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Der Asakusa-Störfall

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30.12.2008
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Der Asakusa-Störfall

6:22 Uhr.

Der Waggon für die weiblichen Passagiere war, wie so oft, als Erstes überfüllt. Nichtsdestotrotz stürzten Geschäftsfrauen auf Stöckelschuhen heran und eilten Frauen ganz ohne Dresscode herbei – im Schlepptau: Mütter mit pummeligen Kindern.
Als aus dem Drängen ein Schieben und Drücken wurde, musste Nobe eingreifen. Mit behandschuhten Händen in makellosem Weiß bahnte er sich einen Weg durch die Menge. Bei den Türen angelangt, half er den Passagieren ihre Köpfe und Handtaschen, Rockzipfel und Hosenbeine hineinzuzwängen. Innen hörte man einige Menschen lachen, die Mehrheit jedoch keuchen und nach Luft ringen. Stück für Stück ließ sich die Tür zuschieben.
Nobe atmete schwer und versuchte den Schweiß zu ignorieren, der in kleinen Bächen unter seiner Schirmmütze hervorquoll. Dabei hatte seine Schichte kaum vor einer Stunde begonnen und das Schlimmste - Rushhour - stand ihm noch bevor.
Jetzt war es fast geschafft. Nur noch einmal ein Schieben hier und ein Drücken dort, dann würde sich die Tür schließen lassen. Doch kaum hatte er seine Hand auf eine vermeintliche Schulter gelegt, als ein wütender Schrei ertönte: „Chikan!“; und noch einmal, laut genug, so dass es auch die Leute auf dem Bahnsteig verstanden: „CHIKAN!“
Nobe, der weder begriff, dass der Sittenstrolch nicht drinnen, sondern draußen war, noch dass er selbst es war, der die Frau unsittlich berührte, wurde von hinten gepackt.
Erst da bemerkte er seinen Irrtum und dass die Schulter - schön weich und gar nicht knochig – keine Schulter gewesen war. Doch noch während er über die Beschaffenheit der „Schulter“ nachdachte, brachte man ihn mit jener Bestimmtheit, die Unruhstiftern vorbehalten ist, zu den Büros der Bahnangestellten. Hinter ihm schloss ein Kollege die Tür des Frauenwaggons. Dann erfolgte ein Pfiff und der Zug fuhr davon, hinein in das weit verzweigte Tunnelsystem Tokios.


„Sie wollen also sagen, dass die unsittliche Berührung an einem weiblichen Fahrgast rein zufällig geschah?“
Nobe nickte.
„Wer hat sie dort weggezogen?“
„Herr Masao. Er hat mich in das Büro des Herrn Kenta gebracht. Herr Kenta ist mein Vorgesetzter, ihm unterliegt die allgemeine Aufsicht. Bei Störfällen, jedweder Art, ist er sofort zu verständigen.“
„Wie hat Herr Kenta auf den Vorfall reagiert?“
Nobe blickte zu Boden und schwieg.
„Herr Nobe würden Sie dem Gericht bitte die Frage beantworten.“
„Er hat mir zu verstehen gegeben, dass es ihm gleich wäre, ob ich ein Chikan sei, oder nicht. Jedoch hätte der Vorfall zu einer Verzögerung im Fahrplan führen können. Herr Kenta gab mir zu verstehen, dass sollte ähnliches noch einmal geschehen, ich mit meiner Kündigung zu rechnen hätte.“
„Fahren Sie bitte mit ihrer Schilderung fort.“


7:16 Uhr.

Nach einer längeren Unterredung bei Herrn Kenta, befand sich Nobe wieder an der Haltestelle Asakusa, wo das Gedränge um ein Vielfaches angeschwollen war. Entsprechend der Situation wurden die Frauenwaggons wieder für alle Passagiere zugänglich gemacht und mit Hilfe des Kollegen Kiyoshi, stopfte Nobe, Zug für Zug - im 3-Minuten Rhythmus, die Massen in die Waggons. Diesmal jedoch sorgsam darauf bedacht “wo“ er seine Fahrgäste berührte. Hübsche Frauen überließ er, soweit möglich, seinem Kollegen, der weit weniger Hemmungen zeigte, als Nobe sie derzeit verspürte.
Als erneut eine U-Bahn abgefertigt war, lüftete er kurz seine Schirmmütze und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Die Luft war im Lauf der letzten Stunde merklich drückender geworden. Erschöpft betrachtete Nobe die Menschen, die sich zu Hunderten, wenn nicht Tausenden, am Bahnsteig tummelten.
Er überlegte, dass die Belüftungsanlage vermutlich auf Hochtouren arbeitete, jedoch diesen Ansturm gegenüber machtlos war. Er schüttelte den Kopf über diese geballte Präsenz menschlichen Fleisches, als die nächste U-Bahn einfuhr.
Nobe wollte seinem Kollegen gerade aufmunternd zunicken, als ein Schrei ertönte und noch ehe er wusste was geschah, begannen die Bremsen des Zuges zu Kreischen. Sein Blick erhaschte das bleiche Gesicht des Zugführers; einen Sekundenbruchteil später erspähte er einen jungen Mann, der mit geschlossenen Augen auf den Gleisen stand.
Noch ehe Nobe „Das ist ein verfluchter Selbstmörder“ zu Ende denken konnte, verschwand der Mann unter den Rädern des Zuges.
Schnell sah Nobe weg und hielt sich die Ohren zu. Trotzdem glaubte er ein mahlendes Geräusch zu hören. Er spürte wie ein Schauer die Menschen um ihn herum erfasste und erwartete das kollektive Schreien und Wehklagen aus tausenden Kehlen zu hören.
Stattdessen hörte er nach einem Moment der Stille vereinzeltes Johlen, gefolgt von Lachen und Pfiffen. Interessiert drängte die Masse der wartender Menschen nach vorn.
„Verfluchter Mist!“
Schimpfend kam Kiyoshi auf ihn zu.
„Zwanzig Minuten, Nobe! Sieh dir das an. Zwanzig Minuten! Ich möchte wissen, wie wir das bei all den Menschen hier schaffen sollen.“
Nobe schüttelte den Kopf, dann half er seinem Kollegen die lärmende Menge nach hinten zu bitten.
Kiyoshi hatte Recht, bei so vielen Leuten, war es unmöglich den Störfall in der vorgeschriebenen Zeit zu beseitigen.


„Herr Nobe, bitte beschreiben sie das Procedere, nach dem bei einem Selbstmord verfahren wird.“
Nobe musste nicht lange überlegen, als er, wie aus der Pistole geschossen, antwortete:
„Bei einem Selbstmord ist unverzüglich die Aufsicht zu verständigen. Die Aufsicht sorgt dafür, dass sich ein Notarztteam beim Unglücksort einfindet, welches den Zustand des Opfers zu bekunden hat. Des Weiteren ist es nicht gestattet das Opfer ohne ärztliche Anweisungen zu bewegen. Ist das Opfer sachgemäß untersucht worden, obliegt es den Bahnangestellten dafür zu sorgen, dass das Ärzteteam das Opfer abtransportieren kann. Die Bahnangestellten haben daraufhin den Unglücksort zu inspizieren und gegebenenfalls zu reinigen. Weiterhin ist die Bahn dazu angehalten die Störung in einem Zeitraum von maximal 20 Minuten zu beseitigen, andernfalls ist die darauffolgende Verspätung vor den Fahrgästen nicht länger zu verantworten.“
„Herr Nobe, wurde das von ihnen beschriebene Procedere vorschriftsmäßig durchgeführt?“
„Nein. Nach 15 Minuten war der Notarzt noch immer nicht eingetroffen, woraufhin wir von der Bahnaufsicht die Anordnung erhielten, das Opfer eigenständig von den Gleisen zu entfernen. Wir verpackten den Leichnam in einer provisorischen Folie und schafften die Leichenteile in den Waschraum für die Bahnangestellten. Anschließend säuberten wir den Unglücksort mit einem Reinigungsschlauch.“
„Wann traf der Notarzt ein?“
„Nach etwa einer halben Stunde.“
„Was für eine provisorische Folie war das, in welcher sie den Leichnam verpackt hatten?“
Nobe senkte den Blick zu Boden.
„Es waren Müllsäcke.“
„Herr Nobe, ab wann wurde der Fahrdienst wieder aufgenommen?“
„Nach 35 Minuten.“


7:41 Uhr.

Herr Kenta war persönlich am Unglücksort erschienen. Nobe stand mit Kiyoshi auf den Gleisen, wo sie versuchten den Zug und die Schienen notdürftig zu säubern. In zwei Müllsäcken sammelten sie Stofffetzen und blutige Leichenteile ein, während ein paar andere Kollegen die Aufgabe erhalten hatten den Torso wegzuschaffen. Herr Kazuki, ein Kollege, der erst seit kurzem hier beschäftigt war, achtete darauf, dass die Leute der Unglückstelle fern blieben.
Als die Säcke zur Hälfte gefüllt waren, kletterte Kiyoshi auf den Bahnsteig zurück.
„Nobe, pass auf. Ich hol mal eben schnell den Schlauch. Dann können wir das Blut von den Gleisen spritzen.“
Nobe blieb zurück und besah sich gedankenverloren den Schauplatz.
Viel war von dem Unglück nicht mehr zu erkennen. Ein paar rote Spritzer an der Zugverkleidung und ein paar nasse Stellen zwischen den Schienen. Nichts Aufregendes, dennoch spürte er die neugierigen Blicke der Menge wie ein Gewicht auf sich ruhen. Mit den beiden Müllsäcken in der Hand drehte Nobe sich zum Bahnsteig um.
Kazuki, in seinem verzweifelten Bemühen die Menschen zurückzuhalten, konnte nur symbolisch für Ruhe sorgen. Zu beiden Seiten standen Schaulustige an der Bahnsteigkante und hielten ihre Handys nach unten, um Bilder oder Filme von der eben stattgefundenen Tragödie zu ergattern. Eine auffallend geschminkte Mädchengruppe wurde schließlich sein Verhängnis. Kaum hatten diese ihren Blutdurst gestillt, begannen sie Kazuki zu umgarnen – nicht weil sie ihn anziehend fanden. Nein, es war schlicht und ergreifend Spaß. Das und Langeweile.
Nobe, der noch immer beide Mülltüten in den Händen hielt, warf ihm neidische Blicke zu, als Kenta, eben noch telefonierend, ihn lautstark anschnauzte.
„Verdammt noch mal, sehen sie schon wieder den Weiberröcken nach! Ich dachte, ich hätte sie wegen dem Chikan-Vorfall deutlich genug verwarnt! Aber was sehe ich? Nein, der Herr Nobe, umringt von Blut und Tod, kann von seinen Perversitäten nicht lassen! Sie sind wirklich das Letzte und es wundert mich gar nicht, dass sie in all den Jahren noch nicht befördert worden sind. Jetzt nehmen sie gefälligst ihren Müll und bringen ihn weg. Der Zug hatte schon genug Verspätung!“
Nobe, dem alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war, kletterte mit gesenktem Kopf nach oben. Seine Hände waren schweißnass, seine Ohren vor Scham glühend rot. Die Mädchen, die vor ein paar Augenblicken noch Kazuki umringt hatten, kicherten.
Sie lachen mich aus, dachte er und ein kurzer Blick in die umstehenden Gesichter zeigte ihm Verachtung gepaart mit Mitleid.
So schnell er konnte drängte er sich durch die Menge. Sobald er den Personal-Waschraum erreichte, stieß er die Tür auf und hastete hinein. Drinnen ließ er die beiden Mülltüten fallen und lehnte sich mit geschlossenen Augen gegen die Wand. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals und Adrenalin pumpte durch seine Adern. In seinen Ohren klingelte es eigenartig, während sein Verstand abwechselnd Kentas Worte und das Kichern der Mädchen abspulte.
Er war sich sicher den Waschraum nie wieder verlassen zu können als sich nach einiger Zeit die Tür öffnete und Kiyoshi erschien.
„Hey Nobe, alles klar? Ich hab gehört, wie Dich der Alte zusammengestaucht hat. Denk Dir nichts, Du warst nicht sein einziges Opfer. Gleich als Du weg warst, hat er sich Kazuki vorgeknöpft. Glaub mir, der musste sich einiges mehr anhören.“
Nobe blickte auf und sah Kiyoshi hilflos an.


Herr Nobe, wie lange haben sie sich in dem Waschraum aufgehalten?“
„Ich weiß nicht genau, aber vermutlich nicht sehr lange. Fünf bis zehn Minuten vielleicht?“
„Gut, bitte fahren sie fort.“


8:26 Uhr.
Nach viel gutem Zureden und einem Schluck aus einer kleinen Metallflasche, die Kiyoshi verbotenerweise mit sich führte, schaffte es Nobe den Waschraum zu verlassen. Die U-Bahnen fuhren wieder und die Gaffer waren verschwunden. Er und Kiyoshi arbeiteten an ihrem gewohnten Platz und halfen den Fahrgästen in die Züge zu gelangen. Die Luft war wie ehedem heiß und stickig und der Andrang hatte nach der Verzögerung noch mal kräftig zugelegt. Aber so hart die Plackerei auch war, sie half Nobe einen klaren Kopf zu bekommen.
Über eine Stunde arbeiteten sie routiniert, als das Unglück ein drittes Mal zuschlug.
Der Bahnsteig, der mittlerweile so überfüllt war, dass die Leute sich nicht einmal mehr umdrehen konnten, spuckte plötzlich vor Kiyoshi und Nobe einen mittelgroßen Hund aus. Ungläubig starrten sie das Tier an, der wie ein Geist aus dem Boden gewachsen schien, als sie am anderen Ende der Leine eine zierliche Frau bemerkten.
Unvermittelt fuhr die nächste U-Bahn ein. Automatisch drängte die Menge nach vorne und verschluckte die alte Frau mit ihrem Hund.
Irgendwas war komisch an ihr, dachte Nobe. Doch ehe er das Rätsel lösen konnte, holte ihn die Realität wieder ein.
Die Leute schubsten und quetschten sich in den Zug, als ob ihr Leben davon abhinge. Nobe drängte sich das Bild einer Horde Clowns auf, die sich in der Manege in ein winziges Auto zwängten. Doch das Bild dutzender Clownsgesichter, die ihn aus einem winzigen Auto heraus anstarrten, ließ ihn an die Gruppe grell geschminkter Mädchen denken, der Kazuki zum Opfer gefallen war.
Nobe musste schlucken. Aber entweder war der Kloß zu groß oder aber seine Kehle zu klein. Jedenfalls bekam er keine Luft mehr. Schon hörte er das Blut in seinen Ohren rauschen, als ein lautes Jaulen ertönte.
Augenblicklich fiel ihm die alte Frau mit ihrem Hund ein, und da wusste er was ihn vorhin irritiert hatte. Sie war blind gewesen und der Hund war kein gewöhnliches Haustier sondern ein Blindenhund, … einer, der gerade eben vor Schmerz oder Angst gejault hatte.
Hastig schob er sich an den Leuten vorbei, die um Einlass kämpften, und versuchte die alte Frau oder den Hund in der Menge zu entdecken.
Aus irgendeinem Grund wusste er, dass den beiden etwas zugestoßen sein musste und wenn er nicht augenblicklich handelte, würde das Unglück heute ein drittes Opfer fordern.
Noch immer versuchte er sich einen Weg zwischen Zug und drängelnden Fahrgästen bahnen. Doch so sehr er sich auch mühte, er kam nicht durch.
Er sah sich nach Kiyoshi um. Er winkte, rief, bis der endlich verstand und seinerseits versuchte einen Weg durch die Menge zu finden.
Umsonst. Wie die kaiserliche Garde standen die Leute Schulter an Schulter. Erneut glaubte Nobe den Hund heulen zu hören, als er eine Idee hatte.
Er packte einen ahnungslosen jungen Mann und rief "CHIKAN".
Der Mann zuckte heftig zurück und stammelte, dass er niemanden angefasst hätte. Doch noch bevor er hatte ausreden können, hatte Nobe sich bereits den nächsten geschnappt, den er ebenfalls lautstark als "CHIKAN" beschuldigte.
Kiyoshi, der Nobe verdutzt anstarrte, begann zu begreifen. Mit festem Griff hielt er einen Bänker auf – für Kyoshi war jeder Mann der Anzug und Krawatte trug ein Bänker - und begann diesen lauthals zu verunglimpfen.


"Herr Nobe! Sie haben unschuldige Menschen der Sittenwidrigkeit bezichtigt?"
Nobe schwieg, dann nickte er vorsichtig.
Der Richter schüttelte den Kopf, bat ihn dann aber weiterzuerzählen.


Es funktionierte. Langsam aber sicher wich die Menge zurück, so dass Nobe und Kiyoshi sich am Bahnsteigrand entlang des Zuges vorbeidrängen konnten.
Bald erkannte er die Frau wieder, die hilflos in den Spalt zwischen zwei Waggons gestürzt war. Hastig eilten Nobe und Kiyoshi zu ihr.
Schluchzend lag sie mit dem Oberkörper auf dem Bahnsteig und tastete ziellos mit den Händen nach Halt. Nobe kniete sich hin, packte eine ihre Hände und erkannte, dass er mit seiner Vermutung recht gehabt hatte. Sie war blind.
"Keine Angst", stammelte Nobe, "ich bin hier um ihnen zu helfen. Passen sie auf, gleich haben wir sie da draußen."
Er zog an ihrem linken Arm, während Kiyoshi rechts zupackte. Die Frau rutschte ein Stück nach oben und blieb stecken. Nobe sah, wie sich das Kleid spannte. Es musste sich irgendwo unterhalb des Bahnsteigs verhakt haben. Kiyoshi wollte gerade loslassen und an dem Kleid zerren, als plötzlich ein Pfiff ertönte. Kiyoshi und Nobe erstarrten, dann zogen sie mit aller Kraft an der schluchzenden Frau.
Die Türen schlossen sich.
Nobe, der im Gesicht rot anzulaufen begann, drehte sich um und bat die umstehenden Leute ihm zu helfen. Doch außer einer alten Frau, die eine tiefe Traurigkeit ausstrahlte, sah er nur unzählige Handys auf sich gerichtet.
Plötzlich begann der Zug vorwärts zu rollen und die Frau in ihren Armen zu kreischen.
Nobe ließ los und rannte so schnell er konnte zur Führerkabine. Ohne Rücksicht boxte und trat er sich durch die gaffende Menge. Der Zug war nur ein paar Meter gerollt, als er auch schon wieder bremste. Scheinbar musste der Fahrer bemerkt haben, dass etwas nicht in Ordnung war. Trotzdem rannte Nobe weiter und klopfte, als er beim Führerhaus angelangt war, hektisch gegen die Scheibe.
„STOP! Nicht weiterfahren!“
Aber tief in ihm drinnen wusste er, dass es auch diesmal zu spät war.

"Was ist dann passiert, Herr Nobe? Hat die Frau überlebt?"
Nobe schaute auf und schüttelte traurig den Kopf.
"Dann erklären Sie mir bitte, wieso der Zug eine Verspätung von eineinhalb Stunden hatte."
Nobe hob zum Sprechen an, brachte jedoch kein Wort heraus. Er räusperte sich, dann versuchte er es noch einmal.
"Es war wegen dem Hund. Sie hat gefragt, ob..." Nobe schluckte.
"Sie wollte wissen, ob es ihrem Hund gut geht, kurz bevor sie... kurz bevor sie die Augen für immer schloss."
"Was ist dann geschehen?"
"Ich hab den Hund von unterhalb des Zuges jaulen hören. Gleich darauf ist Herr Kenta erschienen und wollte den Fahrverkehr, trotz des Hundes, der zwischen den Rädern gefangen war, wieder aufnehmen.
"Und dann, Herr Nobe? Was haben sie dann gemacht?"
"Ich habe ihn geschlagen und ehe mich jemand hätte hindern können, bin ich auf die Gleise runter und unter den Zug geklettert. Dort war es ziemlich dunkel und auch sehr eng, deswegen hat es ein wenig länger gedauert, bis ich den Hund finden konnte. Aber er hat noch gelebt und ich konnte ihn retten."
"Herr Nobe, wissen sie, wie viele Menschen täglich die Asakusa-Linie benutzen?"
Nobe verneinte.
"Mehr als vier Millionen Menschen!"
"Wissen Sie auch, wie viele Menschen an dem Tag wegen ihnen zu spät gekommen sind?"
Nobe verneinte.
"Etwa 2,8 Millionen."
"Und wissen sie vielleicht, welcher Zeitspanne es entspricht, wenn 2,8 Millionen Menschen eine Verspätung von eineinhalb Stunden haben?
Nobe schüttelte wiederum seinen Kopf.
"480 Jahre! Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80 Jahren, entspricht das der Lebenszeit von sechs Menschen!"
Nobe schaute den Richter wortlos an.
"Herr Nobe, sie haben wegen des Lebens eines Hundes praktisch sechs Menschenleben auf dem Gewissen! Was sagen sie dazu?"
Nobe sagte nichts.
"Hören sie genau zu! Denn das was ich ihnen jetzt zu sagen habe..."
Aber Nobe hörte nicht länger zu. Er erinnerte sich, wie er mit dem Hund in den Armen auf dem Bahnsteig erschienen war. Triumphierend, fast wie einen Pokal, hatte er ihn hochgehalten. Er sah Kiyoshi lächelnd winken. Er sah das Veilchen, das er Herrn Kenta, seinem Vorgesetzten, verpasst hatte. Er sah all die bösen Blicke mit dem die wartende Menge ihn bedachte. Doch all das war ihm egal. Er hatte ein unschuldiges Leben gerettet. Und nicht nur das. Er hatte dafür alle Regeln gebrochen. Diesmal hatte er geschubst und gedrängelt – nicht um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Nicht um irgendwelche Einkäufe zu erledigen. Nein, er hatte sich gegen den gewaltigen Strom von zigtausend Menschen gestellt um ein Leben zu bewahren – und er hatte gewonnen.
"Das war es wert", murmelte Nobe. "Das war es wert, was auch immer kommen mag.

 

Habe es gelesen, halte es bei SF für völlig deplaziert und habe nichts weiter dazu zu sagen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Habe es gelesen, halte es bei SF für völlig deplaziert und habe nichts weiter dazu zu sagen.

Dachte mir schon, dass irgendwas in der Art kommt. War mir ne ganze Zeitlang selbst nicht sicher, ob SF als Rubrik passen würde.
Zudem fehlt es ja auch an so typischen Sachen, wie Aliens, Raumschiffen, verrückten Experimenten, zukünftige Technologien und was weiß ich noch alles. Aber vielleicht zitiere ich mal aus dem Thread "Was passt in diese Rubrik":

Science Fiction, das ist aber auch die Medienlandschaft, unser soziales Miteinander, der Fortschritt der Wissenschaft, in den nächsten Jahren, Tagen oder Sekunden.

Mit diesem Zitat im Hinterkopf möchte ich noch mal auf meine Geschichte eingehen.
Erstens. Die Story hat zum Thema das soziale Miteinander und gibt Ausblick auf eine zukünftige Zeit - eine Zukunft die nicht in Jahrhunderten gemessen wird, sondern vielleicht nur in Jahren, oder Dekaden.
Zweitens. Viele Fakten in der Geschichte sind wahr, bzw. beruhen auf vergleichbaren Zuständen:
Die Asakusa-Line / Haltestelle gibt es wirklich. Es gibt wirklich eine Vorschrift die besagt, dass der laufende Betrieb bei einem Selbstmord nach 30 Minuten wieder aufgenommen werden soll. (In der Geschichte sind es dann nur noch 20 Minuten). Bereits jetzt benutzen 2 Millionen Fahrgäste die Asakusa-Linie täglich.
Es gibt auch die sogenannten U-Bahn Stopfer, also die Bahnangestellten die Leute in Züge verfrachten, wenn's mal zu Eng wird. Allerdings arbeiten die nicht über Stunden hinweg im 3-Minuten Takt - auch das ist Fiktion.
Drittens. Die Verrohung der Gemüter, oder dass das Leben des Einzelnen im Vergleich zur Masse weniger wert ist, ist tendenziell vorhanden und wird in meiner Geschichte auf die Spitze getrieben.

Alles in allem denke ich, dass die Geschichte genügend SF-Elemente besitzt, um ihre Daseinsberechtigung in dieser Rubrik zu haben. Sollten jedoch noch mehr Leute der Meinung sein, dass sie falsch platziert sei, dann möchte ich einen Moderator bitten, diese dann in eine andere Rubrik zu verschieben. Auf Teufel komm raus möchte ich auch keine SF-Geschichten schreiben, wie gesagt, ich denke (und dachte) das die Story hier reinpasst.

 
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Hi Mothman,

überraschender Weise schließe ich mich der Ansicht von Proxi an.

In "Gesellschaft" ist die Geschichte sicherlich besser aufgehoben. Die von dir benutzten Elemente der Überhöhung machen noch keine SF-Story daraus. Aber das sollen die Moderatoren entscheiden. :)

Zur Geschichte selber:

Es ist eine Parabel auf die immer hektischer und roher werdende Gesellschaft, in der das Individum der Massse untergeordnet wird. Verhält es sich nicht massenkonform, wird es ausgegrenzt und verurteilt. Die Zustände in Tokioter U-Bahnen sind ja des Öfteren kolportiert worden. Und es ist schon so, dass einem alleine bei den Bildern des Gedränges Bange werden kann. Auch die Vorschriften über die Aufrechterhaltung des Betriebes bei Störungen sind sicherlich etwas sehr Spezielles. Ich frage mich, ob es Vorschriften zu Anschlägen gibt (Aum-Sekte)?

Aber:
An einigen Stellen bricht für mich der Lesefluss abrupt ab, weil ich über die Sätze zu lange nachdenken muss, bzw. die Plausibilität flöten geht.
z.B.

trat er sich durch die gaffende Menge bis er keuchend neben dem Führerhaus ankam und hektisch gegen die Scheibe klopfte.
Eine U-Bahn, insbesondere in Japan, beschleunigt extrem. Kein Mensch hätte das vollbringen können, was Nobe hier tut.
Höre sie genau zu! Denn das was ich ihnen jetzt zu sagen habe...
Passt überhaupt nicht. In Japan ist die Wahrung des Gesichtes ein integraler Bestandteil der Kultur. Kein Richter würde so mit einem Angeklagten umgehen. Selbst Shoko Asahara (Aum) ist trotz Todesurteil höflicher behandelt worden.
"Herr Nobe, wissen sie, wie viele Menschen täglich die Asakusa-Linie benutzen?"
Nobe verneinte.
"Mehr als 4 Millionen Menschen!"
...
"480 Jahre! Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80 Jahren, entspricht das der Lebenszeit von 6 Menschen!"
Nobe schaute den Richter wortlos an.
"Herr Nobe, sie haben wegen dem Leben eines Hundes praktisch sechs Menschenleben auf dem Gewissen! Was sagen sie dazu?"
Nobe sagte nichts.
An dieser Stelle gefällt mir die Geschichte gar nicht. Ich kann mir nicht erschließen, warum Nobe vor Gericht steht. Wird er des Mordes an 6 statistischen Menschen angklagt? Wenn ja, dann hätttest du recht und die Geschichte ist SciFi. Aber dann müsstest du dies auch deutlich hervorheben. Wenn nein, verstehe ich das ganze Gerichtsverfahren? nicht.
Er sah all die bösen Blicke mit dem die wartende Menge ihn bedachte. Doch all das war ihm egal. Es war das erste Mal, dass er seinen eigenen Weg gegangen war. Es war der Moment, wo er weder geschubst wurde, noch schubsen musste. Er hatte seinen Weg selbst bestimmt.
Dies ist, für mich, neben der Gesellschaftskritik das zweite zentrale Thema der Geschichte. Ich hätte mir an dieser Stelle gewünscht, du gingest mehr auf diesen "Befreiungsschlag" ein. Nobe rebelleirt gegen das System. Er stellt sich gegen alle Regeln, gesellschaftliche wie berufliche. Doch seine Gefühlswelt bleibt hier verborgen. Du reißt nur an, was in ihm vorgehen muss und überläßt für meinen Geschmack zuviel der leserlichen Fantasie.

Genug gemeckert. :)

Fazit: Ob der Gesellschaftskritik durchaus lesenswert. Die angesprochenen Kritikpunkte sind mEn überarbeitenswert. Es steckt viel Potential in der Geschichte.

lg
Dave

 

Auch ich denke, dass die Überhöhung nicht den Aufenthalt in dieser Rubrik rechtfertigt. Positiv ausgedrückt: Es handelt sich um eine gute Geschichte mit viel Gesellschaftskritik, daher verschiebe ich sie in die Rubrik mit dem G vorne.

verschoben von Science Fiction nach Gesellschaft

 

Hi Mothman,

überraschender Weise schließe ich mich der Ansicht von Proxi an.

In "Gesellschaft" ist die Geschichte sicherlich besser aufgehoben. Die von dir benutzten Elemente der Überhöhung machen noch keine SF-Story daraus. Aber das sollen die Moderatoren entscheiden. :)

Zur Geschichte selber:

Es ist eine Parabel auf die immer hektischer und roher werdende Gesellschaft, in der das Individum der Massse untergeordnet wird. Verhält es sich nicht massenkonform, wird es ausgegrenzt und verurteilt. Die Zustände in Tokioter U-Bahnen sind ja des Öfteren kolportiert worden. Und es ist schon so, dass einem alleine bei den Bildern des Gedränges Bange werden kann. Auch die Vorschriften über die Aufrechterhaltung des Betriebes bei Störungen sind sicherlich etwas sehr Spezielles. Ich frage mich, ob es Vorschriften zu Anschlägen gibt (Aum-Sekte)?

Aber:
An einigen Stellen bricht für mich der Lesefluss abrupt ab, weil ich über die Sätze zu lange nachdenken muss, bzw. die Plausibilität flöten geht.
z.B.

Eine U-Bahn, insbesondere in Japan, beschleunigt extrem. Kein Mensch hätte das vollbringen können, was Nobe hier tut.

Passt überhaupt nicht. In Japan ist die Wahrung des Gesichtes ein integraler Bestandteil der Kultur. Kein Richter würde so mit einem Angeklagten umgehen. Selbst Shoko Asahara (Aum) ist trotz Todesurteil höflicher behandelt worden.

An dieser Stelle gefällt mir die Geschichte gar nicht. Ich kann mir nicht erschließen, warum Nobe vor Gericht steht. Wird er des Mordes an 6 statistischen Menschen angklagt? Wenn ja, dann hätttest du recht und die Geschichte ist SciFi. Aber dann müsstest du dies auch deutlich hervorheben. Wenn nein, verstehe ich das ganze Gerichtsverfahren? nicht.

Dies ist, für mich, neben der Gesellschaftskritik das zweite zentrale Thema der Geschichte. Ich hätte mir an dieser Stelle gewünscht, du gingest mehr auf diesen "Befreiungsschlag" ein. Nobe rebelleirt gegen das System. Er stellt sich gegen alle Regeln, gesellschaftliche wie berufliche. Doch seine Gefühlswelt bleibt hier verborgen. Du reißt nur an, was in ihm vorgehen muss und überläßt für meinen Geschmack zuviel der leserlichen Fantasie.

Genug gemeckert. :)

Fazit: Ob der Gesellschaftskritik durchaus lesenswert. Die angesprochenen Kritikpunkte sind mEn überarbeitenswert. Es steckt viel Potential in der Geschichte.

lg
Dave


Hi Dave, erstmal danke für's lesen und bewerten.
Zu deinen Punkten:

1.Es mag sein das Nobe die anfahrende U-Bahn unmöglich einholen konnte.
Stimmt schon, dass ich an dieser Stelle etwas ungenau gearbeitet hab, zudem hatte ich an dieser Stelle auch unsere heimischen U-Bahnen im Kopf, wo es zum Glück nicht ganz so hektisch ist. Ich werde mir die Stelle noch mal durch den Kopf gehen lassen.

2. Die Stelle, wo der Richter zu Nobe meint: "Hören Sie..." habe ich beim Schreiben nicht als unhöflich empfunden. In meiner Gedankenwelt hatte ich eher das Bild eines strengen Mannes im Kopf der seinem Gegenüber ins Gewissen redet. Von daher hatte ich auch nicht diesen Gesichtsverlust vor Augen, der mir sehr wohl bekannt ist. Aber gut, auch das werde ich mir noch mal näher anschauen.

3.Das Ende, hmmm, ich hab lange daran rumgebastelt. Um ehrlich zu sein war das Zahlenspiel am Schluss der Aufhänger für die Idee zu dieser Geschichte. Dabei sollte es anfänglich durchaus eine echte Mordanklage sein, merkte aber beim Schreiben, dass die Story so nicht funktioniert. Ich musste mir was anderes einfallen lassen, mit dem Ergebnis, wie es hier nun zu lesen ist.
Natürlich lasse ich mit diesem Ende vieles offen.
Es bleibt sogar offen, ob Nobe sich direkt vor dem Gericht verantworten muss. Der Grund bleibt verborgen. Statt einer Mordanklage, könnte es auch ein Arbeitsgericht sein. Vielleicht ist Nobe nicht mal ein Angeklagter, sondern der Kläger? Vielleicht kämpft er um seinen Job, weil er gekündigt worden ist, oder um seine Rente? Aber darum geht es meiner Meinung nach nicht. Die Geschichte soll am Ende eigentlich nur noch mal verdeutlichen, dass Nobe aus dem gesellschaftlichen Rahmen gefallen ist. Wohin ihn das führt bleibt offen.

@ Uwe.

Danke für's Verschieben, ich hatte gestern abend noch ein nettes Gespräch im KG-Chat, wo ich mit den Leuten noch ein wenig diskutieren konnte. Ich seh es jetzt ein, dass die Story nicht unbedingt in SF passt.
Jedenfalls hatte ich beim Schreiben nicht die Intention eine SF-Geschichte zu fabrizieren, sondern nur meine Idee auf's Papier zu bringen. Nachdem das geschafft war, wusste ich nur nicht wohin damit.

 

Hallo!

Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen, aber als es sich dann plötzlich um die statistisch gesehen sechs Toten zu drehen begann, hatte ich fast keine Lust mehr weiter zu lesen. Bei mir kam das richtig klamaukig an und es passt für mich überhaupt nicht in die ansonsten blendend geschriebene Geschichte.

Das Zahlenspiel für sich gesehen ist durchaus interessant und ich stimme Proxi zu, dass aus dieser Idee eine lesenswerte Geschichte werden könnte.

eine Kleinigkeit noch: mir erschließt sich nicht ganz, warum die beiden plötzlich auf dem Bahnsteig mehr Platz haben sollen, nur weil sie wahllos irgendwelche Leute als Grabscher bezeichnen. Wenn der Bahnsteig einfach keinen Platz mehr bietet, dann ist er eben voll. Bloß weil jemand einen anderen beschimpft, hat er nicht mehr Platz zum Ausweichen als vorher. Und selbst wenn genügend Platz wäre, warum sollte der Beschuldigte aus dem Weg gehen? Würde sich der nicht aufregen und eventuell sogar einen Streit vom Zaun brechen?

Abgesehen von den genannten Punkten hat mir die Geschichte gefallen.

Georg

 

Hallo Mothman,

doch, hat mir gut gefallen. Ich bin ja leicht klaustrophobisch ;) und denke mir jedes Mal, wenn ich Bilder der U-Bahn-Stationen in den größeren asiatischen Städten sehe, dass ich da vollkommen durchdrehen würde. Diese, nennen wir es mal, Betriebsamkeit ist gut rübergekommen.

Eine Anklage wegen des Mordes an sechs statistischen Menschen wäre sicher mal eine klasse Idee (mach mal, lese ich garantiert :D ), für mich saß Nobe allerdings die ganze Zeit vor Gericht, einfach, weil er den Betrieb aufgehalten hat. Der Zeitplan, die Produktivität zählt mehr als Menschen- oder auch Hundeleben. Eine erschreckende Vorstellung, die wir allerdings schon beinahe leben.

Ich habe mal spontan ein paar Sachen rauskopiert, die mir aufgefallen sind:

Nobe sah Kiyoshi nur tonlos an.

Ich kann mir nicht helfen. Mir gefällt das "tonlose ansehen" einfach nicht. Wortlos vielleicht?

Er schluckte, um den vermeintlichen Klos loszuwerden,

Kloß

wegen dem Leben eines Hundes

wegen des Lebens eines Hundes

Liebe Grüße,
gori

 

Hallo Schrei Bär

Danke für’s Lesen und kritisieren.

…aber als es sich dann plötzlich um die statistisch gesehen sechs Toten zu drehen begann, hatte ich fast keine Lust mehr weiter zu lesen. Bei mir kam das richtig klamaukig an…

Die „statistischen Morde“ waren Kernpunkt der ursprünglichen Idee. Allerdings wollte sich die Geschichte nicht anders erzählen lassen, als wie sie jetzt vorliegt. Gegen Ende stand ich dann vor dem Dilemma, dass ich nicht wusste, wie ich die Story auflösen sollte. Letztlich entschied ich mich dafür das Zahlenspiel dann doch zu benutzen, auch wenn es stilistisch nicht ganz zum Rest der Geschichte passen will. Daher finde ich es nicht überraschend, dass du an dieser Stelle einen Bruch wahrnimmst. Jedoch lag es nicht in meiner Absicht „klamaukig“ zu wirken. Im Moment weiß ich keinen besseren Schluss als diesen hier und werde somit das Ende stehen lassen, wie es ist.
Es freut mich aber, dass dir die Geschichte ansonsten gefallen hat.


Hallo gori

Auch Dir mein Dank für’s Lesen und kritisieren.
Zu dem „mach mal eine Geschichte über statistische Morde“, so hast Du gerade eben eine gelesen – zumindest war das die anfängliche Idee für die Story. Daraus wurde dann (leider?) das hier: eine Geschichte von vollgestopften Bahnhöfen und von einem armen Tropf, der sich dazu entschließt gegen den Strom zu schwimmen.
Aber vielleicht kann ich das Thema später noch mal aufnehmen und in einer anderen Story stärker fokussieren. Mal sehen.

Ich kann mir nicht helfen. Mir gefällt das "tonlose ansehen" einfach nicht. Wortlos vielleicht?

Hm, mir gefällt das „tonlos“.
Danke, wird geändert.
wegen des Lebens eines Hundes

Zitat Wikipedia:
Bei gängigen Präpositionen wie z. B. wegen oder während wird der Genitiv in der Umgangssprache zunehmend durch den Dativ ersetzt.

Allerdings, bei entsprechender Umformulierung, könnte es auch so heißen, wenn man auf dem Genitiv bestehen möchte:
„…wegen eines Hundelebens“
Nur gefällt mir das weniger gut. Von daher bleibe ich lieber bei meinem „…wegen dem Leben eines Hundes“. ;)

wkr

Mothman

 

Hallo Mothman,

mir gefällts. Die Idee ist gut, der Stil ist gut. Für die Europäer ist Japan exotisch, daher ist es auch in der Vorstellung nicht unmöglich für einen Schaden am Bruttosozialprodukt vor Gericht zu landen. Ich las gierig im Text weiter, um herauszufinden, worauf das Ganze abzielt, und war nicht enttäuscht. Der Schluss regt zum Nachdenken an.

Die einzige Kritik, die ich habe: Bitte, bitte nie den Genitiv durch den Dativ ersetzen. Nur weil es das notgedrungen immer mehr gibt (Bildungsverlust), ist es nicht besser. Das ist nur dann gut, wenn es gleichzeitig die Figur charakterisiert.

Fayalit

 

Hallo Fayalit

Vielen Dank dafür, dass du meine Geschichte gelesen und kommentiert hast.
Ah und den Dativ habe ich jetzt durch den Genetiv ersetzt. Klingt zwar irgendwie immer noch komisch (zumindest in meinen Ohren), aber seit dem ich ein neues Schreibprogramm besitze, das mir nun regelmäßig auf meine Finger klopft, hat sich mein grammatikalisches Verständnis doch ein wenig verbessert. ;)
Jedenfalls freut es mich, dass die Geschichte gefallen hat.

Beste Grüße

Mothman

 

Hallo Mothman,

was für eine geile Geschichte :)
Bin ich ja froh, dass Seltsem mich überredet hat, das Original zu seinem Copy zu lesen, denn es hat sich wirklich gelohnt.
Und zwar auf allen Ebenen. Sprachlich sind da nur einige kleine Holperlis auf i-Tüpferl-Niveau, aber ich war zu sehr im Flow, um sie zu notieren. Auch inhaltlich fand ich das mal angenehm was anderes.
Habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, wie es wohl ist, einen solchen Schieber-Job zu haben. Das ist so fremd, so weit weg (und bleibt es hoffentlich auch), allein deswegen war es die "Reise" schon wert.
Der Herr Nobe kann einem wirklich leid tun und das Ende ist in dieser Hinsicht schon psychologosch glaubhaft und gibt diesem ganzen Chaos einen weicheren Abschluss, der mich mit einem guten Gefühl aus dem Text entlässt.

Doch noch zwei drei stilistische sachen gefunden:

Als aus dem Gedränge immer größere Menschentrauben heranwuchsen, musste Nobe schließlich eingreifen.
das ist unglücklich gewählt, weil wachsen ein schleichender Prozess ist, nicht sichtbar mitzuerleben. Du willst hier aber von etwas hektisch hervorquellendem erzählen

Er fühlte sich völlig erschlagen und dachte mit Grauen daran, dass die Rushhour noch bis mindestens zehn Uhr dauern würde; bei einem Zyklus von drei Minuten in dem die U-Bahnen verkehrten, war diese Arbeit der reinste Knochenjob.
das sind drei sehr verbrauchte Bilder auf zu engem Raum. Das brauchst du nicht, da kommt dir bestimmtwas besseres, frischeres in den Sinn.

Soweit
wirklich gern gelesen
grüßlichst
weltenläufer

 

Hi Weltenläufer

Ein bisschen kann ich es schon nachvollziehen, dass Du die Geschichte im ersten Anlauf abgebrochen hast. Stilistisch war ich zu der Zeit noch nicht wirklich auf der Höhe, oder sagen wir mal so: wenn heute der Weg steinig ist, so war er damals schluchtig, fjordig, na irgendsowas in der Art. Sprich: Irgendwie freut es mich, das so ne alte Geschichte von mir ausgegraben wurde und für ein hervorragendes Copyright von Seltsem herhalten durfte, andererseits stehen da noch Sachen drin für die ich mich irgendwie schäme – vor allem diese zwanghaften Schachtelsätze von mir und … ach, lassen wir es gut sein.
Trotzdem freut es mich natürlich, dass Dir die Geschichte gefallen konnte. Was die stilistischen Sachen betrifft, ich werde mal sehen, was sich da machen lässt.

Vielen lieben Dank für Dein Kommentar und für’s Gefallen natürlich

Herzlichst

Mothman

 

So, ich hab die Geschichte mal komplett überarbeitet. Inhaltlich ist sie gleich geblieben, aber stilistisch müsste sie jetzt wesentlich sauberer sein.

Schon cool, zuwas so ein Copyright nützlich ist, da packt man auch die alten Sachen noch mal an. :D

 

Hallo Mothman,

ich habe diese Geschichte nach C. Seltsems "Corpus Delicti" gelesen, um das Original und die Kopie vergleichen zu können und ich muss sagen, diese Geschichte gefällt mir noch besser. Erstens wegen des Settings und der Hauptperson. In der Schule habe ich einmal gehört, dass es in Tokyo Menschen-in-die-U-Bahn-Quetscher gibt.

Zweitens finde ich das Aufrechnen von verlorener Lebenszeit gegen ein Leben sehr originell:

"Und wissen sie vielleicht, welcher Zeitspanne es entspricht, wenn 2,8 Millionen Menschen eine Verspätung von eineinhalb Stunden haben?
Nobe schüttelte wiederum seinen Kopf.
"480 Jahre! Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80 Jahren, entspricht das der Lebenszeit von sechs Menschen!"
Nobe schaute den Richter wortlos an.
"Herr Nobe, sie haben wegen des Lebens eines Hundes praktisch sechs Menschenleben auf dem Gewissen! Was sagen sie dazu?"

Trotz dieses Highlights wirkt der Text stellenweise unfertig. Vor allem fand ich deplatziert, dass du die Besitzerin des Hundes als "Japanerin" bezeichnest, weil ALLE Personen in dem Text Japaner sind. Etwa hier:
Unvermittelt fuhr die nächste U-Bahn ein und die automatisch nachdrängende Menge verschluckte die Japanerin mit ihrem Hund.

Auch hätte dem Text etwas mehr Recherche gut getan, um mehr Lokalkolorit hinein zu bringen.

Wegen der originellen Idee und der anheimelnden und nonkonformistischen Moral freue ich mich trotzdem, das Original gelesen zu haben.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hallo Berg

Erstmal vielen Dank, dass Du die Geschichte noch mal ausgegraben hast. Auch wenn es eine ältere Geschichte von mir ist, mag ich sie sehr gern - immerhin ist es eine von denen die ich trotz manch sprachlicher Schwächen immer mal wieder lesen kann - andere Geschichten versuche ich hingegen eher zu vergessen.
Jedenfalls habe ich sie mitterweile komplett überarbeitet, vor allem der Anfang ist hoffentlich besser geworden - war eine gute Gelegenheit meine angelesenes Wissen über Stilistik anzuwenden. Ich hoffe das es kein Schuss nach hinten war.

ich habe diese Geschichte nach C. Seltsems "Corpus Delicti" gelesen, um das Original und die Kopie vergleichen zu können und ich muss sagen, diese Geschichte gefällt mir noch besser. Erstens wegen des Settings und der Hauptperson. In der Schule habe ich einmal gehört, dass es in Tokyo Menschen-in-die-U-Bahn-Quetscher gibt.

Ja, das Setting hat es mir auch angetan, wobei es ursprünglich ja als SciFi-Geschichte angedacht war. Aber vermutlich wurde ich da von der Realität eingeholt.

Zweitens finde ich das Aufrechnen von verlorener Lebenszeit gegen ein Leben sehr originell

Ich mag die Idee auch, wobei das ein Punkt ist, an dem sich die Geister scheiden. Einige finden es toll, andere dämlich. Aber einen polarisierender Punkt in der Story zu haben, finde ich inzwischen recht spannend.

Trotz dieses Highlights wirkt der Text stellenweise unfertig. Vor allem fand ich deplatziert, dass du die Besitzerin des Hundes als "Japanerin" bezeichnest, weil ALLE Personen in dem Text Japaner sind.

Ja, mit der "Japanerin" hast Du Recht. Das hat mich jetzt, bei der Überarbeitung, auch gestört.

Auch hätte dem Text etwas mehr Recherche gut getan, um mehr Lokalkolorit hinein zu bringen.

Hm, das ist jetzt schwierig, fast schon fies :schiel: - den recherchiert habe ich. Ich hatte sogar einen Japanologen zur Hand, der mir ein paar Eindrücke vermitteln konnte. "Chikan" zum Beispiel ist ein fast ausschließlich japanisches Problem. Viele Fahrgäste nutzen nämlich die Enge aus um sich am anderen Geschlecht zu "reiben". Daher auch die Frauenwaggons, von denen es naturgemäß immer zu wenig gibt.
Aber vielleicht ist die überarbeitete Version jetzt stimmiger.
Ich danke Dir jedenfalls ganz herzlich für Dein Kommentar.

Freundliche Grüße zurück

Mothman

 

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