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Figuren mit/ohne Klischees?

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22.01.2002
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Figuren mit/ohne Klischees?

Hey!

Vor kurzem habe ich einen Krimi gelesen, der natürlich nicht ohne den Polizisten als Anti-Helden auskam.
Der Mann war gerade frisch verlassen, seine Tochter auf Trebe, er trank zu viel, etc. Mein Gedanke dazu war "Typisch Klischee-Bulle".

Den Gedanken habe ich dann etwas weiter gesponnen und irgendwie kam ich darauf, dass alle Figuren egal mit welchem Beruf, Charakter oder Lebenslauf klischeebeladen sind.
Ich meine, es gibt (um bei dem Beispiel zu bleiben) den Polizisten als ewigen Single (der sich früher oder später verknallt), als glücklichen Familienvater (dessen Kinder sicher entführt oder anderweitig als Druckmittel verwendet werden), als Witwer (der dann den Mörder seiner Frau jagt), als skurillen Kauz (der auf eine etwas andere Weise seine Fälle löst), als knallharten Amicop (der sich ständig prügelt), ...
Und so erscheint es mir mit allen möglichen Figuren.

Daher meine Fragen an Euch:

  • Kann man überhaupt noch Charaktere erschaffen, die keinen Klischees entsprechen?
  • Verfällt man bei dem Versuch Klischees zu entgehen wieder in andere?
  • Entsprechen wir selbst Klischees?

Ugh

 

Also ich glaube, daß es tatsächlich so ist, daß wir alle (oder fast alle) selbst einem Klischee entsprechen. In irgend eine Sparte läßt sich fast jeder einordnen. Ob das nun der aggressive Discorambo ist, der in seiner Freizeit nur mit dem Auto rumfährt und jede Woche eine neue Freundin hat, ob es der ewige Single ist, der den perfekten Kumpel abgibt, immer witzig ist und dir aus jeder Notlage hilft, oder der Gothik, der irgendwie bedrohlich aussieht aber der netteste Kerl auf der Welt ist.
Sieh dir die Leute um dich herum mal an und versuche sie in Gruppen zusammenzufassen. Du wirst dich wundern wie wenig sich die meisten Menschen voneinander unterscheiden.

Wenn ich einen Charakter für eine Geschichte entwickel, dann achte ich schon gar nicht mehr darauf, ob er nun ein typischer Klischeecharakter ist oder nicht. Ich erschaffe ihn einfach, wie er am besten in die Rolle paßt.

 

Ja, sehe ich genauso. Irgendwie ist das frustrierend, aber eigentlich doch auch witzig.

Sieh dir die Leute um dich herum mal an und versuche sie in Gruppen zusammenzufassen
Das mache ich gerne und häufig, daher haben in meiner Clique alle einen Spitznamen wie beispielsweise "Die Kampf-Emanze" - aber die Meisten wissen das nicht. :D


Aber nochmal auf der literarischen Schiene betrachtet, ist das eigentlich schon paradox, da Klischee-Charaktere ja gerne und viel kritisiert werden. Vielleicht liegt ja die Kunst im Figuren erschaffen darin, dass man die gängigen Klischees nicht so sehr ausreizt, so dass sie als solche nicht negativ auffallen?

Ugh

 
Zuletzt bearbeitet:

Hm... Eigentlich ist alles Klischee... Alles, was geschrieben ist und alles, was noch geschrieben wird... Ich glaub, irgendwo findet man immer so was wie ein Klischee...

Gruß,
stephy

 

guten morgen, ich bin auch der meinung, dass wir alle so sehr an die klischees gewöhnt sind, dass wir ohne sie gar nicht mehr leben können. sie haben ja auch ihr gutes - insbesondere bei kurzgeschichten. ich kann oft einen kompletten menschen in nur EINEM Satz (oft sogar nur EIN Ausdruck) charakterisieren, da ich voraussetzen kann, dass der Leser sofort weiss, WIE diese Figur aussieht/spricht/fühlt/denkt und handelt. Beste grüße
ernst

 

Moin!

ich kann oft einen kompletten menschen in nur EINEM Satz (oft sogar nur EIN Ausdruck) charakterisieren, da ich voraussetzen kann, dass der Leser sofort weiss, WIE diese Figur aussieht/spricht/fühlt/denkt und handelt.

Dieser Meinung bin ich überhaupt nicht. Ich denke, je mehr ich über eine Figur schreibe, desto plausibler wird sie für mich. Die Frage ist immer noch, wie ich die einzelnen Charakterzüge rüberbringe. Denn ganz ohne Zweifel gibt es ja in der Realität versoffene Polizisten, die gerade verlassen wurden.

Tja, weiß nicht:( , vielleicht hat man jadoch zuviel davon gelesen in letzter Zeit.

Viele Grüße!

 

morgen hanniball - ich meinte das "mit EINEM satz" in bezug auf kg, weil dort einfach nicht der platz ist für eine ausführliche beschreibung. so gesehen kann also das klischee ein vorteil sein. gruß. ernst

 

Klischees in Kurzgeschichten sind etwas wunderbares. Es gibt kaum einen besseren Weg, einen Charakter mit nur einem Satz beschreiben, als zB "Er war einer jener Typen, die immer nachts in Bars rumhängen und nach weiblichen Gesprächspartnern Ausschau halten." (blödes Beispiel, aber fiel mir gerade ein)

Damit hätte ich den Typen als Aufreißer bezeichnet und jeder Leser kann sich sofort ein Bild machen. Noch besser wird es, wenn man als Autor dieses Klischee sofort wieder zerstört, was ich im Beispiel mit "Gesprächspartner" gemacht habe. Kein typischer Macho-Aufreißer würde jemanden zum Reden suchen ;)
Das macht die Figur dann plötzlich wieder interessant, besonders, wenn dieser kleine "Fehler" im Klischee im totalen Gegensatz zum Restbild steht...

 

hi knoebel..das was du geschrieben hast, habe ich auch sofort beim lesen der ersten beiträge gedacht.. da alles schon da war, jeder charakter also irgendwie zum klischee geworden ist (also zu dem, was wir schon (zu)oft gesehen haben)..wird es noch wichtiger, diesen charakter dann etwas überraschendes tun zu lassen ..denn dann ist die aufmerksamkeit des lesers wieder da..so kann der klischee-charakter mit der überraschenden wendung fast zum stilmittel werden.. *smile*

damit wird das klischee zur chance..oder!?

grüße, streicher

 

Jetzt muss ich nochmal meine Lieblingsklischees aufschreiben:

-"Der Bulle kurz vor der Pensionierung"

-"Der Gauner, der aussteigen möchte, aber vorher noch einen letzten Coup landen muss"

Es ist unglaublich, wie häufig diese beiden Stereotypen vorkommen.

 

Der bebrillte Computernerd, der mit fettigen Haaren und halbleerer Burgertüte vorm Rechner hockt und seltsame Sachen sagt, die sonst keiner versteht :sconf:. Hilfe!

Der Vorteil an Klischees ist, dass ein Autor schon mal Pluspunkte sammelt, sobald er/sie mit ihnen bricht.

 

Der bebrillte Computernerd, der mit fettigen Haaren und halbleerer Burgertüte vorm Rechner hockt und seltsame Sachen sagt, die sonst keiner versteht .

Hilfe! Dieses Klischee sitzt lebendig geworden zwei Meter links von mir.

:D
:kuss:

 

Hey Bibs!

Zu deinen Punkten:

1. Mit Sicherheit: Ja!
2. Nein
3. Bedingt. Das ist eine Frage der Mentalität des Einzelnen (inwieweit bin ich (nicht) dazu bereit bzw. fähig mich meiner Umwelt anzupassen?).

Zu letzterem Punkt gibt es in der Philosophie übrigens eine eigene Forschungsrichtung, genannt: Strukturalismus. Sie geht der Frage nach, inwieweit wir überhaupt dazu in der Lage sind, unabhängig zu Handeln und zu Denken. Es geht dabei insbesondere um soziologische Konzepte und deren Konsequenz daraus. Und in diesem Sinne sind natürlich auch Klischees eine Art Konglomerat soziologischer Konzepte.

Zur Frage, warum es Klischees gibt, sowie deren offensichtlicher Popularität: Sie sind eine urmenschliche Eigenschaft und helfen uns bei unserer Orientierung in dieser Welt.

Und der (mitunter leidige) Witz dabei: Tritt man einmal aus diesen stereotypen Beschreibungen der Figuren einer Erzählung heraus, kann es einem schnell passieren, dass eben diese unglaubwürdig werden. Eben weil sie nicht ins vertraute, angelernte Schema passen wollen. Nicht umsonst waren bzw. sind beispielsweise Heldengeschichten so beliebt: Gerade weil sie dem Stereotyp "Held" entsprechen. Die wenigsten Leute wollen nämlich gänzlich unkonventionelle Geschichten hören oder lesen! Das zeigt sowohl der Buchmarkt wie auch die Kinobranche.

Geschichten sind nämlich nicht nur dazu da, um uns zu unterhalten! Sie sind auch dazu da, um uns zu trösten ! Und genau dafür brauchen wir Ideale bzw. (abstrahierte) an Klischees orientierte Schablonen.

 

hallo phil. ratte,

die letzten beiden absätze sprechen mir aus dem herzen..wie oft und wie sehr muss ich mich ärgern... wenn bei einem an sich schönen film..ein gar zu kitschiges happy end alles verdirbt..wie sehr hingegen können mich pointen wie bei "leon der profi" oder "the sixth sense" oder in büchern wie "das parfum" oder "garp" begeistern..

und wie oft habe ich James B. schon den tod gewünscht (natürlich nur im film)..*lach*...und wenn ich mir so ein ende nicht selbst schreibe...werde ich wohl noch hundert jahre vergeblich warten..

grüße, figaroo

 

Tja, wird wohl mal Zeit für wahrhaft interaktive Spielfilme mit fünf oder sechs Auswahlmöglichkeiten für den Schluss und/oder ein paar Szenen im Mittelteil!

Filme wie "Lola rennt" haben da ja schon einen Anfang gemacht. Fehlt halt bloß noch der passende Auswahlknopf am Kinostuhl. Und die Mehrheit bestimmt dann. :)

 

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