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Copywrite Rückkehr nach Bresenhain

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30.12.2008
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Rückkehr nach Bresenhain

Der letzte Zug für diesen Tag spuckt seine Passagiere aus. Es sind nur wenige Leute. Die meisten Gesichter kennt Magnus, doch noch bevor eines grüßt oder ihm lächelnd zunickt, sind sie verschwunden. Der Zug fährt ab, verschmilzt mit der Nacht und für Magnus endet schließlich die Schicht.
Mit schmerzendem Knie und einer Thermoskanne unter dem Arm hinkt er zu der Bank auf der er, seit beinahe vierzig Jahren, seinen Feierabend beginnt.
Griffbereit legt er seine Zigaretten neben sich, öffnet die Thermoskanne und trinkt den letzten Rest kalten Kaffees.
Mit einem bitteren Geschmack im Mund schließt er die Augen.
Ein abendlicher Wind rauscht durch die Baumkronen und lässt das rostige Ortsschild sachte pendeln. Ein Zeitungspapier raschelt irgendwo zwischen Schotter und Gleisen. Ein paar Straßen weiter hupt ein Auto.
Egal wie lang du dich auf einem Bahnsteig aufhältst, nie wird er ein Zuhause sein. Auch nach vierzig Jahren nicht.
Ein Schmerz sticht in sein Knie und gemahnt ihn an seine Zigarette. Er lockert seinen Krawattenknoten, öffnet sein Jackett und klopft seine Taschen ab. Als er nichts findet, klopft er noch einmal und stülpt schließlich jede einzelne Tasche um. Das Feuerzeug bleibt verschwunden.
„Hol‘s der Teufel.“
Aber der hat es längst, denkt er, als er den Boden vor sich absucht. Die Zigarette, nutzlos im Mundwinkel klebend, wird vom Speichel nass.
„Kann ich Ihnen helfen?“
Eine junge Frau steht vor ihm. Sie trägt ein buntes Pulloverdings und ein silbernes Kettchen funkelt an ihrem Hals.
Magnus fühlt sich auf seltsame Art ertappt, woraufhin er die Zigarette aus dem Mund nimmt und dabei ein Stück festgeklebter Haut von der Lippe abzieht.
„Ich …“, er räusperte sich, „mein Feuerzeug ist weg. Ich hab es gesucht, wissen Sie.“
„Rauchen ist ungesund.“
„In meinem Alter spielt das keine Rolle mehr.“
Die junge Frau sieht in an und kaut auf ihrer Unterlippe. Irgendwie kommt sie ihm bekannt vor. Trotzdem bleibt sie eine Fremde, eine mit einem Problem; zwei Problemen, um genau zu sein. Das Zweite war, dass sie zögerte um Hilfe zu bitten.
Da musst Du allein durch, Mädchen.
„Ich bin heute mit dem Zug gekommen und suche ein Haus. Vielleicht kennen Sie es, Matthi Hellwig hat darin gewohnt.“
„Rune? Sie suchen das Haus von Rune?“
Einen Moment lang blickt sie ihn irritiert an, schließlich nickt sie.
„Könnten Sie mir vielleicht den Weg erklären?“
Plötzlich weiß Magnus, wer vor ihm steht. Er sieht ein kleines Mädchen mit langen Zöpfen. An einem Sommertag öffnet sie Runes Kaninchenställe, weil sie Tierschützerin spielt. Nur die fette Emma bleibt übrig und Rune bringt sie später zu Magnus, um sie vor den guten Taten seiner Nichte zu schützen. Runes Nichte – Vivien.
„Sie sind Vivien, habe ich Recht? Sie waren lange nicht mehr hier. Als Rune noch lebte, hat er nur von ihnen gesprochen.“
Für einen Moment huscht ein Ausdruck von Unsicherheit über ihr Gesicht, dann ist er verschwunden. Mit fester Stimme sagt sie: „Ich werde das Haus verkaufen.“
Magnus sieht ihr in die Augen, aber er findet nur Entschlossenheit, keine Bitterkeit.
„Runes Grab ist bei den kleinen Birken, falls sie mal ...“
„Ich weiß, wo es liegt! Nur weil ich damals nicht bei der Beerdigung war, heißt das nicht, dass ich ihn nie besucht hätte! Wenn Sie es genau wissen wollen: Ich war zwei Tage nach der Beerdigung auf dem Friedhof um mich von Rune zu verabschieden. Können Sie sich denken, warum? Weil ich meine Trauer nicht öffentlich zur Schau stellen wollte. All diese Betroffenheitsblicke und Beileidsbekundungen! In Wirklichkeit ist man doch froh, dass man endlich wieder ein Thema hat, über das man reden kann. Und was da alles zerpflückt wird. Beim Friseur wird über den Grabschmuck diskutiert, beim Bäcker erfährt man, wer alles auf der Beerdigung war und beim Metzger ereifert man sich über Angemessenheit und Schicklichkeit von Rocklängen!“
„Ich ... Ich wollte Sie nicht ...“
„Wenn Sie mir vielleicht jetzt den Weg beschreiben könnten.“
Magnus nickt. Mit steifen Beinen erhebt er sich und humpelt mühsam die drei Schritte, die Vivien von ihm entfernt steht.
„Sie müssen hier lang. Die Straße runter und ...“
„Tut mir leid, dass ich Sie so angefahren habe. Es war nicht einfach für mich nach all der Zeit nach Bresenhain zurückzukommen.“
„Sie müssen sich nicht entschuldigen, wenn sich jemand entschuldigen muss, dann bin ich das. Alte Männer neigen dazu zu glauben, dass sie alles am Besten wissen.“
Ein kleines Lächeln huscht über ihr Gesicht.
„Was sagen Sie zu einer Tasse Tee? Ich lade sie ein. Außerdem müsste ich dann nicht nachts alleine durch die Straßen laufen.“
Magnus denkt an seine Zigarette, die noch immer mit durchgeweichtem Filter nutzlos in seiner Hand liegt. Seine Augen suchen den Boden ab, aber das Feuerzeug bleibt verschwunden.
„Also schön, wenn sie einen alten Klepper, wie mich ertragen können.“


Auf ihrem Weg durch das Dorf schweigen sie. Magnus bemerkt, dass jeder Schritt Vivien ein Stück in die Vergangenheit trägt.
Als sie am Waldblick vorbeikommen, sieht er Fritz seinen Tresen polieren. Bei einem flüchtigen Blick auf das ungleiche Paar nickt ihm Magnus freundlich zu. Doch ein paar krause Falten auf der Stirn sind Fritz einzige Antwort. Dann sind sie vorbei.
Kurz vor dem Ortsausgang treffen sie auf den Weg, der über die Felder führt. Jenseits davon liegt der Friedhof. In diesem Moment öffnet der Himmel seine Wolkendecke und bleiches Mondlicht fällt auf den Hain, der die Gräber vor aufdringlichen Blicken schützt.
Magnus bleibt stehen, doch Vivien eilt gedankenversunken weiter. Ihre Füße scheinen sich an die Wege ihre Kindheit erinnert zu haben und er beeilt sich hinterher zukommen. Dann stehen sie vor Runes Haus. Im Garten ist die verkleinerte Version Bresenhains auf Stöcken aufgespießt, das Sommer wie Winters von zahlreichen Vögeln bewohnt wird. Jetzt wirken die kleinen Häuser dunkel und tot. Als er bemerkt, dass auch Vivien die leeren Vogelhäuser beobachtet, fröstelt es ihn plötzlich.
So ist Bresenhain nicht, will er sagen. Es ist ..., aber er weiß nicht, was es ist.
„Kommen sie. Mir ist kalt und ich brauche jetzt unbedingt was Warmes.“


Der Tee in seiner Tasse dampft. An den Wänden der Küche hängen noch immer die Postkarten, die Rune während all der Jahre von Vivien erhalten hat. Budapest, London, Sri Lanka, Oakland - aus allen Ländern der Welt. Rune hatte ihm jede Einzelne vorgelesen und herzhaft gelacht, wenn er an die Stelle kam, wo Vivien schrieb: Komm her und sieh es Dir mit eigenen Augen an.
Ein Mann wie Rune in der großen weiten Welt? Das war wirklich zum Lachen.
„Er ist nie von diesem Ort weggekommen.“
Viviens Stimme klingt neutral. Jeglicher Vorwurf, dem man diesem Satz beimessen könnte, schien schon vor langer Zeit getilgt worden zu sein. Sie bläst auf den Rand ihrer Tasse und nimmt einen vorsichtigen Schluck.
„Rune war kein Mensch, den es in die Ferne zog. Alles, was er brauchte, hatte er hier.“
Vivien sieht ihn mit einem langen Blick an.
„Hat er ihnen die Geschichte von seinen Kaninchen erzählt?“
Magnus schüttelt den Kopf, aber sie scheint es nicht zu bemerken. Sie dreht ihre Tasse ein paar Mal in den Händen und starrt auf die goldschimmernde Flüssigkeit, als ob sich die Vergangenheit darin spiegelt.
„Damals konnte ich nicht verstehen, warum sie Tag für Tag in ihren Käfigen eingesperrt waren. Ich habe die Tiere geliebt und ich dachte ich täte ihnen was Gutes, wenn ich sie befreien würde. Stattdessen hat es sie alle erwischt. Entweder zu Brei zerquetscht unter einem Autoreifen oder von Fuchs und Marder totgebissen. Ich durfte mir damals eine lange Gardinenpredigt anhören und als ich eine Woche später darum bettelte einen Ausflug in den Zoo zu machen, weigerte er sich. Lange Zeit dachte ich, er befürchtete ich könnte auch die großen Tiere aus ihren Käfigen befreien. Aber in Wirklichkeit hatte er Angst Bresenhain zu verlassen. Er war selbst wie eines dieser Kaninchen und er schien zu denken, dass irgendetwas Schreckliches geschähe, wenn er seinen eigenen Käfig verließe.“
Magnus sagt nichts. Er nippt an seinem Tee und wünscht sich er könnte eine Zigarette rauchen.
„Stört es sie, wenn ich meine Kamera hole und ein paar Bilder schieße? Ich möchte dem Makler ein paar Aufnahmen schicken, damit er einen Eindruck von dem Haus gewinnt.“
„Nein ganz und gar nicht. Ich sollte sowieso gehen. Es ist schon spät und ein Mann meines Alters sollte um diese Zeit längst im Bett sein.“
„Tut mir leid, ich wollte sie nicht hinauswerfen.“
„Nein schon gut, wirklich. Sie haben noch viel zu tun und ich gehöre zweifellos in die Falle. Hat mich gefreut Sie kennenzulernen.“


In die Nacht verabschiedet, steht Magnus noch eine Weile allein im Garten herum. Er fummelt eine Zigarette aus der Verpackung, als ihm wieder einfällt, dass sein Feuerzeug verschwunden ist. Während er überlegt noch einmal zurückzugehen und Vivien um Feuer zu bitten, gehen in Runes Haus alle Lichter an. Kurz darauf zucken helle Blitze durch die Fensterscheiben in die Nacht hinaus.
„Jetzt fotografiert sie“, murmelt er leise für sich. In Wahrheit denkt er jedoch: Jetzt exorziert sie Runes Geist aus dem Haus hinaus.
Stumm beobachtet Magnus wie das Blitzlicht von Zimmer zu Zimmer wandert, doch als es zum Speicher gelangt, erlischt es.
Jetzt hat sie das Puppenhaus entdeckt, das Rune für sie gebaut hat, und ihm wird klar, dass er heute kein Feuer mehr für seine Zigaretten bekommen wird.


In der Nacht findet Magnus wenig Schlaf. Unruhig wälzt er sich im Bett und durchwühlt die Kissen. Als er sich morgens herausquält, gleicht sein Knie einem Eisbein. Mühsam schleppt er sich ins Bad und verspürt seltsamerweise eine drängende Eile, so als ob er verschlafen hätte.
Du alter Zausel, sie ist doch längst weg! Ist bestimmt mit dem ersten Zug heute Morgen zurück in die Stadt gefahren.
Aber das Gefühl irgendwo hinzumüssen bleibt. Schließlich verzichtet er auf das Frühstück und beeilt sich stattdessen nach draußen zu kommen.
Er will zum Waldblick. Dort Spiegeleier und frischen Kaffee bestellen, aber seine Füße wissen es besser. In Gedanken bei Vivien und dem gestrigen Abend findet er sich am Beginn eines Feldweges wieder. Verwirrt blickt er sich um und entdeckt am Ende des Weges den versteckten Friedhof mit seinem vertrauten Birkenhain.
Du hast mich gerufen? Hattest wohl keine Geduld und wolltest gleich von Deiner Vivien hören, was? Schäm Dich einem alten Mann sein Frühstück nicht zu gönnen!
Ergeben schleppt er sich über taunasse Steine und steht schließlich vor dem kleinen Seiteneingang des Friedhofs. Das Tor quietscht begrüßend in der morgendlichen Stille. Er ist alleine hier. Nur das Gezwitscher der Vögel begleitet seine Schritte. Als er Runes Grab zwischen den Birkenstämmen erspäht, bemerkt er ein vertrautes Glitzern.
Langsam nähert er sich dem Grabstein, dem er schon so viele Geschichten, so viele Geheimnisse erzählt hat. Diesmal hat der Stein etwas für ihn. Es ist sein Benzinfeuerzeug, das er verloren geglaubt hat. Es liegt auf dem Sockel und beschwert ein Kuvert.
Vorsichtig bückt sich Magnus und hebt beides auf. Auf dem Kuvert steht kein Name, trotzdem weiß er, wer es für ihn hiergelassen hat.
Mit zittrigen Fingern öffnet er es und findet darin ein handbeschriebenes Blatt Papier. Es sind nur wenige Worte.


Bresenhain ist kein Ort, an dem man lebt.
Es ist ein Ort, wo man stirbt. Seien Sie nicht wie Rune!

Und geben Sie das Rauchen auf!

Gruß
Vivien


***​

Einen Monat später ist Runes Haus an irgendeine schrecklich laute Familie aus der Stadt verkauft.
Magnus geht nicht mehr so oft zum Friedhof und auch im Waldblick lässt er sich nicht mehr blicken. Stattdessen unternimmt er ausgedehnte Spaziergänge - unter anderem weil sein Arzt ihm dazu geraten hat.
„Sehen Sie sich die Gegend an, das bringt Ihr Knie ein wenig auf Vordermann und für den Kreislauf ist es auch nicht schlecht.“
Ist besser als Medikamente zu schlucken oder sich unters Messer zu legen, denkt Magnus. Sagt es aber nicht.
An einem Dienstagnachmittag schließlich, nachdem er einen weiten Bogen von Bresenhain nach Ottmaning über Pfarrstatt geschlagen hat, entdeckt Magnus ein dickes Päckchen in seinem Briefschlitz.
Er nimmt es mit in die Küche, wo er sich einen Kaffee aufbrüht.
Während heißes Wasser in den Filter tropft und der Raum von einem aromatischen Duft erfüllt wird, setzt er sich an den Tisch und schlitzt das Päckchen mit einem Messer auf.
Herausfällt eine Ansichtskarte aus Norwegen und ein stinkendes verfilztes Ding. Auf der Karte ist ein langer Fjord zu sehen. Das Wasser ist cobaltblau, die Hänge sind mit dichten Wäldern bewachsen. Auf der Rückseite steht: Kommen Sie her und sehen Sie es sich selbst an. BTW: Die Quaste stammt von einem Fossegrim und ist ein kleines Souvenir für Sie. Gefiel mir besser als ein Stofftroll. Das hier ist wenigsten echt. Gruß V.
Magnus schüttelt den Kopf und betrachtet den stinkenden Trollschwanz. Unbewusst greift er nach seinen Zigaretten, aber der Geruch raubt ihm die Lust, so dass die Bewegung unvollendet bleibt.
„Rune, alter Freund, jetzt hat sie mich am Wickel.“
Geistesabwesend streicheln seine Finger den Trollschwanz und mit jedem Mal schwindet sein Verlangen nach Zigaretten ein bisschen mehr.

 

Hey Mothman,

es ist also Bresenhain geworden. Weil, ich finde das immer sehr spannend, welche Geschichte denn nun als Vorlage herhalten wird und was mit ihr geschieht. Das Du zuvor die Stille in Erwägung gezogen hast - sie als personifizierten Horror auftreten lassen wolltest - das hätte ich auch sehr spannend gefunden! Wenn nicht sogar etwas mehr, denn hier bleibst Du ja sehr dicht dran, am Original, finde ich. Das war ein sehr komisches Leseereignis, dass muss ich Dir mal sagen. Also ich plaudere hier jetzt ein wenig rum, glaub nur nicht, dass hier eine anständige Kritik bei rum kommt - ich bin viel zu sehr involviert, am Ende hätte ich das Gefühl, meine eigene Geschichte zu kritisieren :D.
Wie gesagt, es las sich schon komisch für mich. Zu Teilen dachte ich, ja das ist doch meine Geschichte! Wieso schreibt er sie denn jetzt nochmal? Und dann hast Du irgendwelche kleinen Dinge verdreht oder neu hinzugefügt und dann wurde es für mich natürlich spannend. Und dann wurde sie wieder meine und dann Deine. Ein Hin und Her war das, sag ich Dir ;). Schade fand ich, dass Du den Perspektivwechsel nicht konsequent durchgezogen, also, dass Du Deinen Erzähler auch an Magnus gehängt hast und nicht an Vivien. Klar, dann wäre die Geschichte ab der Hälfte völlig neu geschrieben worden, aber das wäre auch sehr spannend gewesen. Vielleicht habe ich das so ein wenig gehofft, als ich den Titel las. Also zu erfahren, wie Vivien denn nun die Nacht verbracht hat und was sie in der Stadt mit ihren Bildern anfängt und so. Okay - das war mein erster Impuls, mein erster Gedanke. Du warst da wesentlich feiner, hast Dich darauf beschränkt, kleinere Änderungen vorzunehmen, die ich schon mit einem Schmunzeln quittiert habe. So unterm Strich hatte ich also meine Freude dran.

Mit fester Stimme sagt sie: „Ich werde das Haus verkaufen.“

Das kommt mir zu plötzlich daher. So aus dem nix. Ich glaube, dass hatte man mir auch irgendwann mal vorgeworfen. Weiß aber nicht mehr, muss ich nachher nachlesen gehen.
Magnus sieht ihr in die Augen, aber er findet nur Entschlossenheit, keine Bitterkeit.
„Runes Grab ist bei den kleinen Birken, falls sie mal ...“

Und der Übergang auch.

Beim Friseur wird über den Grabschmuck diskutiert, beim Bäcker erfährt man, wer alles auf der Beerdigung war und beim Metzger ereifert man sich über Angemessenheit und Schicklichkeit von Rocklängen!“

:) - was auch immer sie da motiviert, so tiksch zu sein - das ist cool.
Also was Du bisher so gesagt und wie Du sie beschrieben hast - das wirkt schon ziemlich aggressiv für meine Lesart.

„Jetzt fotografiert sie“, murmelt er leise für sich. In Wahrheit denkt er jedoch: Jetzt exorziert sie Runes Geist aus dem Haus hinaus.

Hehe.

... gleicht sein Knie einem Eisbein.

Diebstahl! :D

„Rune, alter Freund, jetzt hat sie mich am Wickel.“
Geistesabwesend streicheln seine Finger den Trollschwanz und mit jedem Mal schwindet sein Verlangen nach Zigaretten ein bisschen mehr.

Der letzte Satz ist nicht ganz glücklich. Finde ich.

Ich bedanke mich für Deine Qualen und hoffe, Du erholst Dich recht schnell. Und wenn Du mir Deine Adresse zukommen lässt, schreibt "Vivien" Dir im Sommer auch ne Karte aus Norwegen. GC16BF ;)

Lieben Gruß Fliege

 

Hallo Mothman!

Mir gings bisschen wie Fliege, ich hab nicht gewusst, ob ich das Original lese oder die Kopie. Dabei erzählst du ja eine ganz andere Geschichte, irgendwie. Da geht es um den Alten und dass er durch die Nichte plötzlich das Rauchen aufhört und Sport treibt und so weiter.

Ich nehm ihm das nicht ab. Der Charm des Originals kommt ja gerade von der Kluft der zwei Welten: Die Stadt und das Land. Und nichts ändert sich. Es gibt ein paar Berührungspunkte, aber man geht am Ende auseinander und stellt fest, es ist okay, wie es ist. Kein Grund, etwas zu ändern.

Und bei dir kommt dieses Mädel und plötzlich verändert er sich. Der alte Mann. Ich verstehe nicht, warum er das tut, was ist so besonders an ihr? Er müsste vorher schon sehr unglücklich gewesen sein, dass er so leicht kippt.

Kann aber sein, dass ich vom Ton so irritiert war. Teilweise schreibst du wirklich sehr nah am Original und im gleichen Ton. Und dann wieder brichst du völlig aus und das bringt mich durcheinander, weil ich die Personen und Schauplätze ganz anders im Kopf hatte.

Aber das ist natürlich immer so das Problem bei den Copywrites. Wie weit weg vom Original funktioniert es noch? Wie nah muss man bleiben? Und ... funktionierts auch noch, wenn man das Original nicht kennt?

Kurz: Mir fehlt ein roter Faden. :)

Bis bald!

yours

 

Hallo Fliege

Ich war wirklich sehr gespannt auf Deine Reaktion bezüglich der Geschichte. Und ich kann mir lebhaft vorstellen, dass es ein seltsames Leseerlebnis für Dich gewesen ist; insbesondere da dies ja meine erste Copyright-Story ist.
Aber vielleicht erzähle ich noch mal was zum Entstehungsprozess, bevor ich auf Detailfragen eingehe.
Erstmal habe ich mich mit großem Vergnügen durch Deinen Geschichtsfundus gelesen, wobei ich mich schnell für eine Geschichte entscheiden konnte (die es dann aber doch nicht wurde).
Bei meinen ersten Schritten durch Deine Welt musste ich jedoch schnell erkennen, dass ich Deinen Stil -diese leisen harmonischen Töne und das Zwischenmenschliche- unmöglich kopieren konnte. Bei „Stille Momente“ wurde schon nach wenigen Sätzen etwas völlig Eigenes daraus, was höchstens thematisch nur noch mit Deiner Geschichte zu tun hatte. Also musste ich nach langem hin und her einen anderen Weg finden.
Bei der Bresenhain-Geschichte fiel mir dann schließlich auf, dass Du da praktisch schon ein eigenes Copyright fabriziert hattest. Die Ursprungsgeschichte „Runes Nichte“ fängt ja ganz ähnlich an, wobei die Neuere eigentlich nur eine ausführlichere Form darstellt.
Na jedenfalls dachte ich mir: Den Ansatz benutze ich jetzt auch – auch auf die Gefahr hin, dass das langweilig oder sonst was wird.

Bei meiner Lesart von „Ein Haus in Bresenhain“ hatte ich das Gefühl die Weisheit des Alters siegt über jugendliche Rüpelhaftigkeit und alles nur weil Vivien ihr Kettchen verliert. Was wäre also gewesen, wenn sie ihr Kettchen nicht verloren hätte?

Was mir an der Bresenhain-Story nicht gefiel, war die darin verborgene Schwarz-Weiß-Sicht. Das Örtchen mit seinen Eigenheiten wird ja in recht idyllischen Farben gemalt und beim Lesen dachte ich mir oft, was sich unter dieser Tünche wohl verbergen mag. Oder anders formuliert: Was sind die Lebensweisheiten von Magnus wert, wenn er trotz Raucherbein am Qualmen ist und seine besten Freunde scheinbar auf dem Friedhof liegen. Alles in allem kam mir die Geschichte ein wenig falsch vor und mich hat es einfach interessiert was geschieht, wenn ich die Vorzeichen ein wenig umdrehe.
So, und jetzt sag ich Dir was: Das Schreiberlebnis war ebenfalls äußerst seltsam!
Nicht nur, weil ich mich als gefühlter Fremdkörper in Deinem Städtchen umgetrieben habe, sondern weil ich das Gefühl hatte, dass von dir nur schemenhaft angedeutete Konflikte, sich plötzlich als kristallklar entpuppten.
Da war ich plötzlich am Hadern, ob ich Deine Geschichte wirklich genau genug gelesen hatte. Denn, waren diese Konflikte nun real –also von Dir erdacht- oder fügten sie sich einfach nur gut in das Geschehen ein? So ganz kann ich diese Frage immer noch nicht beantworten.
Aber spannend finde ich es nach wie vor.

Zu den Details:

Zitat:
Mit fester Stimme sagt sie: „Ich werde das Haus verkaufen.“
Das kommt mir zu plötzlich daher. So aus dem nix. Ich glaube, dass hatte man mir auch irgendwann mal vorgeworfen. Weiß aber nicht mehr, muss ich nachher nachlesen gehen.

Yup, an der Stelle bin ich beim Korrekturlesen auch mehrmals hängen geblieben. Ich wollte es dann umändern, aber Vivien nahm mir in den Stift aus der Hand und hieb damit auf meine Finger. Keine Ahnung warum, aber scheinbar ist sie der Meinung, dass das so richtig ist.
… und da sag noch mal einer Schriftsteller hätten keinen an der Waffel …

Zitat:
Magnus sieht ihr in die Augen, aber er findet nur Entschlossenheit, keine Bitterkeit.
„Runes Grab ist bei den kleinen Birken, falls sie mal ...“
Und der Übergang auch.

DAS ist und war für mich ein Schlüsselsatz in Deiner Geschichte. Ich fand den schon dreist, als ich ihn bei Dir entdeckt habe. Für mich lese ich da einen Vorwurf raus, denn: Auch wenn er sich daran erinnert wer Vivien ist, so kann er doch unmöglich wissen, dass sie Runes Grab nicht kennt!
Er fragt ja nicht mal nach, ob sie bei der Beerdigung war. Nein, er geht einfach davon aus, dass sie noch nie am Grab war.
Ganz ehrlich aber der Satz bzw. die Aussage dahinter macht mich rasend.
Diese Selbstgerechtigkeit, die sich dahinter verbirgt! Ächz! Die wollte ich bei meinem Copyright thematisieren. Ich wollte, dass Vivien den Spieß umdreht und mit dem Alten in dem Kaff aufräumt – jugendfrei versteht sich und natürlich ohne Eimerweise Blut zu verschütten ;)

Zitat:
Beim Friseur wird über den Grabschmuck diskutiert, beim Bäcker erfährt man, wer alles auf der Beerdigung war und beim Metzger ereifert man sich über Angemessenheit und Schicklichkeit von Rocklängen!“
- was auch immer sie da motiviert, so tiksch zu sein - das ist cool.
Also was Du bisher so gesagt und wie Du sie beschrieben hast - das wirkt schon ziemlich aggressiv für meine Lesart.

Äh ja, siehe oben. Aggressiv ist sie, stimmt. Mich hätte der Satz von Magnus allerdings auch aggressiv gemacht.

Zitat:
... gleicht sein Knie einem Eisbein.
Diebstahl!

Nö, ist copyright :D
Ernsthaft: Hab bewusst ein paar Ausdrücke von Dir drin gelassen, wenn es mir passend erschien. Vor allem da sich meine Version ja auf so einer Art parallelem/alternativen Zeitstrang abspielt.

Zitat:
„Rune, alter Freund, jetzt hat sie mich am Wickel.“
Geistesabwesend streicheln seine Finger den Trollschwanz und mit jedem Mal schwindet sein Verlangen nach Zigaretten ein bisschen mehr.
Der letzte Satz ist nicht ganz glücklich. Finde ich.

Jo, der ist auch nicht ganz erstgemeint gewesen. Sollte nur so ein Goodie sein, der, wenn es kein Copyright gewesen wäre, auch nicht drin stehen würde. Bzw. das ganze Trollgedöns wäre rausgeflogen. Am Ende wollte ich einfach noch mal irgendwas ganz anderes reinbringen – so aus Spaß an der Freud.

Ich bedanke mich für Deine Qualen und hoffe, Du erholst Dich recht schnell. Und wenn Du mir Deine Adresse zukommen lässt, schreibt "Vivien" Dir im Sommer auch ne Karte aus Norwegen. GC16BF

Kannste haben, allerdings möchte ich dann auch eine Trollquaste haben – würd’ nämlich selber gern mit dem Rauchen aufhören


Hallo Yours

Mir gings bisschen wie Fliege, ich hab nicht gewusst, ob ich das Original lese oder die Kopie. Dabei erzählst du ja eine ganz andere Geschichte, irgendwie. Da geht es um den Alten und dass er durch die Nichte plötzlich das Rauchen aufhört und Sport treibt und so weiter.

Ich nehm ihm das nicht ab. Der Charm des Originals kommt ja gerade von der Kluft der zwei Welten: Die Stadt und das Land. Und nichts ändert sich. Es gibt ein paar Berührungspunkte, aber man geht am Ende auseinander und stellt fest, es ist okay, wie es ist. Kein Grund, etwas zu ändern.

Und bei dir kommt dieses Mädel und plötzlich verändert er sich. Der alte Mann. Ich verstehe nicht, warum er das tut, was ist so besonders an ihr? Er müsste vorher schon sehr unglücklich gewesen sein, dass er so leicht kippt.


Ich denke das Problem ist, dass wir augenscheinlich zwei unterschiedliche Lesarten von Flieges Geschichte haben.
Bei Deiner bleibt alles beim Alten und gut ist. Bei meiner verändert sich Vivien. Sie hat etwas von Magnus Denkweise übernommen, so dass nicht nur Runes Grab einen Besuch abstattet (der scheinbar überfällig war), sondern auch noch seine Vogelhäuschen vor dem Hausverkauf rettet.


Kann aber sein, dass ich vom Ton so irritiert war. Teilweise schreibst du wirklich sehr nah am Original und im gleichen Ton. Und dann wieder brichst du völlig aus und das bringt mich durcheinander, weil ich die Personen und Schauplätze ganz anders im Kopf hatte.

Hm ja, schade. Eigentlich war der Aspekt genau das Spannende für mich. Scheinbar dieselbe Geschichte zu erzählen, die durch ein paar Vorzeichenwechsel plötzlich einen ganz anderen Verlauf nimmt.
Ist natürlich doof, wenn das für Dich nicht geklappt hat. Trotzdem hoffe ich, dass meine Fassung kein völliger Reinfall für Dich war und Du ein bisschen Spaß rausziehen konntest.

Kurz: Mir fehlt ein roter Faden.

Hmm. Das verstehe ich nicht, sorry.


Jedenfalls einen herzlichen Dank für eure Kommentare.
Bis dahin und Viele Grüße

Mothman

 

Hallo Mothman,

also erstmal Kompliment. Mag sein, dass Du sehr nah am Original bist, aber der Stil ist wirklich sehr angenehm zu lesen. Sehr ruhig, mit vielen schoenen Details - zum Beispiel die Zigarette, die erst durchfeuchtet wird und dann am Mund klebt, das wird so ganz unauffaellig durchgezogen - aber gerade auf sowas kommt es an.

Es ist natuerlich schon ein bisschen unglaubwuerdig, dass er sich nach dieser Begegnung so sehr aendert, auch wenn man es ihm wuenscht. Was ich seltsam fand ist, dass die Familie aus der stadt hier so negativ, als Stoerenfried, rueberkommt. In der Ursprungsgeschichte fehlte das Leben ja gerade - aber vielleicht ist es hier einfach anders.

Was mir nicht so gefallen hat, waren die langen Reden von Vivien. Das ist mir nicht authentisch, dass jemand so spricht, so gewaehlt und auch noch so erklaerend.

Magnus bemerkt, dass jeder Schritt Vivien ein Stück in die Vergangenheit trägt.
Das ist mir ein bisschen viel Empathie. Wie soll man denn sowas von aussen an jemandem beobachten koennen.

lg,
fiz

 

Hey Mothman, sehr interessant, sehr interessant…

Aber erstmal die Kleinigkeiten:

hinkt er zu der Bank auf der er, seit beinahe vierzig Jahren, seinen Feierabend beginnt.

,auf ? ich weiß es nicht sicher, aber ich blieb da hängen und glaube da könnte man eines setzen; finde, es würde passen, da: „zu der“… „auf der“… sonst verwirrt

dass sie zögerte um Hilfe zu bitten.

glaube auch hier: zögerte,

von ihnen

von Ihnen

falls sie mal

Sie

Hat er ihnen die Geschichte von seinen Kaninchen erzählt?“

Ihnen

Das Tor quietscht begrüßend in der morgendlichen Stille
das „begrüßend“ störte mich; auch wegen den „t“-„d“-Endungen direkt hintereinander; da denkt man dann darüber nach und so wichtig soll es ja nun wohl nicht sein. Vielleicht „Das Tor quietscht in der morgendlichen Stille. Ein schönes Geräusch, wie ein kleiner Gruß.“ oder besser?: „Wie ein Gruß quietscht das Tor in der morgendlichen Stille.“

cobaltblau

kobaltblau

Also für mich war das vielleicht das, was ich zu Beginn unter CW verstanden habe, selbst aber nicht leisten konnte (und mich dann freute, dass man freier sein durfte.) Du schreibst die Story noch mal, aber in Deinem Stil, gleichwohl wieder ein wenig in der mMn für Dich nicht typischen ruhigen Schreibe vom Original… Aber im Kleinen und Großen hast Du es immer wieder anders gemacht, weil es eben Dein Kopf war..
Und so kommt es zu einer sanften Wendung für Magnus. Und auch Vivien wird zu mehr, als nur dem Sinnbild des Nochmalvorbeischauers am sterbenden Ort. Hey, das Leben geht weiter! Es muss nicht alles so enden!
Das war für mich ein sehr interessantes Leseerlebnis und hat mir sehr gefallen. Gerade auch der Stil...
Beste Grüße, T.

 

Hi Mothman,

es gibt ja beim Kopierspiel nicht wirklich eine klare Regel, aber dein Copy ist mir wirklich sehr nah am Original dran. Also der erste Teil ist ja quasi wie abgeschrieben. Dann fädelst du ein paar neue Fäden ein, scherst aber nich so aus, dass es wirklich plöpp macht und was eigenes entsteht.
Geschrieben finde ich es trotzdem schön. Angenehm ruhig kommt der Text daher, ähnlich wie das Original.
Diese Vertrautheit zwischen den beiden ... hm, also, die erschließt sich mir nicht so ganz. Das ist ein bisschen viel verlangt, das so einfach abnehmen zu müssen, nur weil Rune als Mittelpunkt existiert hat. Das war mir zu flott erzählt.

Ein abendlicher Wind rauscht durch die Baumkronen und lässt das rostige Ortsschild sachte pendeln. Ein Zeitungspapier raschelt irgendwo zwischen Schotter und Gleisen. Ein paar Straßen weiter hupt ein Auto.
Egal wie lang du dich auf einem Bahnsteig aufhältst, nie wird er ein Zuhause sein. Auch nach vierzig Jahren nicht.
Ein Schmerz sticht in sein Knie und gemahnt ihn an seine Zigarette.
eineinein
Magnus bemerkt, dass jeder Schritt Vivien ein Stück in die Vergangenheit trägt.
Hier machst du es dir zu einfach. Was du zeigen möchtest, ist klar, du tust es aber nicht ;)

grüßlichst
weltenläufer

 

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