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Thema des Monats Auf Abwegen

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23.01.2007
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Auf Abwegen

"Warum muss die Feier ausgerechnet in dem kleinsten, abgelegensten Kaff stattfinden, das es in der Gegend gibt? Verdammt Alex, jetzt schneit es auch noch - siehst du? Fahr bloß nicht zu schnell!"
Sonjas Zeigefinger tippt gegen die Scheibe, als könnte ich den Schnee nicht bereits sehen. Sie ist wütend, und mir gefällt mir das. Ich mag es, wenn sich eine kleine Falte zwischen ihren Brauen bildet. Sonja, die Wildkatze. Sie hat die Beine übereinandergeschlagen, und blickt aus dem Fenster. Affektiert zündet sie sich eine Zigarette an - um mich zu ärgern. Ich hasse den kalten Nikotingeruch am nächsten Morgen.
"Außerdem gefällt mir das Kleid nicht. Ich hab das deinetwegen an."
Hat sie nicht. Ich habe es gesehen, sie beobachtet, vor dem Spiegel im Schlafzimmer, wie sie sich betrachtet hat. Es hat ihr gefallen, das schwarze Nichts mit dem weiten Ausschnitt am Rücken. Ich frage mich, weshalb sie so wütend auf mich ist.
"Hm", mache ich.
"Sandra wird mich auslachen."
Ihr Blick ist ein einziger Vorwurf. Sie bläst den Rauch gegen das Wagendach, wo er sich sammelt und darauf wartet, am nächsten Tag in meine Nasenlöcher zu dringen.
Sandra - deshalb ist sie also wütend. Und ich bin unschuldig. Wirklich.
"Sandra ist eine Schlampe", entgegne ich und bin mir bewusst, es übertrieben zu haben mit meiner Ehrlichkeit. Aber das Nikotin will gerächt werden. Sie starrt mich an, schüttelt kurz den Kopf, eine Strähne rutscht ihr ins Gesicht.
"Sag mal Alex, geht's dir noch gut? Eine Schlampe? Nur weil sie sich von Norbert hat vögeln lassen oder was?"
Mit der freien Hand schiebt sie die dunkle Strähne zurück hinters Ohr.
Nein, weil sie sich von mir hat vögeln lassen, will ich sagen.
"Jedenfalls siehst du wundervoll aus, und niemand wird dich auslachen", sage ich stattdessen und schenke ihr meinen George-Clooney-Blick, der wirkt immer. Normalerweise. Sie bläst mir Rauch entgegen.
"Du willst mich nur besänftigen. Wer weiß, vielleicht kommt Sandra ja nicht. Weißt du, ob sie kommt? Gott, meine Schuhe bringen mich um, wenn ich sie den ganzen Abend tragen muss, das weiß ich jetzt schon. Und damit soll ich dann auch noch tanzen."
Sie schlüpft aus den Schuhen und drückt die Füße gegen die Windschutzscheibe, die augenblicklich beschlägt. Ihre Zehen malen Linien, ein Herz, einen Pfeil, dann wischt sie es weg. Mein Blick wandert zu ihren Brüsten, dann wieder hinab zu den Schenkeln, sie hält sie für zu dick, ich finde sie genau passend und freue mich auf die Nacht und auf vielleicht mehr. Nein, wegen Sandra muss sie sich wirklich keine Sorgen machen.
"Ich weiß nicht, ob sie kommt. Warum interessiert dich das?", frage ich sie und versuche, so uninteressiert wie möglich zu klingen. Sie spitzt die Lippen und betrachtet mich einige Sekunden lang, dann drückt sie die Zigarette in den Ascher und sieht wieder aus dem Fenster.
"Ich dachte nur, du wüsstest, ob sie kommt, oder ob nicht. Sonst weißt du doch auch alles über sie. Sag mal, wo sind wir eigentlich?"
Gut, Themawechsel. Doch ich weiß, sie lauert nur, wartet, bis ich unvorbereitet bin. Und dann kommen Fragen wie: "Weißt du eigentlich von Sandras Freund?"
"Irgendwo außerhalb der Stadt", antworte ich, "da ist ein Waldstück, wenn wir durch sind, sind wir im Kaff und somit am Ziel."
"Es schneit. Bist du dir sicher, dass wir auf der richtigen Straße sind? Gott, hier draußen sieht man ja überhaupt nichts." Sie drückt die Nase an die Scheibe.
"Natürlich bin ich mir sicher", sage ich - mit einem Seitenblick auf das Navi.
Plötzlich ist ein Schatten auf der Straße, direkt vor uns, vielleicht ein Tier. Ich will ausweichen und lenke nach rechts, spüre erst nach einem Augenblick, dass ich das Lenkrad verrissen habe und steuere dagegen, doch es ist zu spät. Die Reifen haben keinen Halt mehr, der Wagen bricht aus. Ich höre Sonjas Schrei. Dann erbebt das Auto unter einem lauten Knall, es drückt mir die Luft aus der Lunge. Ich höre Glas splittern und etwas knackt dumpf, warme Feuchtigkeit klatscht gegen meine Wange, dann wird es still. Neben mir höre ich ein Röcheln, stoßweise, unmenschlich. Im sterbenden Licht der Scheinwerfer sehe ich noch ihren eingedrückten Kopf, doch erst als das Licht erlischt, schreie ich.

 

Hallo yours,

verzeih' mir, aber irgendwie hab ich hier dank des copywrite grad ein Doppel dejavu (man setze gedanklich die Akzente, wo sie hingehoeren). Das ist doch haargenau die Exposition eines genervten Paerchens die Quinn in Perfektion und Andrea in Vollkommenheit hat. Sogar die Fuesse an der Windschutzscheibe. Hammer! Das gehoert in die Kreativwerkstatt. Als copywrite wuerde ich es aber gelungen finden, denn es erfuellt ja JoBlacks Wunsch, Quinns Protagonisten tot zu sehen. Als Leser finde ich es auf jeden Fall ganz erleichternd, dass das Geschnatter endet. Es sind schon ein sehr typischer Mann und eine sehr typische Frau.
Horror liegt am Anfang natuerlich nur im Beziehungsgenerve. Das liegt am Wesen des Ueberraschungseffekt, dass sich eben kein Grusel aufbaut. Ist natuerlich durchaus legitim.

Noch Zeugs:

"Ball" finde ich in Deutschland irgendwie ungewoehnlich, zumal in einem Kaff. Da fehlt mir irgendwie die Erklaerung, warum sowas ausgerechnet da stattfinden soll.

Affektiert zündet sie sich eine Zigarette an - um mich zu ärgern. Ich hasse den kalten Nikotingeruch am nächsten Morgen, und sie weiß das.
Das letzte Fette koennte man streichen, weil das erste Fette es voraussetzt.

und schenke ihr meinen George-Clooney-Blick
ich kann Prominentennnamen in Texten nicht leiden. Aber Deinen Clooney-Blick wuerd ich schon gern mal sehen.

Sie schlüpft aus den Schuhen und drückt die Füße gegen die Windschutzscheibe, die augenblicklich beschlägt. Ihre Zehen malen Linien, ein Herz, einen Pfeil, dann wischt sie es weg.
Das fand ich schoen beschrieben.

Plötzlich ist ein Schatten auf der Straße, direkt vor uns, irgendein Tier.
Hoffentlich ein Werwolf

Dann erbebt das Auto unter einem lauten Knall, es drückt mir die Luft aus der Lunge, ich höre Glas splittern und etwas knackt dumpf, warme Feuchtigkeit klatscht gegen meine Wange, dann wird es still.
Da muessten m.E. mehr Punkte zwischen.

Im sterbenden Licht der Scheinwerfer sehe ich noch ihren eingedrückten Kopf, doch erst als das Licht erlischt, schreie ich.
Der Schlussatz ist grundsaetzlich gut, nur "eingedrueckt" finde ich etwas schwach.

lg
feirefiz

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo feire!

Danke fürs Lesen und für die Kritik, die bemängelten Sachen habe ich ausgebessert, nur für "eingedrückt" mag mir nichts Besseres einfallen. "deformiert" finde ich zu abgespaced, "kaputt" zu ... naja, "verletzt" zu schwach. Muss mir nochmal durch den Kopf gehen.

Und zum Copywrite: Ich hab eigentlich nicht abgekupfert, zumindest nicht absichtlich. Quinn, verzeih mir. :) Echt, klar, da sitzen zwei im Wagen und unterhalten sich, aber es geschieht doch etwas völlig anderes. Und das mit den Füßen an der Scheibe, ja - die Pose gefällt mir eben, hat mir aber vor Quinns Geschichte bereits gefallen, und vor allem dem Protagonisten gefällt es auch. :)

Hallo regi!

Dir auch danke fürs Lesen und den Kommentar! Zu abgenudelt - hm. Ich wollte extra das "sterben" noch irgendwo mit reinbringen, und mir gefällt es da. Mal sehen, mal sehen, wenn du es abgenudelt findest, vielleicht fällt mir was Besseres ein.

Den find ich genial!

:)

Danke nochmal und schöne Grüße,

yours

 

Hallo yours,

"Sandra ist eine Schlampe", entgegne ich und bin mir bewusst, es übertrieben zu haben mit meiner Ehrlichkeit. Aber das Nikotin will gerächt werden. Sie starrt mich an, schüttelt kurz den Kopf, eine Strähne rutscht ihr ins Gesicht.
Das ist auch so eine Geschmacksfrage; hier dieses „und bin mir bewusst, es übertrieben zu haben mit meiner Ehrlichkeit“ – er sagt etwas und in Gedanken wird es sofort kommentiert. Das ist immer so … ja, man kann das schon machen, aber sollte irgendwie spärlich umgehen oder es ganz in den Vordergrund stellen, weil das schon wieder aus der Szene rausführt, in die Psychologie der Figuren rein, und das sollte sich idealerweise dem Leser auch so erschließen.
Oder kurz: Nicht zu viel erklären, auch mal was einfach stehen lassen.

Jaaa, also wenn man das unter Horror stellt, gehört diese Verkehrssendung der Siebte Sinn auch unter Horror. Ist schon zu wenig für eine Kurzgeschichte, auch für einen Quickie, Gespräch –Unfall, wie schnell der Unfall dann eintreten kann, das zufällige Element im Leben.
So endet no Country for old men, dass der gnadenlose Killer, der nur ans indifferente Schicksal glaubt, am Ende noch von einem Auto erwischt wird. In dem Film ist das brillant, weil es aus der unter der Fassade liegenden Struktur des Films fast schon zwingend erwächst, es ist ein bitterer Kommentar im Subtext.
Also hat so was durchaus seine Berechtigung, auch und gerade in zentraler Form, aber alleinstehend, ohne eine Verwebung in die Handlung, wirkt es für mich zu wenig. In einem Moment streiten sie sich noch, im nächsten sind sie tot. So schnell kann’s gehen. Ist mir jetzt als Text zu wenig.

Gruß
Quinn

 

Hi Yours!

Ah ja, den Horror musste ich auch mit all meinen übertragenen Sinnen suchen - mit mäßigem Erfolg. Der zickige Dialog zum Einstieg ist Dir gut gelungen, das schon; doch baut er leider keine Spannung auf und leitet auch das Ende nicht ein. Am Ende hätte wer-weiß-was stehen können. Außerirdische, die Scheidung, Busenmonster vom Mars ... oder sie hätten einen Horror-Schriftsteller überfahren können, der danach erstmal in eine Schaffenskrise verfällt und erst wieder Erfolg hat, als er die beiden zur Rache in seine grotesken Geschichten einbaut, und die Geschichten für die beiden wahr zu werden ... Ach so: Quickie. Stimmt ja. :)

Hm, ja: Anfang gut geschrieben, Ende gut geschrieben, zusammen aber nicht so wirkungsvoll. So erging mir das.

Warum muss die Feier ausgerechnet in dem kleinsten, abgelegensten Kaff stattfinden, das es in der Gegend gibt.
Fragezeichen?

Ich hab das nur wegen dir an.
Eiiigentlich ja: Deinetwegen.

Und dann kommen Fragen wie: "Weißt du eigentlich von Sandras Freund?".
Punkt weg.

"Irgendwo außerhalb der Stadt", antworte ich, "da ist ein Waldstück, wenn wir durch sind, sind wir im Kaff und somit am Ziel".
Punkt eins vor. :)

Bis denne,
Fisch

 

Hi Yours.

Hm... ganz ehrlich? Ken Horror für mich zu erkennen (sowas erleb ich täglich, wenn ich mit meiner Frau ... naja lassen wir das :D).
Es ist halt "nur" ein Unfall, schrecklich ja sicherlich, aber Horror nicht unbedingt.

Ansonsten: Nett zu lesen. Die kleinen Details "drückt die Füße gegen die Windschutzscheibe, die augenblicklich beschlägt" haben mir besonders gut gefallen.

Gruß! Salem

 

Grüße euch beiden,

Fehler habe ich korrigiert, ansonsten vielen Dank fürs Lesen und für die Kommentare. Nächstes Mal gibts mehr Geschichte und mehr Fleisch dran. :)

Schöne Grüße,

yours

 

Hey Mr Truly!

Kennst du das Lied "Last Kiss"? Einer meiner Lieblingslieder - die Pearl Jam- Version. ;)
Es hat mich aber auch wirklich an Perfektion und Vollkommen erinnert, tja, und Horror, joaaa, wenn man Horror so definiert, wie du es in der Geschichte tust, dann ist sich beim Zwiebel-Schneiden den kleinen Finger abzuschneiden auch Horror. :P
Was ich dir sagen will: Es hat mir nicht gefallen, du musst den Leser belohnen und so, denk mal darüber nach. ;)

JoBlack

 

Hey Jo!

Okay, ja, das ist so eher der kleine Horror für Zwiebelschneider, hab ich verstanden. Das nächste Mal werde ich dich besser erschrecken.

Danke für den Kommentar. :)

yours

 

Hey yours,

es ist bestimmt nicht deine Stärkste, aber für das Spiel neben der Sache mit dem blauen Leuchten für mich am geignetsten.

Meiner Ansicht nach hätte es mehr geknallt, wenn du den Schnitt nicht mit einem "Plötzlich" eingeleitet hättest. Das Unfallszenario mehr in die voherige Aktion eingwoben hättest.

Das "eingedrückt" gefällt mir eigentlich, ist ein Adjektiv, das im Zusammenhang mit Körperteilen unangenehme Assotiationen weckt, zumindest bei mir.

Zum Horrorpunkt ist ja schon einiges wahres gesagt worden, würde ich größtenteils unterstreichen. Das plötzliche Eintreten fürchterlicher Geschehnisse und der Gedanke, dass sich der Tod in jedes noch so alltägliche Ereignis einmischen kann ist natürlich schon eine Horrorvorstellung, aber vielleicht hättest du Sonjas Verletzungen einfach etwas goremäßiger beschreiben sollen. ;)

Aber alles in allem gerne gelesen und sehr gerne kopiert.

Gruß
krilliam

 

Hallo yours truly,

"Sie ist wütend, und mir gefällt mir das."

Da sind irgendwie zuviele "mir" reingeraten.

Ansonsten gefällt mir die Geschichte gut, obwohl ich es schon ein bisschen heftig finde, da Leute so vorzustellen und sie dann gleich darauf umzubringen :P
Naja, ist ja schließlich Horror...

Gut erzählt, man kann sich das alles (mitsamt Landschaft und so) recht gut vorstellen.

Grüße,

f.

 

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