Was ist neu

Copywrite Corpus Delicti

Seniors
Beitritt
13.07.2005
Beiträge
891
Zuletzt bearbeitet:

Corpus Delicti

Auf dem Flur vor dem Anhörungssaal saß der Hund. Er schien Nobe zu erkennen, denn sofort, nachdem dieser aus der Tür getreten und diese leise hinter sich geschlossen hatte, kam das Tier angelaufen und strich um seine Beine. Dann ließ er sich neben Nobe auf den Steinen nieder und legte den Kopf auf die Vorderpfoten. Schwerfällig erhob sich ein Gerichtsbeamter von seinem Stuhl neben einem Aushang über die verschiedenen Verfahren des heutigen Tages und ging langsam auf Nobe und den Hund zu.
„Sie haben da einen sehr gut erzogenen Hund.“
„Es ist ein Blindenhund“, sagte Nobe.
„Sind Sie denn blind?“ Der Gerichtsbeamte kratzte sich am Kinn.
„Nein. Ich bin nicht blind. Auf Wiedersehen.“
Nobe beugte sich nach vorne, nahm die am Boden liegende Leine auf und beobachte erfreut, daß der Hund dieses Signal zum Aufbruch verstand und bereitwillig mit ihm gehen wollte.
„Ist das denn überhaupt Ihr Hund?“
Nobe ging weiter, mit straffer Leine, den Hund immer einen Schritt vor sich. Menschen drehten sich zu ihnen um, schauten abwechselnd zu ihm und dem Beamten, der gestikulierend an dem Glaskasten stand und rief.
„Ist das da Ihr Hund? Antworten Sie!“
Dann waren sie beide auf der Straße. Es war früher Nachmittag.

Es gefiel Nobe, daß der Hund die Führung übernahm, obwohl der vermutlich ahnte, vielleicht wusste, daß Nobe nicht blind war. Alte Gewohnheiten sterben schwer, und Nobe hatte vergleichsweise wenig Erfahrung damit, seinen Weg selber zu bestimmen. Er war aufgeregt und seine Hände schwitzten, immerhin hatte er eben einen Justizbeamten missachtet, hatte vielleicht sogar Diebstahl an der Allgemeinheit begangen. Er schob den letzten Gedanken schnell zur Seite, der Hund wäre im besten Fall in ein Tierheim gekommen, eher jedoch Schlimmeres. Schließlich lebte dieser Hund nur deswegen, weil Nobe ihn unter der wartenden Bahn hervorgezogen und durch diese Rettungsaktion eine Verspätung von eineinhalb Stunden verursacht hatte, was bei 2,8 Millionen Fahrgästen täglich einem Verlust von 480 Jahren entspräche. Der Richter hatte Nobe dieses Rechenexempel ausführlich in seiner Urteilsbegründung präsentiert, diese Schuld war real und lag schwerer auf Nobe als die Tatsache, daß er nun dem Corpus Delicti an einer Leine folgte. Zumal es sich richtig anfühlte.

Nobe schloss die Augen und überließ sich völlig der Kontrolle des Hundes. Er lehnte sich beim Gehen leicht nach hinten, so daß die Spannung der Leine niemals nachließ, und folgte dem Hund, wohin immer er ihn führen wollte. Es war ein neues Gefühl von Freiheit, ein großes Gefühl, und Nobe wollte es so bewusst wie möglich genießen können.
Die Leine wurde schlaff, Nobe öffnete die Augen und sah, daß der Hund an einer Laterne das Bein hob und diese markierte. Das geht zu weit, dachte Nobe und zog an der Leine. Der Hund folgte ihm gehorsam und ging wieder in Führung, während Nobe noch einmal nach hinten schaute, um sich zu versichern, daß niemand diese Verunreinigung öffentlichen Eigentums bemerkt hatte. Zu seinem Erstaunen war die Stelle an dem Laternenmast deutlicher verfärbt, als es eine solche Verschmutzung vermuten ließe. Nobe zog abermals an der Leine, was von dem Hund erneut mit sofortigem Richtungswechsel quittiert wurde, und langsam gingen beide zu der Laterne.
Nobe beugte sich vor und besah sich die Verfärbung genauer - sollte der Hund krank sein, eine ansteckende, am Ende auch für Menschen gefährliche Krankheit in sich tragen? Doch bereits der erste Eindruck ließ keinen Zweifel aufkommen, es handelte sich bei dieser Verfärbung eindeutig um eine massive Korrosion des Metalls, und bei genauerem Hinsehen konnte Nobe erkennen, daß der Rost bereits so weit vorgedrungen war, daß er die Statik des Mastes gefährdete. Eigentlich war es ein Wunder, daß diese Laterne noch nicht zusammengebrochen war.
Nobe richtete sich wieder auf und schloss die Augen. Spürte den Zug auf der Leine, beugte sich leicht nach hinten und setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Erst den linken Fuß, dann den rechten hinterher, den linken wieder vor, den rechten hinterher.
In diesem Moment kippte die Laterne nach vorne, ein seufzendes Geräusch, dann das Bersten von Metall, Glas, das zerschellte.


Als Nobe die Augen wieder öffnete, stand die Sonne bereits tief, ihre roten Strahlen wurden von den Leuchtreklamen und Verkehrszeichen der Stadt verhöhnt, die sich auf die bevorstehende Nacht vorbereiteten. Nobe war dem Hund über eine Stunde blind gefolgt, nun fand er sich inmitten von Asakusa wieder, vor einer roten Ampel an einem Kreisverkehr. Der Hund saß neben ihm auf dem Asphalt und beobachtete aufmerksam das rote Licht, während Nobe die jungen Ginkgobäume betrachtete, die in der Mitte des Kreisverkehrs gepflanzt waren. Unter ihnen verlief seine ehemalige Line, die Asakusa-Linie, auf der anderen Straßenseite war der Eingang zu den Gleisen.
Nobe schauderte es.
Er ging in die Knie, streichelte dem Hund über den Schädel und sprach mit leiser Stimme auf ihn ein.
„Wolltest du mich hierhin führen? Sicher wolltest du das. Hier haben wir beide alles verloren, du deine Besitzerin und ich meine Arbeit. Doch ich zumindest habe auch gewonnen, Freiheit, die habe ich gewonnen.“
Nobe hielt inne. Freiheit, dachte er bitter, Freiheit. Dann öffnete er den Karabiner an dem schmucklosen Hundehalsband.
„Wenn ich frei bin, sollst du es auch sein.“
Der Hund sah Nobe an. Er sieht weise aus, dachte Nobe, alt und weise. Und müde.
Dann lief der Hund plötzlich los, ohne einen Laut von sich zu geben, das Haltesignal nicht beachtend. Der Fahrer des Kleinbusses verlor beim Versuch, die Kollision abzuwenden, die Kontrolle über sein Fahrzeug und raste nahezu ungebremst in den Kreisverkehrsmittelpunkt. Der Hund flog, ohne einen Laut von sich zu geben, in die gleiche Richtung, wurde dann von dem Kleinbus überrollt und mitgeschleift.

Herr Nobe sah sich die blutige Szenerie an, unfähig, auch nur eine Bewegung zu machen oder etwas zu sagen. Menschen kamen herbeigeeilt, der Fahrer des Kleinbusses, der sich wenigstens nicht überschlagen hatte, stieg unverletzt aus seinem Fahrzeug aus und besah sich den Schaden. Niemand achtete auf den blutenden Hundekörper, der unter einem Schößling verendete.
Er spürte seine Knie schmerzen und erhob sich. Drückte den Rücken durch und streckte sich ein wenig. Freiheit, was für ein Wort.
Der Himmel über der Szenerie verdunkelte sich langsam, die Sonne war endgültig versunken für diesen Tag, und in der Mitte des Kreisverkehres erhob sich ein Ginkgobaum.


Es ist früher Morgen, Herr Nobe wacht unausgeschlafen in seinem vom Dämmerlicht beschienen Bett auf. Der gestrige Tag kommt ihm nach unruhigem Schlaf nicht viel weniger unwirklich vor, als er ihn gestern Abend verabschiedet hatte, die Bilder des Tages liegen immer noch schwer auf ihm. Er fühlt sich alt. Sehr alt.
Auf dem Weg zum Waschbecken macht er den Fernseher an, Nachrichten.
„Im Tokioter Bezirk Asakusa hat sich in der vergangenen Nacht etwas schier Unglaubliches ereignet. Ein Ginkgobaum, der mit anderen jungen Ginkgobäumen auf einem Kreisverkehr über der Asakusa-Central erst vor wenigen Wochen eingepflanzt wurde, ist auf unerklärliche Weise gewachsen und hat nun eine Höhe von etwa 40 Metern erreicht. Seine Wurzeln haben die U-Bahntunnel in beiden Richtungen teilweise zerstört, und auch überirdisch ist der Verkehr seit den Morgenstunden durch Schaulustige vollkommen zum Erliegen gekommen. Experten schätzen das Alter des Baumes auf 400 bis 500 Jahre, haben jedoch keine wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen.“
Herr Nobe putzt sich die Zähne, gründlich, mindestens drei Minuten lang. Konzentriert sich auf die Zahnbürste, den frischen Geschmack, seine Zähne. Er spült aus, wischt sich den Mund trocken. Geht zum Fernseher und wechselt den Sender.
„Nach Expertenmeinung wird der Schaden auf mehrere Hundert Millionen Yen geschätzt. Da die U-Bahn durch das Wurzelwerk einsturzgefährdet ist, wird es mindestens vier Wochen dauern, bis der reguläre Betrieb wieder aufgenommen werden kann. In der Zwischenzeit werden die Fahrgäste gebeten, auf andere Linien auszuweichen oder zu Fuß zu gehen.“

Herr Nobe denkt nach. Vier Wochen, 2,8 Millionen Menschen, er sucht den Taschenrechner. Ohne Eile tippt er Ziffern ein, noch eine und noch eine, verwirft das Ergebnis und rechnet nochmal nach. Fast 7.700 Jahre. Mindestens. Er atmet ruhig.

Draußen beginnt ein sonniger Tag. Herr Nobe denkt an den Hund, an die blinde Frau, denkt an den Richter und seine ehemaligen Kollegen. Er macht den Fernseher aus, schließt leise die Tür hinter sich. Im Treppenhaus begegnet ihm ein Nachbar. Er grüßt höflich und tritt durch die Haustür auf die Straße. Wie in Zeitlupe erscheint ihm die Welt an diesem Morgen.
Herr Nobe schließt die Augen und lehnt sich leicht nach hinten, setzt erst den linken Fuß nach vorne, dann den rechten hinterher. Setzt blind einen Fuß vor den anderen und lässt sich treiben. Er spürt die Berührung von Fremden, die er auf seinem Weg mit der Hand oder einer Schulter streift, spürt unter seinen Füßen den glatten Asphalt. Freiheit, denkt er.

Als er die Augen wieder aufmacht, lenkt er seine Schritte in den nahegelegenen Park, setzt sich im warmen Licht der Sonne auf eine Wiese, lässt sich nach hinten sinken und sieht in den Himmel.
Herr Nobe lächelt, als er sich langsam umdreht, den Oberkörper mit den Unterarmen abstützt und das Gras unter sich betrachtet. Er sammelt Speichel in seinem Mund, dann öffnet er die Lippen und entlässt einen dünnen, glitzernden Speichelfaden. Immer länger wird dieser, in ihm reflektiert sich die Morgensonne, gleich wird er seinen Mund verlassen und zu Boden fallen.
Herr Nobe fühlt, daß er noch sehr viel Zeit hat.

 

Hehe, Herr Seltsem, nette Geschichte.

Die hat so etwas Surreales mit der Laterne und dem Baum, der Hund ist so ein kleiner Teufel, ein Rächer, einer, der alte Strukturen zerstört. Zerpinkelt, erstmal. Nett.

Ich hab ja lächeln müssen, der Ton der Geschichte gefällt mir. Hart an der Grenze zwischen humorvoll und tragisch. Dein Text macht sich nicht über das Original lustig, er parodiert es auch nicht, ich habe das Gefühl, durch die Überspitzungen wird stattdessen die Absurdität dieser Welt deutlich gezeichnet.

Der Kerl hat Menschenleben auf dem Gewissen. Weil er einen Hund gerettet hat. Der Hund ist schuld, ganz klar. Wie kann einer, der öffentliches Eigentum beschädigt, NICHT schuldig sein?

Schön, dass für den Helden am Ende der Ausbruch geklappt hat. So einigermaßen zumindest. Und er kann nur mit einer weiteren Straftat enden.

Hat mir gut gefallen!

Er sieht weise aus

yours

 

Hey, Mr. Seltsem,

der zweite Text, den ich von Dir lese; mir gefällt wirklich, wie Du schreibst, das liest sich alles sehr angenehm...

Nur hier blieb ich hängen:

offizieller Beamter

das erscheint mir unnötig doppelt… ein hoher Beamter… oder ein Beamter der Justizbehörden… Aber ein offizieller Beamter?

überschlagen hatte, stieg unverletzt aus seinem Fahrzeug aus und besah sich den Schaden. Niemand achtete auf den blutenden Kadaver, der unter einem Schößling verendete.Er spürte seine Knie schmerzen und erhob sich. Drückte den Rücken durch und streckte sich ein wenig. Freiheit, was für ein Wort.
Das nehm ich der Figur nicht ab, dass sie in diesem Moment diesen Gedanken hat, über ein Wort nachdenkt.


Herr Node putzt sich die Zähne, g
Nobe


lässt sich nach hinten fallen und sieht in den Himmel.
sinken würde besser zum Charakter der Figur und der ganzen Geschwindigkeit des Textes passen

Mir gefiel dieses Spiel, die Wahrmachung der albernen Behauptung, die Zeit wäre gestohlen worden… Nun, hier habt Ihr sie wieder :)
Original und Kopie sehr gerne gelesen..

 

Hi Seltsem,

bei deinem Text begehe ich jetzt das Sakrileg und schreibe einen Kommentar, ohne das Original zu ende gelesen zu haben.
Das sagt zumindest schon mal aus, dass deine Geschichte locker ohne das Original auskommt, also auch selbstständig funktioniert. Vielleicht verschenke ich jetzt einige Querverweise und dergleichen, aber meiner lesefreude hat das keinen Abbruch getan. Es gefällt mir, wie du uns hier den kleinen Abschnitt mit dem Blindenhund durch die japanische Stadt fürhst. Gerade weil es wohl ein Blindenhund ist, brauche ich keine Erklärungen für diese surreal anmutenden Begebenheiten, die des Protagonisten Fährte pflastern. Das macht einfach nur Spaß und erzeugt Bilder, die spannende Gedanken bei mir ausgelöst haben. Ein bisschen fühlte ich mich an Murakami erinnert und das nicht nur aufgrund deiner Wahl des Landes. Murakami verzichtet ja auch gern darauf, seine surrealen Aspekte zu erklären, sondern streut sie so ein, dass sich der Leser (gerne) einen Reim darauf machen muss. Auch der leise Ton deckt sich mit diesem Vergleich, den ich hier sehr passend finde.

Gerne gelesen :)

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey yours,

vielen Dank für Deine Kritik und Deine Gedanken, ich habe mich sehr darüber gefreut. Zumal dieser Text wohl besser bei Dir ankam, als mein letzter :Pfeif:

Dein Text macht sich nicht über das Original lustig, er parodiert es auch nicht, ich habe das Gefühl, durch die Überspitzungen wird stattdessen die Absurdität dieser Welt deutlich gezeichnet.
Ich mag das Original, sonst hätte ich ein anderes genommen, da freut es mich besonders, daß das bei Dir so angekommen ist.
Vielen und sehr herzlichen Dank für den ersten Kommentar seit fast zwei Jahren.

Hallo T.,

Nur hier blieb ich hängen:

Zitat:
offizieller Beamter

guter Hinweis, ich habs geändert.
Das nehm ich der Figur nicht ab, dass sie in diesem Moment diesen Gedanken hat, über ein Wort nachdenkt.
verstehe ich wohl, aber bei den vielen Dingen, die mir in Herr Nobes Verhalten und Ansichten fremd sind, kann ich ihm das wohl auch glauben - sind ja immerhin doch sehr verwirrende Zeiten im Anbruch bei dem armen Mann.
sinken würde besser zum Charakter der Figur und der ganzen Geschwindigkeit des Textes passen
erneut, guter Hinweis, das ist gekauft

Vielen Dank für Deine Anmerkungen und die Details, und natürlich auch für das Lob, nach längerer Schreibpause tut es sehr gut :gelb:

Taglichst, weltenläufer,

bei deinem Text begehe ich jetzt das Sakrileg und schreibe einen Kommentar, ohne das Original zu ende gelesen zu haben.
angesichts der folgenden Worte bin ich als Copywriter natürlich geneigt, über das Sakrileg hinwehzugehen, doch ich muß und will mahnend den Finger erheben, das ist ein Fehler, das Original lohnt sich.
Dem verdanke ich ja beispielsweise den Blindenhund und damit eine Fülle an Möglichkeiten, von denen ich einige genutzt habe, doch es ist mir eine Freude zu lesen, daß mein Text auch ohne das Orginal funktioniert (hier stehe ich in einem Dissenz zu meinem Weibe, die es ja - wie bereits protokolliert - so sieht, daß man das Original gelesen haben sollte :D)
Ich hab mir ja auch Mühe gegeben, die wesentlichen Aspekte nochmal zu platzieren, damit man den Gedankengang verstehen kann. Was ja zu funktionieren scheint und mich damit ganz besonders freut.
Und ein Vergleich mit Murakami ist natürlich, ähm, also... DANKE :)

Ich geh die Sonne genießen.
Grüße und Verbeugung

C. Seltsem

 

Hi Seltsem again,

das ist ein Fehler, das Original lohnt sich.
habe deinen Rat befolgt und muss zugeben, dass du recht hast. Das Original lohnt sich wirklich. Und es ergeben sich tatsächlich neue Sichtweisen.
Muss sagen, auf diese Weise ist es fast noch spannender, deine kg ein zweites Mal zu lesen. Hätte ich das Original beim ersten Lesen im Kopf gehabt, wäre mein Denken ja viel mehr geleitet worden. So ist das ein bisschen so wie ein Film, der einen die ganze Zeit über auf eine falsche Fährte gelockt hat und am Ende dann mit der Überraschung aufwartet, die die ganze Handlung rückwirkend in ein neues Licht badet.

grüßlichst
weltenläufer

 

Alter Schwede, das ist wirklich Murakami-Like!
Vor allem die Idee den Hund als leibhaftiges Verkehrschaos umzumünzen – TOLL!
Hat mir wirklich Spaß gemacht Deine Geschichte – so sehr, dass ich fast sagen möchte, die gehört zum Original dazu.
Weiß gar nicht was ich noch mehr sagen soll. Finde alles rundum gelungen. :thumbsup:

Also vielen Dank für diese tolle Fortsetzung, fühle mich sehr geehrt!

Viele liebe Grüße

Mothman

 

Heyho Ihr beiden,

weltenläufer, das hat mich echt sehr gefreut, Deinen Kommentar unter der originalen Geschichte zu lesen. Und wenn dann beide noch ein stimmiges Gesamtbild abgeben, bin ich mehr als zufrieden :gelb:

Mothman, ich hab - ebenfalls mit großer Freude - gesehen, daß Du den Störfall überarbeitet hast, ich werde ihn mir bei Gelegenheit und Regenwetter in der neuen Version zu Gemüte ziehen. Schön, daß Dir meine Version Spaß gemacht hat, das hatte ich gehofft, so soll es sein :)

Schöne Grüße und sonnige Tage
C. Seltsem

 

Hallo Herr Seltsem,

diese Fortsetzung hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich habe die beiden Texte auf dem Sofa hintereinander weggelesen und hatte eine wahre Freude an jedem einzelnen und an beiden zusammen.
Abgesehen von dem wunderbaren Plot dieser Fortsetzung muss ich auch die Sprache loben, die hier so ruhig und schlicht daherkommt und mir doch die Freuden des Hundegefuehrtwerdens ganz nahe bringt. Ausserdem: Das Thema Freiheit kann ganz leicht ganz fuerchterlich schief gehen, Kitsch und ach und weh. Du nennst es hier sogar beim Namen, mehrmals, und es tut kein bisschen weh. Respekt!
Ich habe von Haruki Murakami nur den "Tanz mit dem Schafsmann" gelesen, mich sehr gelangweilt und oft geaergert. Hier habe ich mich nur gefreut.

Total viel Detailkritik hab ich auch noch:

Nobe schloss die Augen und übergab sich völlig der Kontrolle des Hundes.
viell. eher "ueberliess", ist aber nur so ein unbestimmtes Gefuehl

Niemand achtete auf den blutenden Kadaver, der unter einem Schößling verendete.
Kann man etwas "Kadaver" nennen, was noch nicht vollstaendig verendet ist?

Konzentriert sich auf die Zahnbürste, den Geschmack im Mund, seine Zähne.
"im Mund" ist eigentl. ueberfluessig. Wenns um den Rhythmus geht viell "den Geschmack der Paste" oder so.
Ach so, der Wechsel ins Praesens hat mir nicht so gefallen, der glitzernde Spuckefaden am Ende dafuer sehr.

lg,
fiz

 

Hey C. Seltsem,

zuerst muss ich mich schämen, weil ich ja schon lange wollte und nie habe und so. Genug geschämt, jetzt -

Da ich die Geschichte einfach nur gern habe, für sich allein, als Copy, weil ich sie also doppelt gern habe, beziehe ich mich auf meine Highlights, zu kritisieren hab ich eh nix.

„Sind Sie denn blind?“ Der Gerichtsbeamte kratzte sich am Kinn.
„Nein. Ich bin nicht blind. Auf Wiedersehen.“

So machst Du das also. Nicht viel Drumrumgeschwätz und so - zack Leser, das ist für den Gerichtsbeamten und Dich, nun fragt Euch mal. Und schon ist die Spannung aufgebaut. Ich finde den Einstieg Klasse.

... und damit eine Verspätung von eineinhalb Stunden ausgelöst hatte, was bei 2,8 Millionen Fahrgästen täglich einem Verlust von 480 Jahren entspräche. Der Richter hatte Nobe dieses Rechenexempel ausführlich in seiner Urteilsbegründung präsentiert, diese Schuld war real und lag schwerer auf Nobe als die Tatsache, ...

Noch so ein schöner Moment.

Der Hund folgte ihm gehorsam und ging wieder in Führung, während Nobe noch einmal nach hinten schaute, um sich zu versichern, daß niemand diese Verunreinigung öffentlichen Eigentums bemerkt hatte.

Also, ich mag diesen Nobe. Wenn ich mir einen Menschen dazu denke, dann ist dass so ein ganz lieber, der es allen Recht machen will und der ständig Angst hat, irgendwo anzuecken und es eben nicht recht machen zu können. Ja, so einen. Deshalb gönne ich es ihm auch so ungemein, diesen kurzen Moment des Glücks, in welchem er diese Verantwortung abgeben kann.

Doch bereits der erste Eindruck ließ keinen Zweifel aufkommen, es handelte sich bei dieser Verfärbung eindeutig um eine massive Korrosion des Metalls, und bei genauerem Hinsehen konnte Nobe erkennen, daß der Rost bereits so weit vorgedrungen war, daß er die Statik des Mastes gefährdete. Eigentlich war es ein Wunder, daß diese Laterne noch nicht zusammengebrochen war.

Seltsemsche Elemente. Manchmal funktionieren die bei mir ja nicht, aber das hier - das mochte ich.

Nobe richtete sich wieder auf und schloss die Augen. Spürte den Zug auf der Leine, beugte sich leicht nach hinten und setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Erst den linken Fuß, dann den rechten hinterher, den linken wieder vor, den rechten hinterher.

Das hier ist dann auch hübsch gemacht. Der Hund sagt "Los, lass uns abhauen" und Du zeigst das dann auch mit einer Arschruhe, so Schrittchen und noch ein Schrittchen - eben Nobe, der in seiner eigenen Art und Weise "abhaut".

Dann lief der Hund plötzlich los, die Leine hinter sich herziehend, das Haltesignal nicht beachtend.

Aber hier - hat er nicht den Karabiner gelöst? Wie so ist die Leine da noch dran?
Und noch was fällt mir auf. Das ist jetzt der zweite Satz, der mit "Dann" beginnt und ich hab da eigentlich eine Allergie drauf, aber hier stört es mich nicht. Überhaupt gar nicht. Das hat sicher was mit Sprachmelodie oder so zu tun. Behaupte ich jetzt mal frech, um nicht weiter Ursachenforschung betreiben zu müssen.

Der Hund flog, ohne einen Laut von sich zu geben, in die gleiche Richtung, wurde dann von dem Kleinbus überrollt und mitgeschleift.

Das ist gemein von Dir!

Der Himmel über der Szenerie verdunkelte sich langsam, die Sonne war endgültig versunken für diesen Tag, und in der Mitte des Kreisverkehres erhob sich ein Ginkgobaum.

Ein schöner Satz.

Herr Nobe putzt sich die Zähne, gründlich, mindestens drei Minuten lang. Konzentriert sich auf die Zahnbürste, den Geschmack im Mund, seine Zähne. Er spült aus, wischt sich den Mund trocken. Geht zum Fernseher und wechselt den Sender.

Wow, hatte ich schon erwähnt, dass ich Nobe mag?

Herr Nobe denkt nach. Vier Wochen, 2,8 Millionen Menschen, er sucht den Taschenrechner. Ohne Eile tippt er Ziffern ein, noch eine und noch eine, verwirft das Ergebnis und rechnet nochmal nach. Fast 7.700 Jahre. Mindestens.

Okay, okay, okay. Ich verzeihe Dir, dass Du den Hund geopfert hast. Gerechtigkeit scheint ja immer irgendwie ein Opfer zu verlangen.

Herr Nobe schließt die Augen und lehnt sich leicht nach hinten, setzt erst den linken Fuß nach vorne, dann den rechten hinterher. Setzt blind einen Fuß vor den anderen und lässt sich treiben. Er spürt die Berührung von Fremden, die er auf seinem Weg mit der Hand oder einer Schulter streift, spürt unter seinen Füßen den glatten Asphalt. Freiheit, denkt er.

Das ist schön, dass der Hund etwas zu vererben hatte. Ich bin sicher, dass Nobe seinen Weg aus dem Verantwortungszwang findet. Und ja - dann fühlt es sich sicher wie Freiheit an.

Eine schöne Geschichte und eine verdammt gute Copy. Finde ich.

Beste Grüße Fliege

 

Hey feirefiz,

ich hab Befragungen durchgeführt, Recherchiert und versucht, mit Hilfe eines Hypnotiseurs eine Antwort darauf zu finden, wieso ich Deinen Kommentar bisher so sträflich vernachlässigt habe. Gelesen hatte ich ihn damals schon und auch über Deine Anmerkungen habe ich nachgedacht, doch irgendwer hat es dann vergaugt, wie unser Hausverwalter sagen würde.
Nun denn, dank Flieges Intervention bekomme ich also eine zweite Chance für eine erste Antwort.
Die ich nun auch für diese verwenden will *lufthol*

viell. eher "ueberliess", ist aber nur so ein unbestimmtes Gefuehl
schon im Mai habe ich darüber nachgedacht, weil, so ein Gefühl ist durch Deinen Hinweis auch bei mir entstanden. Ich hab es geändert, weil, sich übergeben ist aktiv, sich überlassen passiv, und zu Nobe passt das Passive besser.
Kann man etwas "Kadaver" nennen, was noch nicht vollstaendig verendet ist?
klar kann man das. Es ist halt nur falsch. Unkorrekt. Unscharf formuliert. Bestenfalls.
Ich hab es geändert :carpetsweep:
"im Mund" ist eigentl. ueberfluessig. Wenns um den Rhythmus geht viell "den Geschmack der Paste" oder so.
ja, es geht um den Rhythmus, wie eigentlich fast immer, ich hab mich hiermit am schwersten getan, weil "Paste" wäre unscharf, heißt die Zahnpasta doch verkürzt Pasta, was ja dann auch nicht funktioniert. Zahnpasta in Vollständigkeit würde ähnlich rollen, aber dann hätte ich woanders mindestens einen Zahn ziehen müssen. Jedenfalls, ich hab es geändert.
Ach so, der Wechsel ins Praesens hat mir nicht so gefallen, der glitzernde Spuckefaden am Ende dafuer sehr.
besser so, als umgekehrt :)
diese Fortsetzung hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich habe die beiden Texte auf dem Sofa hintereinander weggelesen und hatte eine wahre Freude an jedem einzelnen und an beiden zusammen.
das freut mich besonders, denn wie auch früher finde ich die Vorlage hier sehr lesenswert und wenn dann beide Texte gemeinsam und alleine funktionieren, dann freut mich das als Autoren wie als Leser.
Du nennst es hier sogar beim Namen, mehrmals, und es tut kein bisschen weh. Respekt!
hach :shy:

Entschuldige die verspätete Antwort, und vielen Dank für Deine Gedanken, Dein Lob und Deine Anregungen.


Hey Fliege,

erstmal will ich Dir vielmals für Deine Empfehlung danken. Für die Tatsache an sich sowieso, besonders aber auch noch für Deine Worte in der Empfehlung, die las und lese ich mit großer Freude.

Aber hier - hat er nicht den Karabiner gelöst? Wie so ist die Leine da noch dran?
dieser Groschen hatte sich echt auf einen langen Weg gemacht... Doch jetzt hab ich diesen Logikfehler auch kapiert und korrigiert.
Also, ich mag diesen Nobe.
Ja, ich auch :gelb:
Ich mochte ihn schon im Original, konnte ihn gut sehen und mit Leben füllen, obwohl er Japaner ist. Und diese Sympathie hab ich dann - anders als in anderen CWs - in diese Geschichte übernommen. Ich mag den Nobe echt gerne und hoffe, daß es ihm mit der Zeit gut geht. Was ich allerdings tatsächlich für gut möglich halte.

Eine schöne Geschichte und eine verdammt gute Copy.
Vielen Dank ! Wie ich schon fiz schrieb, bin ich über beide Komplimente sehr glücklich, mehr kann man nicht erwarten von einem Copywrite. Und vielen Dank für Deine Sammlung von Highlights und Deine vielen lobevollen Worte.

Dankeschön für eure Rückmeldungen und Kommentare !

Grüße
Carpetweepsmileyforderer Seltsem

 

Hallo Seltsem,

deine Geschichte lässt mich zwiespältig zurück. Sie ist sprachlich schön geschrieben, keine Frage. Aber ich verstehe den Sinn nicht ganz. Offensichtlich geht es um Freiheit. Herr Nobe fühlt sich zu Anfang frei, obwohl der Hund eigentlich ihn an der Leine führt, also die Kontrolle über ihn hat. Dann am Schluss fühlt er sich wieder oder immer noch frei – diesmal ohne den Hund, der vor ein Auto lief. Das scheint in Herrn Kobes Absicht gelegen zu haben. Warum das ganze, da bin ich noch nicht draufgekommen.

Da die Geschichte in der Kreativwerkstatt abgelegt ist, vermute ich mal eine Art erzählerisches Experiment. Ich habe die weiteren Kommentare nicht gelesen, weil ich die Geschichte unbeeinflusst selbst kommentieren und für die Top-2011-Asuwahl bewerten möchte.

Ich muss sie wohl noch mal lesen, bevor ich die Kernaussage verstehe, ist vielleicht auch schon ein bisserl spät heute.

Nix für ungut

Fred B

 

Hi Fred,

Da die Geschichte in der Kreativwerkstatt abgelegt ist, vermute ich mal eine Art erzählerisches Experiment.
Ja, es ist ein Copywrite, was hier im Forum als eine eigene Interpretation einer bestehenden Geschichte definiert wird. Das Original stammt von Mothman und in dem geht es auch irgendwie um Freiheit, doch wie in dieser nicht primär.

Und über das

sprachlich schön geschrieben
habe ich mich sehr gefreut, vielen Dank dafür und für Deinen Kommentar.

Grüße
C. Seltsem

 

Hallo C. Seltsem,

also ich kenn das Original nicht, denke aber, dass man das nicht muss, copywrites sollten als eigenständige Geschichten stehen und auch so verständlich sein. Oder nicht? Zumindest hab ich deine so gelesen und ... nicht verstanden. Freiheit als Thema mit Hundmotiv kenn ich, hab ich selber ja mal eine geschrieben, wenn auch nicht vom Stil her nicht so leichtlocker wie du. Also den Erzählstil mochte ich, das Thema hab ich zumindest zum Teil kapiert, warum der Protagonist aber Zeit hat, bis der Speichel den Boden erreicht, weiß ich nicht. Er hat ja den Hund nicht gegessen oder sein Blut getrunken, um wie die Bäume zu wachsen. Oder ist das so ein Bild wie der fallende Tropfen, in dem sich die Zeit dehnt? Dann etwas unvermittelt. Würde mich über nen Hinweis freuen, die Kommentatoren vor mir scheinen das alles ohne Weiteres verstanden zu haben. Danke im Voraus

und
Gruß

Kasimir

 

Hi Kasimir,

copywrites sollten als eigenständige Geschichten stehen und auch so verständlich sein. Oder nicht?
Da gibt es verschiedene Ansichten, ich hab es bei diesem CW so gehalten, dass sie auch für sich alleine stehen kann. Meine Geschichte knüpft an Mothmans Orginal zeitlich an, spielt also direkt im Anschluss, doch alle für das Verständnis wichtigen Elemente sind - für Kenner beider Geschichten redundant - enthalten.
Würde mich über nen Hinweis freuen
Du bist doch schon nah dran...
warum der Protagonist aber Zeit hat
Und vielen Dank für die Blumen, die haben mich gefreut :)

Grüße
C. Seltsem

 

Hi Seltsem!

kam das Tier angelaufen und strich um seine Beine.
Hunde streichen niemals um Beine, das ist eine den Katzenartigen vorbehaltene Bewegungsform! :D

„Sie haben da einen sehr gut erzogenen Hund.“
„Es ist ein Blindenhund“, sagte Nobe.
„Sind Sie denn blind?“ Der Gerichtsbeamte kratzte sich am Kinn.
„Nein. Ich bin nicht blind. Auf Wiedersehen.“
Sehr schön.

Schließlich lebte dieser Hund nur deswegen, weil Nobe ihn unter der wartenden Bahn hervorgezogen und damit eine Verspätung von eineinhalb Stunden ausgelöst hatte, was bei 2,8 Millionen Fahrgästen täglich einem Verlust von 480 Jahren entspräche.
Das ist unlogisch formuliert, das klingt, als hätte Nobe die Verspätung durch die Entfernung des Hundes ausgelöst ... der Unfall mit der blinden Frau war doch ohnehin schon passiert und hat die Verspätung verursacht? Hat das Hund-Rausziehen denn eineinhalb Stunden gedauert??? Warum bloß?
Es ist unklar, was genau passiert ist und was Nobe vorgeworfen wird.

Es gefiel Nobe, daß der Hund die Führung übernahm, obwohl der vermutlich ahnte, vielleicht wusste, daß Nobe nicht blind war. Alte Gewohnheiten sterben schwer, und Nobe hatte vergleichsweise wenig Erfahrung damit, seinen Weg selber zu bestimmen.
...
Nobe schloss die Augen und überließ sich völlig der Kontrolle des Hundes. Er lehnte sich beim Gehen leicht nach hinten, so daß die Spannung der Leine niemals nachließ, und folgte dem Hund, wohin immer er ihn führen wollte. Es war ein neues Gefühl von Freiheit, ein großes Gefühl, und Nobe wollte es so bewusst wie möglich genießen können.
Damit hat die Geschichte mich verloren. Was für ein komisches Freiheitsgefühl will mir dieser Text denn vermitteln?
UND, wenn Nobe sowieso kaum Erfahrung mit der Wahl eigener Wege hat, also immer irgendwem nachlief und immer irgendwem folgte, warum löst ausgerechnet das Hinterhertapsen hinter dem Hund ein neues Freiheitsgefühl aus? Seltsam.

Hier haben wir beide alles verloren, du deine Besitzerin und ich meine Arbeit. Doch ich zumindest habe auch gewonnen, Freiheit, die habe ich gewonnen.“
Hm, ok, Nobe ist jetzt "frei", da arbeitslos.

Boah, und hier wird der Text richtig gehässig:

„Wenn ich frei bin, sollst du es auch sein.“
Der Hund sah Nobe an. Er sieht weise aus, dachte Nobe, alt und weise. Und müde.
Dann lief der Hund plötzlich los, ohne einen Laut von sich zu geben, das Haltesignal nicht beachtend. ... Der Hund flog, ohne einen Laut von sich zu geben, in die gleiche Richtung, wurde dann von dem Kleinbus überrollt und mitgeschleift.
Das ist ja, als würde man einem kleinen nackten Vogel die Freiheit schenken, in dem man ihn aus dem Hochhausfenster schmeißt. Und diese Feststellung, der Hund sähe "weise" aus gefolgt von der Beschreibung, wie der Hund vor einen Kleinbus rennt - ist es unfreiwillig komisch? Oder soll mir das sagen, dass der Hund es mit Absicht gemacht hat? Ist Selbstmord also weise?
(Ist die Wiederholung (kursiv) eigentlich Absicht? Liest sich nicht gut.)

Niemand achtete auf den blutenden Hundekörper, der unter einem Schößling verendete.
Er spürte seine Knie schmerzen und erhob sich
.
Falscher Bezug.

Ein Ginkgobaum, der mit anderen jungen Ginkgobäumen auf einem Kreisverkehr über der Asakusa-Central erst vor wenigen Wochen eingepflanzt wurde, ist auf unerklärliche Weise gewachsen und hat nun eine Höhe von etwa 40 Metern erreicht. Seine Wurzeln haben die U-Bahntunnel in beiden Richtungen teilweise zerstört, und auch überirdisch ist der Verkehr seit den Morgenstunden durch Schaulustige vollkommen zum Erliegen gekommen. Experten schätzen das Alter des Baumes auf 400 bis 500 Jahre, haben jedoch keine wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen.“
Wieso "teilweise" zerstört, was versteht man darunter? Warum nicht einfach "zerstört"?
Und diese Experten - offensichtlich weiß man das Alter des Baumes ganz genau, der Baum ist wenige Wochen alt. Man wundert sich wohl eher über das abnorme Wachstum oder die unerwartete Baumhöhe, die einem 400jährigen Baum entspräche. Du hast das sehr unglücklich formuliert (Fettdruck).

Herr Nobe putzt sich die Zähne, gründlich, mindestens drei Minuten lang. Konzentriert sich auf die Zahnbürste, den frischen Geschmack, seine Zähne.
"Lebe den Moment". Das ist wieder was, womit ich was anfangen kann. :)

Fast 7.700 Jahre. Mindestens. Er atmet ruhig.
Das relativiert Nobes Schuld natürlich. Ein Perspektivenwechsel kann wirklich sehr befreiend sein.

Setzt blind einen Fuß vor den anderen und lässt sich treiben. Er spürt die Berührung von Fremden, die er auf seinem Weg mit der Hand oder einer Schulter streift, spürt unter seinen Füßen den glatten Asphalt. Freiheit, denkt er.
Sich treiben lassen und sich von einem Blindenhund führen lassen sind für mich zwei sehr unterschiedliche Bilder, bei mir klappt diese Übertragung nicht.

Herr Nobe fühlt, daß er noch sehr viel Zeit hat.
Das ist natürlich schön für ihn, dass er jetzt so in sich ruht. Seinen Weg dorthin finde ich aber nicht nachvollziehbar, zumindest in Teilen nicht. Ich vermute, dass alles, was den Hund betrifft, von Autorenseite unbeabsichtigte Reaktionen bei mir ausgelöst hat.

Also, manche Textstellen gingen bei mir richtig nach hinten los, da konnte der Text einfach nicht für mich funktionieren.
Von allem anderen mal abgesehen: Die Idee mit dem rasend wachsenden Gingkobaum gefällt mir ausgesprochen gut!

LG,
MG

 

Heyho Möchtegern,

endlich finde ich Ruhe und Zeit, Deine ausführliche Kritik zu würdigen und zu beantworten. Einige Deiner Anmerkungen habe ich verschämt übernommen und die Geschichte in Details überarbeitet.

Es ist unklar, was genau passiert ist und was Nobe vorgeworfen wird.
jetzt hoffentlich nicht mehr, auch wenn die Werktreue möglicherweise etwas leidet, das wird Mothman mir verzeihen (hoffe ich).
Hunde streichen niemals um Beine, das ist eine den Katzenartigen vorbehaltene Bewegungsform!
Einspruch, ich kenne/kannte Hunde, die sehr wohl um meine und andere Beine streichen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten halt.
warum löst ausgerechnet das Hinterhertapsen hinter dem Hund ein neues Freiheitsgefühl aus? Seltsam.
vermutlich aufgrund der besonderen Geschichte, die Nobe mit dem Hund verbindet. In meiner Sicht der Dinge ist ja Nobes Innenleben viel weniger Thema als im Original, drum überlasse ich die Erklärung und psychologische Ableitung dem nächsten Copywriter oder alternativ dem Leser. Nobes Innenleben ist ja eh nicht so sehr wichtig für diese Geschichte. Und "Seltsam" wäre die Rubrik, wo ich den Text sonst eingestellt hätte :)
ist es unfreiwillig komisch? Oder soll mir das sagen, dass der Hund es mit Absicht gemacht hat? Ist Selbstmord also weise?
(Ist die Wiederholung (kursiv) eigentlich Absicht? Liest sich nicht gut.)
Ja, offensichtlich. Und ja, soll es. Dann ist es Nobes Empfinden, den Hund weise auf sich wirken zu lassen, neben alt und müde. Also eher Selbstmord aus Lebensmüdigkeit, da stellt sich die generelle Frage nach der Weisheit des Suizid nicht. Und abschließend, die Wiederholung war und ist Absicht.
Falscher Bezug.
Da bin ich uneinsichtig, denn der Bezug auf Nobe ergibt sich aus dem Beginn des Absatzes, der Hundekadaverkörper ist ja nur ein Einschub, der die "blutige Szenerie" konkretisiert.
Sich treiben lassen und sich von einem Blindenhund führen lassen sind für mich zwei sehr unterschiedliche Bilder, bei mir klappt diese Übertragung nicht.
Der Hund ist hier doch schon geplättet und Nobe ist am nächsten Morgen alleine unterwegs,
Wieso "teilweise" zerstört, was versteht man darunter? Warum nicht einfach "zerstört"?
Und diese Experten - offensichtlich weiß man das Alter des Baumes ganz genau, der Baum ist wenige Wochen alt. Man wundert sich wohl eher über das abnorme Wachstum oder die unerwartete Baumhöhe, die einem 400jährigen Baum entspräche.
Die U-Bahn ist eben nicht vollständig zerstört, sondern teilweise. Bisken was steht noch und kann gerettet werden, anderes ist zusammengekracht.
Und der Baum ist 400 bis 500 Jahre alt, eine andere Erklärung gibt es nicht für das sichtbare Phänomen und die Auswirkungen.

Es freut mich ehrlich sehr, dass Du, trotzdem Du offenbar an einigen Stellen Deine Probleme mit Geschichte, Hund und Nobe hattest, die Geschichte in Gänze gelesen und kritisch kommentiert hast. Ich verstehe schon in Ansätzen, wo und warum Du angeeckt bist :) Wie gesagt, eigentlich gehörte die Geschichte in diesem CW eigentlich nach Seltsam zu den anderen.

Vielen Dank für Deine Gedanken, Worte und Hinweise.

Grüße
C. Seltsem

 

Konnichi wa, C. Seltsem!

ich mag dieses Copywrite, weil du Mothmans Idee weitergesponnen und quasi zuende gedacht hast. Dein Text wirkt so drollig und surreal wie manche Werke des legendären krilliam Bolderson. ;)

Sehr gefallen hat mir, wie du den Kerngedanken von Mothmans Text noch weiter verkürzt:

Er schob den letzten Gedanken schnell zur Seite, der Hund wäre im besten Fall in ein Tierheim gekommen, eher jedoch Schlimmeres. Schließlich lebte dieser Hund nur deswegen, weil Nobe ihn unter der wartenden Bahn hervorgezogen und durch diese Rettungsaktion eine Verspätung von eineinhalb Stunden verursacht hatte, was bei 2,8 Millionen Fahrgästen täglich einem Verlust von 480 Jahren entspräche. Der Richter hatte Nobe dieses Rechenexempel ausführlich in seiner Urteilsbegründung präsentiert, diese Schuld war real und lag schwerer auf Nobe als die Tatsache, daß er nun dem Corpus Delicti an einer Leine folgte. Zumal es sich richtig anfühlte.

Auch wirkt dein Text polierter und handwerklich ausgereifter als die Vorlage.

Eine Sache, die mir aufgefallen ist: Du nennst den Protagonisten am Anfang "Nobe" und am Ende "Herr Nobe". Letzteres passt besser zu der förmlichen japanischen Hierarchie, die Herr Nobe am Ende verlässt, um fortan als Hippie in Parks zu leben.

Doch, hat mir gefallen!

Berg

 

Go seisho arigato gozaimashita, Berg

Dein Text wirkt so drollig und surreal wie manche Werke des legendären krilliam Bolderson.
mit dem werde ich ja sehr gerne in einen Topf geworfen und verglichen. Das freut mich wirklich sehr :gelb:

Vielen Dank für Deine lobenden Worte, und daß Dir die Geschichte gefallen hat, freut mich natürlich besonders.

Matane
C. Seltsem

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom