Was ist neu

Copywrite Letztendlich: ein schöner Schluss

Seniors
Beitritt
12.02.2004
Beiträge
1.229
Zuletzt bearbeitet:

Letztendlich: ein schöner Schluss

Der 20-jährige Student der Kunstgeschichte Hans-Peter saß einsam und allein an seinem Tisch. Es war Abend. Langsam aber stetig dünnten sich die Massen aus und wer nicht schon längst betrunken war, würde es später werden. Hans-Peter saß wie auf glühenden Kohlen. Er war ganz traurig vor Kummer. Er hatte nämlich sein Ziel noch nicht erreicht: „Warum wollte mich keine küssen?“, fragte er sich nicht zum letzten Mal und resignierte völlig festgefahren: „Selbst die Computer-Nerds und die Rucksacktouristen amüsieren sich blendend. Dabei bin ich doch viel unterhaltsamer. Gut, ich verlange den Frauen mehr ab, aber das bin ich doch wert. Oder wie?“

Sein Leben hatte so gut begonnen: in einer liebevollen Familie groß geworden, guter Schüler usw. Die Befürchtung, ungeküsst an der Uni seine Mindeststudienzeit abzusitzen, kam gar nicht auf, da er zusammen mit diversen Artgenossen in ein Studentenheim zog, das schon am ersten Wochenende mit einem Fest die satten Wohlstandskinder fröhlich machen wollte. Auch über die große Konkurrenz machte sich Hans-Peter keine Sorgen. Schließlich würden eine Menge Studentinnen kommen, die selbst ein Bedürfnis nach männlicher Gesellschaft haben würden. Die Erasmus-Studenten taten ihm leid. Wer redet schon gern mit einem Fremden, wenn etwas Bier genügte, Mitteleuropäer wie ihn zu befremdlichem Verhalten zu bringen? „Da werden sicherlich einige nach Hause fahren, weil sie ganz alleine herumsitzen müssen!“, sagte er selbstbewusst zu einem Nebenmann. Erst als er drei Stunden später aus einem Lokal in der Innenstadt flog, kamen ihm Zweifel. Durch ein blödes Missgeschick des Türstehers fiel er die Treppe hinunter. „Oh nein, nicht dass man den da unten vergisst!“, spottete jemand in der Warteschlange.

Auch am nächsten Tag hatte er kein Glück. Dabei hatten sich seine Erwartungen so weit verringert, dass ihre Erfüllung in den Bereich des Möglichen rückte: Er wollte nur einmal ausgehen, ohne zusammengeschlagen zu werden oder sturzbetrunken im Rinnstein zu landen. Und er wollte sich einmal richtig sattessen! Zu diesem Zweck ging er auf ein Grillfest, auf dem es ein Feuerwerk geben sollte. Dort brieten herrliche Steaks auf dem Rost. Es roch nach Fleisch und Saft und Feuer! Hans Peter stand in einer langen Schlange von hungrigen Menschen, alle mit Tabletts und Besteck in der Hand. Damit es schneller ging, hängte der Verkäufer, dem der Schweiß den Nacken hinunterrann, die Steaks tief über die glühenden Kohlen.

Eines der Steaks schrie: „Ich bin doch schon fertig. Schön zart und saftig. Nimm mich vom Grill, verfrachte mich in das Brötchen und beschmiere mich mit der Soße. Nun mach schon!“
Hans-Peter war wie vor den Kopf geschlagen. Der Verkäufer hingegen bemerkte nichts Ungewöhnliches. Er entschuldigte sich vielmehr wortreich bei dem Steak und rechtfertigte sein Zögern damit, dass er schon seit zwölf Stunden hier arbeite und sich depressive Steaks einfach schlechter grillen lassen. Etwas später beschimpfte ihn eine Dame mittleren Alters, als er ihr ein verbranntes Steak auf den Teller legte: „Na, Ihr Kohlebrikette dürfen sie ruhig selber essen! Dann schmecken Sie mal den Mist, den Sie hier verkaufen wollen!“
Der Verkäufer nahm es gelassen, gab ihr ein weniger schwarzes Stück und kassierte ungerührt. Noch später, als er schon anfing, den Laden zu schließen, aufräumte und alles dicht machen wollte, begann Hans-Peter in einem heftigen Anfall von Sentimentalität das Steak, das da auf dem Rost vor sich hinkokelte, zu bedauern. Ihm kam es vor, als würde dieses Steak ihn rufen...

Er ging also auf den Verkäufer zu, der gerade Besteck aus einem großen Plastikeimer abtrocknete: „Entschuldigen Sie, haben sie vielleicht noch etwas zu essen?“
„Ja, ein Steak noch, aber das ist leider schon ganz schwarz. Lag einfach zu lange auf dem Grill. Ich wollte es gerade wegwerfen, aber wenn Sie mögen?“
Er behauptete, scharf gebratene Steaks zu lieben, obwohl er die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch den Verzehr krebserregender Substanzen kannte. In diesem Moment gab er sich sogar der Vorstellung hin, dass scharf gebratene Steaks ihm am besten schmeckten. So trug er den Teller zu einem Tisch, stellte ihn auf die Tischdecke mit Karomuster und begann, mit dem Messer die kohleartige Ruß-Schicht vom Fleisch zu kratzen. Das Steak empfand dabei große Dankbarkeit.
Da fragte eine volltönende weibliche Stimme: „Darf ich mich zu dir setzen?“
Es roch durchdringend nach etwas, das ihm das Wasser im Mund zusammen laufen ließ. Er rieb sich die Augen, schaute genauer hin: Vor ihm stand eine zwei Meter große Bratwurst! „Aber gerne!“, sagte er und deutete auf den freien Platz ihm gegenüber. Als ihre knusprige Haut dann im Schein des Feuerwerks schimmerte, dachte er: eigentlich ein netter Abend!

 

Ah!

Wenn man das Orginal nicht kennt, kommt einem der Einstieg etwas losgelöst vor, aber wenn man das Orginal kennt, versteht man, dass du mit diesem Text den Ursprungstext als Parabel deutest, auf den Beziehungsmarkt. Erst glauben Steak wie Mann, sie werden schon bald fündig und bemitleiden die arme Konkurrenz, die gegen sie keine Chance hat. Dann starren sie wehmütig den anderen nach, die eine Frau/einen Esser abkriegen. Schließlich sind sie so lange auf dem Grill/Markt, dass sie deprimiert werden und verkohlen (das Äquivalent ist wohl, dass der Mann sich mit zunehmender Erfolglosigkeit betrinkt und damit noch unattraktiver für die Damenwelt wird) und am Ende kommt der Esser und entscheidet sich wider besseren Willens doch für das Steak, bzw. die Bratwurst kommt und entscheidet sich eben doch für den Mann.
Das ist sozusagen Resteessen/Reste...ehm böses Wort mit "f", das ich recht oft als Bezeichnung für Ü30-Discos gehört habe (Restessen wäre übrigens ein sehr viel cleverer Titel gewesen, du kannst mir später dafür danken).

Es ist also ziemlich clever das Copywrite, finde ich. Das ist schon eine kluge Parallele. Kritik: Mal die Allgemeinplätze abgewöhnen, furchtbare Sprachklischees. Inhaltlich gut, stilistisch mjo, geht.

Gruß
Quinn

 

Hallo Berg,

das mmacht mich doch gluecklich, dass sich diese beiden Gestrandeten hier finden.

Da hörte Hans-Peter eines der Steaks schreien: „Ich bin doch schon fertig. Schön zart und saftig. Nimm mich vom Grill, verfrachte mich in das Brötchen und beschmiere mich mit der Soße. Nun mach schon!“
Das ist albern und ich musste lachen.

Und dies war mein Lieblingssatz:

Er war ganz traurig vor Kummer.

Gut, ich verlange dem Frauen mehr ab, aber das bin ich doch wert.
den

Also mit dem Kunststudent passt fuer mich nicht so richtig. Die stelle ich mir nicht so vor. Die sind strange genug, um gekuesst zu werden. Meinst Du vielleicht einen Kunstgeschichtsstudent? Das ginge schon eher.

Hat mir als Kopieansatz gut gefallen, aber die "vollends surreale" Wendung hat mir nicht so gefallen.

lg
fiz

 

Hi Berg.

Schmunzelnd kommentiere ich dein Werk.
Eine sehr angenehme Interpretation und schöne Dualität: Dem Käufer von Klaus-Dieter ging es also genauso wie ihm. Da machen sie sich also gegenseitig glücklich. Schön.

Schade finde ich daher, dass er den Kauf aus einem mysteriösen Zwang heraus tätigt und nicht aus Sentimantalität. Haben ja doch sehr viel gemein die beiden.

Deine Bratwurst half mir aber sofort darüber hinweg. Besonders der Schlusssatz ist toll:

Als ihre knusprige Haut dann im Schein des Feuerwerks schimmerte, regte sich in ihm die Gewissheit, dass es noch ein sehr gelungener Abend werden würde.

Gern gelesen.

LG Tiltik

 

Vielen Dank für eure schnellen Antworten! :)

Den Stil mit allen Eigenheiten habe ich fast 1 : 1 übernommen. Die Eigenleistung des Kopisten liegt also eher in der Interpretation und der Zuspitzung einiger Eigenheiten des Originals. Zur Vorlage werde ich mich in deren Thread äußern.

@feirefiz: Lassen wir ihn also Kunstgeschichte studieren. ;)

Liebe Grüße,

Berg

 

Hey Berg,

die Einführung von Hans-Peter ist eine schöne Idee. Hat mir gefallen. Die beiden Leidensgenossen da nebeneinander zu stellen. Aber man merkt auch, dass Du das Ding sehr fix geschrieben hast, was ich schade finde, weil es könnte so viel besser sein, wenn Du da noch mal rübergehen würdest und etwas mehr "Berg" hinzutun könntest. Die Copyaufgabe hast Du ja bestens erfüllt, nun seh es als Deine Geschichte und mach sie auch zu einer ;).

Schließlich würden ja auch eine Menge Weiber kommen, die es alle nötig haben und sich nur so um ihn reißen würden.

Boah, kannst Du das nicht etwas "feiner" formulieren? Die Frauen haben gute Gründe ihn nicht zu küssen :).

Durch ein blödes Missgeschick des Türstehers fiel er über die Treppe ganz nach unten. „Oh nein, nicht dass man den da unten vergisst!“, stöhnten einige in der Warteschlange. Selbstsicher kam er ihnen entgegen: „Der wird mich noch suchen, sobald ihm die Gäste ausgegangen sind. Wartets nur ab!“

Das versteh ich nicht. Klar, in Bezug auf die Vorlage ist es klar, aber in Deiner Geschichte versteh ich es nicht. Er fällt in den Keller, kommt selbst wieder auf die Beine, geht nach oben, den anderen entgegen - warum sollte ihn dann noch jemand suchen kommen?

Auch am nächsten Tag schien er vom Pech verfolgt zu werden.

streichen ;)

Seine Erwartungen waren bescheidener: Er wollte sich einmal richtig sattessen.

Hungert er sonst?

Da hörte Hans-Peter eines der Steaks schreien: „Ich bin doch schon fertig. Schön zart und saftig. Nimm mich vom Grill, ...

Hier hatte ich auch ein Problemchen - ich steh ja immer noch mit dem Prot in der langen Schlange der Hungernden ... Wo sind die denn nun alle hin?

Ihm war, als würde das Steak auf dem Grill ihn rufen!

:)

... obwohl er die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch den Verzehr krebserregender Substanzen kannte.

Das klingt so sehr nach Dir ;)

Die ganze Atmosphäre kippte vollends ins Surreale.

Ich weiß nicht, ich mag den Satz nicht und könnte gut ohne den leben.


Aber ich will gar nicht meckern, ich bin in der Bringschuld und werd mich sogleich bemühen.

Lieben Gruß Fliege

 

Liebe Fliege,

Du hast natürlich recht: Ich habe die Geschichte schnell geschrieben, um dem Kaiser zu geben, was dem Kaiser gebührt (um Jesus zu zitieren). Jetzt könnte ich sie überarbeiten und daran feilen, um sie so gut wie möglich zu machen. Die Herausforderung dabei ist, sowohl mehr Berg reinzugeben, als auch Tiltik drinzulassen - damit die Geschichte beides enthält. All Deine klugen Anmerkungen zu Stil und Inhalt werden vielleicht nicht mehr zutreffen, wenn ich den Text (wirklich) überarbeite. ;)

Was Deine Aufgabe, einen meiner Texte betrifft, würde es mich freuen, wenn Du eine Geschichte aussuchen würdest, die Dir wenigstens ansatzweise etwas sagt. Du hast ja noch drei Wochen Zeit.

Freundliche Grüße vom

Berg

 

Hey Berg!

Das ist ja ein seltsames Ding. Liest sich, als versuche jemand, im zu engen Anzug Einrad zu fahren und dabei einen Hot dog zu essen. :D

Stilistisch zwischen Lachen und Weinen: Da wird völlig festgefahren resigniert, selbstbewußt gesagt, selbstsicher entgegengehalten (aber sicher ist er nicht), sich wortreich entschuldigt ... die Sprache ist hudelig, dazu die wirre Handlung & Struktur, hier z.B. dachte ich, es drehe sich um den nächsten Tag nach dem guten Beginn seines Lebens:

Auch am nächsten Tag schien er vom Pech verfolgt zu werden.
Beim nächsten Satz
Seine Erwartungen waren bescheidener: Er wollte sich einmal richtig sattessen.
mußte ich deswegen erstmal lachen: Nach dem Treppensturz werden die Erwartungen drastisch runtergeschraubt: Mal richtig sattessen! Vom Flirtpech zum Hungerleiden in 24 Stunden. Und dann sag mal noch einer, Studenten hätten keine Probleme. :D

Die Wendung mit der Wurst fand ich klasse, weil sie so unschuldig daherkommt, so schüchtern von der Seite und auch im zu engen Anzug, aber Friß-oder-stirb. Berg halt. :)

Lag es an den Pillen, die ihm der Typ mit der Lederjacke verkauft hatte?
das ist doof. Mach das weg. Und das
Die ganze Atmosphäre kippte vollends ins Surreale.
und das auch
Tatsächlich:
Surreale Sachen sind viel schöner, wenn sie real daherkommen. Da steht die Bratwurst und ist eine Bratwurst. Ist doch prima. Schlimm wäre, wenn die Bratwurst gar nicht ihn, sondern das Steak auf seinem Teller gemeint hätte, aber das bleibt ja zum Glück verborgen. :D

Ich könnte noch haufenweise Stilsachen bekritteln, aber ich tu's nicht, weil ich befürchte, daß gerade der teilweise ganz furchtbare Stil mich zum Lachen gebracht hat. Und wenn ich das nicht mach, laß ich auch die anderen Fehler in Ruhe, die mir aufgefallen sind. So.

Witziges Copywrite auf jeden Fall.

Gruß!
Makita.

 

Hey Berg!

Dieser Student da, der selber verschmäht wird und überall nur Prügel einstecken muss, empfindet Solidarität mit einem verkohlten Steak und will es retten. Und eigentlich will er ja sich selbst retten und dann, wie im Märchen, wird er duch sein Opfer (da ist ja Krebs drin!) selbst gerettet.

Hübsche, alte Geschichte, stilistisch allerdings fad, aber das wurde ja schon gesagt.

Also Copywrite fand ichs lustig. :)

Bis bald,

yours

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom