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Copywrite Ein Brief für Maria

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23.01.2007
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Ein Brief für Maria

Ich wachte auf und draußen war es schon hell. Mein Gott, dachte ich, ich komme zu spät zur Schule! Schnell sprang ich aus dem Bett und wollte mich anziehen, fand aber keine Socken, weil ich mich so beeilen musste. Also hetzte ich barfuß zu Papa ans Bett.
"Papa?", fragte ich leise und wartete einige Augenblicke. Er schlief weiter. "Papa", diesmal etwas lauter, "ich finde keine Socken mehr." Von ihm kam nur ein Grunzen, dann drehte er sich auf die andere Seite. Mist! Also zog ich mich fertig an - ohne Socken -, Mantel, Stiefel, ein Küsschen noch für Papa, und dann beeilte ich mich in die Schule zu kommen.
In der Nacht hatte es geschneit, aber meine Angst vor dem Lehrer war so groß, dass ich die Kälte nicht spürte. Die Kirchturmuhr schlug halb neun, als ich an der Schule ankam: Ich war eine halbe Stunde zu spät. Das würde Ärger geben.
"Fräulein Niederberger, wie schön, dass Sie uns mit ihrer Anwesenheit beehren." Er blickte mich streng an und ich machte mich ganz klein. Sicher habe ich erbärmlich ausgesehen, nass vom Schnee und mit den ungekämmten Haaren.
"Entschuldigen Sie bitte, Herr Lehrer. Es hat geschneit und ..."
"Sei leise! Setz dich - aber glaub mir, darüber reden wir noch!"
Leise ging ich in die Bank und erntete einen erstaunten Blick von meiner Freundin Johanna.
"Maria, da bist du ja!" Sie sprach leise und ich beugte mich zu ihr. "Ich habe schon gedacht, der Schnee hätte dich verschüttet und wir müssten dich suchen gehen." Sie grinste mich an, ihre Zöpfe baumelten frech hin und her.
"Nein, nein, ich hab verschlafen. Mein Wecker ist doch kaputt, schon ewig lange, aber wir haben kein Geld für einen neuen, wegem dem Krieg und so."
"Den Krieg werden wir bald gewonnen haben, mein Papa hat das gesagt. In Russland sieht es gut aus. Ach, und wegen dem Geld: Ich schenke dir einen Wecker, wenn du willst. Aber sag mal, wie siehst du denn aus? Du bist ja eine halbe Vogelscheuche, und deinen Rock hast du auch falsch herum an."
Ich blickte runter und wurde rot. Sie hatte Recht. Also zog und zerrte ich, bis die Naht an der rechten Stelle war, was mir im Sitzen schwer fiel.
"Still! Wenn nicht sofort Ruhe ist, werde ich euch lehren, was es bedeutet, den Unterricht zu stören!"
"Entschuldigen Sie, Herr Lehrer", sagten wir Mädchen wie aus einem Mund und senkten den Blick, die Hände züchtig auf der Bank gefaltet. Er schaute uns nur streng an und machte dann weiter.

Am Nachmittag gingen wir gemeinsam heim, unsere Häuser waren ja nicht weit weg voneinander.
"Treffen wir uns nach den Hausarbeiten?", frage ich Johanna.
"Nein, ich muss Papa helfen. Du weißt, er hat doch dieses kaputte Bein seit dem Krieg. Da kann er eben nicht mehr alles. Und Mama ist nicht da, die ist in die Stadt gegangen, sie kauft da ein."
"Schade. Gut, sehen wir uns ein andermal. Bis bald!"
"Bis bald!"

Zuhause öffnete ich die Tür und trat ins Innere unserer kleinen Wohnung.
"Hallo Papa, ich bin zu Hause!" Niemand antwortete. Das war seltsam - ob er immer noch schlief? Ich ging die kleine Treppe hoch in die Wohnküche und erschrak. Er saß auf der Eckbank, vor ihm standen drei Weinflaschen, in den Händen hielt er einen Brief. Genau so war er am Tisch gesessen, mit einem Brief, damals vor zwei Jahren, als die Sache mit Mutter passierte. Immer wenn etwas Schreckliches war, bekamen wir einen Brief. Ich befürchtete Schlimmstes und kam langsam näher.
"Papa?" Er schaute zu mir, dann lächelte er. Er wirkte müde. Als sein Blick zurück auf den Brief fiel, lächelte er nicht mehr.
"Mein Schatz." Er hatte mich noch nie "Schatz" genannt. Nur Mutter, damals.
"Papa, was ist los, warum betrinkst du dich?"
"Weil heute ein Scheißtag ist, mein Schatz, ein verdammter Scheißtag!" So hatte ich ihn noch nie reden hören. "Maria, komm mal her." Ich ging langsam auf ihn zu.
"Nun sag schon, Papa!" Er zögerte.
"Maria, ich muss weg - bald schon." Ich schluckte und starrte ihn an, irgendwo in der Stille tropfte ein Wasserhahn. "Der Brief ist von der Wehrmacht, von diesen verdammten Bastarden." Er sah mich nicht an, ich zuckte zusammen. Wehrmacht? "Mein kleiner Schatz, das bedeutet, dass wir an der Ostfront verlieren. Sie brauchen Verstärkung, dort - jeden Mann. Um die Line zu halten. Aber das verstehst du noch nicht, mein Schatz, und das musst du noch nicht verstehen, und das ist gut so, verdammt gut so. Aber eines davon wirst du verstehen müssen." Er wurde ernst und nahm einen weiteren Schluck aus einer der Flaschen, wischte sich den Mund ab und blickte mich an. Und wie ich verstand. Papa war einberufen worden!
"Papa, du musst weg?" Mein Herz wurde schwer, ganz schwer. Eine Weile sagte niemand etwas. Draußen hörte man spielende Kinder.
"Ja, in zwei Wochen", sagte er nach einer Weile. Ich schluckte und meine Hände wurden feucht. In den Krieg. Das bedeutete, er würde kämpfen, mit richtigen Gewehren und mit Munition, und das wiederum bedeutete, er könnte dabei ... nein!
"Papa, ich will nicht, dass du gehst! Du könntest sterben und ich sehe dich nie wieder! Bitte, bitte, geh nicht!" Ich setzte mich zu ihm. Er sah mich lange an, seine Augen wurden klein, dann hob er eine Hand und fuhr mir durch die Haare.
"Mein Schatz, ich komme wieder, ich verspreche es. Und - ich habe mir etwas überlegt. Es wird dir nicht gefallen, aber es gibt keine andere Möglichkeit. Du wirst zu unseren Nachbarn gehen, den Schwenningers. Ich werde gleich morgen mit Karl reden. Wir kennen uns schon seit der Schulzeit. Und mit Johanna verstehst du dich doch, ihr sitzt doch in der Schule nebeneinander."
Mein Herz setzte aus.
"Ja aber du kannst mich doch nicht einfach fortschicken! Ich will nicht, dass du gehst, und vor allem will ich nicht weg, niemand soll hier weg, wir bleiben hier!" Ich fühlte Tränen in meinen Augen und mein Blick verschwamm.
"Du bist zu jung um das zu entscheiden. Sag mal, Mädchen, glaubst du, ich mache es mir leicht? Verdammt, ich will doch auch nicht gehen, und würde am liebsten blieben! Aber Karl ist ein guter Mensch und das ist er mir schuldig, dass er sich um dich kümmert, ich habe mich auch um die Johanna gekümmert, als er weg war und seine Frau krank im Bett lag!" Ich sah auf den Boden und hätte fast angefangen zu weinen, aber ich konnte mich zusammenreißen, nachdem ich mir fest auf die Zuge gebissen hatte. Zu den Schwenningers sollte ich - ohne Papa. Reich waren die, die konnten sich vieles leisten. Das waren ganz andere Leute als wir, sagte Papa immer. Johanna war in Ordnung, ja - aber Johannas Mutter war ein Teufel. Sie mochte mich nicht, keine Ahnung weshalb. Das würde die Hölle werden. Aber was blieb mir? Zwei Wochen. Nur noch zwei Wochen.
"Wie du willst, Papa."

Die folgenden Tage vergingen und mir war ständig schlecht. Schwenningers waren natürlich einverstanden, mich für die Zeit bei sich aufzunehmen. Und irgendwann musste Papa dann weg.
"Ich liebe dich, Papa!"
"Und ich liebe dich, mein Schatz!"
Er hob mich hoch, drückte mich und ich sog seinen Geruch ein, schloss die Augen und dachte an Weihnachten, an Ostern und an Mutter.
"Bis dann in ein paar Monaten, ja?"
Dann setzte er mich ab und ich blickte ihm nach, als er auf den Truppentransporter kletterte. Er sah gut aus in seiner Uniform. Wie ein Ritter. Ein moderner Ritter zwar, aber trotzdem. Ich winkte und der Wagen polterte davon, weit weg. Dann erst weinte ich.

Später ging ich die wenigen Schritte zum Haus den Schwenningers und klingelte. Frau Schwenninger öffnete und reichte mir die Hand, Johanna drängte sich dazwischen.
"Maria, schön, dass du da bist. Johanna wird dir zeigen, wo du schläfst. Ist das alles, was du an Sachen dabei hast?" Sie betrachtete meinen kleinen Koffer. Ich nickte.
"Gut, es wird wohl reichen müssen." Sie lächelte, es wirkte nicht echt und in ihrem Mund waren große Zähne. Johanna hüpfte aufgeregt auf und ab.
"Das wird so wunderbar, du schläfst in meinem Zimmer, wir werden so viel Spaß miteinander haben, du darfst mit all meinen Spielsachen spielen und tun, was du willst - oh, ich freu mich so!"
Ja, so hatte ich mir das vorgestellt. Mit all ihren Spielsachen spielen. Ich wollte, es wäre schon Monate später und Papa wäre wieder hier. Ich nahm meinen kleinen Koffer und folgte Johanna ins Haus. Drinnen war es dunkel und roch nach Bohnerwachs.
Wir zogen unsere Stiefel aus und gingen eine kleine, enge Treppe hoch, bei der jede Stufe quietschte. Oben waren zwei Zimmer, das eine leer bis auf einen verstaubten Webstuhl, das andere Zimmer gehörte wohl Johanna.
"Das ist mein Zimmer!", sagte sie stolz und stellte sich in die Tür. Im Inneren des kleinen Raumes war alles penibel aufgeräumt, in einem Regal an der Wand saßen Puppen, sorgsam aufgereiht, ein großer Kleiderschrank war da, an der Wand gegenüber dem Fenster, und sogar ein Spiegel. Johannas Bett befand sich an der Wand links vom Fenster, rechts davon war eine Matratze auf den Boden gelegt worden. Ein kleines Kissen verlor sich darauf und eine fleckige Decke.
"Gefällt es dir?", wollte Johanna wissen.
"Schön", sagte ich knapp und roch den schweren Eichenschrank und die Daunendecke. Zuhause habe ich nur einen kleinen Kasten, Johanna musste sehr viele Kleider haben.
"Setz dich doch", sagte sie. Ich machte das und bemerkte, dass die Matratze dünn war und meine Decke Löcher hatte.
"Warum sagst du denn so wenig? Bist du traurig wegen deinem Vater?"
Ich nickte, stützte meinen Kopf auf die Arme und zog die Beine an. "Ja."
"Aber er kommt ganz sicher wieder. Meiner ist auch wiedergekommen, und er hat nur das mit dem Bein. Der Doktor meint, es kann sein, dass es sich wieder erholt, man weiß nie." Ich schloss die Augen und sah Papa vor mir, er blutete und trug ein Gewehr in der Hand.
"Johanna?", sagte ich tonlos.
"Ja?"
"Ich muss mal ..." Sie lächelte und ich wurde rot, aber es war mir egal.
"Treppe runter, den Gang entlang und dann gleich rechts."
Ich nickte, murmelte ein "Danke", stand auf und ging - froh, nicht mehr mit ihr in einem Zimmer sein zu müssen. Auf der Toilette habe ich dann das erste Mal geweint, das erste Mal, aber nicht das letzte. Nach drei Monaten kannte ich das Muster der Fliesen auswendig.

"Papa, erzählst du Maria und mir eine Geschichte?" Wir saßen am Kamin, Johanna, ihr Vater und ich, eigentlich war es gemütlich - Johannas Mutter war bei Freunden -, trotzdem fror ich.
"Ihr seid doch viel zu alt für Geschichten."
"Ist nicht wahr, bitte, bitte, eine Gruselgeschichte!"
Und die bekamen wir auch, Johannas Vater erzählte eine Geschichte über Geister aus dem Wald, über Alpträume und ich dachte an Papa und Mama und hörte nicht richtig zu. Johanna schon, sie konnte in der Nacht nach der Geschichte nicht schlafen, weil sie so Angst um sich hatte, und ich habe nicht schlafen können, weil ich an Papa gedacht habe, und daran, dass es nun schon drei Monate waren, und er immer noch nicht zurück war.
"Denkst du an deinen Papa?"
"Ja."
"Er kommt wieder, ganz sicher."
"Klar."

"Ich gehe noch in die Stadt runter." Johanna hörte mir nicht zu. Sie war sauer, keine Ahnung weshalb. Vielleicht wegen der kleinen Holzpuppe, die mir Matze geschenkt hat. Maria hatte zwar auch viele Puppen, aber keine solche. Ein bisschen grob hat sie ja schon ausgesehen mit den Strohhaaren, und nackt war sie auch, aber sie war meine. Meine erste Puppe.
"Was machst du denn noch in der Stadt?", fragte sie. Ich wusste, sie würde petzen. Es war mir egal. Sie petzte immer. Alles, was sie von mir erfuhr, sagte sie ihrer Mutter. Die schimpfte dann mit mir, aber sie schimpfte auch so. Ich glaube, sie hätte mich am liebsten losgehabt.
"Versprichst du, dass du nicht petzt?"
"Klar."
"Ich gehe den Mann besuchen, der mir die Puppe geschenkt hat."
"Aber es ist doch schon dunkel draußen und sicher gefährlich."
"Nein, der Mann beschützt mich. Ich glaube, er ist ein Zauberer." Sie sah mich mit großen Augen an.
"Ein Zauberer? Bist du dumm? So etwas gibt es doch nicht. Wie kommst du denn auf so etwas?"
"Er sagt, er kennt meinen Papa." Ich senkte den Blick. "Und er sagt, er kann mich zu ihm bringen." Ich glaube, Maria hat mich in diesem Augenblick gehasst, weil ich weg durfte, aber sie nicht. Ihre Mutter hatte es verboten. Bei mir war es ihr egal.
"Komm ja wieder - du kannst dir vorstellen, wie sauer Mutter wird, wenn wir dich suchen müssen!"

"Endlich, hab ja schon gedacht, dass du nicht mehr kommst. Probleme mit der Alten?" Matze sah mich aus seinen hellen, blauen Augen an, er war jünger als Papa, aber er hatte schon einen kleinen Bart. Ich setzte mich zu ihm auf die Bank am Brunnen.
"Nein, aber Johanna war noch nicht im Bett, und sie wollte noch reden." Er nickte und ich sah ihn an. Er bemerkte den Blick, griff in seine Tasche und reichte mir eine kleine Flasche aus Blech. Wenn Johanna erfahren hätte, dass ich mit Matze gemeinsam trinke, sie wäre aus allen Wolken gefallen. Oder hätte es mir einfach nicht geglaubt.
"Sie wissen noch nichts, oder? Und du Gör sagst es ihnen nicht, du Biest. Recht hast du!" Ich zuckte mit den Schultern und nahm einen tiefen Schluck.
"Hör auf so zu reden."
"Tut mir Leid, Kleine. Echt, ich vergesse manchmal meine Erziehung." Er lachte, ihm fehlte ein Zahn. "Wie geht's dir denn? Erzähl doch mal. Hat der Alte wieder Geschichten erzählt?"
"Ja."
"Der ist so verrückt. Ihr seid doch keine kleinen Mädchen mehr."
"Johanna mag die Geschichten."
"Johanna ist eine dumme Kuh." Ich sagte nichts darauf, er hatte Recht. Trotzdem traute ich mich nicht, es auszusprechen.
"Wird Zeit, dass wir hier verschwinden", sagte er. Ich wurde nervös. Er redete oft vom Verschwinden, aber so deutlich hatte er es noch nie erwähnt.
"Wann willst du abhauen?", fragte ich.
"Übermorgen geht der Zug nach Chemnitz. Kommst nun mit oder nicht?" In seinem Blick lag Hoffnung.
"Ich weiß nicht, Matze. Ich weiß es wirklich nicht."
"Sagst du es ihnen? Oder willst du nicht?"
"Was? Dass ich weg will? Vielleicht."
"Nein, das Andere." Ich schluckte und sah ihn nicht an.
"Ich gebe ihnen den Brief." Meine Stimme war tonlos, nur ein Flüstern. Es fühlte sich so leer an, wenn ich daran dachte, so, als wäre nichts da, kein Gedanke, nur eine endlose Leere.
"Das ist mutig, meine Kleine. Echt mutig von dir. Wirst ne Menge Kraft brauchen dafür." Dann sah ich ihn doch an und etwas in meinem Blick ließ das Lächeln auf seinem Gesicht verschwinden.
"Kraft hab ich dafür gebraucht, dass ich nicht geweint habe, als sie mir den Brief gebracht haben. Weil - ich habe schon geahnt, was darin war, noch bevor ich ihn geöffnet habe. Ich habe es schon befürchtet, als ich die Uniformen gesehen habe an unserem Haus. Und dann haben sie etwas in den Briefkasten gesteckt. Bei uns kommt immer ein Brief, wenn etwas Schlimmes passiert ist."
Er presste die Lippen aufeinander, eine Weile sprach niemand.
"Also - du kommst mit?"
"Ja. Was hält mich noch hier, wenn Papa nicht mehr kommt?"

 

Hier mein Copywrite zu AbdulAlhazreds "Maria und der Zauberer". Ist etwas länger geworden. :)

Und da findet ihr das Original.

 

Salve yours,

ein Küsschen noch für Papa Komma und dann beeilte ich mich in die Schule zu kommen.
Die Kirchturmuhr schlug halb neun Komma als ich an der Schule ankam: Ich war eine halbe Stunde zu spät.
dass Sie uns mit ihrer Anwesenheit beehren
Er wirkte müde
Ich fiel auf die Knie und blickte zu ihm hoch.
Find ich persönlich overdone. Ich würde von einem Kind eher eine Festhaltegeste erwarten: umklammern, von mir aus auch das Bein festhalten, sich auf den Schoß setzen, irgendwie so was.
Johannas Mutter war ein Teufel. Sie mochte mich nicht, keine Ahnung, weshalb. Das würde dir Hölle werden.
Hier erwarte ich Beispiele, irgendwelche marakante Erinnerungen.
"Gut, es wird wohl reichen. Johanna hat ja fast deine Größe, da könnt ihr tauschen, wenn es sein muss."
Hier wirkt die Mutter vernünftig und gütig, das passt überhaupt nicht zur "Hexe".
Ich schloss die Augen und sah Papa vor mir, er blutete und trug ein Gewehr in der Hand.
Würd mich interessieren, woher Maria so genaue Vorstellungen vom Krieg hat, wenn diese Realität am Dorf im Großen und Ganzen vorbei gegangen ist - Johanna ist schließlich, trotz des verwundeten Vaters, viel optimistischer.
Wenn Johanna erfahren hätte, dass ich mit Matze gemeinsam trinke, sie wäre aus allen Wolken gefallen.
Das klingt mir zu erwachsen für ein Kind. Maria überhebt sich innerlich über Johanna, weil sie Alkohol trinkt; sie fühlt sich ihr überlegen, zeigt klares Abgrenzungsverhalten. Das Bewusstsein, welches Verhalten einen überlegen, erwachsen, neudeutsch: cool macht, erwacht aber erst bei Jugendlichen.

Worüber ich stolpere: woher kennt Matze sich im Dorf so gut aus (Johannas Eltern etc.)? Wie kot er zu dem Urteil über Johanna, wo die beiden doch altersmäßig etliche Jahre auseinander sein müssten, er sich also wahrscheinlich nicht viel mit ihr abgegeben hat?

Und reicht die Tatsache, dassJohanna die innere Befindlichkeit ihrer Freundin nicht nachvollziehen kann, wirklich aus, um die Freundschaft zu zerstören? dass Maria selbst zu dem Urteil kommt, Johanna sei eine dumme Kuh?
Ich würde eher erwarten, dass si sich, ohne Rückhalt von Johannas Eltern, erst recht auf die Freundin stützt, und der vieles nachsieht.

außerdem geht es mir wie rueganerin, ich frage mich, warum Matze Maria mitnimmt. Freundschaftsdienst an deren Vater? da wäre sie im Dorf besser versorgt. Pädophile Neigung? Ist er letztlich erst 18 oder 19 Jahre alt, und Maria bereits 12 oder 13, so dass sich eine kleine (ziemlich verfrühte) Liebesgeschichte anbahnt? dazu passt Mariassonstiges, recht kindliches Verhalten nicht.

Wie auch immer, vielleicht lässt Du das ja bewusst offen.

Ansonsten sehr schön geschrieben, die Befindlichkeit der Maria finde ich gut eingefangen. Habs gern gelesen.

Gruß, Pardus

 

Guten Morgen, yours,

die Geschichte ist schön geschrieben und sehr angenehm zu lesen. Deine Heldin wirkt wesentlich älter als die im Original, ich hätte Maria hier auf mindestens 12 Jahre geschätzt, denn sie sagt Sachen wie "Papa, warum betrinkst du dich?".
Andererseits hab ich in Anna Wimschneiders "Herbstmilch" auch gelesen, wie ein achtjähriges Mädchen sich allein um die Geschwister kümmern und für die ganze Familie kochen mußte, nachdem die Mutter tot war, ich kann es schwer einschätzen: Krieg, Mutter weg, andere Zeiten, da altern Kinder anders und an anderen Stellen zuerst. Manchmal ist sie ja auch noch sehr kindlich.
Der Zauberer sagt zu ihr, sie sei kein kleines Mädchen mehr. Aber ab wann denken Männer, Mädchen seien keine kleinen Mädchen mehr? Das denken Väter anders, Brüder anders, Freunde noch anders. Man weiß nicht , was für ein Mann der Zauberer ist, was er fühlt und denkt.

Wie alt dachtest Du sie Dir denn? Das würde mich interessieren.

Der Mann wirkt nicht böse. Wie Du ihn beschreibst, könnte er ein vom Krieg gebrochener Mensch sein, der nicht allein sein will und seine Freundschaft diesem Mädchen geschenkt hat, das ein ähnliches Schicksal hat. Ein Deserteur. Ein Vagabund. Ein Heimatloser, eine verlorene Seele. Oder er hat auch jemanden verloren, vielleicht ein Mädchen, dem die Puppe gehörte. Woher er den Papa kennt und ob das stimmt, kann man nicht erfahren. Natürlich könnte es gelogen sein und Matze ein Verführer oder Kinderschänder, aber so fühlt es sich nicht an, eher wie der Beginn einer Liebesgeschichte. Da ist "das andere", das gesagt werden sollte: Was mag das sein? Haben sie sich verliebt, und jetzt, da der Vater gefallen ist, gibt es am Ort niemanden mehr, dem man das sagen müßte, weil Maria sich in Johannas Familie nicht zugehörig und zu Hause fühlt?
Auch möglich wäre (mit ein wenig Phantasie): Daß Matze ein Engel ist und den Vater im Himmel gesehen hat. Warum sollten Engel, die vorher Soldaten waren, nicht auf einer postmortalen Erdenmission trinken und fluchen?

Ich glaube jedenfalls nicht, daß die Heldin in Deiner Geschichte einen Fehler macht, wenn sie mit ihm geht.

Das hab ich mir also gedacht und die vielen Möglichkeiten ausgekostet, sowas mag ich sehr.

Was mich störte: Die Personen reden sich zu oft mit Namen (bzw. Papa) an, zu viele Sätze beginnen mit Namen. Das klingt unecht und ist nicht nötig.

Jetzt muß ich in dieses scheußliche scheußliche Wetter raus und arbeiten.

Liebe Grüße!
Makita.

 

Hallo regi!

Danke mal für das Lob. Ja, es stand nicht da, weshalb er sie gern mitnehmen würde. Ich habe einen Satz eingefügt, vielleicht wird es jetzt etwas klarer. Zu deutlich wollte ich es nicht machen, aber natürlich will ich auch niemanden in der Luft hängen lassen.


Hallo Pardus!

Danke für die Liste, ich habe ausgebessert. Das mit dem Kniefall habe ich rausgenommen, eigentlich hat es mich beim Schreiben schon gestört. Jetzt ist es weg und es ist besser so. Sie setzt sich jetzt zu ihm, das gefällt mir besser.

Das klingt mir zu erwachsen für ein Kind.

Ich wollte Maria am Ende erwachsener darstellen, als am Anfang. Zumindest sollte sie sich selbst so sehen. Sie "wird" erwachsener. Offensichtlich ist das bei dir nicht nachvollziehbar genug rübergekommen - gut, vielleicht kann ich da nachbessern. Danke für deinen Kommentar und für das Lob, das freut mich immer sehr. :)


Hallo Makita!

Von dir ein Lob zu bekommen hat mich besonders gefreut. Danke! Ja, wie alt ist sie? Ich wollte sie zwölf sein lassen. Damit ist sie alt genug, aber auch jung genug. In dem Alter kann sie schon viel reflektieren, hat auch einiges gesehen und es ist ein wichtiges Alter, in dem sich viel für sie verändert. Deshalb ist sie, vor allem am Anfang, noch mehr Kind als am Ende.

Den Mann ist nicht böse, nein. Aber er muss ja auch nicht unbedingt so sein. Es muss ja nicht immer um böse Männer und unschuldige Kinder gehen. Manchmal sind auch die Kinder sehr durchtrieben, manchmal auch getrieben, und das dann nicht seltem vom Schicksal. Mit deiner Interpretation vom Matze hast du genau den Typ getroffen, den ich darstellen wollte: Landstreicher, Rumtreiber und Taugenichts, aber im Grunde kein schlechter Kerl. Und Maria findet ihn eben toll, auf eine junge, wild-romantische Art.

Ein paar Namen habe ich rausgenommen, danke für den Hinweis. Ich hoffe, du hast trotz des Mistwetters einen angenehmen Tag gehabt. :)

Danke für den Kommentar!


Schöne Grüße euch allen,

yours

 

Hallo, yours truly,
die Geschichte ist schön geschrieben und liest sich flüssig. Allerdings finde ich Mackes Anwesenheit etwas unklar und plötzlich. Wo kommt er her, was macht er im Dorf? War er mit Marias Vater im Krieg zusammen und hat vielleicht von ihm den Auftrag bekommen, sich um Maria zu kümmern? Wie hat er Maria getroffen bzw. überhaupt erkannt? Nein, er erscheint nicht böse, aber undurchsichtig, könnte auch schlechte Absichten haben. Ein Kind, das man mit einer Puppe "gewinnen" kann, ist eben noch ein Kind und niemand, der große Entscheidungen allein treffen kann. Die Frage - die auch andere sich gestellt haben - warum sich ein junger Mann mit einem Kind belasten will, bleibt. Im Original kommt Maria einfach nicht wieder, und die Pflegeeltern weinen, was mir eigentlich mehr nach einem Verbrechen klingt.
Für ein zwölfjähriges Mädchen spricht Maria ab und zu etwas zu erwachsen.
Aber geschrieben war's gut.
Grüße
Hannah

 

Hey Yours!

Mir hat das Original nicht gefallen und das hier auch nicht, Hauptproblem ist für mich die Perspektive. Einen personellen Erzähler hätte ich besser gefunden und es wäre ein Stück durchsichtiger, ein bisschen neutraler und es gäbe vor allem nicht das Problem mit dem Alter.
Also, die Denkweise ist manchmal zu kindlich, manchmal zu erwachsen, ich weiß nicht, wie alt die sein kann. Das ist aber nur einer der Punkte, wieso es mir nicht gefallen hat.

Ein anderer ist - auch im Original - du ziehst das in die Länge, obwohl es da nicht wirklich viel gibt, das könnte man wunderbar auf das Nötigste reduzieren, damit es doppelt wirkt, gerade bei solchen Themen, verfällt man sehr schnell dem Pathos und neigt dazu realitätsferner zu schreiben, als man möchte. Hier vielleicht nicht ganz so krass, aber auch das schimmert in einigen Passagen doch durch.

Das Ende hat mir gefallen, als plötzlich Matze mitgemischt hat, wenn auch seine Einführung mir zu plump gekommen ist. Und wie kommt sie darauf, dass er ein Zauberer ist? Will sie Johanna damit nur in gewisser Weise beschwichtigen? So tun, als wären sie Freunde, die Geheimnisse teilen, gerade damit die Petzelise sie nicht verrät?
Andererseits könnte sie ihn wirklich als Zauberer sehen oder besser als Ritter, der sie rettet, ja, das wäre doch mal "wild-romantisch". ;)

Es ist ordentlich geschrieben, kein Zweifel, aber ich mag die Sprache trotzdem nicht, das hat aber mehr mit der Perspektive zu tun als mit deiner Wortwahl. ;)

JoBlack

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo yours,

Also mir hat deine Umsetzung der Geschichte recht gut gefallen. Es ist dir, nach meinem Dafürhalten, gelungen, die Atmosphäre der Zeit und den Umständen enstprechend sprachlich einzufangen.
Besonders gut gefiel mir der Vater, eine interessante Figur - irgendwie ein wenig tapsig, aber doch ein lieber Kerl. Folgerichtig war meine Lieblings-Szene auch die, in der er Maria erklärt, er müsse fort. Wobei ich dort auch eine Kleinigkeit bemängeln möchte:

"Ja, in zwei Wochen", sagte er nach einer Weile. Ich schluckte und meine Hände wurden feucht. In den Krieg. Das bedeutete, er würde kämpfen, mit richtigen Gewehren und mit Munition, und das wiederum bedeutete, er könnte dabei ... nein!
"Papa, ich will nicht, dass du gehst! Du könntest sterben und ich sehe dich nie wieder!
Das mit "er würde kämpfen, mit richtigen Gewehren und mit Munition" und dass sie das "sterben" in Gedanken nicht artikuliert wirkt noch sehr kindlich, als müsse sie sich erst einen Begriff vom Krieg machen, hätte nur sehr ungefähre Vorstellungen. Dass sie dann ihm gegenüber das Thema so klar und direkt zum Ausdruck bringt, passt für mich nicht. ("Du könntest sterben")
Damit kommen wir dann mehr oder weniger auch schon zu meinem Hauptkritikpunkt: Wie viele der Anderen finde auch ich die Charakterisierung der Maria uneindeutig. In oben genannter Szene wirkt sie eben sehr kindlich, wie eine Zehnjährige vielleicht, später, in der Szene mit Matze, mindestens 4-5 Jahre älter. Und von einem Zeitsprung habe ich da nichts mitbekommen.
Ich meine auch, dass dieser Unterschied einfach zu groß ist, um ihn damit zu erklären, die Umstände hätten sie reifer werden lassen. Sie wirkt einfach auf eine Art erwachsener, die ohne einen größeren Zeitunterschied nicht zu erklären ist.
Insgesamt finde ich die "Kopie" aber wie gesagt gelungen, gerade weil sie einen ganz anderen Klang hat als meine Geschichte.


Gruß,
Abdul

P.S.:

Mir hat das Original nicht gefallen
Wart's nur ab Jo, dafür werde ich deine Geschichte dermaßen schlecht kopieren, dass es noch auf das Original durchschlägt. Muhahahaha!

 

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