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Die Stunde des Tigers

Seniors
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12.02.2004
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Die Stunde des Tigers

"Die Chinesen teilen den Tag in zwölf Doppelstunden mit Tiernamen. Zum Beispiel haben wir jetzt, Moment ... die Stunde der Ratte!" sagte der Mann.
Die Funkuhr auf dem Fernseher zeigte 23:05 Uhr. Die Flammen im Kaminofen warfen einen rötlichen Schein auf das Display. Vor der Ledercouch und den beiden Polstersesseln lag das Tigerfell, erst heute morgen mit DHL geliefert und zwischen den vier Menschen im Raum herrschte peinliches Schweigen, das der Mann tapfer mit geistreichen Bemerkungen überspielte.

Das Tigerfell glänzte goldorange und schwarz. Bernd und Elli, das befreundete Ehepaar: zwei Augenpaare, die es pflichtbewusst anschauten, während der Mann vom Dachboden der alten Villa schwafelte, auf dem es jahrzehntelang gelegen haben musste und von der eBay-Auktion. Da entdeckte Elli auf einem Beistelltisch den Käfig mit den zahmen Ratten Pat & Patachon und war hingerissen. Sie nahm eine Erdnuss zwischen Daumen und Zeigefinger, hielt sie langsam an das Gitter. Eine der Ratten schnappte sie. Elli lachte. Der Mann war kurz still, schaute ihr mit offenem Mund zu. "Wir haben hier die reinste Menagerie", sagte die Frau, "Aber ihr wisst ja, wie es ist: das Kind! Wir halten die Tiere, damit das Kind soziale Kompetenz lernt."

Vor der Tür bellte ein Hund.

* * *​

"GRRROOARR!" schrie das neunjährige Mädchen unter dem Tigerfell. Die Katze flüchtete hinter das Sofa.
"GRRROOARR!"
Der Gelbwangenkakadu beobachtete mit stummem Entsetzen, wie die haarige Gestalt über die Fliesen kroch. Plötzlich sprang das Kind auf! Der Vogel rettete sich auf den Wohnzimmerschrank. Das Mädchen sah aus wie ein Medizinmann: Den ausgestopften Tigerkopf mit den gebleckten Reißzähnen auf dem Kopf und das Fell, das an ihr hinunterhing. Darunter gluckste und kicherte es: hihihihi!

Das Mädchen scheuchte die Ratten Pat & Patachon in das Holzhäuschen des Käfigs. Der Tigerkopf stieß gegen das Gitter, dass es nur so rasselte! Langsam drehte das Tiger-Kind sich, blieb dann stehen und konzentrierte sich auf den Vogel. Mit süßlich-böser Stimme sagte es: "Ich bin ein Tiger. TI-GER! Kannst du das sagen, du dummer Vogel?"
"Ti-ger", sagte der Kakadu, glotzte dabei wie hypnotisiert das Mädchen an.

Schritte, so schwer, dass sie das ganze Haus erzittern ließen, kamen näher. Es war die Frau: "Was machst du denn schon wieder für einen Lärm?! Hast du überhaupt Dino schon gefüttert?"
Die Kleine warf das Tigerfell auf den Boden. Unschlüssig stand sie auf einem Bein.
"Jetzt aber los!"

Die Kleine tänzelte im Hopserlauf ins Kinderzimmer, um Dino, der Echse, Lebendfutter zu geben. Das tat sie gern. Finger mit rosa lackierten Nägeln schnappten eine Heuschrecke. Das kleine Tier zappelte vergebens. Es hatte eine zarte Stimme, für menschliche Ohren unhörbar und flehte: "Oh bitte, bitte, bitte nicht!"
Schnapp! machte das Maul der Echse. Das Mächen klatschte begeistert in die Hände. Die Echse machte das Maul auf und zu, zermatschte die Heuschrecke, verdrehte dabei den Kopf. Das sah so idiotisch aus, dass das Mädchen wieder kichern musste: hihihihihi!

* * *​

Unterdessen lag das Tigerfell noch immer, wo das Mädchen es hingeschmissen hatte. Der Gelbwangenkakadu umkreiste es, neigte dabei den Kopf von einer Seite auf die andere. Er dachte an seine letzten Tage in Singapur...
Hoch, hoch über dem Blätterdach und den ersten Ausläufern der riesigen Stadt! Im Blau des Himmels herumfliegen, nach unten sausen. Der Boden kommt näher, alles wird größer. Die Flügel ausbreiten! Die farbigen Punkte sind Menschen. Sie schreien herum, bergen die Überreste eines Artgenossen und ständig fällt das Wort Tiger.

„Tiger“, überlegte der Kakadu. Und während er das Fell betrachtete, stürmte eine Flut von Bildern und Geräuschen auf ihn ein: Käfig, Hitze, Menschen, Geschrei, die lange Reise, die Tierhandlung. Seine Gedanken und Erinnerungen formten etwas, als wäre er ein Gefäß, in dem eine explosive chemische Reaktion in Gang kam.
Das Fell tat immer noch nichts. Lag einfach da. Die Katze wälzte sich darauf, alberte herum, versetzte ihm einen Pfotenhieb. Das Fell bewegte sich ein winziges Stück! Das genügte schon, um die Ladung in der Gedankenwelt des Kakadus zur Explosion zu bringen. Die alte Angst war wieder da, ließ sein Herz rasen, spreizte ihm Kamm und Federn. Er begriff! Er schrie:

DER TIGER BEWEGT SICH!
DIE KATZE SIEHT AUS WIE ER!
DIE KATZE IST EIN TIGER!
WIR MÜSSEN DEN TIGER VERHINDERN,
ODER ES WIRD UNSER UNTERGANG SEIN!

Die Katze ging hinter die Couch in Deckung. Pat & Patachon glotzten aus dem Käfig, das Mädchen kam die Treppe heruntergelaufen. Auch auf dem Flur näherten sich Schritte.

* * *​

Noch später: kurz nach zwei Uhr nachts. Der Mann und die Frau lagen im Bett, in dem sie für gewöhnlich schliefen, Kreuzworträtsel lösten und Liebe machten. Ersteres ging nicht, weil sich unter ihnen schon wieder wüstes Geschrei und Gebell erhob, also starrten sie bei ausgeschaltetem Licht an die Decke, bis es dem Mann reichte („Jetzt reicht es!“).
Schon klatschten seine nackten Füße die Treppe hinunter, als die Frau sich aufrichtete, dann aber doch im Bett blieb, weil sie genau wusste, wie es war.
Der Kakadu in seinem Käfig, längst mit einer Wolldecke verhüllt, musste den Rest der Nacht im Geräteschuppen verbringen. Am Morgen erwachten die Menschen mit dunklen Ringen unter den Augen. Der Mann sah aus wie ein Waschbär. Er fuhr mit Kakadu und Käfig ins nächste Tierheim und der Vogel war zu heiser, dagegen zu protestieren, denn er hatte zwanzig Stunden lang geschrien. In seiner Vorstellung hatten nur seine mahnenden Rufe den Tiger davon abgehalten, sich zu erheben und alle Bewohner des Hauses aufzufressen. Und wie dankten sie es ihm? Nun waren sie dem Tode geweiht, davon war er fest überzeugt, und er freute sich über sein sicheres Exil.

„Also, ich weiß nicht... Für mich sieht er sehr tot aus“, sagte Pat.
„Uns betrifft es ja nicht. Hier im Käfig passiert uns nichts“, sagte Patachon.
„Ja, das denkst du. Aber was sollen wir tun, wenn niemand mehr kommt, um uns zu füttern?“
Sie stritten noch lange über diesen ökonomischen Aspekt.

Der Hund lag vor der Tür, die Schnauze hatte er zwischen die Pfoten gebettet und seine Augen schauten in eine unbestimmte Ferne. Er hatte mit dem Kakadu gebellt, weil er ein Hund war und gerne bellte. Wirklich an die Gefahr geglaubt hatte er nicht. Und jetzt, aus Gründen, die er nicht restlos durchschaute, war der Kakadu weg. Das Tigerfell kam, der Kakadu verschwand. Da gab es einen Zusammenhang. Er musste aktiv werden! Er war der Beschützer! Aber wie?
Weil auch er den Tiger fürchtete, wollte er wenigstens die Katze in die Schranken weisen. Ja, die Idee war gut! Bei der Katze musste er ansetzen.

So ging das tagelang: Der Hund verbellte die Katze, wo immer er sie traf. Er fraß ihren Napf leer, damit sie nicht zu einem Tiger heranwachsen konnte. Als der Mann am Donnerstagabend im Wohnzimmer seine Zeitung ausbreitete, bellte er. Der Mann ließ die Zeitung sinken. Mit gefletschten Zähnen knurrte er die Katze an, die abgemagert und verängstigt auf dem Fensterbrett kauerte. Sie hatte immer wieder nach Gründen gesucht, die den Hund gegen sie aufbrachten. Was hatte sie nur getan? Wenn sie einen Fehler gemacht hatte, musste sie bestraft werden, das verstand sie. Sie sagte sich immer wieder: „Du musst immer lieb sein, Kitty-Kat, dann wird es wieder gut.“
Sie war auf den Hund zugeschlichen und wollte sich schnurrend an ihn schmiegen. Aber er verbellte sie. Er schnappte sogar nach ihr.

Der Mann rollte die Zeitung zusammen. Seufzend erhob er sich aus dem Polstersessel. „Wuff-Wuff!“ bellte der Hund, deutete dabei mit der Schnauze auf die Katze. Der Mann zog ihm die Zeitung über den Schädel, dass es nur so klatschte. Nun war der Arme völlig verstört und verzog sich jaulend in den Garten. Da sollte sich noch einer auskennen...

* * *​

Am Wochenende sagte Pat zu Patachon: „Ich habe jetzt vier Tage lang dieses Tigerfell beobachtet. Ich glaube, das ist mehr als ausreichend, um mich als Experten der vergleichenden Tigerkunde zu qualifizieren.“
„Wieso vergleichend? Du kennst doch nur dieses eine Tigerfell und wir können es von unserem Käfig aus nicht einmal besonders gut sehen.“, entgegnete Patachon.
„Nun ja, ich bin ja auch erst am Anfang meiner Forschungen. Aber eines kann ich nach der Auswertung meiner gründlichen Beobachtungen sagen: Der Tiger hat sich nicht ein einziges Mal aggressiv verhalten.“
Da sagte Patachon: „Du schließt von einem Teil eines einzigen Tigers auf alle Tiger. Du bist voreilig.“
„Soll ich Sachen erfinden, die über meine Erfahrung hinausgehen? Was ich sehe, ist ein harmloser Gegenstand. Der Tiger, den ich kenne, ist flauschig und unbelebt. Der Kakadu hat behauptet, Tiger seien gefährlich. Das widerspricht meinen Beobachtungen! Aber ich gebe gerne zu, dass wir noch nicht alles über Tiger wissen und mehr Material sammeln sollten.“

Das Tigerfell lag noch immer auf den Fliesen im Wohnzimmer. Nur hin und wieder kam das Mädchen, um damit zu spielen. Der Hund, abergläubisch wie er war, machte einen großen Bogen darum.
„Hallo!“ rief ihm Pat aus dem Käfig zu, „Komm doch mal her!“
Vorsichtig näherte er sich, klemmte dabei den Schwanz zwischen die Hinterbeine. Pat sagte: „Deine Angst ist unbegründet. Tiger tun niemandem etwas. Das haben meine Beobachtungen bewiesen.“
Da bellte und knurrte der Hund und geriet ganz außer sich: „Für diese Verharmlosung des Tigers sollte man dich bestrafen! Sollte die Zeitung zusammenrollen und sie dir über den Schädel ziehen! Sollte dir Redeverbot erteilen! Wuff-Wuff-Wuff!“

* * *​

Die Situation war unbefriedigend, bis Pat beschloss, eine Expedition zu starten. Er brauchte zwei weitere Tage, um mit einem Bindfaden, den er beim Auslauf auf dem Teppich erbeutet hatte, eine Plastikklammer am Boden des Käfigs durchzusägen.

„Hilf mir mal! Heb es hoch!“
Patachon hatte keine Lust zum Ausbrechen, sagte aber: „Meinetwegen.“
Montags um Mitternacht konnten sie das Gitter um einige Zentimeter anheben und das Holzhäuschen darunterschieben. Dann zwängten sie sich durch den Spalt und waren frei! Im Haus war es dunkel und still. Der Hund schnarchte draußen im Garten in seiner Hütte. Pat weckte die Katze: „Komm mit, Kitty-Kat! Wir müssen weitere Tiger finden. Nur wenn wir die Wahrheit über die Tiger erkennen, können wir deine Unschuld beweisen.“
Sie glaubte es. Gähnend folgte sie ihm, sprang hoch, öffnete die Tür. Das konnte sie! Patachon hielt übrigens nicht viel von Expeditionen. Er blieb lieber im Haus und hoffte, es in die Speisekammer zu schaffen, verabschiedete sie aber an der Katzenklappe, wie es sich gehörte.

* * *​

Es dauerte mehrere Tage voller Beobachtungen und Befragungen, bis sie von dem alten Königstiger im städtischen Zoo erfuhren. Eines morgens, etwa um vier Uhr, mitten in der Stunde des Tigers, erwachte er und wollte austreten, um Wasser zu lassen. Da bemerkte er zwei Gestalten, die sich aus der Dunkelheit schälten: Eine Katze und eine Ratte mit langem, gummiartigem Schwanz. Er hatte solchen Hunger! Der Tierarzt hatte ihn nämlich auf ayurvedische Gemüsediät gesetzt, weil er zu fett war und den ganzen Tag nur herumlag. Arglos lief Pat auf ihn zu und dachte noch: Endlich ein Tiger! Farbe und Form stimmen weitgehend mit dem Fell im Wohnzimmer überein. Er sieht beinahe aus, als würde er sich bewegen. Aber das kann nicht sein... Man weiß doch...

Der Tiger schluckte ihn sofort, kaute nicht einmal richtig.

Kitty-Kat sah es und fragte sich allen Ernstes, wie es gehen sollte, auf diese Art ihre Unschuld zu beweisen. Dann fragte sie: „Wie ist es denn, da drinnen?“

Aber Pat konnte sie nicht mehr hören.

 

Hallo Berg!

Ich habe die Geschichte hübsch gefunden. Die wechselnden Perspektiven zwischen den Tieren zum Beispiel. Die verquere Logik, die sie vertreten.
Hier zum Beispiel:

Weil auch er den Tiger fürchtete, wollte er wenigstens die Katze in die Schranken weisen. Ja, die Idee war gut! Bei der Katze musste er ansetzen.

Auffällig ist die Instinktlosigkeit der Tiere, sie verlassen sich nur auf ihren Intellekt, der sie aber zu falschen Schlüssen verleitet, weil sie einen sehr eingeschränkten Blick auf die Welt haben bzw. wenig Erfahrung. Und da stellt sich mir natürlich die Frage, auf was diese Satire eigentlich abzielt, das seh ich nämlich nicht deutlich.
Es geht natürlich darum, menschliches Verhalten anzuprangern, in guter alter Comicmanier wird das anhand von Tieren gezeigt. Dass jeder ein eingeschränktes Blickfeld hat, es kann fatale Folgen haben, wenn man sich nur auf die Empirie verlässt? Dass ein unbekannter Faktor (das Tigerfell) leicht Unordnung in eine gesellschafliches Gefüge bringen kann, wenn nur genug Naivität und Dummheit vorhanden ist? Dass Tiere ihren Instinkt verlieren, wenn sie von Menschen als Haustiere gehalten werden, da würde diese Satire auf die Mode hinzielen, immer exotischere Tiere im Haus zu halten. Aber ich weiß echt nicht. Mal schaun, was die anderen sagen.

Auf jeden Fall war es sehr vergnüglich zu lesen! :)

Das Mächen scheuchte die Ratten Pat & Patacho
Mädchen
um Dino der Echse Lebendfutter zu geben
Kommas: Dino, der Echse, Lebenfutter ...
Die farbigen Punkte sind Menschen, von oben gesehen
streichen
als die Frau sich aufrichtete, sich aber wieder hinlegt
das zweimalige "sich" ist nicht schön
Am Morgen erwachten die Menschen mit dunklen Ringen unter den Augen. Der Mann sah aus wie ein Wachbär
"Waschbär", oder? ;)
davon war er fest überzeugt und freute sich über sein sicheres Exil.
Komma: überzeugt, und er freute sich ...

Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea,

danke für die Korrekturen! Da hab ich ja doch noch ein paar Fehler übersehen.

Worum es geht: Instinktlosigkeit und eingeschränkte Blickwinkel sind gute Stichworte für das, worauf ich hinauswollte. Schauen wir mal, ob noch ein paar andere Interpretationen dazukommen. ;)

Freundliche Grüße,

Berg

 
Zuletzt bearbeitet:

Vorsicht: lang:D

Hallo zusammen!

@ Berg

Da ist sie also, die von Dir engagiert im Chat beworbene Tiger-Geschichte. Und vorab möchte ich sagen, sie hat mir sehr gefallen und mich nachdenklich zurückgelassen. Du hast bei mir also erreicht, was Du erreichen wolltest: Du hast mich neugierig gemacht und mich zur Interpretationsarbeit motiviert.:-)

Ich bin kein Fachmann für Satiren, aber der Ton und der Erzählstil der Geschichte haben mir sehr gefallen. Fast jeder Absatz scheint mit einem Augenzwinkern zu enden. Eine sich zurücknehmende Art des intelligenten Humors, keine Holzhammerplatitüden. Wirklich sehr schön und vor allem mit einer spürbaren Selbstsicherheit geschrieben.

Exemplarisch dafür sei diese Stelle zitiert:

Noch später: kurz nach zwei Uhr nachts. Der Mann und die Frau lagen im Bett, in dem sie für gewöhnlich schliefen, Kreuzworträtsel lösten und Liebe machten. Ersteres ging nicht, weil sich unter ihnen schon wieder wüstes Geschrei und Gebell erhob, also starrten sie bei ausgeschaltetem Licht an die Decke, bis es dem Mann reichte („Jetzt reicht es!“).

Besonders der Einwurf der wörtlichen Rede in Klammern ist hier so passgenau gesetzt, das ist im Kontext dieser satirischen Geschichte meines Erachtens nach ganz großes Tennis!

Auf der anderen Seite schießt Du für meinen Geschmack manchmal über das Ziel hinaus und das sorgt für ein Stottern im Lesemotor. So ist die Stelle, an der der Kakadu sich an seine Heimat erinnert und ein großes Geschrei vom Zaun bricht natürlich auf die Perspektive des Vogels zugeschnitten, trotzdem leiden die Sprache und der Erzählfluss an der Stelle, wie ich finde.
Sie wirkt ein wenig pathetisch und aufgesetzt. Da ich aber glaube, dass diese Stelle für das Verständnis des Textes sehr wichtig ist, wäre es vielleicht gut, sie dem Leser nochmal näher zu bringen. Hiermit beziehe ich mich auf die kursiv geschrieben Erinnerungen des Kakadus und sein Geschrei in Großbuchstaben.

Zum Inhalt:

Die Harmonie des Zusammenlebens im Haus wird gestört, als der Familienvater einen toten Tiger, vielmehr sein Fell, als Dekoration ins Haus holt. Eine Verkettung ungünstiger Abläufe nimmt seinen Gang: Die Tochter spielt mit dem Tigerfell, erschreckt den Kakadu, der erinnert sich an die Angst der Menschen in seiner Heimat vor Tigern und gerät nun seinerseits in Panik.
Im Rahmen dessen wird die Hauskatze beschuldigt, ebenfalls ein Tiger zu sein. Nachdem der Kakadu vom Familienvater entnervt weggeschafft worden ist, denkt sich der Familienhund, es müsse da einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden des Vogels und der als gefährlich einzustufenden Katze geben. Der Hund macht mobil, frisst der Katze das Futter weg und drangsaliert sie, wird dann aber vom Familienvater mit der Zeitung gezüchtigt.
In der Zwischenzeit hat sich eine der beiden Käfigratten eingehend mit dem Tigerfell beschäftigt und ist zu dem Schluss gekommen, Tiger seien ungefährlich. Nach dem gemeinschaftlichen Ausbruch der beiden Ratten, bietet die expeditionsfreudige Ratte Pat, die das Tigerfell studiert hat, der Katze an, ihre Unschuld zu beweisen.
So reisen beide zum örtlichen Zoo, wo sie einen lebenden Tiger in seinem Käfig aufsuchen. Die Geschichte endet mit der von dem Tiger verschlungenen Ratte Pat, die somit unweigerlich die Hauskatze ratlos zurücklässt.


Die Interpretation der Geschichte gestaltet sich etwas schwierig. Wir haben einen Raum, in dem sich die Geschichte hauptsächlich abspielt, nämlich das Haus der Familie, zu der die in der Hauptsache agierenden Tiere gehören.
Auffällig ist, dass die in dem Haus lebenden Menschen konturlos, gesichtslos und in der Konsequenz auch namenlos bleiben. Dadurch werden sie für den Leser beinahe selbst zu einem Teil des Raums, zu einem feststehenden, konstanten Element, das die Welt der Tiere ebenso begrenzt und einschränkt, wie Wände, Türen und Zäune.

Da man als Leser die Geschichte hauptsächlich aus dem Blickwinkel der Tiere erlebt, wirken die Menschen wie eine übergeordnete aber trotzdem erreichbare Instanz. Diese Instanz ist gleichzeitig gestalterische, aber auch gesetzgeberische Kraft.
Von einer lebendigen Naturgewalt oder gar Göttlichkeit innerhalb des Raums zu sprechen, wäre mit Sicherheit zu viel gesagt, trotzdem ist diese übergeordnete Instanz für die Tiere, die sich ihr unterordnen, abstrakt und wenig nachvollziehbar. Besonders durch die Tochter kommt ein chaotischer Aspekt mit hinzu, die schweren Schritte der Frau und die Bestrafung des Kakadus und des Hundes durch den Mann offenbaren die Übermächtigkeit dieser dreifaltigen Instanz im Raum.

Durch eine, für die Tiere extreme Veränderung im Lebensraum, kommt die Handlung in Fahrt und bringt nach und nach die für die Geschichte wichtigen Wesenszüge der agierenden Tiere hervor.

Zentrales Motiv der Geschichte ist meiner Meinung nach das Anstoßen von Gedankengängen, ein anschließend einsetzender, ungenügender Reflexionsprozess und die darauf aufbauende Aktion der jeweiligen Figur.
Ein weiteres Motiv ist das Fortlaufen der Handlung durch eine unzureichende Kommunikation untereinander.

Durch das Spielen der Tochter mit dem Tigerfell angestoßen, nimmt das Dominospiel seinen Lauf. Das Wort "Tiger" erinnert den Kakadu an seine Heimat Singapur, an die Angst der dort lebenden Menschen vor Tigern.
An seine Freiheit wie an seine Gefangennahme gleichermaßen erinnert, macht er sich die Angst der Menschen, die "mächtig" genug waren, ihn einzufangen, zu eigen. Als die Katze dann mit dem Fell spielt, lässt er seinen Gefühlen freien Lauf und bringt sie unreflektiert zum Ausdruck.

Er zieht eine unglückselige Verbindung zwischen dem Tigerfell und der Katze, indem er äußerlich wahrnehmbare Ähnlichkeiten konstatiert. Daraus leitet er ab, dass die Katze ebenso gefährlich sei, wie der Tiger und proklamiert, man müsse sie mit allen Mitteln ausschalten ("VERHINDERN").
Der in seiner Panik zum penetranten Rufer gewordene Vogel wird schließlich abgeschafft, sieht sich jedoch bis zum Schluss im Recht.

Durch das nicht nachvollziehbare Verschwinden des Kakadus, wird ein Gedankengang beim Hund der Familie in Gang gesetzt, an dessen Ende er sich in der Pflicht sieht, die Katze, ganz im Sinne des verschwundenen Vogels, zu malträtieren, sie in ihre Schranken zu weisen ("Der Hund verbellte die Katze, wo immer er sie traf") und ihr die Ressourcen in Form des Futters abzugraben.
Er trennt zwar ganz klar zwischen Tigerfell und Katze, bleibt jedoch an dem Dilemma hängen, zu viel Angst vor dem Tigerfell zu haben und somit bei der Katze "ansetzen" zu müssen.
Hund und Vogel bilden somit eine Partei, die bereitwillig die Katze als ahnungsloses Opfer verunglimpfen (Kakadu) bzw. angreifen (Hund).

Annäherungsversuche der Katze deuten auf ein vormals friedliches Verhältnis zueinander hin. Nach seiner selbst auferlegten Pflicht weist der Hund jedoch diese Nähe kategorisch ab und unterbindet somit jede Kommunikation und jede Möglichkeit der Streitschlichtung.

Seine Grenzen erfährt der Hund erst, als er versucht, mit seinen Mitteln die höhere Instanz auf die Gefährlichkeit der Katze und die Gerechtigkeit seines Handelns hinzuweisen, wofür er gemaßregelt wird.
Durch die Bestrafung des Hundes mit der Zeitung, sieht er sich gezwungen, sein eigenes konstruiertes Weltbild um das unerklärliche Verhalten der übergeordneten Instanz zu ergänzen. In dem späteren Gespräch mit der Ratte Pat hat man den Eindruck einer beginnenden "Sakralisierung" des Tigerfells. Durch die Bestrafung durch den Familienvater wurde das Fell selbst auf einer höheren Ebene legitimiert, wurde von einer vagen zu einer übernatürlichen Bedrohung, von einem Fremdkörper zu einer weiteren Konstante im Raum, in dem sich der Hund bewegt.
Dieser Eindruck entsteht durch die fanatisch anmutende Erwiderung des Hundes auf die Aussage der Ratte Pat, man müsse sich vor Tigern nicht fürchten. Der Hund sagt: "Für diese Verharmlosung des Tigers sollte man dich bestrafen! Sollte die Zeitung zusammenrollen und sie dir über den Schädel ziehen! Sollte dir Redeverbot erteilen!"
Statt der Zeitung, hätte der Hund auch der Ratte wünschen können, der Blitz solle sie treffen. Aus der Sicht der Tiere, wäre das wohl nahezu dasselbe gewesen.

Die beiden Ratten Pat & Patachon sind die einzigen Tiere, die sich um eine rationale Sicht der Dinge bemühen, dabei teilen sie jedoch weder Motivation noch Standpunkt.
Patachon hat wegen seiner eher passiven Einstellung dabei weniger ein Problem, als Pat. Der geht nämlich fatalerweise davon aus, seine Wahrnehmung reiche, um sich ein allumfassendes Bild und eine eingehende Analyse der Situation vornehmen zu können.
So kommt er dann NICHT zu dem Schluss, das Tigerfell sei nicht gefährlich, vielmehr verallgemeinert er seine empirischen Beobachtungen und überträgt sie fahrlässig auf den konfliktauslösenden Oberbegriff "Tiger". Zwar überzeugt ihn das von der Unschuld der Katze, dabei wird allerdings deutlich, dass er nicht in der Lage ist, sich der Wahrnehmung der anderen Tiere zu entziehen: Grundsätzliche Eindrücke und Aussagen der anderen hinterfragt er nicht, er nimmt sie als gegeben hin und analysiert die Situation auf Basis dessen. Konkret: Er hinterfragt nicht die Parallelen, die zwischen Katze und Tigerfell gezogen werden und entlarvt sie als Unsinn. Stattdessen hinterfragt er umständlich und unnötigerweise die Gefährlichkeit des Fells, um auf Basis dieser Erkenntnisse den Rückschluss auf die Ungefährlichkeit der Katze zu beweisen.

Manchmal hat man den Eindruck, Patachon hätte als konstruktiver Gegenpart seinen Käfigkameraden dazu bringen können, dessen Analyseverfahren kritisch zu hinterfragen. Patachon scheint indes seine passive Einstellung im Weg zu sein. Seine Bedenken äußert er nur halbherzig.

Die Position der Katze wird maßgeblich bestimmt durch die Opferrolle, in die sie aktiv gedrängt wird. Ihr Unvermögen, sich dagegen aufzulehnen, ist verständlich, da der Grund der Anfeindungen gar nicht an sie herangetragen wird. Ihr Versuch, Frieden mit dem Hund zu schließen, wird im Keim gewaltsam unterdrückt.
Auffällig ist dabei, dass die höhere Instanz nur Mitglieder derjenigen Partei bestraft, die gegen die Katze opponieren. Und obwohl die Integrität dieser höheren Instanz nicht in Frage gestellt wird, führt dieser Umstand weder beim Kakadu, noch beim Hund zu einem Hinterfragen des eigenen Verhaltens.

Das angespannte Verhältnis bleibt also bestehen, eine Auflösung ist nicht in Sicht. Daraus resultiert dann auch das tragische Ende, denn Pat als einzig verbliebenes Tier im Haushalt, das fähig zu sein scheint, sich zu motivieren, macht sich mit der Katze auf eine Expedition, die seine Theorie und Kitty-Kats Unschuld beweisen soll.

Am Ende erweist sich die für die Ratte Pat logische Schlussfolgerung als fataler Trugschluss. Noch während er dies erkennt, beharrt er darauf, seine Annahme auf einer logischen Beweiskette aufgebaut zu haben: "Aber das kann nicht sein... Man weiß doch..."

In Unwissenheit gehalten und sich selbst als Opfer betrachtend, hat sich die Katze, das wird deutlich, voll und ganz der vermeintlichen Kompetenz der Ratte hingegeben. Diese Hingabe ist so stark, dass die Katze selbst nicht mal das Offensichtliche erkennt und sich keine eigenen Gedanken über den Unterschied zwischen dem Tiger vor ihr und dem Tigerfell zuhause macht.


Meiner Ansicht nach, kritisiert diese Satire zwei unterschiedliche Dinge. Dies wird durch zwei unterschiedliche Erzählperspektiven unterstrichen.

Am Anfang sitzen wir auf einer erhöhten Position. Wir sehen die Menschen, erfahren etwas über ihre Motive und Ansichten. Überspitzt wird die Anhäufung lebender Tiere zugunsten der Kindererziehung dargestellt.

Das Kernmotiv in diesen Abschnitten ist, meines Erachtens, nach die Gleichgültigkeit und der damit verbundene fragwürdige Umgang mit Tieren.
Das Kind soll soziale Kompetenz lernen, dafür sind natürlich am besten Wesen geeignet, die der Gnade des Kindes ausgeliefert und nicht in der Lage sind, mit ihm zu kommunizieren.
So sieht dann auch das Benehmen der Tochter den Tieren gegenüber aus. Hier ist übrigens vorbildlich Maß gehalten worden, denn das Mädchen wird nicht plump als sadistische Tierquälerin dargestellt. Vielmehr hat man das Bild eines Kindes vor Augen, dass sich seiner eigenen Taten nicht bewusst ist und dem weder vorgelebt noch erklärt wird, was es laut der Mutter eigentlich lernen sollte.

Die Gleichgültigkeit der Eltern wird bereits zu Beginn sehr schön deutlich, wenn das Interesse des Gastes an den lebenden Ratten ungläubig zur Kenntnis genommen wird, obwohl doch da dieses neue Tigerfell zu bestaunen ist.
Auch der autoritäre und kalte Umgang mit den Tieren seitens des Mannes zeigt dies deutlich. Das veränderte Verhalten der Tiere nach der Platzierung des Tigerfells wird nicht hinterfragt, stattdessen werden die Tiere, die anfangen zu nerven, bestraft bzw. sogar abgeschafft.

Am Ende wird nochmal eine Spitze angebracht, die man in diesem Zusammenhang mit deuten könnte. Der Tiger, den Katze und Ratte besuchen, ist zu fett und muss deshalb eine ayurvedische Diät über sich ergehen lassen. Dem Leser stellt sich die Frage, warum der Tiger überhaupt fett geworden ist. Man kommt nicht an dem Gedanken vorbei, dies könnte mit einer nicht artgerechten Haltung und somit einer weiteren Form der Gleichgültigkeit zu tun haben. Das Versäumnis des Menschen muss der Tiger ausbaden, indem ihm darüber hinaus eine ebenfalls nicht artgerechte oder zumindest fragwürdige Ernährung auferlegt wird.


Die zweite Perspektive und das damit verbundene zentrale Motiv wurde weiter oben bereits ausgeführt.
Hier lohnt sich nochmal ein Blick auf die einzelnen Tiere:

- Das Angstgefühl des Kakadus ist vielleicht noch nachvollziehbar, wenn man das Bild auf den Menschen überträgt. Aber der Schritt zur Verurteilung der Katze geschieht recht leichtfertig und unreflektiert. Und wie im echten Leben sind die Konsequenzen aus so einem Verhalten heraus verheerend.

- Der Hund zeigt sich anfangs solidarisch zu dem Kakadu und bezieht daher seine Motivation, die Katze aktiv anzugreifen. Nach der Maßregelung durch seinen Herrn scheint dieses Bild jedoch umzuschwenken. In dem Gespräch mit der Ratte hat man den Eindruck eines beinahe schon religiösen Fanatismus. Die Parallelen zu der menschlichen Gesellschaft brauchen, denke ich, nicht extra herausgearbeitet zu werden.

- Die Katze ist als Opfer zur Passivität verdammt. Sie stellt sich als einzige die Frage nach ihrem eigenen Beitrag zur Situation, aber ihr fehlt die Handhabe, sich diese Frage beantworten zu können.

- Die Ratten versuchen sich an einer nüchternen Analyse der Situation. Aber insbesondere die Ratte Pat scheint, im Gegensatz zum Fanatismus des Hundes, wenn man bei dem Bild bleiben will, im Vorgang der rationalen Konfliktbewältigung eher eine andere Form der Religionsausübung zu sehen. Ab einem gewissen Punkt, nämlich da, wo die Wahrnehmung an ihre Grenzen stößt, werden empirische Erkenntnisse um Mutmaßungen, man könnte auch sagen Glaubensansätze, ergänzt.
Bei der realen Konfrontation mit dem Tiger wird klar, welche fatalen Auswirkungen eine solche Vorgangsweise haben kann.


Alles in allem fand ich diese Satire wirklich hervorragend. Aber sie hat auch ein paar Unschärfen drin, die mich daran hindern, sie zu empfehlen.

So fehlt mir zum Beispiel das ausgleichende Element. Nicht eine Figur in der Geschichte stellt einen wirksamen Kontrast zu den anderen dar. Hier böte sich entweder die Katze oder, noch besser, ein etwas weniger passiv ausgelegter Patachon an.
Dadurch, dass diese Kontrastfigur fehlt, fehlt dem Leser ein wenig die Orientierung. Natürlich kann man als Leser die Bilder interpretieren, ich hoffe auch, dass mir dies im Sinne des Autors gelungen ist, aber es wirkt wie ein allgemeiner Rundumschlag, eine Abrechnung, die in Anbetracht der dahinter mitschwingenden Komplexität zu beliebig erscheint.

Aus demselben Grund habe ich auch ein Problem mit der Darstellung der Menschen, wenn man als Leser in die höhere Perspektive wechselt. Hier entsteht ein ähnlicher Eindruck, weil auch hier nur negative Eigenschaften bzw. Auswüchse hervorgehoben werden. Die sind für sich genommen super zu lesen, aber das, was der Autor ausdrücken möchte geht in dem Konglomerat an Eindrücken unter.

Das hindert die Geschichte nicht daran zu funktionieren. Im Gegenteil, mir gefällt sie sehr gut. Aber das macht sie schwer verdaulich und es scheinen mir, zu viele Aromen für ein Gericht zu sein.
Es kann sein, dass ich mit dieser Meinung alleine dastehe, weshalb ich mich erstmal nicht erdreisten möchte, hier irgendwelche Vorschläge zu machen.:-)

Was mich ebenfalls ein wenig gestört hat war die Beschreibung der Tiere. Ihre Einfältigkeit und der Mangel an Wahrnehmung und Selbstreflexion scheint mir bisweilen zu plakativ.
So erkennt Pat ganz klar, dass der Tiger tot bzw. nur ein Fell ist. Da erscheint mir der gedankliche Sprung hin zu "Tiger sind nicht gefährlich bzw. bewegen sich nicht" recht konstruiert zu sein.
Die Katze erscheint mir auch in der Erzählung zu passiv. Ich glaube, man könnte den Kern der Aussage noch mehr hervorheben, indem ihr ein wenig mehr Raum und Profil eingeräumt wird.
Beim Hund gehe ich davon aus, dass man ihn, ob meine Lesart nun korrekt ist oder nicht, richtig interpretieren kann, da ist mir nichts weiter aufgefallen.

Eine kleine Sache im Text noch:

Schon klatschten seine nackten Füße die Treppe hinunter, als die Frau sich aufrichtete, dann aber doch im Bett blieb, weil sie genau wusste, wie es war und wozu es führte.

Für mich wird aus dem Kontext nicht ersichtlich, was gemeint ist.


Tja, am Ende schlägt die Stunde des Tigers. Das Agieren aus der Angst heraus und das Entscheidungen treffen auf Basis ungesicherter Erkenntnisse führen zur unvermeidlichen Konsequenz. Anders als bei anderen Geschichten kann man aber hier noch nichtmal über Pat, die Ratte, sagen: Geschieht ihm recht so. Dafür war der kleine dann doch zu sympathisch.

Ich habe die Geschichte wirklich sehr gerne gelesen und mich mit ihr beschäftigt, was man auch an der Länge meines Kommentars sehen kann. Ich hoffe trotzdem, Berg, dass ich Dich hiermit nicht erschlagen und nur Unsinn dahergeredet habe, was ich keineswegs ausschließen mag.:-)

Auf bald!

Theryn

 

Lieber Theryn,

ich verneige mich vor einer der längsten und durchdachtesten Kritiken, die je auf dieser Plattform gepostet wurden und fühle mich geschmeichelt, dass sie eine meiner Geschichten analysiert. All diese klugen Betrachtungen muss ich erst mal sacken lassen, bevor ich einzeln darauf antworten kann. Die wichtigste Grundzutat hast du erkannt und eine Menge Analogien und Bedeutungen gefunden, von denen mir manche beim Schreiben nicht bewusst waren. Dein Kommentar bestätigt nicht nur meine hohe Meinung von Deinen Fähigkeiten, sondern er lässt mich Literaturkritik und Textanalyse in einem neuen Licht sehen.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hallo zusammen!

@ Berg

Für Deine wohlmeinenden Worte meinen Kommentar und meine Person betreffend kann ich Dir nur sehr herzlich danken.

Ich hoffe nur, Dir keinen Bärendienst erwiesen zu haben. Es wäre zu schade, wenn mein Kommentar eine abschreckende Wirkung auf Deine Leserschaft hätte.:-)

Auf bald!

Theryn

Lieber Theryn,

ich verneige mich vor einer der längsten und durchdachtesten Kritiken, die je auf dieser Plattform gepostet wurden und fühle mich geschmeichelt, dass sie eine meiner Geschichten analysiert. All diese klugen Betrachtungen muss ich erst mal sacken lassen, bevor ich einzeln darauf antworten kann. Die wichtigste Grundzutat hast du erkannt und eine Menge Analogien und Bedeutungen gefunden, von denen mir manche beim Schreiben nicht bewusst waren. Dein Kommentar bestätigt nicht nur meine hohe Meinung von Deinen Fähigkeiten, sondern er lässt mich Literaturkritik und Textanalyse in einem neuen Licht sehen.

Freundliche Grüße,

Berg

 

ich auch nochmal ...

Angeregt durch Theryns Seminararbeit :D, hab ich mir auch noch ein paar Gedanken zur Geschichte gemacht, ich denke, man könnte den Text in Hinblick auf Satire auf zwei verschiedene Lesarten hin verstehen.

1. Die Insassen des Haushalts, also Menschen und Tiere zusammen, könnte man als Abbild eines Staates sehen. Die Menschen, der Vater vor allem, haben die Macht in diesem Staat. Als ein Fremder (das Tigerfell, es ist egal, dass das etwas Totes ist) in diese Gesellschaft kommt, entsteht zunächst bei den Untertanen Angst und sie machen sich Gedanken darüber, und die Katze, als das Tier, welches dem Tigerfell am ähnlichsten ist, wird zu einem Feindbild gemacht. An das Tigerfell selbst trauen sie sich nicht heran, und setzen so bei der vermeintlich schwächeren Katze an, bei der sie sich abreagieren können. Da die Mächtigen, die Menschen, davon keine Ahnung haben, das Ganze nicht durchschauen, weil es sie auch nicht kümmert und ihnen der Zugang zur Gedankenwelt der Tiere fehlt, üben sie nur (Staats-)Gewalt aus, um die Ruhe wieder herzustellen, ohne das eigentliche Problem anzugehen. Das Tigerfell wäre also dann ein Symbol für das Fremde in einer Gesellschaft, das vage Angstgefühle hervorruft und die Katze das Symbol für die, an denen man dieses Angstgefühl abreagieren kann.

2. Es ist ja interessant, dass da Tiere versammelt sind in diesem Haushalt, die eigentlich in natürlicher Feindschaft zueinander stehen. Vor allem die Katze ist ja von ihrer Natur her den anderen Tieren hier eher feindlich gesinnt: Hund, Vogel, Ratte. Aber anscheinend fehlt dieser Katze der natürliche Instinkt: Statt die Ratten zu jagen und zu fressen, lässt sie sich dazu überreden, mit ihnen hinauszugehen, um zu beweisen, dass der Tiger und somit auch sie harmlos sind. Wenn ich das Ende auf den ersten Punkt anwende, dann würde es ja heißen, dass dieses Fremde tatsächlich gefährlich ist, das wäre dann aber eine äußerst fragwürdige Aussage der Geschichte. Wenn ich die Geschichte aber so verstehe, dass die Kultur der Menschen die Tiere domestiziert und ihnen ihre Instinkte raubt, dann ist dieses Ende nur der Kontrapunkt zu diesen verhätschelten und instinktlosen Haustieren, der Tiger frisst die Ratte einfach, weil es eben seine Natur ist, die ihm auch mit ayurverdischem Gemüse nicht auszutreiben ist. So gesehen wäre die Geschichte eine Satire auf den Anspruch der Menschen, über die Tiere Gewalt auszuüben und ihnen so ihre Natur zu nehmen.

Ich denke, das ist wirklich eine gehaltvolle Geschichte. :)

 

Hallo nochmal, Theryn Reich-Ranicki ;)
Deine Kritik gibt mir die Möglichkeit, an einigen Stellen der Geschichte zu feilen. Ansatzpunkte sind die Dialoge, etwa zwischen Pat und Patachon. Auch die Vorgänge in der Psyche des Kakadus, bevor er mit seinem Kreuzzug gegen die Tiger-und-Katzen-Fraktion beginnt, werde ich genauer ausführen. Und das wird nicht einfach. Last, but not least, hast Du im Chat gefragt, warum Pat nicht zur Kenntnis nehmen will, dass das Tigerfell tot, der Tiger im Zoo aber lebendig ist. Ich finde, das ist einer der wichtigsten Hintergründe der Geschichte, also will ich damit anfangen: Das Tigerfell ist tot. Auch das Wissen über das Tigerfell ist etwas Totes, das sich auf die Vergangenheit bezieht. Auch unser Wissen, wenn wir es nicht zur Realität in Beziehung setzen, ist etwas Totes, was den Vorteil der Unveränderlichkeit mit sich bringt. Auch dazu werde ich in der Geschichte noch ein paar Worte schreiben und das wird ebenfalls nicht leicht.
Du sagst:

Ich bin kein Fachmann für Satiren, aber der Ton und der Erzählstil der Geschichte haben mir sehr gefallen. Fast jeder Absatz scheint mit einem Augenzwinkern zu enden. Eine sich zurücknehmende Art des intelligenten Humors, keine Holzhammerplatitüden. Wirklich sehr schön und vor allem mit einer spürbaren Selbstsicherheit geschrieben.
Solche Lobesworte freuen einen natürlich. ;)
Auf der anderen Seite schießt Du für meinen Geschmack manchmal über das Ziel hinaus und das sorgt für ein Stottern im Lesemotor. So ist die Stelle, an der der Kakadu sich an seine Heimat erinnert und ein großes Geschrei vom Zaun bricht natürlich auf die Perspektive des Vogels zugeschnitten, trotzdem leiden die Sprache und der Erzählfluss an der Stelle, wie ich finde.
Okay, da werde ich nochmal rangehen und mehr über das Innenleben des Vogels sagen und die zweite Erinnerungsstelle (vielleicht) weglassen.


Sehr schön fand ich die Zusammenfassung der gesamten Handlung in zwölf Zeilen. Falls du, liebe Leserin oder lieber Leser wissen willst, was in der Geschichte passiert, aber keine Lust hast, sie zu lesen, empfehle ich Theryns Zusammenfassung:

Die Harmonie des Zusammenlebens im Haus wird gestört, als der Familienvater einen toten Tiger, vielmehr sein Fell, als Dekoration ins Haus holt. Eine Verkettung ungünstiger Abläufe nimmt seinen Gang: Die Tochter spielt mit dem Tigerfell, erschreckt den Kakadu, der erinnert sich an die Angst der Menschen in seiner Heimat vor Tigern und gerät nun seinerseits in Panik.
Im Rahmen dessen wird die Hauskatze beschuldigt, ebenfalls ein Tiger zu sein. Nachdem der Kakadu vom Familienvater entnervt weggeschafft worden ist, denkt sich der Familienhund, es müsse da einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden des Vogels und der als gefährlich einzustufenden Katze geben. Der Hund macht mobil, frisst der Katze das Futter weg und drangsaliert sie, wird dann aber vom Familienvater mit der Zeitung gezüchtigt.
In der Zwischenzeit hat sich eine der beiden Käfigratten eingehend mit dem Tigerfell beschäftigt und ist zu dem Schluss gekommen, Tiger seien ungefährlich. Nach dem gemeinschaftlichen Ausbruch der beiden Ratten, bietet die expeditionsfreudige Ratte Pat, die das Tigerfell studiert hat, der Katze an, ihre Unschuld zu beweisen.
So reisen beide zum örtlichen Zoo, wo sie einen lebenden Tiger in seinem Käfig aufsuchen. Die Geschichte endet mit der von dem Tiger verschlungenen Ratte Pat, die somit unweigerlich die Hauskatze ratlos zurücklässt.

Du schreibst:
Die Interpretation der Geschichte gestaltet sich etwas schwierig.
Dieser Meinung bin ich nicht. Die Geschichte ist leicht verständlich, sie spricht nur eben vieles an. Manches von dem was du in deiner Kritik herausarbeitest, war mir beim Schreiben zwar gegenwärtig, ist aber ohne Planung mit eingeflossen.
Auffällig ist, dass die in dem Haus lebenden Menschen konturlos, gesichtslos und in der Konsequenz auch namenlos bleiben.
Sie sind Nebendarsteller und haben die Atmosphäre geschaffen, in der diese Geschichte passieren kann.

Von einer lebendigen Naturgewalt oder gar Göttlichkeit innerhalb des Raums zu sprechen, wäre mit Sicherheit zu viel gesagt, trotzdem ist diese übergeordnete Instanz für die Tiere, die sich ihr unterordnen, abstrakt und wenig nachvollziehbar. (…)
die schweren Schritte der Frau und die Bestrafung des Kakadus und des Hundes durch den Mann offenbaren die Übermächtigkeit dieser dreifaltigen Instanz im Raum.
Sehr schön ausgedrückt: Dreifaltigkeit und Übermächtigkeit und Göttlichkeit innerhalb des Raums. :D

Wesenszüge der Tiere:

Zentrales Motiv der Geschichte ist meiner Meinung nach das Anstoßen von Gedankengängen, ein anschließend einsetzender, ungenügender Reflexionsprozess und die darauf aufbauende Aktion der jeweiligen Figur.
Ein weiteres Motiv ist das Fortlaufen der Handlung durch eine unzureichende Kommunikation untereinander.
Genauso nehme ich die politische Diskussion, besonders in Deutschland, wahr: Reize lösen vorgegebene Urteile und heftige emotionale Reaktionen aus, und die wenigsten sind bereit, sich ernsthaft mit den „Gegnern“ auseinanderzusetzen. Vor allem darauf zielt die Satire ab:

An seine Freiheit wie an seine Gefangennahme gleichermaßen erinnert, macht er sich die Angst der Menschen, die "mächtig" genug waren, ihn einzufangen, zu eigen. Als die Katze dann mit dem Fell spielt, lässt er seinen Gefühlen freien Lauf und bringt sie unreflektiert zum Ausdruck.

Genau dieses Verhaltensmuster entdecke ich immer wieder in Talkshows und Politikerzitaten:
Er zieht eine unglückselige Verbindung zwischen dem Tigerfell und der Katze, indem er äußerlich wahrnehmbare Ähnlichkeiten konstatiert. Daraus leitet er ab, dass die Katze ebenso gefährlich sei, wie der Tiger und proklamiert, man müsse sie mit allen Mitteln ausschalten.

Du hast im Chat geschrieben, dass ich auch an der Katze noch etwas machen könnte. Hiermit auf die Liste gesetzt! Diese Gedankengänge, dass man zu unrecht beschuldigt und angegriffen wird, sich aber trotzdem fragt, ob man etwas falsch gemacht hat, kennt ja auch fast jeder.

Seine Grenzen erfährt der Hund erst, als er versucht, mit seinen Mitteln die höhere Instanz auf die Gefährlichkeit der Katze und die Gerechtigkeit seines Handelns hinzuweisen, wofür er gemaßregelt wird.
Durch die Bestrafung des Hundes mit der Zeitung, sieht er sich gezwungen, sein eigenes konstruiertes Weltbild um das unerklärliche Verhalten der übergeordneten Instanz zu ergänzen. In dem späteren Gespräch mit der Ratte Pat hat man den Eindruck einer beginnenden "Sakralisierung" des Tigerfells. Durch die Bestrafung durch den Familienvater wurde das Fell selbst auf einer höheren Ebene legitimiert, wurde von einer vagen zu einer übernatürlichen Bedrohung, von einem Fremdkörper zu einer weiteren Konstante im Raum, in dem sich der Hund bewegt.
Sehr schön beobachtet! Der Hund verhält sich wie ein religiöser Eiferer.
Die beiden Ratten Pat & Patachon sind die einzigen Tiere, die sich um eine rationale Sicht der Dinge bemühen, dabei teilen sie jedoch weder Motivation noch Standpunkt.
Patachon hat wegen seiner eher passiven Einstellung dabei weniger ein Problem, als Pat. Der geht nämlich fatalerweise davon aus, seine Wahrnehmung reiche, um sich ein allumfassendes Bild und eine eingehende Analyse der Situation vornehmen zu können.
Pat ist Wissenschaftler und Empiriker. Patachon denkt vor allem an seine Bequemlichkeit und ans Fressen. Also quasi ein Physiker und ein Ökonom. ;)
Manchmal hat man den Eindruck, Patachon hätte als konstruktiver Gegenpart seinen Käfigkameraden dazu bringen können, dessen Analyseverfahren kritisch zu hinterfragen. Patachon scheint indes seine passive Einstellung im Weg zu sein. Seine Bedenken äußert er nur halbherzig.
Vielleicht mache ich daran ja noch etwas.

Am Ende erweist sich die für die Ratte Pat logische Schlussfolgerung als fataler Trugschluss. Noch während er dies erkennt, beharrt er darauf, seine Annahme auf einer logischen Beweiskette aufgebaut zu haben: "Aber das kann nicht sein... Man weiß doch..."
Die eigenen fest gefügten Ansichten zu ändern ist eben schwierig, auch wenn das eigene Leben davon abhängt.

Was die Satire kritisiert:

Am Anfang sitzen wir auf einer erhöhten Position. Wir sehen die Menschen, erfahren etwas über ihre Motive und Ansichten. Überspitzt wird die Anhäufung lebender Tiere zugunsten der Kindererziehung dargestellt.
Ich würde es Verwahrlosung nennen. Das autoritäre und kalte Verhalten, besonders des Mannes, war mir nicht so stark bewusst wie es in deiner Kritik zum Ausdruck kommt.


Das Angstgefühl des Kakadus ist vielleicht noch nachvollziehbar, wenn man das Bild auf den Menschen überträgt. Aber der Schritt zur Verurteilung der Katze geschieht recht leichtfertig und unreflektiert. Und wie im echten Leben sind die Konsequenzen aus so einem Verhalten heraus verheerend.
Angst ist ein gutes Stichwort. Angst und unreflektiertes Verhalten: Geschrei, statt mal nachzudenken oder miteinander zu reden!

Alles in allem fand ich diese Satire wirklich hervorragend. Aber sie hat auch ein paar Unschärfen drin, die mich daran hindern, sie zu empfehlen.
Darüber haben wir ja nun gesprochen. :)

Aus demselben Grund habe ich auch ein Problem mit der Darstellung der Menschen, wenn man als Leser in die höhere Perspektive wechselt. Hier entsteht ein ähnlicher Eindruck, weil auch hier nur negative Eigenschaften bzw. Auswüchse hervorgehoben werden. Die sind für sich genommen super zu lesen, aber das, was der Autor ausdrücken möchte geht in dem Konglomerat an Eindrücken unter.
Mir macht es Spaß, über Schurken und Dummköpfe zu schreiben. Aber auch das werde ich mal auf die Liste setzen: Nachdenken, ob man die Menschen klüger und sensibler und vielschichtiger machen könnte.

Was mich ebenfalls ein wenig gestört hat war die Beschreibung der Tiere. Ihre Einfältigkeit und der Mangel an Wahrnehmung und Selbstreflexion scheint mir bisweilen zu plakativ.
Gerade darum kann die Geschichte ja funktionieren.
Und noch ein schönes Zitat, das alles zusammenfasst:
Tja, am Ende schlägt die Stunde des Tigers. Das Agieren aus der Angst heraus und das Entscheidungen treffen auf Basis ungesicherter Erkenntnisse führen zur unvermeidlichen Konsequenz. Anders als bei anderen Geschichten kann man aber hier noch nichtmal über Pat, die Ratte, sagen: Geschieht ihm recht so. Dafür war der kleine dann doch zu sympathisch.

Mal schauen, wann ich Muße und Inspiration habe, die Geschichte zu überarbeiten. Jedenfalls vielen Dank für deine durchdachte, ernsthafte und interessante Kritik!

@Andrea: Zu deiner Fleißaufgabe werde ich mich natürlich auch noch gebührend äußern. ;)

Vielen Dank!

Berg

 

Hallo nochmal!

@ Berg

Deine Erwiderung auf den Kommentar gibt mir Gelegenheit, ein paar wenige Details zu ergänzen und Dir mit eigenen Worten nahe zu bringen:

Dieser Meinung bin ich nicht. Die Geschichte ist leicht verständlich, sie spricht nur eben vieles an. Manches von dem was du in deiner Kritik herausarbeitest, war mir beim Schreiben zwar gegenwärtig, ist aber ohne Planung mit eingeflossen.

Ja, da gebe ich Dir recht, sie ist erstmal recht einfach zu interpretieren. Eine Kontrastfigur und ein eventuelles Übermaß an "Aromen" habe ich deswegen angesprochen, da ich der Meinung bin, die Kritik, die Dir wichtig ist, könnte noch schärfer heraus gearbeitet werden.


Genauso nehme ich die politische Diskussion, besonders in Deutschland, wahr: Reize lösen vorgegebene Urteile und heftige emotionale Reaktionen aus, und die wenigsten sind bereit, sich ernsthaft mit den „Gegnern“ auseinanderzusetzen. Vor allem darauf zielt die Satire ab:

Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich beim Lesen der Geschichte ab und an die Befürchtung hatte, Du hättest Dir die Stammtischplaudereien im Chat, an denen auch ich gerne lautmalerisch und, sagen wir, engagiert beteiligt bin, als Inspirationsquelle herangezogen.;-D


Pat ist Wissenschaftler und Empiriker. Patachon denkt vor allem an seine Bequemlichkeit und ans Fressen. Also quasi ein Physiker und ein Ökonom. ;)

Wie schon gestern im Bezug auf das Tigerfell gesagt ("ALLE Tiger sind tot"), finde ich auch dieses Bild hervorragend, wird mir aber in der aktuellen Version der Geschichte nicht stark genug dargestellt. Da ist noch Stoff für tolle Bilder.


Auf bald!

Theryn

 

Hallo,

Vor der Ledercouch und den beiden Polstersesseln lag das Tigerfell, erst heute morgen mit DHL geliefert und zwischen den vier Menschen im Raum lag peinliches Schweigen,
Eigentlich: ein Tigerfell; und die Lösung mit lag/lag ist nicht optimal. Entweder lag oder Tigerfell … und zwischen den vier Menschen im Raum peinliches Schweigen.
Oder mit herrschte oder einem ungewöhnlicheren Verb.

um Dino der Echse Lebendfutter zu geben
Dino, der Echse, - so wie es hier steht, klingt es als sei es der Name eines Königs: Dino der Echste, verneigt euch vor seinem Glanz.


Schon klatschten seine nackten Füße die Treppe hinunter, als die Frau sich aufrichtete, dann aber doch im Bett blieb, weil sie genau wusste, wie es war und wozu es führte. Der Kakadu in seinem Käfig, längst mit einer Wolldecke verhüllt, musste den Rest der Nacht im Geräteschuppen verbringen.
Das ist verwirrend. Der erste Satz wirkt wie: Nun fangen wir an, zu beschreiben, was die Frau sich ausmalt. Der nächste Absatz ist aber das, was geschehen ist.

„Also, ich weiß nicht... Für mich sieht er sehr tot aus.
Dreifachpunkte schließen direkt an ein Wort an, wenn das Wort selbst nicht ausgeführt wird. (Sch… statt Scheiße). Ansonsten immer mit Leerzeichen.
Und die Zeichenkombination .“, gibt es nie. Der Punkt fällt in der Situation immer weg.

Es ist ja klar, dass die Geschichte eine Fabel sein muss oder sich zumindest stark an der klassischen Fabel anlehnt, die Tiere sprechen und sind vermenschlciht, wo sie in der klassischen Fabel aber für menschliche Eigenschaften stehen, für Archetypen, (der listige Fuchs, der mächtige Löwe, das dumme Schaf) finde ich es hier unschärfer. Weil die Tiere noch im Tiersein verhaftet sind, der Kakadu hat noch eine Erinnerung an seine Vergangenheit; in der Fabel sagt der Fuchs nie: „Das habe ich im Bau gelernt“.
Es ist also keine pure Fabel und das ist vielleicht auch das Problem, weil eine Fabel eigentlich immer etwas leicht Greifbares darstellt, eine menschliche Wahrheit, die in der Abstraktion klar und deutlich wird. Eine Fabel kann clever sein, richtig geistreich, ein Geniestreich, aber sie ist immer ganz einfach gehalten.
Die Geschichte hier stellt da komplexere Überlegungen an (ich denke es kann hier nicht um die artgerechte Haltung von Tieren gehen … das wär ja völlig hohl), sondern es geht darum wie Wahrnehmungen und Rollen die Entscheidungsfindung beeinflussen. Theryn hat da ja schon viel zu gesagt. Es geht sicher auch ein Stück weit darum, dass die Figuren isoliert sind und ihre Rolle spielen. Der Kakadu ist der Mahner, der Hund der Wächter. Beide sehen sich im Recht, so wie sich jeder selbst im Recht sieht, sonst würde er eine andere Meinung vertreten.
Es bricht dann wieder die Fabel, weil es hier einen Menschen gibt, den Vater, der nicht weiß, dass er in einer Fabel mitspielt, sondern sich so wie ein Mensch verhält. Er gesteht den Tieren keine Motivation zu, sondern schert sich nicht um deren Gründe, sieht nur das Resultat (Kakadu und Hund gehen ihm auf die Nerven) und bestraft das. Auch die Ratten, die sich dann mit Werkzeuggebrauch aus ihrer Lage befreit, ist untypisch für die Fabel.
Da setzt auch ein meine Kritik an, es wird dann die innere Logik der Geschichte gebunden und gebogen und gedehnt, bis es halt irgendwie passt. Also die Ratte kann selbst ein Loch bohren, der Mensch hält sie aber für eine Wald- und Wiesenratte, da prallen zwei Realitäten aufeinander. Und irgendwie steht da wohl auch noch die Farm der Tiere im Hintergrund.
Also meins ist die Geschichte nicht, ich finde es gut, dass so etwas gemacht wird, glaube aber, dass die Fabel Klarheit und einfache Strukturen verlangt. Und für eine Fabel ist hier an zu vielen Baustellen gebohrt. Du willst hier auf einen logischen Trugschluss hin, so wie in „Der Hund ist ein Tier. Die Katze ist ein Tier. Der Hund ist eine Katze“, das ist der Fehler, den die Ratte macht: „Das Tigerfell ist nicht aggressiv. Der Tiger ist dasselbe wie ein Tigerfell. Der Tiger ist nicht aggressiv.“
Aber die Motivation, einen Tiger im Zoo zu besuchen, woher kommt die? Woher wissen die von dem Zoo? Was will er damit beweisen? Dass ein „lebender Tiger“ so ungefährich ist wie sein Fell? Es ist da nicht klar, wie clever diese Ratte überhaupt ist. Wenn er davon ausgeht, dass der Tiger ungefährlich ist und nicht erkennt, dass er tot ist, wie kommt er dann auf die Idee einen lebendigen zu suchen?
Es passt einfach von der Logik her für mich nicht zusammen:

„Komm mit, Kitty-Kat! Wir müssen einen Tiger finden. Nur so können wir deine Unschuld beweisen.“
Denn er hat den Tiger ja schon gefunden, er sagt:
Der Tiger hat sich nicht ein einziges Mal aggressiv verhalten.“
Also ist das nur zu erklären, wenn er von der Idee ausginge, dass etwas totes Abgelegtes sich so verhält wie sein ehemaliger Besitzer. Und die Idee ist so absurd, dass sie zumindest ausgeführt werden müsste, zumal die Geschichte auf dieser Idee ruht.


Davon ab hab ich die Geschichte gern gelesen, weil sie frisch daherkommt, und durchaus Vergnügen beim Lesen macht, einzelne Szenen sind herrlich geschrieben, wenn das Mädchen mit dem Fell spielt oder die Szenen mit Katze und Hund.

Gruß
Quinn

 

Hallo,

@Andrea: Du bringst zwei interessante Betrachtungsweisen mit ein: Der Haushalt als kleiner Staat, den das Fell als etwas Fremdes erschüttert und die von ihren Instinkten entfremdeten Tiere.

Du sagst:

Da die Mächtigen, die Menschen, davon keine Ahnung haben, das Ganze nicht durchschauen, weil es sie auch nicht kümmert und ihnen der Zugang zur Gedankenwelt der Tiere fehlt, üben sie nur (Staats-)Gewalt aus, um die Ruhe wieder herzustellen, ohne das eigentliche Problem anzugehen. Das Tigerfell wäre also dann ein Symbol für das Fremde in einer Gesellschaft, das vage Angstgefühle hervorruft und die Katze das Symbol für die, an denen man dieses Angstgefühl abreagieren kann.
Dieser Gedanke gefällt mir: eine Elite, die von den Problemen der "Gesellschaft" abgekoppelt ist, und der sie im Grunde auch egal sind. Das ist natürlich eine bösartige Überlegung, weil sie der Elite die Fähigkeit zur Führung abspricht. Die Angst vor dem Fremden ist erst einmal natürlich, da man das Fremde nicht einschätzen kann und mehr darüber erfahren muss, bis es berechenbar wird. Leider gehen die Tiere bei der Deutung des Tigerfells nicht sehr klug vor. Daran werde ich noch was machen, damit es plausibler wird. ;)

Wenn ich die Geschichte aber so verstehe, dass die Kultur der Menschen die Tiere domestiziert und ihnen ihre Instinkte raubt, dann ist dieses Ende nur der Kontrapunkt zu diesen verhätschelten und instinktlosen Haustieren, der Tiger frisst die Ratte einfach, weil es eben seine Natur ist, die ihm auch mit ayurverdischem Gemüse nicht auszutreiben ist.
So war es gemeint, ja. :)

@Theryn:

Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich beim Lesen der Geschichte ab und an die Befürchtung hatte, Du hättest Dir die Stammtischplaudereien im Chat, an denen auch ich gerne lautmalerisch und, sagen wir, engagiert beteiligt bin, als Inspirationsquelle herangezogen.
Eigentlich nicht. Die Idee ist mir irgendwann vorletzte Woche in der Straßenbahn beim Lesen eines Revolverblatts gekommen.

@Quinn: Danke für die Hinweise auf sprachliche Schludrigkeiten!

Es ist also keine pure Fabel und das ist vielleicht auch das Problem, weil eine Fabel eigentlich immer etwas leicht Greifbares darstellt, eine menschliche Wahrheit, die in der Abstraktion klar und deutlich wird. Eine Fabel kann clever sein, richtig geistreich, ein Geniestreich, aber sie ist immer ganz einfach gehalten.
Beim Posten der Geschichte war ich nicht sicher, ob sie funktionieren würde, weil das ganze doch sehr komplex und schräg ist. Um eine Fabel in der klassischen Form handelt es sich nicht. Die Tiere, die jeweils eine stark übertriebene Eigenschaft haben, bieten sich an, in einer Satire einen Typus zu karikieren.

Die Geschichte hier stellt da komplexere Überlegungen an (ich denke es kann hier nicht um die artgerechte Haltung von Tieren gehen … das wär ja völlig hohl), sondern es geht darum wie Wahrnehmungen und Rollen die Entscheidungsfindung beeinflussen. Theryn hat da ja schon viel zu gesagt. Es geht sicher auch ein Stück weit darum, dass die Figuren isoliert sind und ihre Rolle spielen. Der Kakadu ist der Mahner, der Hund der Wächter. Beide sehen sich im Recht, so wie sich jeder selbst im Recht sieht, sonst würde er eine andere Meinung vertreten.
So war es gemeint, ja. Jeder Figur ist mit ihrer Rolle eine bestimmte Art zu handeln zugeordnet.

Also meins ist die Geschichte nicht, ich finde es gut, dass so etwas gemacht wird, glaube aber, dass die Fabel Klarheit und einfache Strukturen verlangt. Und für eine Fabel ist hier an zu vielen Baustellen gebohrt. Du willst hier auf einen logischen Trugschluss hin, so wie in „Der Hund ist ein Tier. Die Katze ist ein Tier. Der Hund ist eine Katze“, das ist der Fehler, den die Ratte macht: „Das Tigerfell ist nicht aggressiv. Der Tiger ist dasselbe wie ein Tigerfell. Der Tiger ist nicht aggressiv.“
Daran werde ich was machen müssen, um das hinzubiegen.
Schön, dass dir ein paar Szenen Vergnügen bereitet haben!

Freundliche Grüße,

Berg

 

He Berg,

du hast ja schon genug lange Kommentare zu deiner Geschichte bekommen, (die ich nicht gänzlich gelesen habe) deshalb jetzt mal ein verhältnismäßig knapper ;)
Mir hat die Geschichte gut gefallen. Liest sich sehr flüssig, die Handlung ist unvorhersehbar und du wurfst viele Punkte auf, die zum Nachdenken anregen.
Diesen Satz würde ich ersatzlos streichen:

Kurz: Seit der Ankunft des Tigerfells herrschte unter den Tieren große Verwirrung.
Oder kannst du mir die Funktion erklären? Auch der dümmste Leser hat jetzt begriffen, dass Verwirrung vorherrscht.

Was auch ein bisschen ungelenk wirkt, ist die Entscheidung, einen echten Tiger im Zoo aufzusuchen. Das kommt sehr plötzlich und wirkt unlogisch, sofern man hier von Logik sprechen kann. Woher wissen die Tiere vom Zoo?

Eine gewisse Verwandtschaft sehe ich zu deinem Letzten Text mit dem Fuchs. In meiner Lesart wird hier mit einer ähnlichen Fragestellung geliebäugelt. Aber das tut diesem Text keinen Abbruch.

Ansonsten auch sehr schön, wie du das Mädchen agieren lässt. Trotz der wenigen Konturen, konnte ich mir ihre Auftritte bildlich vorstellen.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hi weltenläufer,

danke für deine Meinung! Bei der Kaninchen-Geschichte geht es um Technik und Machbarkeit, bei dieser mehr um Wissenschaft und Macht. An der Logik der methodischen Vorgangsweise von Pat muss ich, wie gesagt, noch arbeiten. ;)
Die folgende Stelle war als eine Art Übergang gedacht, als Zusammenfassung eines Abschnitts, der den Leser noch einmal eine Pause machen lässt, bevor etwas anders kommt:

Kurz: Seit der Ankunft des Tigerfells herrschte unter den Tieren große Verwirrung.
Ich weiß noch nicht, ob ich ihn lassen oder löschen soll. Momentan tendiere ich zu ersterem.

Freundliche Grüße,

Berg

 

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