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The tales from Berlin-Schöneberg

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05.12.2012
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The tales from Berlin-Schöneberg

Der Tourette-Rocker


Eines Morgens in meinem Lieblings-Café. Mir gegenüber saß ein, der Kleidung nach zu urteilen, Rocker. Er murmelte die ganze Zeit unzusammenhängendes Schimpfzeug vor sich her: " Allet Scheiße hier. Fotzen! Fotze! Verpiss dich! Ick hau dir gleich n Ding inne Fresse. Fotze hier. Schlampe." Währenddessen verspeiste er seelenruhig sein Frühstück. Er unterbrach es nur dann, wenn er meinte einen Fluch ausstoßen zu müssen. Generell schien ihm das Fluchen sehr viel Freude zu bereiten. Er hatte des Öfteren einen leicht manisches Lächeln.

Jedenfalls wurde ich in meiner Ruhe immer wieder unterbrochen. "Fotze! Man man man. Glei knallts! Du Hampelmann, do ". Ich machte mir Gedanken, was den lieben Rocker so verärgert haben könnte. Er schaute weder mich noch irgendwen anderes im Café an. Er saß da ganz friedlich und aß brav seinen Bacon.
Er hatte etwas mitleiderregendes. Ich konnte seinen Unmut nicht verstehen und mutmaßte dann, dass ihm seine Rockerfreunde übel mitgespielt haben müssen. Vielleicht haben sie sein Motorrad versteckt oder sein Nummernschild mutwillig verbogen. Einen falschen Sticker auf die Kutte genäht, wenn nicht gar schrecklichere Verbrechen begangen. Oder seine Freundin/ Frau hatte ihm ein sehr dürftiges Frühstück gekocht, weshalb er sich jetzt hier befand.
"Fotze!!!" drang es an mein Ohr. Diesmal etwas lauter. Andere Gäste schauten vorsichtig in seine Richtung. Er machte mir auch etwas Angst. Er bestellte sich noch Eier nach. Ganz freundlich und zuvorkommend. Die Bedienung konnte also auch nicht Auslöser seines Ärgers sein. Kaum war sie weg, schoss es wieder "Ick hau dir glei uffe Fresse!" gedämpft aus seinem Mund. Hatte er am Ende doch Tourette? Er orderte dann noch höflich einen Espresso und zwei Sambuca, welche er hastig herunterkippte. Die Reste des Italienischen Likörs tropfte er in den Espresso, den auch so schnell wie die Temperatur es zuließ, in sich hinein stürzte. Dann zog er seine Kutte über und ging. Das Geheimnis seines Ärgers nahm er mit auf die Straße.

 
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Krasser Tobak ;)

der Kleidung nach zu urteilen,

Evtl. kämen hier Details besser (Einzelheiten der Kutte, z.B. welche Club-Abzeichen), Stiefel, Lederwams, whatever ...) statt allgemein von Kleidung zu sprechen.

Italienischen Likörs
Da es hier adjektivisch gebraucht wird, müsste "italienisch" klein geschrieben werden.

etwas mitleiderregendes.
Das "mitleid..." wiederum müsste hier, glaube ich, groß geschrieben werden,
da es durch das "etwas" substantiviert wird.


Sehr, sehr cool finde ich den letzten Satz:

Das Geheimnis seines Ärgers nahm er mit auf die Straße.
Damit der mehr Wirkung entfaltet, würde ich den mit einem Absatz vom vorherigen Satz trennen. Auch an anderen Stellen käme es meiner Meinung nach besser, wenn du öfters mit Absätzen arbeitest, gerade bei der wörtlichen Rede, z.B.:
Jedenfalls wurde ich in meiner Ruhe immer wieder unterbrochen. "Fotze! Man man man. Glei knallts! Du Hampelmann, do ". Ich machte mir Gedanken, was den lieben Rocker so verärgert haben könnte.
Das würde meiner Meinung nach besser so aussehen:
Jedenfalls wurde ich in meiner Ruhe immer wieder unterbrochen.
"Fotze! Man man man. Glei knallts! Du Hampelmann, do ". (Kein Leerzeichen nach dem "do")
Ich machte mir Gedanken, was den lieben Rocker so verärgert haben könnte.
den auch so schnell wie die Temperatur es zuließ
Hier fehlt nach dem "den" ein "er", oder?

Aber das sind letztlich Feinheiten. Insgesamt hast du die Episode herrlich rübergebracht und ich frage jetzt einfach mal nicht, ob das 'echt so passiert ist'. Ich hoffe auf jeden Fall, dass du mehr von diesen Schöneberg-Tales auf Lager hast bzw. noch schreiben wirst.

Groetjes,

Duncan

 

Mir fehlt in dem Text ein sinnstiftendes Moment. Ist so als würde man einem Theaterschüler eine Rollenkarte geben, der setzt sich hin und improvisiert dann "Tourette-Rocker", nur hat man vergessen, den anderen Schülern auch eine Karte zu geben und nach 5 Minuten wird allen langweilig und man macht was anderes.
Eine Geschichte entwickelt sich irgendwohin, läuft auf irgendetwas zu, es gibt viele "und danns" in einer Geschichte. Hier in der Geschichte gibt es nur eine Sache. Ein Rocker ißt Frühstück und schimpft dabei in den leeren Raum vor sich hin. Das ist ja auch gut, aber für eine Geschichte braucht es eigentlich noch ein "Und dann ..."
So wird mir dein Text nicht in Erinnerung bleiben.

 
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Hallo kriztofer zlo

Das Geheimnis seines Ärgers nahm er mit auf die Straße.

Ich empfinde diese Stelle abwertend und beleidigend den Betroffenen gegenüber. Schade das du dich vor dem Schreiben nicht eingehender mit diesem Syndrom befasst hast.

LG
Nachtschatten

PS: Es steht in der Rubrik Humor, was gibt es jetzt zu lachen?

 

Also mir ist das wirklich passiert, ich fand es lustig, also rein in das Forum.

Mir wäre konstruktive Kritik wie die deiner Vorgänger eigentlich lieber. Ob du es jetzt witzig findest, ist mir relativ egal. Humor ist subjektiv.

Ach ja: Die Behinderten-Keule zu schwingen, ist typisch deutsch. Wenn sich ein Tourette-Kranker bei mir beschweren würde, wäre das etwas anderes. Dann würde ich die Geschichte rausnehmen. So ist es einfach nur billig und populistisch.

 

Hallo kriztofer

Mir wäre konstruktive Kritik wie die deiner Vorgänger eigentlich lieber.*
Schade nur, dass du mif kejner Silbe darauf eingehst. Damit verspielst du dir hier weitere Kritiken. ;)

Ich kann mich da nur Quinn anschließen, in djeser Form ist das nichts. Das ist übrigens typisch für erlebte Dinge, die man 1:1 als Geschichte wiederzugeben versucht. Man kettet sich zu sehr an dasErlebte und verliert aus den Augen, was eine Geschichte ausmacht. Also das was verdrängt zu arg das wie.

Dann noch die Frage zum Titelzusatz kurz & gut. Hast du dich über das challenge informiert? Finde das thematisch jetzt sehr lose ...

Grüßlichst
Weltenläufer

 

Hallo kriztofer,

ich denke, auch Nachtschattens Kritik solltest du als Autor ernst nehmen. Es kommt dir doch darauf an, wie das, was du schreibst, aufgenommen wird. Und wenn dir jemand sagt, Huch, hier hast du eine Grenze überschritten, dann sollte man hochrechnen; es ist nämlich nicht nur ein Leser, der das sagt: Er steht stellvertretend für eine ganze Gruppe, die genau so denkt. Wie groß diese Gruppe prozentual ist, kann man bei ein paar Kommentaren nicht so recht abschätzen, aber: Diese Gruppe scheint zu existieren.
Und dann kann es echt nicht die Lösung sein, zu sagen: Typisch Deutsch! Ausser natürlich, es geht dir genau darum, dieses Deutschsein provozieren/entlarven/sonstwas zu wollen. Aber ich nehme an, deshalb hast du diese Szene da nicht geschrieben.

Zum Text selbst.
Als ich Quinns Kommentar las, da dachte ich, Tja, jetzt hat er wieder alles gesagt. :)

Du hast das in Humor gepostet. Gleichzeitig schreibst du:

Ob du es jetzt witzig findest, ist mir relativ egal. Humor ist subjektiv.
Hm. Und jetzt? Ich meine, warum stellst du das dann überhaupt hier rein, wenn es dir scheinbar gar nicht darum geht, Andere zum Lachen zu bringen? Und ich habe mit Absicht scheinbar geschrieben, nicht anscheinend. Ich kaufe es einfach niemandem ab, der sagt, Ob ihr das witzig findet, ist mir doch egal. Das wäre das Gleiche zu sagen: "Ich habe die Geschichte in Philosophisches/Horror/Spannung gepostet; ob das Jemand philosophisch/gruselig/spannend findet, ist mir doch egal."

Da bräuchte man ja gar nicht mehr hier ins Forum gucken, gäb nämlich nix zu sehen, außer Selbstbeweihräucherung.

Es bringt gar nichts, wenn man sagt, ist mir doch egal. Du bist doch hier, um zu lernen oder? Um zu erfahren, ob deine Geschichte funktioniert oder eben nicht. Und wenn nicht, willst du doch wissen, weshalb.
Und gerade in der Rubrik Humor ist das verdammt schwer. Ich spreche aus Erfahrung. :)

Also dein Text funktioniert nicht. Ich habe noch nicht mal gelächelt. Und das liegt, denke ich, daran, dass da tatsächlich kein Inhalt ist. Da sitzt einer und flucht grundlos(?) vor sich hin. Und geht dann.
Und in einem Punkt muss ich Nachtschatten Recht geben. Die Tatsache, dass du die ganze Szene einen Tourette-Touch gibst, macht die Sache nicht besser, sondern zusätzlich problematischer. Denn du sagst eigentlich nichts anderes, als: Ich saß da letztens und dieser Typ hat die ganze Zeit grundlos geflucht. Die wahrscheinlichste Erklärung ist Tourette. Das war so geil!
Nein. Ist es nicht.

Gruß,
PSS

 
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Dann werde ich mal kurz versuchen zu erläutern, weshalb mir die Geschichte gefallen hat (das hat sie nun einmal, jedenfalls heute Morgen beim Frühstückskaffee):
- Kriztofer schildert in sehr wenigen Worten eine außergewöhnliche Situation, die im Grunde die Brüchigkeit unserer Alltagswelt thematisiert. Da ist das "Lieblings-Café", ergo ein Ort, an dem der Ich-Erzähler sich oft und gerne aufhält, wo die Welt in Ordnung ist und alles in geordneten Bahnen verläuft.
Nun taucht an diesem Ort plötzlich eine Figur auf, die sich entgegen jeglicher festgeschriebener Regeln und Konventionen eines Cafés verhält. Erst der Bruch der herrschenden Kommunikationsregeln (die unadressierten, in den leeren Raum gesprochenen Schimpfwörter aus der vulgärsten Schublade) führt hier vor, dass öffentliche Räume (wie Cafés, Restaurants, Kinos etc.) über ganz bestimmte Codes funktionieren, die das System (in diesem Fall das Lieblings-Café) stabilisieren. Wenn sich nun jemand (in diesem Fall der Rocker) diametral entgegen gesetzt zur herrschenden Verhaltensnorm verhält, dann stellt er damit zugleich das gesamte System in Frage bzw. er bedroht die darin sich befindlichen, gemütlich ihren Latte Macchiato schlürfenden Ensemble-Mitglieder, weil er das bestehende System eigenhändig umschreibt bzw. -programmiert. Deshalb schauen die "anderen Gäste vorsichtig in seine Richtung", eben weil sie merken, dass sich ein Fremdkörper unter ihnen befindet, der anders ist.
(Unfreiwillige bzw. peinlich berührte) Komik ist eine Möglichkeit, mit einer solchen Situation umzugehen (Ähnliches Phänomen: Gelächter bei einem Horrofilm u. übertriebener Gewalt). Stillschweigen/Ignorieren oder aber Eskalation (d.h.: man versucht, den Störfaktor schnellstmöglichst aus dem Radius der Ruhe und Ordnung zu befördern) wären alternative Handlungsmöglichkeiten.
Ich fand die Geschichte lustig, weil sie vollkommen offen lässt, welches pathologische Symptom der Schimpfwortkanonade des Rockers eigentlich zu Grunde liegt. Der Ich-Erzähler vermutet ja nur, dass es sich um das Tourette-Syndrom handeln könnte. Zugleich wird aber auch die Möglichkeit thematisiert, dass seine Rockerbande oder seine Frau etwas damit zu tun haben könnte. Und so verstehe ich den abschließenden Satz auch nicht ironisch im Sinne eines "Hahaha-der-doofe-Tourette-Rocker-hat-sich-nicht-unter-Kontrolle-und-ich-mach-mich-lustig-darüber" sondern tatsächlich als ein offen im Raum stehendes "Geheimnis", das seinen Reiz gerade daraus zieht, dass es der Figur nicht auf den Grund geht.
Ich finde es immer sehr schwierig, beurteilen zu können, inwieweit der Erzähler eines Textes (= nicht der Autor) für moralisch fragwürdige Positionen haftbar gemacht werden kann. So könnte man Homer z.B. in seiner Ilias für Sätze wie

Nach ihm dem Demoleon jetzo, / Jenem tapferen Wehrer der Schlacht, Antenors Erzeugtem, / Stieß er den Speer in den Schlaf, durch des Helms erzwangige Kuppel: / Wenig hemmte das Erz den Stürmenden; sondern hindurch drang / Schmetternd die eherne Spitz' in den Schädel ihm; und sein Gehirn ward / Ganz mit Blute vermischt [...]
(Homer: Ilias, übers. v. Johann H. Voß, Frankfurt a.M. 2008, S. 657) vorwerfen, er würde Krieg und Gewalt auf Kosten der Opfer verherrlichen und hätte das alles auch weniger blutig bzw. provokativ darstellen können.
Ja, könnte man, aber was bringt das? Es ist ein Bestandteil bzw. ein (zumindest hierzulande) verbrieftes Recht von Kunst/Literatur, dass sie sich an Bestehendem reibt, dass sie anstößig ist, dass sie provoziert und hinterfragt und die Mehrheit gegen sich aufbringt.

 

Hallo kriztofer zlo

Also mir ist das wirklich passiert, ich fand es lustig, also rein in das Forum.

Gut, ich werde jetzt sicherlich die Mod-Keule bekommen.

Ich nehme an, Würde ist dir gänzlich unbekannt. Nun gut. Wie viele Menschen sind in diesem Forum angemeldet? Wie viele lesen mit? Lachen wir doch alle mal über diesen einen Mann, den du bei deinem, ach so herrlichen Erlebnis kennen gelernt hast. Den es nach deiner Aussage wirklich gibt. Der vielleicht deinen Text gelesen hat. Vielleicht lacht er ja auch mit?

Wir sind hier nicht im Schüler VZ, sondern in einem Forum, wo Mitglieder ernsthaft an ihren Geschichten arbeiten. Die nicht einfach mal was einstellen, sondern ständig am Verbessern sind, ehe sie ihre Texte überhaupt aus den Händen geben.

Hättest du dich in deiner Geschichte selbst zum Trottel gemacht, weil du mit dieser Situation nicht umgehen konntest, hättest du die Krankheit in keinster Weise benannt, dann wäre es gut in dieser Rubrik aufgehoben. Aber so verlangst du, dass deine Leser über eine Krankheit lachen. In meinen Augen geschmacklos und billig. Schreib es in dein Tagebuch, dann kannst du dich weiterhin köstlich amüsieren.


@ Duncan

Du brauchst dich nicht rechtfertigen. Wenn dir die Geschichte gefallen hat, dann steh zu deiner Meinung. :) Was für ein Verlust, wenn uns das genommen werden könnte.

LG
Nachtschatten

Thema für mich abgeschlossen.

 
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Hallo Leute! Vielen Dank für diese vielen Kommentare/ Kritiken!

Also meine Intention hier etwas zu Posten war einfach lustige Geschichten aus meinen Alltag zu schreiben. Mir war schon klar, dass nicht alle Leute das witzig finden. Das war mit meiner Aussage gemeint.

Ich saß da in dem Café und fand es wirklich amüsant! Weil dieser zweifelhafte Mann eindeutig kein Tourette hatte.
Ich kann einfach diese Moralapostel nicht leiden.
Leute, die am lautesten über solche "Sachen" lachen, sind meist die betroffenen selbst. Ich weiß das aus erster Hand.
Sie wollen als Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden. Das letzte was die wollen ist Trost und Schutz.

Ich saß da letztens und dieser Typ hat die ganze Zeit grundlos geflucht. Die wahrscheinlichste Erklärung ist Tourette. Das war so geil! Ist es nicht.

Ich musste tatsächlich grinsen. Aber ich fand es jetzt nicht sonderlich geil.

Thema für mich abgeschlossen.

d`accord

p.s. vielleicht gefällt dir ja die nächste Story.

 
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Ich fand die Geschichte lustig, weil sie vollkommen offen lässt, welches pathologische Symptom der Schimpfwortkanonade des Rockers eigentlich zu Grunde liegt.
Also ich beneide Leute ja um sowas. Wenn eine Geschichte aus solchen Gründen gefällt, dann ist die Welt ja voller Geschichten, die man mögen und gut finden kann. Im ganzen Internet schreiben Leute über ihren Alltag und über Sachen, die ihnen passiert sind.
Das sind so Qualitätsmerkmale, die mir völlig fremd sind: Ich finde die Geschichte gut, weil sie offen lässt, was da eigentlich passiert. Das liest man irgendwie oft: Ich find das gut, weil die Geschichte nicht vorgibt, Antworten zu haben. Ja, aber sie hat ja auch keine Fragen und keine Basis, auf der sie Fragen stellen könnte. Sie hat ja nur keine Antworten. Mir würde das nicht reichen.

Das ist so ein Phänomen, das mir nur bei anderen Autoren auffällt, dass die dann sagen: Ich finde den Text gut, weil er untextlich ist! Ich kann da echt nur sagen: Glückwunsch, es gibt unglaublich viel Texte wie diese da draußen! Es ist leicht keine Antwort zu haben, wenn man sich die Mühe spart, eine Situation zu beschrieben, in der es einen Text auszeichnet, keine Antworten zu haben.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Duncan,

dass hier auch mal ein paar hohle Texte eingestellt werden, tut mir gar nicht weh, das passiert taeglich, aber wenn dann jemand mit viel Muehe versucht, in die zahlreichen undichten Stellen, die so ein lieblos zusammengezimmertes Machwerk notwendig praesentiert, Sinn hineinzustopfen, quaelt es mich.

Kriztofer schildert in sehr wenigen Worten eine außergewöhnliche Situation, die im Grunde die Brüchigkeit unserer Alltagswelt thematisiert. Da ist das "Lieblings-Café", ergo ein Ort, an dem der Ich-Erzähler sich oft und gerne aufhält, wo die Welt in Ordnung ist und alles in geordneten Bahnen verläuft.
Nun taucht an diesem Ort plötzlich eine Figur auf, die sich entgegen jeglicher festgeschriebener Regeln und Konventionen eines Cafés verhält. Erst der Bruch der herrschenden Kommunikationsregeln (die unadressierten, in den leeren Raum gesprochenen Schimpfwörter aus der vulgärsten Schublade) führt hier vor, dass öffentliche Räume (wie Cafés, Restaurants, Kinos etc.) über ganz bestimmte Codes funktionieren, die das System (in diesem Fall das Lieblings-Café) stabilisieren. Wenn sich nun jemand (in diesem Fall der Rocker) diametral entgegen gesetzt zur herrschenden Verhaltensnorm verhält, dann stellt er damit zugleich das gesamte System in Frage bzw. er bedroht die darin sich befindlichen, gemütlich ihren Latte Macchiato schlürfenden Ensemble-Mitglieder, weil er das bestehende System eigenhändig umschreibt bzw. -programmiert. Deshalb schauen die "anderen Gäste vorsichtig in seine Richtung", eben weil sie merken, dass sich ein Fremdkörper unter ihnen befindet, der anders ist.
(Unfreiwillige bzw. peinlich berührte) Komik ist eine Möglichkeit, mit einer solchen Situation umzugehen (Ähnliches Phänomen: Gelächter bei einem Horrofilm u. übertriebener Gewalt). Stillschweigen/Ignorieren oder aber Eskalation (d.h.: man versucht, den Störfaktor schnellstmöglichst aus dem Radius der Ruhe und Ordnung zu befördern) wären alternative Handlungsmöglichkeiten.
Das alles haette der Text auf Grundlage dieser Situation behandeln koennen. Und damit meine ich gar nicht mal explizit aussprechen und diskutieren, sondern sich auch nur ansatzweise drum scheren. Ein Text, der so eine Interpretation einlaed oder auch nur stuetzt, waere beispielsweise auf die Reaktion der Ensemble-Mitglieder eingegangen, haette meinetwegen deren Selbstpraesentation und Irritation vorgefuehrt, anstatt, wie es hier geschieht, belanglos witzelnd ueber die moeglichen Schimpfgruende des Rockers zu spekulieren. Nicht das Umfeld ist hier im Fokus, sondern der Stoerfaktor und damit nimmt der Text genau den unreflektierten Standpunkt ein, den er Deiner Interpretation zufolge gerade entlarven soll. Das Wort "Lieblingcafe" und der Halbsatz zu den vorsichtigen Blicken gibt so eine Lesart aber kaum her. Natuerlich koennte man hier mit viel interpretatorischem Elan und gutem Willen behaupten, der Erzaehler, natuerlich nicht der Autor!, enlarve sich hier selbst als Teil dieses irritierten, herablassend-belustigten Establishments. Aber wer sollte einem das ernsthaft abnehmen? Wir wissen doch alle, dass ein kluger Kopf sich auch zu ziemlich dummen Textvorlagen oder auch zu einem hartgekochten Ei kluge Gedanken machen kann, wenn er nur will. (Das macht diese allerdings nicht zu klugen Texten oder Eiern.) Und je loechriger die Vorlage umso besser, da kann er dann gleich alles hineingucken, was er darin gerne saehe. Ein leeres Geschichtsfenster, vielleicht nur mit einem provokanten Titel versehen, waere eigentlich optimal, da koennte man direkt selbst die ganze dazugehoerige Geschichte und Gesellschaftkritik ...
Das ist so ein Taschenspielertrick, den ich fuer hermeneutisch unredlich halte. Ist zwar ne ganz witzige Uebung fuer Lieraturwissenschaftsproseminare: Schreibe eine strukturalistische/dekonstruktivistische/feministische/psychoanalytische/postkolonialistische Interpretation eines Lurchi-Heftchens. Aber na ja, es bleibt doch ein Lurchi-Heftchen und alle wissen das auch. Viel befriedigender ist es doch, sich statt an so Minimalvorlagen, die lediglich eine blanke Leinwand oder viell. eher ein Spiegel fuer die eigenen genialen Gedanken bieten, an wirklich guten Texten abzuarbeiten, die einem auch mal einen neuen, anregenden Gedanken geben, oder wie Quinn sagt, wenigstens intelligente Fragen stellen, und aus denen man nicht immer nur das herausholen kann, was man zuvor selbst in die Luecken hineingefuellt hat. Ich wuerde Dir empfehlen, Deine Interpretierfreude an solchen Texten auszulassen. Davon gibts hier auch ein paar.

lg,
fiz

Und noch ein Buchtipp: Umberto Eco: The Limits of Interpretation

 

Hallo Kriztofer, herzlich willkommmen hier!

Den Titelzusatz kurz&gut habe ich entfernt. Der ist dem Wettbewerb vorbehalten.
der Wettbewerb befindet sich gerade im Stadium der Themenfindung. ;)

Gruß

Asterix

 

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