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Freiheit

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01.11.2001
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42

Freiheit

25.11.01

Freiheit

Ich wurde erst durch ihr lautes, verzweifeltes Summen und Surren auf sie aufmerksam, und durch das klackende Geräusch, das sie erzeugte, wenn ihr Kopf mit der frisch polierten Glasscheibe zusammenprallte.
Sie war zuerst in meinem Traum aufgetaucht, wie sie lautstark Anlauf nahm und wie ein kleiner Propeller, im besten Kamikaze-Stil auf das Fenster zujagte. „Klack". Ich konnte hören, wie sie erschöpft auf der verstaubten , braunen Holzleiste, die das Fenster in vier quadratische Zellen teilte, liegenblieb. Dann sah ich vor meinem inneren Auge, wie sie sich mühsam aufrappelte und erneut ihr sinnloses Unterfangen von vorn begann.
In meinem Traum war sie eine schillernde Libelle, mit langen, grazilen Flügeln, und großen, bunten Augen.
Als mein Kopf sich gequält entschloss, so könne er nicht weiterschlafen, und mich unsanft in die Wirklichkeit zurückkatapultierte, war sie nur noch eine unscheinbare, schwarze Stubenfliege, mit winzigen Stummelflügeln und einem abenteuerlich behaarten Körper.
„Klack", machte es wieder, und noch einmal, als sie zu Boden fiel.
Ich stand auf und gähnte, Mittagsschläfchen waren mir einfach nicht vergönnt. Mühsam unterdrückte ich den Impuls, ihr mit einem geschickt plazierten Schritt ein Ende zu machen und noch einmal in mein warmes Bett zurückzukehren. Nach diesem gemeinsam verbrachten Traum standen wir uns einfach zu nah.
„Surr", machte es wieder, und „klack". Ich holte ein Glas aus der aus der Küche, und ein Blatt, und kam mir sehr barmherzig vor, als ich das Glas über sie stülpte und sie damit fing, indem ich ihr das Blatt unter den Hintern schob, so daß sie zwischen Glas und Papier festsaß. Sie taumelte ein bißchen, doch sie schien noch ganz intakt. Ich betrachtete sie noch kurz, doch da sie keine Libelle war, wurde es mir bald langweilig und ich entließ sie durch die Eingangstüre in die Freiheit.
Ich sah ihr kurz nach, als sie davonflog und widmete mich noch einen kurzen Moment meinen Blumen im Vorgartenbeet.
Als ich zurück ins Haus kam, sah ich sie, wie auch sie zurückflog, über meinen Kopf hinwegbrummte, und unsanft gegen das Küchenfenster knallte.
„Klack", machte es, und mir wurde bewußt, daß sie die Wärme der Freiheit vorgezogen hatte.

Claudia Lichtenwald

[Beitrag editiert von: Claudia Lichtenwald am 28.11.2001 um 20:18]

 

Hallo Claudia Lichtenwald,

ja, der Umgang mit der Stubenfliege macht uns wohl deutlich, was jede Kreatur an sich ist. Denn jede Kreatur, wenn wir sie unter der Lupe betrachten, ist ein wundervolles Wesen, das sich seines Lebens freut. Man kann dann nicht mehr verstehen, wie gedankenlos man als Kind vielleicht Fliegen und Insekten, oder was es auch sonst noch an Getier auf der Welt gibt, kaputtgemacht hat.

Ein Ereignis fällt mir bei der Gelegenheit ein. Als Student habe ich einst einmal bis spät in die Nacht in meiner Studentenbude gelesen. Ich war allein, die Uhrzeiger gingen bald auf 12 Uhr, oder vielleicht war es noch später. Ich war allein. Und plötzlich krabbelte eine Stubenfliege über das Papier meiner Buchseite. Ich begrüßte sie als Lebewesen. Ich war nicht mehr allein. Diesen Moment habe ich nicht vergessen.

Ein guter Text.

Viele Grüße

Hans Werner

 

@Hans Werner

Wann habt Ihr geheiratet? :lol:
Insekten sind unfähig, sich ihres Lebens zu freuen, da sie kein Gehirn besitzen. Damit will ich nicht sagen, dass es toll ist, Grashüpfern Beine auszureißen...

Zur Story:

Ich meine eher, sie hat die dort befindliche Nahrung vorgezogen. Das Haus im letzten Satz ließe ich weg. Der Satz wird dadurch prägnanter, und Du vermeidest eine unnötige Wortwiederholung.

Nette kleine Parabel.

[Beitrag editiert von: Alpha O'Droma am 27.11.2001 um 19:01]

 

Hallo Alpha Odroma,

für die Belehrung danke ich. Geheiratet haben wir im Jahre 1977. Ich bin trotzdem immer noch der Meinung, dass Kreaturen sich ihres Lebens freuen können. In manchen Dingen bin ich eben unbelehrbar. Ein unheilbarer Romantiker.

Mit schönem Gruß

Hans Werner

 

Denn jede Kreatur, wenn wir sie unter der Lupe betrachten, ist ein wundervolles Wesen, das sich seines Lebens freut. Man kann dann nicht mehr verstehen, wie gedankenlos man als Kind vielleicht Fliegen und Insekten, oder was es auch sonst noch an Getier auf der Welt gibt, kaputtgemacht hat.

Nix für ungut! Aber wenn ich die Möglichkeit habe, den HIV-Virus endgültig auszumerzen... dann tue ich das! Wenn ich sehe, daß (ich weiß... alter Hut) ein "Kampfhund" einen Menschen anfällt, dann denke ich nicht lange nach... dann mach ich das Vieh platt! Die Liste könnte man noch weitaus mehr fortsetzen. (Bitte keine Argumente in Richtung: Der Mensch ist auch nur ein Tier und voll Scheiße!)

Poncher

 

Nun, Poncher, Du kannst von Glück sagen, dass Stephy schon schläft. Wenn sie das mit dem Kampfhund liest...

Ich liebe Tiere, ich bin hoffnungslos tierverrückt. Ich füttere meinem Hund sogar Pralinen, obwohl mir dabei das Herz blutet (ich liebe nämlich auch Pralinen). Ich habe immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich eine Schnarke in der Dusche ertränke und eine Fliege in einem Spinnennetz brummen höre... aber irgendwie bin ich trotzdem nicht gerade ein Insektenfan. Muss ich mal hier so zugeben... ja, ja, die armen Insekten, ich weiss, aber falls Alf recht hat und die nicht denken können, dann sind sie ja auch nicht traurig, wenn ich sie aus Versehen ermorde, oder? Obwohl die meisten Insekten erstaunlich hartnäckig um ihr Leben kämpfen (uuhh, komme ich mir nun gemein vor!).

Worüber ich mir am meisten Sorgen mache, ist: können Insekten ertrinken oder werden sie einfach den Abfluss runtergespült und könnten theoretisch weiterleben, falls sie denn aus dem Wasser herauskämen? Äh, blöde Frage, weiss ich, aber kennt sich einer soweit mit Insekten aus? (Ich hatte übrigens Bio-Leistungskurs, habe aber nur die Bekanntschaft mit Drosophila melanogaster gemacht).

 

@Alpha'O Droma: Danke, das mit dem Haus hab ich geändert, besser so ? :)
Ich war in Bio keine Leuchte, aber auch wenn Fliegen kein Gehirn haben, müssen ihre Instinkte und Reaktionen ja irgendwo "gespeichert" sein, warum sollen sie sich also nicht des Lebens freuen können?! Vielleicht auf eine andere Weise als wir...aber wir müssen ja auch nicht alles verstehen. Ich finde es sowieso nicht so toll, wenn Menschen allen anderen Lebewesen die "Intelligenz" absprechen, nur weil wir manche Sachen nicht nachvollziehen können. (Das meinte ich übrigens auch mit meiner Geschichte "die welt")
@Poncher: Würdest du auch einen Menschen "platt machen", der einen anderen anfällt? Ich weiß, du wirst meine Einstellung nicht teilen, aber ich finde von nichts kommt nichts, sowohl bei Menschen, als auch bei Tieren...
Ach übrigens, eigentlich sollte meine Geschichte wirklich nicht unbedingt für die Rechte der Fliegen eintreten (auch wenn ich das im Nachinein sehr unterstütze :) ), sie war doch eher anders gedacht. Aber na ja...

 

Würdest du auch einen Menschen "platt machen", der einen anderen anfällt? Ich weiß, du wirst meine Einstellung nicht teilen, aber ich finde von nichts kommt nichts, sowohl bei Menschen, als auch bei Tieren...

Das wußte ich, daß so etwas kommt... :sleep:

 

Insekten sind unfähig, sich ihres Lebens zu freuen, da sie kein Gehirn besitzen.

Insekten verfügen sowohl über ein Nervensystem (inklusive Gehirn) wie einen Blutkreislauf.
Vielleicht macht es ihnen nichts aus, permanent gegen Küchenfenster zu fliegen oder Elektroden ins Gehirn gepflanzt zu bekommen. Beweist am Ende nur eines: Daß sie nicht nach menschlichen Maßstäben Schmerz, Freude oder Freiheit empfinden können, weil sie dafür angeblich nicht hochentwickelt genug sind. Andererseits sind sie für ihre Verhältnisse perfekt entwickelt. Sogesehen handelt jedes Wesen nur im Rahmen der ihm innewohnenden Möglichkeiten, bleibt dadurch beschränkt. Auch der Mensch - aber das verdrängt er allzugerne ;-) Freiheit?

Grüße Martin

[Beitrag editiert von: Abyssal am 28.11.2001 um 23:40]

 

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