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Neulich im Jobcenter

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20.02.2013
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Neulich im Jobcenter

Neulich im Jobcenter

»Sie schreiben also. Was darf ich mir darunter vorstellen?«
»Kurzgeschichten, Novellen, einen Roman habe ich ebenfalls in der Schublade.«
»Und das soll veröffentlicht werden, oder machen Sie es bloß zum Vergnügen?«
»Ich suche natürlich nach einem Verlag.«
»Den haben Sie bereits gefunden?«
»So halb.«
»Was heißt das? Ich kenne Ja oder Nein. Mit Halb kann ich hingegen nichts anfangen.«
»Ich bin dabei, den passenden Verleger zu finden. Besser gesagt: meine Agentin wird das tun.«
»Das ist eine zwischengeschaltete Maklerin?«
»In der Art.«
»Und die wird dafür bezahlt?«
»Klar. Was dachten Sie denn?«
»Vorkasse oder Beteiligung an den Verkäufen?«
»Die zweite von Ihnen genannte Möglichkeit.«
»Gut. Denn eine Vorauszahlung hätten wir Ihnen auf keinen Fall finanzieren können.«
»Die hatte ich doch überhaupt nicht verlangt.«
»Junger Mann, Sie kommen zu mir und fragen nach Geld. Das weder Ihnen noch mir gehört, sondern vom Steuerzahler aufgebracht wird. Da ist es ein Akt der Selbstverständlichkeit, dass ich mich bei Ihnen vorher erkundige, was Sie damit vorhaben.«
»Na, meinen Lebensunterhalt in den kommenden Monaten bestreiten.«
»Warum gehen Sie nicht arbeiten?«
»Das ist nicht so einfach. Vollzeit wird schwierig, weil ich ja Schriftsteller werden möchte. Zudem schreibe ich oft nachts und kann nicht jeden Morgen um acht Uhr irgendwo auf der Matte stehen, um einen blödsinnigen Bürojob zu erledigen.«
»Sie wollen demnach überhaupt nicht zurück ins Berufsleben?«
»Das habe ich so nicht gesagt. Ich meine nur, dass es im Moment schwierig ist, den zu mir passenden Job zu definieren.«
»Das klingt schon besser. Im Falle von kompletter Arbeitsverweigerung müsste ich Sie nämlich jetzt bitten, das Zimmer zu verlassen und mir nicht meine wertvolle Zeit zu stehlen. Draußen warten viele andere Kunden, die sich kooperativer zeigen als Sie. Weshalb versuchen Sie es nicht beim Sozialamt?«
»Da war ich bereits. Die haben mich zu Ihnen geschickt.«
»Immer dasselbe. Wenn die auf der anderen Straßenseite nicht wissen, was Sie mit einem Antragsteller tun sollen, sagen sie: Geh mal zur Frau Schröder. Die hat ein großes Herz und wird dir helfen. Über zu wenig Arbeit brauche ich mich auf jeden Fall nicht zu beklagen.«
»Frau Schröder, ich weiß nicht, wer hier für was zuständig ist. Ich beantrage einzig einen Überbrückungskredit für ein paar Monate. Sobald sich mein Roman verkauft, zahle ich das Darlehen zurück.«
»Ganz so simpel, wie Sie sich das vorstellen, läuft es natürlich nicht bei uns. Da könnte ja jeder kommen und versuchen, mir Geld aus den Rippen zu leiern. Ich muss erst mal schau’n, ob Sie tatsächlich zu mir gehören. Ihr Nachname beginnt mit K, Wohnung im Stadtbezirk Westend, selbständige Tätigkeit. Da haben wir es schon. Freiberufler fallen nicht in meinen Verantwortungsbereich. Um die kümmert sich Frau Memleben.«
»Wann kann ich mich mit der Dame unterhalten?«
»Heute gar nicht mehr.«
»Morgen?«
»Moment. Ich klicke mich kurz in den Terminkalender der Abteilung rein. Schon praktisch, was man mit Outlook so alles machen kann …. Ich entdecke eine Abwesenheitsnotiz. Die Kollegin befindet sich bis zum Ende des Monats auf einer Fortbildungsmaßnahme. Tut mir leid.«
»Sie wird für diesen langen Zeitraum sicherlich eine Vertretung beauftragt haben; oder?«
»Das bin ich. Sehe ich gerade. Wusste ich gar nichts von. Niemand informiert einen in dieser Behörde. Es ist ein Trauerspiel.«
»Dann bin ich also bei Ihnen doch an der richtigen Adresse. Hatten Sie mir unten am Empfang ja auch so gesagt: In Zimmer 357 melden. Sehr gut. Wie sollen wir es nun handhaben? Ich bin völlig blank und hungrig. Habe seit drei Tagen nichts gegessen. Mir knurrt der Magen.«
»Ich darf Sie bitten, kurz draußen Platz zu nehmen. Ich muss die Angelegenheit mit unserem Referatsleiter besprechen. Ihr Fall ist recht ungewöhnlich für mich.«
»Eine neue Nummer muss ich aber nicht ziehen? Im Flur ist die Hölle los. Habe bereits zwei Stunden auf dieses Gespräch gewartet.«
»Nein, nein. Brauchen Sie nicht zu tun. Setzen Sie sich einfach hin und üben sich ein paar Minuten in Geduld. Ich rufe Sie dann wieder rein zu mir, sobald ich die Sache hingebogen habe.«

Ich marschierte aus dem Zimmer und lehnte mich in dem von Menschen wimmelnden Korridor an die Wand. Die Stühle waren allesamt von Frauen besetzt. Viele darunter Südländerinnen. Manche – allerdings die Minderheit – alleine, die meisten mit Kindern, die entweder auf den Schößen oder dem Boden zu ihren Füßen saßen. Die Männer standen wie ich teilnahmslos rum oder liefen wild gestikulierend den Gang entlang. Einige telefonierten. Die Vornehmen leise, die schlichten Gemüter laut, sodass jeder mitbekommen konnte, was sie im Moment dachten und worüber sie sich aufregten. Ich hatte wohlweislich einen Roman mitgebracht: Der Mann ohne Eigenschaften von Robert Musil. Es war bereits mein fünfter Versuch, diese schwierige Lektüre in Angriff zu nehmen. Nie hatte mich meine Aufmerksamkeit weiter als bis auf Seite dreißig getragen. Zu schwer und umständlich erschienen mir die darin enthaltenen Sätze. Zu kompliziert die Gedankengänge. Auch heute gelang es mir nicht, mich auf den Text einzulassen. Ich seufzte und steckte das Buch zurück in meine Jackentasche. Ein Junge jagte seinen Bruder den Korridor entlang. Fröhlich lärmend und lachend. »Tsss …«, rief eine junge Frau mit Kopftuch. »Komm zu mir Hakan und bleib leise! Wir wollen hier nicht unangenehm auffallen.« Der schwarzgelockte Bursche murrte und schnitt eine Grimasse, fügte sich aber dem Wunsch seiner Mutter. Ein dicker Mann Ende vierzig mit albinoblondem Haar und hypertonisch rotem Kopf hastete nervös an mir vorbei. Er brüllte in sein Mobiltelefon hinein: »Ja ja, hast du mir schon tausendmal erzählt. Fuck mich heute nur nicht ab mit deinem Gelaber!« Jeder konnte ihn hören. Er schien es nicht zu bemerken. Vielleicht war es ihm auch egal, oder er genoss es sogar, dass er für einige Sekunden alle Blicke auf sich lenkte. Drei junge Kerle mit Meckifrisuren und slawischen Gesichtszügen spielten schweigend Karten. Wahrscheinlich Durak, überlegte ich. Zwei Frauen in blauer Burka, die einzig einen schmalen Sehschlitz freiließ, unterhielten sich leise auf Arabisch. Mir fiel auf, dass die eine helle Augen besaß und mit deutschem Akzent redete. »Wollen Sie auch zu Frau Schröder?« Eine ältere Dame, die ich bisher nicht bemerkt hatte, sprach mich an und berührte mich am Handgelenk. »Ja«, antwortete ich einsilbig und zog meinen Arm weg von ihr, denn ich verspürte am heutigen Nachmittag weder Lust auf eine Unterhaltung noch auf Körperkontakt mit einer Fremden. »Nehmen Sie sich in Acht vor ihr. Die wird versuchen, Sie über den Tisch zu ziehen.« Zur Bekräftigung ihrer Worte knackte sie mit den Fingern. »Danke für den Hinweis«, sagte ich geistesabwesend. »Sie zitiert mich bereits zum fünften Mal zu sich, weil angeblich immer Unterlagen fehlen. Ich bin mir sicher, Frau Schröder will mich bloß weichkochen. Da hat sie sich bei mir aber geschnitten. Ich bleibe hartnäckig, denn ich kenne meine Rechte.« Der Frau war anscheinend langweilig, und sie suchte nach einem Gesprächspartner, dem sie ihr Leid klagen konnte. Ich nickte ihr freundlich zu. »So oft werde ich bestimmt nicht bei ihr antanzen. Entweder funktioniert es sofort, oder ich setze mich in die Fußgängerzone und bettele.« Die Alte glotzte mich verdutzt an, ich wendete mich ab und wanderte langsam ans gegenüberliegende Ende des Flurs, um dort meine Ruhe vor ihr zu haben. Kaum war ich vor den Fahrstühlen angelangt, als ich in meinem Rücken die Stimme von Frau Schröder vernahm. »Herr Keller, könnten Sie bitte in mein Büro kommen! Ich habe die Sache nun geklärt.«

»Wir werden in Ihrem Fall eine Ausnahme machen und Ihnen ein Darlehen bewilligen. Allerdings mit ein paar Auflagen.«
»Die da lauten?«
»Ich habe die Punkte bereits in die Eingliederungsvereinbarung aufgenommen. Lesen Sie sich die in Ruhe durch.«
Ich überflog die vier Seiten und stoppte bei dem Abschnitt, der meine Mitwirkungspflichten aufzählte.
»Das ist eine Menge, was Sie von mir fordern.«
»Nun ja, Sie haben halt in den vergangenen Monaten vieles schleifen lassen. Um die Lösung dieser Angelegenheiten müssen Sie sich jetzt schleunigst kümmern.«
»Ich soll gegen meine alte Mutter klagen?«
»Sie müssen sogar. Ihnen steht seit dem Tode Ihres Vaters ein Pflichtteilsanspruch auf das Erbe zu.«
»Das muss unbedingt sein?«
»Ja! Ihre eigene Immobilie haben Sie ja bereits vor zwei Jahren clevererweise auf Ihre Ex-Frau übertragen. Andernfalls müssten Sie versuchen, die zu Geld zu machen.«
»Das war eine Übereinkunft im Rahmen unserer Trennung.«
»Ich weiß. Deshalb kommen wir da auch nicht mehr ran. Insofern haben Sie Glück gehabt. Zumindest ein Gratis-Wohnrecht hätte man Ihnen jedoch einräumen können. Dann bräuchten Sie jetzt nicht in einem teuren Apartment die Miete zu bezahlen.«
»Das ist eine schimmlige Zwanzig-Quadratmeter-Bude.«
»Mag sein. Aber eigentlich völlig unnötig. Für jemanden wie Sie geradezu eine Luxusausgabe.«
»Vermute, dass Sie sich nie haben scheiden lassen. Ansonsten würden Sie nicht so reden.«
»Stimmt. Ich habe vorsichtshalber gar nicht erst geheiratet.«
»Was soll das vierwöchige Bewerbungstraining bedeuten? Ich habe gar nicht vor, mich irgendwo zu bewerben.«
»Sondern?«
»Ich schreibe in Ruhe weiter wie bisher und warte auf den unterschriebenen Vertrag.«
»Das wird bei uns so nicht funktionieren. Wer sich im Jobcenter meldet, muss Einsatzbereitschaft zeigen. Wir sind nicht dazu da, Ihre Hobbies zu finanzieren. Zudem wird Ihnen ein strukturierter Arbeitsalltag guttun.«
»Und zusätzlich muss ich zehn Lebensläufe pro Monat rausschicken?«
»Korrekt. Zu diesem Zweck habe ich Ihnen einen Vordruck beigelegt: Nachweis von Eigenbemühungen. Ich bitte darum, den akkurat auszufüllen und mir fristgerecht bis zum 28-sten vorbeizubringen. Andernfalls drohen Kürzungen bei der Grundsicherung.«
»In Ordnung. Papier ist geduldig.«
»Das habe ich jetzt nicht gehört. Das war’s dann fürs Erste von meiner Seite aus. Wir werden uns in circa sechs Wochen wiedersehen. Sie erhalten vorher eine schriftliche Einladung von mir. War nett Sie kennenzulernen, Herr Keller.«
»Und was ist mit Geld?
»Das überweisen wir Ihnen am 30-sten.
»Bis dahin sind es noch über zwei Wochen. Wie soll ich so lange überleben?«
»Sie verfügen über gar keine Barmittel?«
»Ich habe noch drei Euro in der Hosentasche.«
»Ich schaue, was ich für Sie organisieren kann. Warten Sie bitte nochmal fünf Minuten vor der Tür. In der Zwischenzeit regele ich das.«

Auf dem Gang herrschten nach wie vor unbeschreiblicher Trubel und Hektik. Noch eine Stunde bis Büroschluss und kein Ende der Menschenschlange in Sicht. Eine türkische Familie mit fünf Kindern hatte sich unterdessen vor Zimmer 357 versammelt. »Ich will keine Umschulung machen«, hörte ich den Mann zu seiner Frau sagen. »Selbstverständlich wirst du das tun. Ansonsten werden Sie die Zahlung nicht verlängern«, flüsterte die. »Ich möchte aber kein Anstreicher werden«, schimpfte er zurück. »Ist doch völlig wurscht. Zwingt dich doch keiner dazu, nachher in dem Beruf zu arbeiten. Hauptsache, Sie bewilligen heute unseren Antrag.« Die Frau dachte pragmatischer als ihr Ehemann. Sie musste die geforderte Maßnahme allerdings nicht absolvieren, sondern er. Wenn die gleich zu siebt in das kleine Büro von Frau Schröder reinspazieren, bekommt die einen Schreikrampf und wirft die Familie hochkant wieder raus, ging es mir durch den Kopf.

Mittlerweile bereute ich meinen Entschluss, heute zur ARGE marschiert zu sein. Für läppische dreihundertvierundsechzig Euro solch ein Zirkus. Ich hatte von Anfang an keine große Lust gehabt, hier als Bittsteller aufzutreten. »Man kann natürlich bettelarm und mit falschem Stolz sterben«, hatten mir Lila und Manni gestern Abend noch erklärt. »Schreiben ist eine schöne Sache, wenn man damit Kohle verdient. Ansonsten ist es genauso ein brotloser Zeitvertreib wie Kreuzworträtsel und dämliche Sudoku.« Manni fügte noch lächelnd hinzu: »Wenn du nicht als totes und unbekanntes Genie in die Geschichte eingehen willst, solltest du dich schleunigst darum kümmern, Geld ranzuschaffen. Von mir bekommst du keinen müden Cent mehr geliehen.«

Obwohl ich seit jeher die Auffassung vertrat, dass einzig hungrige Künstler glühende Bilder, Musikstücke und Romane erschaffen konnten, während von dicken Schriftstellern nichts als Schund fabriziert wurde, weil die Trägheit der vollgefressenen Bäuche wie ranziges Fett auf die Tastaturen tropfte und ölige Schleimspuren in ihren Texten hinterließ, war ich in den vergangenen Tagen doch an die Grenzen meiner körperlichen Belastbarkeit gelangt. Vier Wochen gemeinsam mit Manni Platte machen, auf Holzbänken oder in vollgepissten Unterführungen schlafen, bei der Caritas für fünfzig Cent Mittag essen, anschließend mit seinen Kumpels im Park zechen, dabei immer auf der Hut sein, dass die Bandenmitglieder einem nachts nicht die letzten Moneten klauten, stellte sich als Lebensmodell auf Dauer äußerst anstrengend dar. Ich sehnte mich nach meinem bequemen Bett und einer heißen Dusche. »Du bist eben ein Weichei«, hatte Manni mir gezürnt. »Hätte ich mir eigentlich gleich denken können, als ich dich in der Klinik kennengelernt habe. Du hast meine Vertrauensseligkeit schamlos ausgenützt.« Der Ausflug mit ihm hatte mich allerdings einige Hunderter gekostet. Weil ich als Neuling die Truppe abends freihalten durfte. Nun waren meine Ersparnisse aufgebraucht, ich ernährte mich seit vier Tagen von Dosenhering in Tomatensoße und spürte bei jeder Bewegung stechende Schmerzen im Rücken. Vermutlich ein bösartiger Hexenschuss, da die Nächte auf Parkbänken im Oktober schon recht frostig ausfielen.

»Herr Keller, ich bin so weit.«
»Was kann ich heute mitnehmen?«
»Fünfzig Euro.«
»Viel ist das nicht.«
»Sie können nächste Woche gerne wiederkommen und den nächsten Teilbetrag anfordern.«
»Okay. Wo kann ich mir das Geld abholen?
»Sie erhalten einen Lebensmittelgutschein. Einlösbar in vielen Supermärkten. Allerdings in einem Schwung; Restgeld wird nicht ausgezahlt. Alkohol und Tabak sind selbstredend vom Einkauf ausgeschlossen.«
»Das soll wohl ein Witz sein?«
»So lauten nun mal die Vorschriften. Und genehmigen Sie sich ein ausgiebiges Bad. Sie scheinen es dringend nötig zu haben.«
Ich stand auf und ging zur Tür. Frau Schröder räusperte sich: »Ach Herr Keller, bevor ich es vergesse. Stellen Sie sich innerlich darauf ein, dass ich Sie für eine Arbeitsmaßnahme im Januar vormerke.«
»Was soll das sein?«
»Ein Ein-Euro-Job. Zusammenbau von simplen Elektroteilen. Das ist kinderleicht und verschafft Ihnen einen kleinen Zusatzverdienst. Zudem ermöglichen wir Ihnen dadurch einen Neustart ins Berufsleben.«
Du kannst mich mal, dachte ich. Bis zum Jahreswechsel kann noch viel passieren.

Die siebenköpfige türkische Familie betrat nach mir das Büro von Frau Schröder. Augenblicklich erhob sich Gezeter hinter der geschlossenen Tür. »Das können Sie mit meinem Mann nicht machen«, schrie die Frau. Fünf Kinder liefen nach draußen. Die Mutter folgte ihnen mit geröteten Augen. Ich betrat den Aufzug und fuhr nach unten.

Unten im Eingangsbereich erwartete mich Manni: »Hat’s geklappt?«
»Nur halb. Anstatt Kohle haben sie mir einen dusseligen Essensgutschein ausgehändigt.«
»Das war zu erwarten. Bei Typen wie uns sind sie sehr zögerlich mit Bargeld. Haben halt Angst, dass wir die Kröten sofort in Schnaps und Zigaretten investieren.«
»Was soll ich mit einem Riesenhaufen Lebensmittel anfangen?«
»Ich kaufe dir den Coupon ab.«
»Für wie viel?«
»Dreißig Euro.«
»Du bist ein elender Gauner.«
»Tim, du kennst die Preise. Normalerweise nur ein Drittel. Ich gebe dir, weil du ein Freund bist, sechzig Prozent. Das ist sehr fair.«
»Von mir aus. Aber sofort.«
»Klaro. Für wen hältst du mich?«
Manni legte vier zerknüllte Fünfer und einen Haufen Münzgeld in meine ausgestreckte Hand. Dabei seufzte er laut, um zu demonstrieren, wie weh ihm dieses schlechte Geschäft tat.
»Was machst du jetzt?«, fragte er zum Abschied.
»Mal schau’n. Zuerst einmal besorge ich einen Sixpack und dann überlege ich, was ich mit dem Rest des Tages anfangen werde.

Das Handy klingelte. Lila rief an. »Alter Mann, hast du Lust bei mir vorbeizukommen?«
»Weiß nicht. Werde mich erst mal an den Fluss setzen.«
»Wie du möchtest. Du weißt, wo du mich findest.« Als sie auflegte, klang ihre Stimme leicht angefressen.

Es war ein schöner Spätnachmittag Ende Oktober. Ich hockte auf dem Metallrost einer Schiffsanlegestelle und starrte auf den Strom. Die glutrote Sonne verschwand in diesem Moment hinter der Bergkette, die sich über der Westseite der Stadt erhob. Sollte ich bei Lila oder in meiner zugemüllten Bude übernachten? Ich warf eine Münze: Kopf. Also bei Lila. Weshalb auch nicht? Spontan griff ich in meine rechte Jackentasche und fingerte nach Kugelschreiber und dem Roman. Ich riss zwei Seiten heraus, warf den Rest des Buches in den neben mir stehenden Papierkorb und kritzelte auf das erste Blatt, direkt unter den Mann ohne Eigenschaften: Neulich im Jobcenter.

 

Hallo Shinue!

Ich finde den Dialog langweilig, ich komm da nicht weit. Das ist auch nicht authentisch, wie der Dialog abláuft, finde ich. So unterhált sich doch wirklich niemand, oder?


Beispiel:

»So halb.«
»Was heißt das? Ich kenne Ja oder Nein. Mit Halb kann ich hingegen nichts anfangen.«
alles was nach dem Wort was kommt ist eigentlich total úberflússig. Was heisst das? wúrde auch noch gehen. Was? Wáre genug. bzw. eher wie bitte? So wirkt es eben gestellt.

Ausserdem:

»Ganz so simpel, wie Sie sich das vorstellen, läuft es natürlich nicht bei uns. Da könnte ja jeder kommen und versuchen, mir Geld aus den Rippen zu leiern. Ich muss erst mal schau’n, ob Sie tatsächlich zu mir gehören. Ihr Nachname beginnt mit K, Wohnung im Stadtbezirk Westend, selbständige Tätigkeit. Da haben wir es schon. Freiberufler fallen nicht in meinen Verantwortungsbereich. Um die kümmert sich Frau Memleben.«
Wer will darúber was lesen? Schreibst du darúber, weil du die Hoffnung hast, das andere das auch kennen, das sie das auch stőrt, dass die dann sagen: Oh cool, so sehe ich das auch? Das ist als Herangehensweise natúrlich mőglich, aber da muss das echt interessanter verpackt sein. das ist echt langweilig, genauso langweilig wie in einem Wartezimmer zu sitzen.

Ich marschierte aus dem Zimmer und lehnte mich in dem von Menschen wimmelnden Korridor an die Wand. Die Stühle waren allesamt von Frauen besetzt. Viele darunter Südländerinnen. Manche – allerdings die Minderheit – alleine, die meisten mit Kindern, die entweder auf den Schößen oder dem Boden zu ihren Füßen saßen. Die Männer standen wie ich teilnahmslos rum oder liefen wild gestikulierend den Gang entlang. Einige telefonierten.
Das ist doch einfach nur langweilig und kein bisschen dynamisch.

Ich hab den Text nicht fertiggelesen, aber ich wáre sehr interessiert, was du schreiben wúrdest, wenn du die Handlung zusammenfassen solltest. ich fúrchte, das wáre ziemlich knapp. Sorry, ist echt gar nicht mein Ding.

Lollek

 

Hallo herrlollek,

der korrekte Nickname lautet: Sinuhe (aus dem gleichnamigen Roman von Mika Waltari).

Ich habe mit strenger Kritik o. einem Verriss an und für sich kein Problem. Bloß sollte die Kommentierung dann konstruktiv ausfallen und mir die Schwachstellen im Einzelnen aufzeigen.

Hiermit kann ich halt wenig anfangen:

Ich finde den Dialog langweilig, ich komm da nicht weit. Das ist auch nicht authentisch, wie der Dialog abláuft, finde ich. So unterhált sich doch wirklich niemand, oder?
Keine Ahnung, mit wem du dich unterhältst. Ich kenne Gespräche, die so ablaufen. Zudem stehe ich nicht mit dem Diktafon daneben.
Mit dem Argument, dass irgendein willkürlich herausgepickter Dialogsatz angeblich nicht eins zu eins der Realität entspricht, hebelt man 80% aller Romane aus.

das ist echt langweilig, genauso langweilig wie in einem Wartezimmer zu sitzen.
Da die Sequenz auf dem Flur des Jobcenters spielt, ist die im Text geschilderte Langweile ja gar nicht verkehrt.

Das ist doch einfach nur langweilig und kein bisschen dynamisch.
Was ist denn dMn dynamisch? Ein 3Min-Vídeoclip von Lady Gaga?

Ich hab den Text nicht fertiggelesen, aber ich wáre sehr interessiert, was du schreiben wúrdest, wenn du die Handlung zusammenfassen solltest. ich fúrchte, das wáre ziemlich knapp. Sorry, ist echt gar nicht mein Ding.
Was soll ich von einer Kritik halten, die das Ende des (kurzen) Textes nicht kennt? Zu Geschichten, bei denen ich in der Mitte stoppe, verfasse ich erst gar keinen Kommentar.

Weshalb sollte ich die Story zusammenfassen? Ich wollte sie ja genau so schreiben, wie sie da steht. Andernfalls hätte ich die Erzählung von vornherein anders aufgezogen.

Vg sinuhe

 

Hallo sinuhe,

ich habe diesen Text vor ein paar Tagen angelesen und wieder weggeklickt, weil er mich ebenfalls gelangweilt hat. Normalerweise schreibe ich keine Kommentare, wenn ich Texte nicht zuende lese, weil sie mich nicht angesprochen haben. Aber eigentlich ist das dumm, das nicht zu tun, denn dieses Nicht-Zuende-Lesen ist eine ziemlich ehrliche und eindeutige Reaktion, die fuer den Autor, der daran interessiert ist, wie seine Texte aufgenommen werden, eine wichtige Information darstellt.
Natuerlich waere es prima fuer den Autor, wenn der gelangweilte Leser sich bis zum Ende quaelen wuerde, noch 2 Stunden ueber die Lektuere nachdaechte und ihm dann detaillierte Tipps dazu gaebe, wie der Text weniger droeg gestaltet werden koennte. Aber diese Bringschuld hat der Leser/Kritiker nicht. Und wenn er sich hinsetzt und schreibt, mir war langweilig und die Dialoge kommen mir nicht authentisch vor, ist das fuer den Autor allemal besser, als wenn er, wie wahrscheinlich zahllose andere vor ihm, schweigend weiterklickt und den Autor im Unklaren laesst, warum der Text nicht ankommt. Dann kann der Autor zur Not auch selbst darueber nachdenken, wie man mehr Spannung reinbringen koennte.

Allgemein erwecken Deine Antworten bei mir den Eindruck, dass Dir Lesermeinungen, sofern es sich nicht um Detailkram und Umformulierungsvorschlaege handelt, relativ egal sind. "Es gefaellt dir nicht, na gut, damit kann ich leben." Oder wie hier "Ich wollte sie ja genau so schreiben, wie sie da steht." Warum soll da ueberhaupt noch jemand kommentieren wollen. Natuerlich kann man seine Texte verteidigen und muss nicht jede Kritik annehmen, aber wenn man lernen will, wie man Texte schreibt, die Leser erfreuen koennen, tut man gut daran, einfach mal zuzuhoeren und drueber nachzudenken, ob vielleicht was dran ist, bevor man sich auf die Hinterbeine stellt.

lg,
fiz

 

Hallo Sinuhe!

Ich finde deine Antwort recht unfreundlich. Dein Text steht ja hier seit Tagen ohne Kommentar rum. Das passiert selten und spricht nicht fúr den Text. Ich hab mir dann die Zeit genommen, ein paar Sachen anzumerken und werde dafúr noch blőd angemacht.

Mit dem Argument, dass irgendein willkürlich herausgepickter Dialogsatz angeblich nicht eins zu eins der Realität entspricht, hebelt man 80% aller Romane aus.
und ...? Mindestens achtzig Prozent aller Romane, die so im Buchladen rumliegen, haben es auch nicht anders verdient, die kann man ruhig aushebeln. Ich glaube nicht, dass mir mehr als fúnf Prozent aller Romane gut gefallen. Das sind dann trotzdem noch mehr Búcher als man in seinem ganzen Leben lesen kann, schátze ich. Wenn es also fúr dich ein Argument ist, dass Autor X das auch so schreibt und dabei noch berúhmt ist, dann braucht man sich mit mir jedenfalls nicht úbers Schreiben unterhalten, weil fúr mich ist das kein Argument.

Da die Sequenz auf dem Flur des Jobcenters spielt, ist die im Text geschilderte Langweile ja gar nicht verkehrt.
Wenn es dein Ziel war, den Leser die Langeweile spúren zu lassen, die da auf dem Flur herrscht, ist dir das super gelungen.

Was ist denn dMn dynamisch?
Dynamisch ist eine Szene, in der es eine Handlung gibt, wo etwas passiert, wo sich etwas verándert, wo es einen Konflikt gibt. Die Stelle, die ich als nicht dynamisch bezeichnet habe, hőrt sich an, als háttest du ein Foto gemacht und beschrieben, was du auf dem Foto siehst.

Was soll ich von einer Kritik halten, die das Ende des (kurzen) Textes nicht kennt? Zu Geschichten, bei denen ich in der Mitte stoppe, verfasse ich erst gar keinen Kommentar.
Mir kam der Text ewig lang vor, und wie du mit Kritik umgehst, musst du selbst wissen. sei doch froh, dass sich úberhaupt jemand die Zeit genommen hat, auf deinen Text zu antworten. ist ja keine Pflicht, ist meine eigene Lebenszeit.

Viel Spass noch

Lollek

 

Hallo fiz,

Allgemein erwecken Deine Antworten bei mir den Eindruck, dass Dir Lesermeinungen, sofern es sich nicht um Detailkram und Umformulierungsvorschlaege handelt, relativ egal sind. "Es gefaellt dir nicht, na gut, damit kann ich leben." Oder wie hier "Ich wollte sie ja genau so schreiben, wie sie da steht." Warum soll da ueberhaupt noch jemand kommentieren wollen.
Da mögen wir uns unterscheiden. Zum einen lese ich Geschichten, die ich kommentiere, immer bis zum (bitteren?) Ende, und zum anderen interessieren mich in einem Schreibforum halt tatsächlich die Feinheiten. Ich gehe die Texte, die ich kritisiere (egal ob positiv o. negativ) jedes Mal Zeile für Zeile durch. Bei sehr langen Trümmern picke ich mir für die Details zumeist den Beginn, einen Absatz im Mittelteil und den Schluss raus. UND lese komplett. Wie soll ich mir sonst ein „seriöses“ Urteil erlauben können? Für Daumen rauf oder runter gab es früher das Colosseum und heute Facebook und Youtube.

Ob eine Sequenz im Flur der ARGE langweilig ist: mag sein. Das ist mir aber gar nicht so wichtig. Bzw. kann man mir diesen Eindruck dann gerne im Resümee mitteilen. Ich will die Geschichte nicht zu einem Buch fortspinnen.

Vermutlich würden Leser, die etwas längere Beobachtungen öde finden, es in einem Roman des 19-ten Jhrd.s nie weiter als bis S10 schaffen. Ist ja auch okay. Die Geschmäcker sind eben stark unterschiedlich.

Natuerlich kann man seine Texte verteidigen und muss nicht jede Kritik annehmen, aber wenn man lernen will, wie man Texte schreibt, die Leser erfreuen koennen, tut man gut daran, einfach mal zuzuhoeren und drueber nachzudenken, ob vielleicht was dran ist, bevor man sich auf die Hinterbeine stellt.
Das trifft jetzt nicht zu 100% zu. Bei Hinweisen zu einzelnen Worten sowie Satzkonstruktionen bin ich sehr beratungsoffen. Ein Pauschalurteil „langweilig“ nehme ich zur Kenntnis; es erreicht mich aber aufgrund der Oberflächlichkeit nicht so, wie es eine Detailanalyse tun würde. Zudem behaupte ich, dass die Story zuerst dem Autor schmecken muss. Bei der Produktion von Text greift der Dreiklang von Wurm-Fisch-Angler nicht so richtig, weil ein Roman, der sich einzig an den Wünschen der Leser ausrichtet, mMn nicht das Optimum darstellt. Daraus resultiert dann in der Konsequenz Die Wanderhure, Fortsetzung 8. Ich lese aber lieber einen Einteiler von Tschechow. Aber auch hier gehen die Ansichten auseinander.

Lg sinuhe

 

Wie soll ich mir sonst ein „seriöses“ Urteil erlauben können?
Ich glaube, du verstehst es wirklich nicht. Also: wenn es ein Text nicht schafft, den leser davon zu úberzeugen, dass man ihn lesen sollte, kann sich der Leser das Urteil erlauben und sagen: Der Text hat es nicht geschafft, mich zu úberzeugen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo sinuhe,

weil wir uns nicht besonders gut kennen:

1. Ich denke nicht, dass mir irgendjemand hier im Forum vorwerfen wuerde, dass ich mich nicht fuer literarische Feinheiten interessiere. Im Gegenteil bin ich ziemlich detailversessen. In deiner Antwort auf meine letzte Kritik fragtest Du, ob man beim Schreiben, wirklich jedes Wort auf die Goldwage legen muesse. Meine Antwort dazu lautet: unbedingt! Das ist mein Anspruch an mich und an die Autoren, die ich schaetze.

2. Mir hat auch noch niemand unterstellt, dass ich Befuerworter von oberflaechlicher Mainstream-Literatur sei. Im Gegenteil, fuehlen sich einige Autoren oft eher gebeutelt von meiner Forderung nach Tiefe. Mit deiner plakativen Opposition von Schund- und Hoehenkammliteratur bist Du also bei mir an der falschen Adresse. Kunst muss das Publikum nicht ausschliessen. Ist irgendwie so ein bequemer, falscher Syllogismus: Viele Leser finden anspruchsvolle Literatur langweilig, also ist alles, was den Leser langweilt, anspruchsvolle Literatur. Bzw. im Umkehrschluss: Alles was den Leser unterhaelt, kann keine anspruchsvolle Literatur sein.

Ich halte es fuer wichtig, dass ein Autor nicht nur fuer sich (das natuerlich auch) sondern auch fuer den Leser schreibt. Wenn er das nicht tut, sehe ich ihn in diesem Forum, das die geniale Moeglichkeit von Leserrueckmeldungen und gemeinsamer Weiterentwicklung bietet, fehl am Platz.

Und so sehr ich Details liebe, wenn das grosse Ganze nicht stimmt (Aufbau, Figurenzeichnung, Entwicklung, Spannung im weitesten Sinne), bringen solche Fitzeleien herzlich wenig. Insofern kann ein allgemeines, moeglicherweise auch kurzes Urteil ebenso hilfreich sein, wie ausfuehrliche Stellenkritik. Der Unterschied liegt wohl eher darin, dass es einem Autor leichter faellt, ein Wort auszuwechseln oder einen Nebensatz zu streichen, als eine Geschichte von Grund auf umzukonzipieren.
Zu einer guten Geschichte gehoert aber nunmal das Kleine wie das Grosse.

lg,
fiz

 

Hallo sinuhe,

hier mangelt es an Struktur und ich habe mich gefragt: Was will der Autor mit diesem Text aussagen? In dieser Form ist es keine Geschichte, sondern eine detailreiche Aufzählung von Begebenheiten, der jede Dynamik fehlt.
Da geht ein Mensch, der sich für einen Schriftsteller hält, zu einem Berater, der Vermittlungsquoten vorweisen muss. Naturgemäß gibt es da einen Interessenskonflikt. Der Dialog zwischen den beiden ist allerdings statisch und erschlägt den Leser stattdessen mit irrelevanten Einzelheiten.
Die Begegnung mit Manni und das Telefonat mit Lila wirken wie drangeklebt und machen es noch schwieriger, eine Struktur zu erkennen.

Die Frage lautet natürlich: Wie könnte man aus diesem Material eine echte Geschichte machen, eine Geschichte, die zu erzählen sich lohnt? Geht es dem Autor darum, die Unzulänglichkeit einer bürokratischen Organisation zu zeigen, oder geht es um einen inneren Konflikt: Wunsch gegen Erfahrung und "realistische" Überlegungen eine Karriere als Schriftsteller betreffend?

Ein Weg wäre vielleicht, das Können und die Liebe des Protagonisten zu zeigen, und dann zu enthüllen, dass er auf dem Weg zum Jobcenter ist - mit einem pointierten Dialog als Abschluss.

Formal ist der Text langatmig und es fehlt auch an sichtbarer Unterteilung (=Absätzen). Der wörtlichen Rede fehlen Witz und Esprit.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hallo Berg,

da ist ja heute viel Bewegung in den bisher kraftlos vor sich hindümpelnden Thread gekommen. Wozu langweilige Unterhaltungen im Jobcenter doch manchmal zu gebrauchen sind.

hier mangelt es an Struktur und ich habe mich gefragt: Was will der Autor mit diesem Text aussagen? In dieser Form ist es keine Geschichte, sondern eine detailreiche Aufzählung von Begebenheiten, der jede Dynamik fehlt.
Evtl verstehen wir unter dem Begriff Struktur was anderes: die Szene handelt – ohne nach lins, rechts o. rückwärts auszuweichen – von einer einzigen Begebenheit, die sich ca. eine Stunde lang hinzieht. Von daher ist der Handlungsfaden mMn stringent bzw. besitzt Struktur. Ob er sich langweilig liest, steht auf einem anderen Blatt.

Was will ich damit aussagen: schwierige Frage. Ich habe eben ein Erlebnis, wie es sich jeden Tag zigmal in den vielen hundert Jobcentern in der Republik zuträgt, aufgeschrieben. Ohne dabei einen höheren Sinn zu verfolgen. Den Berufswunsch Schriftsteller des Protas kann man in Marktforscher, Astronaut, Hochseilakrobat, Schlangentänzerin etc. austauschen. Bei der ARGE werden sie einem immer was anderes vermitteln wollen. Wenn gar nichts mehr – auf die Schnelle – hilft, dann eben notfalls Akademiker in Ein-Euro-Jobs.

Was eine (gute) Geschichte ausmacht: vermute, da werden die Meinungen (stark) auseinandergehen. Ich find’s auch okay eine Szene wie ein Foto/ Stillleben darzustellen. Ist halt eine Frage der Geduld: und zwar sowohl beim Schreiben als auch Lesen.

Der Dialog zwischen den beiden ist allerdings statisch und erschlägt den Leser stattdessen mit irrelevanten Einzelheiten.
Und ziemlich genauso spielen sich Unterhaltungen in Jobcentern ab. Mangelnde Authentizität ist m.E. das letzte, was man diesem (von mir aus faden/ zu detailverliebten) Dialog unterstellen kann.

Die Begegnung mit Manni und das Telefonat mit Lila wirken wie drangeklebt und machen es noch schwieriger, eine Struktur zu erkennen.
Es handelt sich um einen Kanon von Geschichten – müssten insg. ca. 60 sein –, in denen die Figuren immer wieder auftauchen. Lila tritt als Tims zweite Freundin in Erscheinung; nachdem die erste an einer Überdosis Heroin gestorben ist. Manni ist ein Kumpel, der ihm das „freie“ Leben auf der Straße schmackhaft machen möchte. Von daher sind mir die Darsteller beim Schreiben natürlich wohlvertraut, und ich käme nicht auf die Idee, eine Unterhaltung mit ihnen drankleben zu wollen. Sie sind im Hintergrund immer präsent und erwarten Tim eben am Ende seines Auftaktbesuchs in der ARGE.

Die Frage lautet natürlich: Wie könnte man aus diesem Material eine echte Geschichte machen, eine Geschichte, die zu erzählen sich lohnt?
Was lohnt schon, es zu erzählen? Das ist eine philosophische Frage. Ich habe die Story in Alltag einsortiert; und nicht in Gesellschaft (-skritik).

Geht es dem Autor darum, die Unzulänglichkeit einer bürokratischen Organisation zu zeigen, oder geht es um einen inneren Konflikt: Wunsch gegen Erfahrung und "realistische" Überlegungen eine Karriere als Schriftsteller betreffend?
Such’s dir aus. Da letztlich alle Organisationen Unzulänglichkeiten aufweisen, tut dies die ARGE logischerweise ebenfalls. Es handelt sich bei der Story nicht – wie oben gesagt – um (Gesellschafts-) Kritik, sondern um die bloße Schilderung eines Alltagserlebnisses. Das ist ähnlich, aber nicht dasselbe.
Ob der Prota – zumal als Säufer – (zu) hochfliegende Pläne verfolgt? Mag sein. Vllt wäre er in dem Ein-Euro-Job doch besser aufgehoben.

Formal ist der Text langatmig und es fehlt auch an sichtbarer Unterteilung (=Absätzen). Der wörtlichen Rede fehlen Witz und Esprit.
Absätze sind ja drin. Allerdings sind die Dialoge nicht mehr unterteilt. Weil die in einem Rutsch verlaufen; weshalb ich sie nicht künstlich getrennt habe.

(Zu) langatmig: das habe ich verstanden.

Bei Unterhaltungen zw. Beamten/ Angestellten des öff. Dienstes und ihren „Kunden“ (ein netter Euphemismus) kann man vieles beobachten bzw. belauschen. Humor u. Witz allerdings selten. Von daher kommt der Dialog der Realität schon nahe.


Berg, vielen Dank für deine Einschätzung! Werde mir weitere Geschichten in der ARGE fürs Erste verkneifen. Ist eh keine stimulierende Umgebung für einen Autor.

Vg sinuhe

 

Hallo sinuhe

»Sie wollen demnach überhaupt nicht zurück ins Berufsleben?«
»Das habe ich so nicht gesagt. Ich meine nur, dass es im Moment schwierig ist, den zu mir passenden Job zu definieren.«
»Das klingt schon besser. Im Falle von kompletter Arbeitsverweigerung müsste ich Sie nämlich jetzt bitten, das Zimmer zu verlassen und mir nicht meine wertvolle Zeit zu stehlen. Draußen warten viele andere Kunden, die sich kooperativer zeigen als Sie. Weshalb versuchen Sie es nicht beim Sozialamt?«
»Da war ich bereits. Die haben mich zu Ihnen geschickt.«

Ab dieser Passage habe ich aufgehört zu lesen. Ich schreibe dir gerne auch den Grund. Dieser Dialog ist unwahrscheinlich. Du hast schlecht recherchiert, sonst wüsstest du, dass das Sozialamt nur zuständig ist, für Erwerbslose, die nicht mehr arbeiten können. Rechtsansprüche werden dann aus dem SGB XII hergeleitet. Die Erwerbslosen, die arbeiten können, aber erwerbslos sind, werden von einem Jobcenter betreut. Diese Ansprüche werden aus dem SGB II hergeleitet. Beide Leistungen sind im übrigen subsidiär. Falls ein Jobcenter vermuten sollte, dass statt nach dem SGB II Leistungen nach dem SGB XII zu beanspruchen sind (weil der Antragsteller schon länger aus Krankheitsgründen keine Arbeit hatte), würde dies erst über ein Amtshilfeersuchen geklärt werden müssen, ob Erwerbsminderung besteht. Das Sozialamt schickt daher grundsätzlich, alle Menschen, die noch keinen Altersrentenanspruch haben, zunächst zum Jobcenter, bis geklärt ist, dass diese Antragsteller aus Krankheitsgründen nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können. Meist haben diese Menschen dann auch einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente und die Leistungen nach dem SGB XII werden ergänzend gezahlt.

Für weitere Rechtsberatung stehe nur gegen Rechnung zur Verfügung. ;)

GD

 

Hallo,

ich hab deinen Text gelesen, der hat durch diesen Erzählrahmen und dadurch dass der Ich-Erzähler selbst davon redet zu schreiben, natürlich einen seltsamen Beigeschmack, weil er vorgibt, autobiographisch zu sein.

Ich find's seltsam, dass ein so aufregender, sprachlicher Roman wie der Mann ohne Eigenschaften hier auftaucht, als "zu schwierig", im Sinne von "er könnte interessant sein und ich will ihn lesen, aber ich schaff es einfach nicht, weil der Satzbau so schwierig ist".
Das hätte ich bei Ulysses nachvollziehen können, beim Mann ohne Eigenschaften nicht.

In dem Text wird ein Horror-Szenario entworfen, wie ich finde. Das ist das, was man der SPD eigentlich vorwirft mit der Agenda 2010, was aber Steinbrück nicht so recht zu begreifen scheint, dass man mit der Agenda 2010 ein Instrument geschaffen hat, dass dem Bürger ständig Auflagen macht und nachspürt, ob auch alles seine Richtigkeit hat.

Es gibt bei Kabel1 eine Fernsehserie - ich kenn mich mit Behörden sonst nicht aus - und in der Serie ist es so, dass immer ein edler Kontrolleur die bösen Bürger überwacht, durchschaut, beim Schwindeln erwischt und überführt; und die Bürger wollen alle nur den Staat bescheißen und ihre Playstation 3 behalten, obwohl der Gerichtsvollzieher da ist, und die Sendung ist immer eindeutig auf Seiten der Behörden. Das ist Teil einer ganz seltsamen obrigkeitstreuen Erzählkultur auf einmal, dass man sich wirklich freut, wenn der Beamte den frechen Bürger zu Strecke bringt, diesen Sozialschmarotzer und Zollpreller und komischen Ausländer. Ich weiß nicht, wo diese Erzähltradition herkommt und warum das auf einmal so aufflammt, aber ich denke, dass es sowas gibt, sagt verdammt viel über unsere heutige Zeit aus. Ich hoff eigentlich, dass sich damit mal jemand beschäftigt, mit dieser Lust auf Seiten der Behörden zu sein, wenn der Gerechtigkeit genüge getan wird - aber Nein. Das ist gar kein Thema. Zu Meta wahrscheinlich.

Ich würd gern was zu deinem Text sagen, dass ich da irgendeine Relevanz sehen kann, aber es ist halt so - ich erkenne keine gestalterische Arbeit an ihm, ich erkenne nicht, worauf der Text hinaus will, wie er strukturiert und geordnet ist.
Dann sagt man als Autor: Ja, hier gibt es keinen Witz, keine Pointe, keine Zuspitzung, keine Absicht, keine Folgerichtigkeit, DENN im richtigen Leben gibt es das ja auch nicht. Ja, das Leben ist auch furchtbar ungestaltet und unstrukturiert, wenn es ihm auch an Witz und Pointen nicht mangelt, wenn man denn einen Blick dafür hat.
Aber deshalb ist eben auch nicht jeder, der aufschreibt, was er sieht, ein Künstler. Also zu sagen: das ist so passiert, deshalb ist es wert, erzählt zu werden - Nee, find ich nicht. Da gehöre ich einer ganz anderen Richtung an. Ich hab "In Sachen Robert J. Oppenheimer" gelesen, das waren wohl die letzten Zuckungen des Naturalismus - und ich fand sie sterbenslangweilig.

Eien handwerkliche Anmerkung zum Beispiel, was mich wirklich stört, das ist dieser Dialog, der zum Leser gesprochen wird. Wenn man halt irgendwelche Zusatzinformationen dann dem Leser vermitteln muss und dann sagt die Frau hinterm Schreibtisch; Outlook, was damit alles geht.
Da denke ich als Leser. Das sagt die doch nicht? Das möchte der Autor mir sagen - und so ist das die ganze Zeit.
Wirkt die Frau glaubwürdig? Das wäre mal interessant. In einem zugespitzten Text, in dem man sagen möchte: So greift der Gängelstaat in das Leben der Leute ein und das führt zu diesem und jenem Verhalten, das wäre möglich.
Oder das man sagt: Hier ist ein völlig naiver Mensch, der aus allen Wolken geholt wird, weil - weiß ich nicht, irgendeine Erzählabsicht halt. Dass es absurd ist, dass der Staat unheimlich viel Geld in institutionalisierte Kultur reinhaut, in Theater und Oper, und dass man mit dem Geld, das man einem Beleuchter zahlt, auch drei freischaffende Autoren unterstützen könnte, aber wer will das schon entscheiden? Aber so? Was will der Text? Zeigen, was passiert ist, abbilden so - jo, nicht so richtig bearbeiten, jo, Haferbrei macht auch satt. Texte, die absichtlich nicht gestaltet werden, und die etwas Alltägliches abbilden wollen, sind meist furchtbar lasch. Da verliert man die Lust am Lesen und Denken richtig. Das ist ein Text, der die Lust am Lesen raubt.

Autoren in Geschichten sagen auch immer nur sie sind AUtoren und verhalten sich nie so. Was macht der Typ in dem Text, dass ihn in irgendeiner Form als "Autor" qualifizieren könnte? Was für Eigenschaften hat der? Er will Autor werden, weil er keine Lust auf Arbeit hat, und er mit Musik machen, nicht genug Geld verdient? Okay. Was hat er sonst so für Interessen? Was ist ihm wichtig? Was denkt er? Was zeichnet ihn aus? Sind die typischen Leerstellen in einem Ich-Erzähler. So eine vage Arroganz strahlt er aus und das es unter seinem Niveau ist, odrt zu sein. Aber "3 Tage nix gegessen?", wo in dem Text fühlt man das? Wann wird das mehr als nur ein Halbsatz? Da muss man ansetzen, wenn man eine Figur schaffen will, die mehr ist als ein Kleiderständer, an die ein Autor ein paar Ansichten hängen kann, und ein paar Dialogsätze.


Ich erkenne hier keine Erzählabsicht, außerhalb eines Einzelfalls, der für mich nicht sonderlich spannend ist.
Die Frau wirkt gerade zu sadistisch in dieser Alltäglichkeit, der Mann wirkt erstaunlich arrogant.
Ich les das als jemand, der auch schreibt, und denke: Also, wenn der Autor dieses Textes derjenige ist, der da vom Staat will, dass er als Schriftsteller anerknant wird - Nö. Find ich auch blöd.
Und dass man dann den Mann ohne Eigenschaften noch zerreißt und da reinkritzeln muss, dass man sich als Lebensentwurf Schriftsteller ausgesucht hat, aber zu erzählen hat man eigentlich eh nix, nur das eigene, ungestaltete Leben.
Ich denke der Gang zum Amt ist für viele ein Horror-Szenario, hilfebedürfig zu sein, wie ein Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden, wirklich sehr ungute Gefühle, die da geweckt werden. Ich hab das Gefühl der Text reagiert auf diese Ideen mit Ignoranz.

Nee, ich mag den Text auch nicht. Du hast geschrieben, sinngemäß: In den Dialogen gibt es keinen Witz und keine Spannung, weil es das im echten Leben auch nicht gibt.
Das stimmt. Du hast als Autor natürlich auch jedes Recht, deinen Text so zu gestalten, wie du es für richtig hältst.
Aber als Leser hat man auch das Recht sich eine andere Literatur zu wünschen, eine andere Art Autor und eine andere Art einen Stoff behandelt zu sehen. Und ich denke, der Weg, der hier im Text gegangen wird, der führt zum Schreiben unter Ausschluss der Öffentlichkeit oder zum Schreiben für eine Öffentlichkeit, die nichts anderes und nichts besseres kennt. Und das ist eigentlich traurig, diese Angst vor einer Gestaltung, an der man scheitern könnte, also gestaltet man gar nicht mehr und sagt dazu dann, dass sei Methode.

gruß
Quinn

 

Hallo Goldene Dame,

du hast irgendwo im ersten Drittel des Textes aufgehört zu lesen. Ist okay für mich. Tue ich bei anderen Geschichten ebenfalls oft. Und mir eine längere Erklärung zum Unterschied von SGB II u. XII geschrieben.

Da ich – im Gegensatz zu wahrscheinlich den meisten Kommentatoren dieser Geschichte – die Räume des Jobcenters von innen kenne und dort bereits einige Gespräche mit verschiedenen Damen (es sind aus mir unbekannten Gründen immer Frauen, die mir bei der ARGE gegenübersitzen) geführt habe, resultiert der von dir monierte Satz nicht aus mangelhafter Recherche, sondern eher daraus, dass ich Fr. Schröder an dieser Stelle zu drastisch habe formulieren lassen. Ausgehend von der – evtl irrigen – Annahme, dass Arbeitsunwillige gar nicht erst bei der ARGE vorgelassen werden. Denn man muss sich ja dazu verpflichten, min. xy Stunden pro Woche/ Monat arbeiten zu wollen. Und da Fr. Schröder in diesem Moment unsicher ist, ob der Prota dazu willens ist, droht sie ihm eben mit dem Sozialamt. Dass natürlich ebenfalls nicht für ihn zuständig ist, da er ja gesundheitlich durchaus in der Lage wäre, einen Job anzunehmen. Und sei es auch bloß ein stumpfsinniges Zusammenbasteln von Elektroteilen für einen Euro. Oder – wurde mir auch schon angeboten – Spargelstechen im Vorgebirge (liegt zw. BN u. Köln). Ebenfalls für einen €.

Man kann dem Text deshalb von mir aus Langeweile vorwerfen, aber sicherlich nicht mangelnde Authentizität.

Bedanke mich trotzdem für den juristischen Kurzlehrgang zum SGB. Wer weiß, wozu ich die Infos noch mal gebrauchen kann.

Vg sinuhe

 

Hallo sinuhe, natürlich gibt es Totschlagargumente, wie : das war aber so und damit ist es authentisch. Dem kann ich nur entgegenhalten, meine Erfahrungen im Jobcenter waren anders. Und die Geschichte wird dann allenfalls darauf reduziert, ein Erfahrungsbericht zu sein. Damit daraus eine Geschichte wird, die erzählenswert für Leser wird, könnte man einen Kniff anwenden. Übertrage deine Erfahrungen mit der Arge doch in ein anderes Genre. Werde fiktiv und erzähle aus dem Jahr 2050. Die Argemitarbeiter suchen händeringend Menschen, die bereit sind, einen Drittjob anzunehmen, da die Volkswirtschaft in Europa nur noch funktioniert, wenn alle Erwerbsfähigen mindestens 3 Jobs ausüben. Durch den Mangel an Arbeitskräften droht die soziale Ordnung zusammen zu brechen. Die Europäer fliehen über das Mittelmeer nach Afrika. ...

GD

 

Hallo Quinn,

weiß gar nicht, weshalb sich an diesem friedlichen SA-Abend auf einmal so viele Kommentatoren auf diesen kleinen Text stürzen. Das meiste war dazu doch eigentlich schon gesagt worden.

Ist sicherlich vieles richtig von dem, was du anmerkst. Man könnte die Kritik mMn allerdings eine Stufe niedriger hängen. Dies ist eine – aus mittlerweile rd. 60 – Stories des Protas Tim. Von denen manche besser u. andere schlechter ausfallen. Diese hier ist zumindest recht realistisch. Auch der Satz mit dem Outlook-Programm wurde natürlich so gesagt. Weshalb hätte ich den erfinden sollen? Ergäbe ja keinen Sinn.

Ob dem Prota der Roman Der Mann ohne Eigenschaften zu schwierig ist bzw. nicht gefällt: dieses freie Urteil muss man ihm ja zugestehen. Da er als Alkoholiker über eine gewisse Nonchalance dem Leben gegenüber verfügt, reißt er eben aus einer spontanen Laune heraus die ersten zwei Seiten heraus u. kritzelt seine eigenen Ideen aufs Papier.

Ob die Sachbearbeiterin in der ARGE recht hat, wenn sie ihn – anstatt sein schriftstellerisches Lotterleben auf Staatskosten zu finanzieren – lieber in einen Ein-Euro-Job stecken will, bleibt der Bewertung des Lesers überlassen. Tim verspürt darauf natürlich wenig Lust. Und würde in einer Fortsetzung gemeinsam mit Manni u. Lila überlegen, wie er sich vor dem Arbeitszwang drücken kann.

Ob es dazu TV-Formate gibt o. Steinbrück die Brisanz des Themas nicht versteht: das ist wiederum viel zu hoch angesetzt. Es ist kein politischer Text, sondern die Schilderung einer Alltagssituation. Deshalb folgerichtig in Alltag einsortiert. Es wird darin keine Grundsatzkritik an Hartz IV u. ARGE geübt; wenngleich es in dieser Behörde sicherlich eine ganze Menge Punkte gäbe, die man verbessern könnte. Die Schnüffelei – die sich mitunter bis in die Schlafzimmer der ALG2-Empfänger erstreckt – ist übel. Aber aus meiner Erfahrung heraus (noch) eher die Ausnahme denn die Regel.

Ob der Prota – zumindest latent – arrogant erscheint? Keine Ahnung. Er wartet, beobachtet die Umgebung, diskutiert mit der Arbeitsvermittlerin, bekommt einen Essensgutschein, verkauft den wiederum an seinen Kumpel, telefoniert mit der Freundin und setzt sich an den Rhein. Mir kam der Prota beim Verfassen des Textes jetzt nicht unbedingt hochnäsig vor. Aber die Wahrnehmung mag bei manchen Lesern durchaus so sein.

Die Geschichten – hatte weiter oben ja bereits ein Kommentator angemerkt – entfalten ihre Wirkung in der Menge. Soll heißen: man muss vermutlich min. zehn gelesen haben, um den Prota u. seine Welt einigermaßen einschätzen zu können. Als Solitäre taugen die Stories weniger. Weil sie eben oft aufeinander bauen. Wobei die Lokation ARGE neu ist. Dorthin hatte ich Tim bisher nicht marschieren lassen.

Ob man Naturalismus mag o. nicht, scheint mir eine individuelle Lese-Präferenz zu sein. Ich fand den Oppenheimer ganz gut. Halt Geschmackssache.

Da muss man ansetzen, wenn man eine Figur schaffen will, die mehr ist als ein Kleiderständer, an die ein Autor ein paar Ansichten hängen kann, und ein paar Dialogsätze.
Zu der Figur Tim existieren ein Roman-MS, das demnächst veröffentlicht wird, ein Bühnenstück und die o.g. 60 Kurzgeschichten. Teil 2 liegt in der Rohfassung neben mir auf dem Schreibtisch. So ganz verkehrt kann ich deshalb weder mit Sujet noch Erzählstil liegen. Ob dann wiederum viele Leser den Roman kaufen werden, steht auf einem anderen Blatt. Aber vor diesem Problem stehen 99% aller Autoren.

Texte, die absichtlich nicht gestaltet werden, und die etwas Alltägliches abbilden wollen, sind meist furchtbar lasch. Da verliert man die Lust am Lesen und Denken richtig. Das ist ein Text, der die Lust am Lesen raubt.
Botschaft ist angekommen. Hatten ja – mit anderen Worten – viele Kritiker weiter oben auch schon gesagt.

Quinn, vielen Dank für deine Eindrucksschilderung! Du hast mir ja viel zu meinem Text geschrieben. Weiß ich sehr zu schätzen. Zwar nicht positiv, aber das ist für mich bei dieser einen Story gar nicht so dramatisch. Wichtiger ist mir, dass du das Thema ALG2 anscheinend interessant findest. Daraus könnte man also evtl in Romanform was machen. Zumindest als Teilmenge einer zeitgenössischen Erzählung. Werde ich mir in den nächsten Tagen Gedanken zu machen.

Wünsche dir einen schönen Sonntag! (Sehr) kritische Repliken zu meiner Antwort bitte bis Montag aufsparen, denn morgen habe ich Geburtstag und werde deshalb das Forum für vierundzwanzig Stunden ruhen lassen.

Vg sinuhe

 

Hallo sinuhe,

nur ganz kurz: mir hat deine Geschichte größtenteils gefallen. Ich habe sie mir aufgrund des Themas ausgesucht und teile die beschriebenen Erfahrungen. Das hast du gut beobachtet, und besonders das Wechselspiel Dialog im Zimmer, Trubel auf dem Flurfand ich gut.

Was Goldene Dame an Rechtsberatung geliefert hat, stimmt natürlich. Trotzdem schließt das nicht aus, dass eine Sachbearbeiterin das von sich gibt. Sie werden ja oft nur kurz geschult und sagen leider immer wieder Dinge, die nicht Gesetzen entsprechen.

Der Teil mit der Obdachlosigkeit passt da nicht so gut zum Rest der Geschichte. Das ist vllt Stoff für eine andere Geschichte, hier stört es, und ich würde kürzen.

Die Schleife mit dem autobiografischen Dreh fand ich amüsant.

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

freut mich, dass dir die Geschichte gefällt. Du bist die zweite (erste?) Kommentatorin, die zu einem positiven Urteil kommt. Was mich in meiner Auffassung bestärkt, dass man als Autor zumeist nur den (Lese-) Nerv einer Minderheit trifft. Solange einem das gelingt (die Vertriebler in den Publikumsverlagen rechnen vorsichtig mit ein bis zwei Prozent der potenziellen Zielgruppe), ist es in Ordnung. Erst, wenn alle „bäh“ sagen, muss man Thema und Stil überdenken. Denn in diesem Fall schreibt man komplett am Markt vorbei.

Natürlich geht es im Jobcenter in etwa so zu, wie von mir in der KG geschildert. War ja oft genug dort. Die Sachbearbeiterin wurde – wie die meisten Teilzeitbeschäftigten dort – schnell geschult, ist genervt und wird alle drei Monate in eine andere Abteilung versetzt. Von daher kann es durchaus sein, dass nicht jede ihrer Aussagen zu 100% gesetzeskonform ist. Das aber wiederum ist Tim egal, weil er v.a. schnell an Bargeld herankommen möchte. Der Essensgutschein schmeckt ihm überhaupt nicht. Auch die Aussicht auf den Ein-Euro-Job erfreut ihn nicht.

Der Teil mit der Obdachlosigkeit passt da nicht so gut zum Rest der Geschichte. Das ist vllt Stoff für eine andere Geschichte, hier stört es, und ich würde kürzen.
Es existieren einige Geschichten mit Tim und Manni auf der Straße. Wenn man die nicht kennt, wird der Zusammenhang in der hier eingestellten KG natürlich nicht augenscheinlich. Mir schon klar.

Die Schleife mit dem autobiografischen Dreh fand ich amüsant.
Die hat mir ebenfalls gefallen.
Und ich finde nach wie vor, dass der Mann ohne Eigenschaften ein langweiliger Roman ist. Was nicht bedeutet, dass das Buch schlecht geschrieben ist. Ich persönlich kann der Handlung eben nichts abgewinnen. Wie gesagt: Das Literaturvergnügen unterscheidet sich (stark) von Leser zu Leser.


Elisha, vielen Dank für deinen Eindruck!

Wünsche dir steigende Temperaturen (und evtl Sonnenschein) zu Ostern!

Vg sinuhe

 

Hallo myisrael,

der du einen 3-Zeiler vermutlich für einen konstruktiven Kommentar hältst und um kurz vor Mitternacht auf die - aus deiner Sicht wahrscheinlich - überflüssigen Höflichkeitsformeln wie Anrede und Gruß verzichtest.

Ich kann mit deinen Anmerkungen leider gar nichts anfangen. Das ist aber nicht weiter tragisch, weil du mir die Nachricht ja auch nicht zwecks Verbesserungsvorschlag geschickt hast, sondern einfach, um zu später Stunde drei Sätze im anonymen Internet zu posten.

Mein Tipp: mach das im Fußballforum von Yahoo. Da kannst du unter Gleichgesinnten nach jedem Spiel ordentlich Dampf ablassen.

Wünsche dir ein schönes Osterfest!

Gruß sinuhe

 

Hey sinuhe!

Wenn du in der Frequenz damit weitermachst, Leute dumm von der Seite anzuquatschen, die deine Texte nicht für gut halten, wird sich schon bald keiner mehr finden, der Lust hat, dir überhaupt was zu schreiben. myisrael gibt dir in drei Zeilen vier Hinweise und bekommt dafür eine freche Antwort, wie du sie mir auch gegeben hast und auch schon einigen anderen, die nicht nach deinen Vorstellungen kommentiert haben. Viel Erfolg noch mit dieser Art des Lernens.

Gruß

Lollek

 

Hallo herrlollek,

der du ein bisschen nachtragend zu sein scheinst. Denn unsere kurze Diskussion zur (Un-) Sinnhaftigkeit von 3-Zeilen-Kommentaren liegt ja bereits drei Wochen zurück.

Habe gerade mal nachgeschaut – denn solche Sachen interessieren mich immer -: Lolek und Bolek. Polnische Zeichentrickserie aus den 60-ern u. 70-ern. Kann ich mich dunkel dran erinnern. Die lief in meiner Kindheit nachmittags entweder in ARD, ZDF (o. WDR?). Mehr Kanäle gab es damals nicht. Polen wusste ich gar nicht. Hatte irrtümlicherweise (wahrscheinlich wg Pan Tau) auf Tschechien als Produktionsland getippt.

In welcher Funktion schreibst du mir jetzt? Als Moderator? Bist du nicht. Zumindest nicht in deinem Profil vermerkt.

Dann kurz zu Forenregeln. So, wie ich sie verstehe:
( ) in meinem Thread (es ist meiner, weil ich ihn eröffnet habe) lade ich eine KG hoch
( ) du formulierst einen Kommentar dazu
( ) ich antworte darauf
( ) und du kannst erneut eine Replik verfassen.
Aber NICHT:
( ) du antwortest in meinem Thread für einen Dritten!!!
Wärest du ein Mod (bist du aber nicht), könntest du natürlich eingreifen. Falls Bedarf dazu besteht.

Insofern du dir die Mühe gemacht hast, die Historie dieses Threads zu verfolgen, dann konntest du schnell erkennen, dass ich auf lange Analysen (egal ob positiv o. negativ) ebenfalls ausführlich reagiert habe. Auf Dreizeiler antworte ich eben kurz. Ist mein gutes Recht als Autor, mir nicht jeden Schuh, der nach mir geworfen wird, auch noch anzuziehen. D.h. ein Kritiker – besonders wenn er Verrisse formuliert – sollte im Umkehrschluss ebenfalls kritikfähig sein. Diese Tugend ist im Land der Oberstudienräte leider wenig verbreitet. Weil wir Deutschen gerne ex cathedra dozieren. Und es nicht mögen, wenn der Gescholtene es wagt, zu widersprechen.

Natürlich kannst du mir schreiben, dass dir meine Story nicht gefällt. Tun ja genügend Kommentatoren. Über Mangel an negativer Kritik brauche ich mich wahrlich nicht zu beklagen. Bloß solltest du (o. wer auch immer) dir dann die Mühe machen, mir die Schwachstellen im einzelnen aufzuzeigen. Von Daumen rauf o. runter halte ich gar nichts. Zumindest nicht in einer Schreibplattform. Es existieren genügend andere Foren, in denen man „like“ o. „don’t like“ posten kann.

Jetzt gehe ich – trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt – in den Garten. In der Hoffnung, dass dort auch für mich ein paar Überraschungseier versteckt liegen.

Wünsche dir ein entspanntes Osterfest!

Vg sinuhe

 

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