kindliche ganz wichtig ist.
Jetzt muss ich mir ueberlegen, was mir wichtiger ist: unreflektierte Einfachheit oder deutlicher definierte Erzaehlerposition.
Ich weiss es noch nicht. Aber schon mal vielen Dank, fuer den wirklich guten Vorschlag.

Zum Schluss:
Ich weiss, er ist kurz. Aber ich will ihn gerne lakonisch haben. Diese Leerstellen dazwischen wirken fuer mich persoenlich staerker als ein Auserzaehlen. Ich bin ja immer fuers Ungesagte. Aber ich verstehe, dass das einige Leser frustriert.

Zu Susis Feinheiten:

Beistrich und Reiterchen geht klar. Das Puppenhausdach war selbstgebaut (Liebe!!! ;)) und verband zwei Bretter mit einem Scharnier. Marilyn ist gross und breit und hat oelige Augen.

Vielen Dank euch beiden, fuer die interessante Diskussion. Was Besseres kann einem Autor ja nicht passieren. Es hat mich auch dazu gebracht, nochmal ueber meine damalige Familiensituation nachzudenken. Vielleicht ist Susis Leerstelle tatsaechlich was Verdraengtes, nur eben nicht so dichotomisch: geliebt – nicht geliebt. Dazwischen gibt es ja viel Freiheitsfreude und Sehnsucht nach Sonntagsbraten.

Hallo Ane,

Die Dunkelziffer ist bestimmt enorm hoch.
Das wird auch gern vertuscht, wenn man grausame Kinder hat und selbst nicht aufpasst. Ich weiss nicht, was meine Eltern gesagt haben.
'N bisschen lang fand ich den Vorlauf, obwohl er amüsant zu lesen war, 'n bisschen abrupt das Ende.
Hmm, der Vorlauf war eingentlich nicht als Vorlauf gedacht, aber wenn er amuesant war, isses ja wurscht.
Zum Ende siehe oben.

Kaaasimir,

Du bist wirklich klug! Warum ist mir diese Ausrede nicht selbst eingefallen? Keine Umkehrschluesse bitte!

Euch allen vielen Dank fuers Lesen und Kommentieren.
An dieser Stelle bitte eine Schweigeminute fuer Felix und die Dunkelziffer!

lg
fiz (voellig fertig vom Denken)

 

Hallo feirefiz!

grundsaetzlich habe ich ja keine hoehere Interpretationsautoritaet als meine Leser
Ich finde nicht, daß ich als Leser/Kritiker hier auf kg.de eine Interpretationsautorität habe, vielmehr finde ich die Intention des Autors sogar sehr wichtig. Wir sind ja hier, um zu lernen und unsere Geschichten zu verbessern, und dazu gehört meiner Meinung nach auch, daß man seine Intention vielleicht besser anbringt oder wie man eine Sicht oder Aussage, die man nicht erzeugen wollte, ausschließt.
Bei reinen Unterhaltungstexten wird es einem egal sein, wo der Leser lacht oder sich gruselt, solange er sich gut unterhalten fühlt, aber wenn man etwas aussagen oder zeigen will, will man doch, daß das Geschriebene auch so ankommt, oder? ;)
Wenn ich also Stellen zitiere, die mich auf meine Interpretation bringen, dann nicht, um meine Interpretation autoritär zu belegen, sondern damit Du die Falten eventuell ausbügeln kannst, wenn sie Dich stören.

alle die da Unterschiede machen gendern ihre Kinder und das ist pfui
:lol:

haettest Du die Frage auch gestellt, wenn da “Vater” statt “Mutter” gestanden haette.
Wahrscheinlich nicht, was aber nicht an meiner Einstellung zu dem Thema liegt, sondern an gesellschaftlichen Tatsachen: Du bist zwar lt. Deinem Profil noch recht jung, aber auch zur Zeit Deiner Kindheit war die Variante, daß die Mutter arbeitet und der Vater zuhause ist, noch recht unüblich, schließlich gab es noch wesentlich weniger gut verdienende Frauen. Entweder es arbeiteten beide oder nur der Vater, anders war es kaum für jemanden finanzierbar. Davon ausgehend, daß Unübliches in Geschichten normalerweise erwähnt wird, nahm ich also das "Normale" an, und daher der Schluß, wenn die Mutter abends von der Arbeit kommt, war das Kind (oder die Kinder) alleine. ;)

Mir ging es darum, ganz unterschiedliche Familien zu zeigen. Marilyns Mutter ist immer Zuhause und kocht regelmaessige Mahlzeiten. Dort wird einem wahrscheinlich das Hemd in die Unterhose gestopft, damit man sich nicht die Nieren verkuehlt. Andererseits gibt es auch mehr Zwang. Man muss essen auch wenn man nicht hungrig ist, muss malen, obwohl man keine Lust hat und darf nicht alleine Schwebebahn fahren. Bei Ich macht man sich selbst Kaesebrote, wenn man Hunger hat und die Mutter geht arbeiten.
Ich finde nicht, dass eines der beiden Modelle mehr oder weniger liebevoll ist und das Kind bewertet es auch nicht.
Was Marilyn betrifft, kommt das bei mir auch so an, wie Du wolltest. Zwar hatte ich das Malen-Müssen auf die Hausaufgaben zurückgeführt, neben dem termingerechten Essen scheint es aber auch hier durch:
Marilyn kannte kaum Tierarten und war schlecht im Hüpfen auf Flusssteinen. Trotzdem behandelte sie mich wie ein Baby.
Daß sie Dich wie ein Baby behandelt hat, hat seinen Ursprung ja vermutlich darin, daß sie selbst wie ein Baby bevormundet wird. Dafür spricht auch, daß sie schlecht im Hüpfen auf den Steinen ist, denn ein Kind, das seine Umwelt nicht kennenlernen darf und ständig zurückgehalten wird, weil es noch zu klein ist, wird automatisch ungeschickter.
Allerdings hat das ja nichts mit einem »Familienmodell« zu tun, ein Kind ist nicht automatisch überbehütet, nur weil ein Elternteil zuhause ist. Ich glaube, Du vermischt Familienmodell und Erziehungsstil. ;) Ebenso haben Liebe oder Lieblosigkeit nicht viel mit der Form der Familie zu tun, außer, daß es mehr vom einen oder anderen gibt, wenn mehr Zeit dafür zur Verfügung steht.

Auch wenn es mir nicht darum ging, Lieblosigkeit darzustellen und das nicht den autobiografischen Hintergruenden entspricht, kann man diese Leerstelle aber auch so wie Haeferl interpretieren – das haengt womoeglich auch davon ab, wie man die oben erwaehnten Familienmodelle bewertet. Der Text selbst laesst diese Lesart sicher zu und ich sehe keinen Anlass ihn so umzuschreiben, dass er sie verbietet. Ich denke, dass ist ein Mass an Offenheit, das noch nicht an Beliebigkeit grenzt.
Wie gesagt, es hat nichts mit den Familienmodellen zu tun, sondern vielmehr mit so Dingen wie eigentlich allem, was mit dem Meerschweinchen zusammenhängt.
Bei der Schweinebenamsung schliesse ich mich allerdings Bernadette an. Wenn ich nun geschrieben haette: "Mein Vater nannte ihn Felix", koennte ich den lieblosen Eindruck nachvollziehen, aber einen Vorschlag, egal ob es nun einer oder mehrere sind, kann ich nicht als Zwang empfinden.
Nicht unbedingt als Zwang, aber auch nicht als das, was es sein könnte. Die gemeinsame Namenssuche kann nicht nur ein gemeinsames Erlebnis für die Eltern und Kinder sein, wenn man sich dafür mehr Zeit nimmt als nur für ein »Nennen wir ihn so?«–»Ja, gut«, sondern man zeigt dem Kind damit auch eine Achtung vor dem Tier als Lebewesen, dem man eben nicht irgendeinen Namen gibt, sondern sich gemeinsam Gedanken macht, was zu ihm paßt. Und wie die Eltern damit umgehen, läßt natürlich schon Rückschlüsse zu, wie sie mit den Kindern umgehen. Anders klingen würde es etwa, wenn Du schreibst: »Mein Vater und ich waren uns sofort einig, dass er Felix heißen muss.« Da kann man nicht viel hineininterpretieren. ;-)

Es wird ja auch gesagt, das Ich sehr wohl weiss, wie man ein Meerschwein anfassen soll und dass man es akzeptieren muss, wenn Tiere nicht spielen wollen. Das ein Kind ein Tier lieber mag, mit dem man spielen kann, finde ich aber normal. Ich haette tatsaechlich lieber eine Katze gehabt.
Ich hätte auch gern eine Katze gehabt und hatte immer nur Hamster oder Mäuse, die jeweils nach zwei bis drei Jahren gestorben sind. ;)
Für mich kam es nicht klar im Text rüber, daß die Ich-Erzählerin gern eine Katze gehabt hätte. Den Satz, sie könne damit schon mal auf Katze üben, hatte ich eher dem Vater (als indirekte Rede) zugeordnet. Das ändert aber nichts daran, daß es auf mich einen lieblosen Eindruck macht, dann sieht er zwar nicht das Meerschweinchen als Ding bzw. Mittel zum Zweck, nimmt aber dafür keine Rücksicht auf die Wünsche des Kindes, das eben nur ein Ersatztier für das, was es eigentlich wollte, bekommt.
Daß das Puppenhaus selbstgemacht war, ist natürlich eine feine Sache, das kam leider bei mir vorher nicht als selbstgebastelt an. Natürlich ist sowas auch eine gewisse Form der Liebe, auch wenn es oft vor allem der Basteltrieb ist, der die Väter oder auch Mütter dazu bringt. Zum Beispiel zeigt ja auch ein selbstgestrickter Pullover nicht automatisch, daß die Mutter ihr Kind liebt, sondern mehr, daß sie gern strickt.
»Das ein Kind ein Tier lieber mag, mit dem man spielen kann«: Man kann auch mit Meerschweinchen spielen, zum Beispiel kann man ihnen Tunnel und Gänge bauen, Hindernisse, die sie überwinden oder umgehen müssen, um am Ende ein Stück Apfel oder Karotte zu erreichen. Wenn es einem niemand zeigt, d.h., die Zeit nicht aufbringt, kann man es natürlich nicht. Mir hat es auch niemand gezeigt, aber ich hab (so ungefähr beim dritten Hamster) Die Sache mit den Meerschweinchen gelesen. ;-)
»das Ich sehr wohl weiss, wie man ein Meerschwein anfassen soll« – Man kann auch ein Kind mit dem Notwendigsten versorgen oder zum Beispiel die Zeit aufbringen, die es braucht, bis das Kind wirklich Freude mit dem Tier hat.

Zum Schluss:
Ich weiss, er ist kurz. Aber ich will ihn gerne lakonisch haben. Diese Leerstellen dazwischen wirken fuer mich persoenlich staerker als ein Auserzaehlen.
Ja, aber stärker in jeweils der Richtung, wie man die Geschichte verstanden hat. So hab ich dabei das Gefühl, daß niemand das Erlebnis mit dem Kind besprochen hat, weshalb die Auslassungen fast schon als traumatisiert rüberkommen.

Wie gesagt, das sollte kein Belegen oder Nachweisen der Lieblosigkeit sein, sondern Dir besser zu verstehen geben, wie ich darauf komme, damit Du vielleicht an den Stellen nachbessern kannst, um diese Schlußfolgerung auszuschließen. :)

Daß Dir mein Röntgenvorschlag gefällt, freut mich sehr, und ich denke nicht, daß Du dafür unbedingt die kindliche Erzählerposition aufgeben mußt, wenn Du den Zeitpunkt des Röntgens soweit in die Kindheit schreibst, daß es funktioniert. ;)

An dieser Stelle bitte eine Schweigeminute fuer Felix und die Dunkelziffer!
Ein Schulkollege von mir, zum Glück war er nur ein Jahr mit mir in einer Klasse, hat weiße Mäuse im Backrohr vergast, weil er zuschauen wollte, wie sie dabei umkommen. Das hat er dann herumerzählt, als hätte er irgendwas Großartiges vollbracht.

Liebe Grüße,
Susi :)

 

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