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Am Sog
Wieder im Boot. Und wieder die dunklen Wolken. Dahinter die Halbinsel, die ich nicht sehe, von der ich nur weiss, weil ich schon dort war.
Die Wellen gehen hoch. Wir haben die Segel längst eingeholt. Die Ruder liegen bereit, obwohl an Rudern jetzt gar nicht zu denken ist. Wenn wir nur an dem Sog vorbei kommen, in dessen Mitte sich der Trichter in die Tiefe schraubt. Ein schwarzes Loch im kreisenden Wasserschacht. Was da unten ist, kennt nur, wer sich befreit hat und wieder hochkam. Vorstellen kann es sich keiner. Niemand will das auch.
Der Sog ist das Allerschlimmste, schreit jemand und:
Wenn wir am Sog vorbei kommen, ist alles gut.
Wir werden vorbei kommen. Wir sind immer vorbei gekommen. Trotzdem die Angst. Es könnte ja diesmal anders sein.
Jemand sagt: Das ist alles unwichtig. Wichtig sind die Wolken über dem Land. Wenn sie hell werden und sich auflösen, dann wirst du sehen.
Ich will sehen. Will in der Sonne gehen, durch das Ried. Über die warmen Steine, die ausgetretenen Stufen hinauf, im Chor der Zikaden, die vor meinen Schritten nicht verstummen. Zur Quelle will ich und der Rose zu Füssen der Göttin Wasser bringen. In diesem Boot, am Rande des Sogs, weiss ich immer, was ich will, auch jetzt.
Trotzdem die Angst im Sturm, das Kreischen der Möwen, ihre spitzen Schreie, immer lauter.
Ein Vorbeikommen wird diesmal nicht möglich sein. Wer zur Quelle will, um der Rose Wasser zu geben, muss sich befreit haben. Auch ich.