Was ist neu

Trockener Stil

Mitglied
Beitritt
18.01.2004
Beiträge
73
  • Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Trockener Stil

eigentlich finde ich ein unterforum wie dieses total spannend. schade, dass hier so wenig los ist, wo doch die diskussion über bestimmte dinge sehr inspirierend sein kann. ich habe heute folgenden beitrag gelesen:

"Ein paar Dialoge habe ich auch vermisst. Die würden die Geschichte einfach auflockern und nicht so trocken rüberkommen lassen. Ja, sie würden auch Atmosphäre schaffen."

was ist gegen einen trockenen stil, der schnell zur sache kommt und sich aufs wesentliche beschränkt, einzuwenden? warum sollte man zum beispiel eine figur beschreiben und mit adjektiven belegen, wenn ein bild der figur sich auch allein aus ihren handlungen und sprechakten ergeben kann? unten ein beispiel für eine geniale erzählung, deren schluß absolut trocken und deshalb so genial ist.
ich kann mir vorstellen, dass diese erzählung, wäre sie neu und würde hier von einem unbekannten autor vorgestellt werden, zerrissen oder zumindest unbeachtet geblieben wäre. wobei der autor allein schon damit probleme hätte, in welche rubrik er den text einordnen soll. humor? seltsam? philosophisches? sonstige? fantasy/märchen (soll ja 'ne fabel sein)?

Franz Kafka, Kleine Fabel

»Ach«, sagte die Maus, »,die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.« - »Du mußt nur die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie.

 

"Ein paar Dialoge habe ich auch vermisst. Die würden die Geschichte einfach auflockern und nicht so trocken rüberkommen lassen. Ja, sie würden auch Atmosphäre schaffen."
Das Zitat hat doch nicht sehr viel mit dem zu tun, was du hier kritisierst, so wie ich es verstehe. Da wird doch das Fehlen von Dialogen zur Auflockerung der Geschichte bemängelt, und du forderst genau das, nämlich dass Figuren durch Dialoge und nicht durch Beschreibungen charakterisiert werden sollen. Wo ist das Problem? Ich sehs genauso. Der Stil muss sich doch dem Inhalt bzw. der Aussage anpassen. Wenn es also erforderlich ist, kann der Stil auch trocken und nüchtern sein und ist dann wirkungsvoll, gerade bei längeren Geschichten ist ein trockener Stil halt nicht so pralle.
Und wenn wir jetzt anfangen über Kafka zu diskutieren steig ich aus.

 

Also ich glaub ...

Zwei Sachen, die zwar nichts mit deinem Thema zu tun haben, Waldemar, aber unbedingt etwas mit dieser Webseite:

1. Was nicht dein ist, musst du auch als nicht dein hervorheben. Die "Kleine Fabel" wird von jedem mittelmäßig literarisch gebildeten Menschen als äußerst kafkaesk erkannt werden, womit dann auch nur noch ein zuzuordnender Autor übrig bleibt.

2. Auch in Beiträgen, die keine Geschichte darstellen, ist es von höchstem Vorteil, wenn die Rechtschreibung (günstigsterweise die deutsche) eingehalten wird. Substantive beginnen mit einem Großbuchstaben, Satzanfänge ebenso. Ich kann jedenfalls mit niemandem ernsthaft schriftlich diskutieren, wenn er/sie (aus welchen Gründen auch immer) auf die elementaren Regeln der Kommunikation verzichtet. Es muss nicht jedes Komma stimmen, aber lesbar sollte ein Beitrag sein!

Ich habe deinen Beitrag editiert und das Zitat als solches gekennzeichnet.

 

Das ist tatsächlich eine geniale Geschichte - von Kafka, wenn mich nicht alles täuscht. Aber es ist auch eine 90 Jahre alte geniale Geschichte. Die Anforderungen an Literatur haben sich mit der Zeit gewandelt und ein Gleichnis wie das hier, das eine "simple Erklärung" beinhaltet, kommt heutzutage - fast möchte ich sagen, seit 63 Jahren - wahrscheinlich nicht mehr so gut an wie damals.

In Sonstige wäre die Geschichte gut aufgehoben. Generell sollte man die Rubriken pragmatisch wählen, sie beeinflussen die Lesererwartung, unterliegen allerdings einem Wandel.

Gegen den trockenen Stil ist überhaupt nichts zu sagen. Es ist gegen überhaupt keine Art zu erzählen, etwas zu sagen, wenn es denn gut gemacht ist.
Bitte nicht den Fehler machen, epigonal jemandem nachzueifern und ihn als Verteidigung heranzuziehen, wenn es mal nicht so klappt. Der arme Kafka wird schon seit ein paar Jahrzehnten von Germanisten und Biographen mißhandelt, da sollten ihn die Autoren wenigstens in Frieden ruhen lassen.

 
Zuletzt bearbeitet:

@ webmaster:
ich zitiere jacob grimm:
"den gleichverwerflichen misbrauch groszer buchstaben für das substantivum, der unserer pedantischen unart gipfel heißsen kann, habe ich [] abgeschüttelt."
und hier der autor feridun zaimoglu zum gleichen thema: es [die kleinschreibung] führt einfach nur dazu, dass man sich stärker auf den inhalt konzentriert. man sollte sie aber nur anwenden, wenn der inhalt das zulässt und es zweckmäßig ist - und sei es nur, um all die oberlehrer und experten zu ärgern."
im übrigen verweise ich auf:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kleinschreibung
etliche schriftsteller haben ihre werke komplett kleingeschrieben: stefan george (bei ihm waren immerhin die zeilen- und satzanfänge großgeschrieben) oder elfriede jelinek zum beispiel. ich hoffe, dass ich jetzt in diesem forum nicht unerwünscht bin, nur weil ich weiterhin vorhabe, kleinzuschreiben. wer meint, deswegen nicht in der lage zu sein, meine beiträge zu lesen, der soll es halt lassen.
@ quinn: inwiefern haben sich die anforderungen an die literatur mit der zeit geändert? wie waren sie vor hundert jahren im gegensatz zu heute? und wann hat ein text "geklappt" und wann nicht? wenn er einem leser gefällt oder zehn? was ist, wenn er 5 leuten gefällt und 10 zehn nicht? hat er dann nicht geklappt? ist die anzahl der leute, denen ein text gefällt, überhaupt ein kriterium dafür, ob ein text geklappt hat? oder reicht es, wenn er dem autor gefällt? oder hat ein text geklappt, wenn er gedruckt wird? was ist, wenn er gedruckt wird, ihn aber trotzdem niemand liest?
@ apfelstrudel: du hast recht, dass gerade in diesem fall, das fehlen der dialoge als zeichen für trockenen stil angegeben wurde. oft ist es aber das fehlen von adjektiven oder beschreibungen, was dazu führt, dass ein text als trocken bezeichnet wird. wobei mich schon interessieren würde, wie die leute trockenen stil definieren, was sie darunter überhaupt verstehen, wenn sie den ausdruck benutzen. warum bezeichnet der ausdruck "trockener humor" etwas unterhaltsames, der ausdruck "trockenes buch" etwas langweiliges? und ist trockener stil eher wie "trockener humor" oder wie ein "trockenes buch"?
p.s. ich hoffe, es sind nicht zu viele fragen.

 

Zwischenruf

Da wird geredet über Begriffe, und man verliert sich.
Trocken oder Halbtrocken? Mich stört manchmal die Metaphernsüße. kennt jemand von euch Gabriele Wohmann? z.B.der Antrag oder netter kerl
Nur so ein kurzer Zwischenwurf vom papui!

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich misch mal mit.

M.E. ist das Problem bei vielen "trockenen Geschichten", die nicht funktionieren, dass sie das Falsche weglassen.

"Trocken", das heißt für mich Konzentration aufs Wesentliche, die Essenz, des Pudels Kern. Wer aber von Tomaten Schale und Stiel einkocht, statt Fruchtfleisch, produziert eben kein Tomatenmark.

Und diese Essenz darf ruhig hochdifferenziert sein. Ich vermute, dass es bei einer Raumfähre kein überflüssiges Bauteil gibt, insofern ist sie, im Gegensatz zu einer Barockkutsche, trocken.
Bei manchen KGs habe ich aber eher das Gefühl, einen Tretroller präsentiert zu bekommen - kein überflüssiges Teil, aber auch wenig erzählerische Tiefe.

Zu trockenem Humor und trockenem Buch: da bestehen für mich keine großen Unterschiede. In beiden Fällen ist etwas wie "emotional unbeteiligt", "unaufgeregt" gemeint.
Beim Witz funktioniert es wegen des Kontrasts zum (hoffentlich) überraschenden, intelligenten Sinn. Beim Buch nicht, weil lange Erzählungen den Leser i.d.R. über Appellation an seine Gefühle mitziehen.

Wenn Du in trockenem Stil schreiben willst, also auf das Emotionsklavier mit Adjektiv-Attribut-Tasten verzichtest, musst Du Dir natürlich Gedanken darüber machen, mit welchen Mitteln Du Zugang zum Leser finden und ihn in der Geschichte halten willst.

 

Sehr gelungene Vergleiche, Pardus! Treffen den Nagel voll auf den Kopf. :)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom