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Plappertante
'Es war eine laue Sommernacht.'
Und mit lau meine ich mehr warm als kalt. Hm, wenn ich es mir genauer überlege, sollte sie doch lieber warm sein. Fast heiß. Wie wenn die Hitze eines Sommertages sich nicht merklich abgekühlt hätte, als die Sonne endlich schlafen gegangen war. Wobei die Sonne ja nicht wirklich schlafen geht, die Erde dreht sich und es wird woanders Tag. Blabla. Hatten wir erst in der Schule. Aber ich hätte es auch so gewusst.
Meine Freundin Susi, die uns hier grade quer durch die Stadt in ihrem kleinen, schwarzen Flitzer fährt, meint schon wieder, ich würde zu viel quatschen. Aber das stimmt gar nicht. Ehrlich. Ich mache mir einfach Gedanken. Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns keine Gedanken machen würden? Aber ich merke selbst, dass ich abschweife. Also, was wollte ich schreiben, wo war ich? Achja, die laue Sommernacht.
Ich liebe solche Nächte. Am liebsten säße ich, wenn ich es mir aussuchen könnte, dabei an einem Strand, starrte in das Glitzern des Mondes und der Sterne auf der sich ständig bewegenden Wasseroberfläche, lauschte dem leisen Wispern und Rauschen des Meeres, das sanft an den Strand rollen würde. Es wäre, als würden die Sterne auf mich zu schweben und mich mitnehmen wollen, in einen himmlischen Palast.
Ich liebe Paläste.
Aber kein solche alten Steinhaufen, bei denen es einen schon friert, wenn man nur ein Bild davon sieht. Ich stelle mir einen Palast immer vor, wie in '1000 und eine Nacht'. Ich meine, wenn schon Palast, dann richtig. Mit wogenden Seidenvorhängen, Goldornamenten an den Wänden, dem Geruch nach fremdartigen Düften und kleinen Füßen in Schläppchen mit Mustern drauf. Wo dickbäuchige Kastraten den Harem bewachen. Nein, die heißen gar nicht Kastraten, obwohl sie welche sind. Wie heißen die gleich? Achja, Eunuchen. Mit weißen Tüchern um sich gewickelt und einem riesigen Turban auf dem Kopf und einem Krummschwert an der Seite. Wie sie tapfer die Frauen bewachen, damit denen keiner was zu leide tut. Heldenhaft. Und dabei den Sand ertragen und die Hitze, alles in unbarmherziges grelles Sonnenlicht getaucht.
Vielleicht sollte ich mich lieber auf Kulissenmalerei spezialisieren, Bühnenbildnerei oder Dekorationen. Immerhin bin ich mit meinem geplanten, genialen, für die Theatergruppe des Einstein-Gymnasiums vorgesehenen Textbuches noch nicht weiter wie bis zur ersten Zeile gekommen. Also denn: es war eine laue Sommernacht. Nein, eine warme Sommernacht. Okay.
Mein Stift macht einen hässlichen Strich quer über meinen Block. Was zum Henker passiert denn hier? Quietschende Reifen, hupende Autos. Erschreckt schau ich nach draußen. Aus den Fenstern des kleinen schwarzen Minis von Susi. Die, wie ich mit einem kurzen Blick bemerke, reichlich verlegen aussieht. Feuerrote Flecken zieren ihre Wangen, während sie leise vor sich hin flucht. Irgendwas von Mist und den falschen Gang erwischt. Den falschen Gang? Ich betrachte vorsichtig den eigenartigen Stab mit dem runden Knubbel darauf, mit dem sie wild hin- und herrührt. Zum Glück muss ich nicht fahren. Kann ich gar nicht. Dem Himmel sei Dank und Lobet den Herren. Susi meint, ich wäre nicht nur eine Gefahr für mich sondern auch für den Rest der Menschheit, wenn man mich hinter das Steuer eines Autos ließe.
Kann ich gar nicht verstehen. Den falschen Gang erwischen könnte ich allemal. Vor allem, wenn es sieben davon gibt. Wieder ernte ich einen vernichtenden Blick von Susi. Jaja, ich weiß, dass ihr über alles geliebtes Gefährt ein Sechsgang-ich-weiß-nicht-was ist und der siebte der Rückwärtsgang ist. Hat sie mir schon tausendmal gesagt. Ein wunderbarer Mini-Cooper mit 6-Gang-Schaltung. Aber mal im Ernst: wer braucht das schon? Mir genügt es, wenn ich eine Freundin habe, die uns kutschiert. Falscher Gang hin oder her. Hauptsache es fährt uns prima in den Sonnenuntergang. Ah, da wäre ich ja wieder beim Thema: es war eine laue Sommernacht ...
die vorgegebenen Worte waren: Sommernacht, 6-Gang-Schaltung, schweben, Palast und Textbuch