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Adams Liste
Am Anfang war nur das Nichts.
Und Gott.
Aber der stand neben dem Nichts und langweilte sich.
Dann beschloss, er etwas zu tun, und mit ein paar mal in die Hände spucken und ein bisschen Heimwerkeln wurde aus dem Nichts das Paradies.
Gott schuf die Tiere und die Pflanzen und setzte sie hinein ins Paradies, damit es dort etwas lebendiger und interessanter wäre. Dann machte er sich zuletzt noch an die Menschen und erschuf Adam als ersten von ihnen.
Als er fertig war, nahm er ihn bei der Hand und brachte ihn ebenfalls ins Paradies. Dort rief er alle tierischen Bewohner zusammen und stellte ihnen das neue Mitglied ihres exklusiven Vereins vor. Alle begrüßten Adam artig. Die, die es tun konnten, gaben ihm sogar die Hand bzw. Pfote.
Dann ließ Gott sie wieder allein, um schnell noch Eva zu erschaffen.
Als der himmlische Vater aber fort war, gab es ein großes Gelächter. Anfangs wusste Adam nicht, worum es ging, und versuchte stellenweise mit zu kichern, doch er merkte sehr schnell, dass alle über ihn lachten.
„Kiekt mal, der hat ’ne Ganzkörperglatze!“, rief ein besonders vorlauter Orang Utan als erster, dem Adams sonstige Ähnlichkeit zu ihm selbst gar nicht weiter auffiel.
„Und der hat nur einen ganz kleinen Rüssel und dazu noch an der falschen Stelle! Zum Totlachen!“, trompeten die (später indischen) Waldelefanten im Hintergrund.
„Gott hat da irgendwas falsch zusammengebaut. Der steht ja aufrecht auf zwei Beinen. Müsste der nicht ständig beim Gehen umfallen?“, erkundigte sich eine kleine Weißbauchringelnatter interessiert, die mit dem Konzept des Beinantriebes nicht gut vertraut war.
„Was willst du denn mit den kleinen Stummelbeinchen anfangen?“, wurde Adam aus Scherz von einer der Saiga-Antilopen aus der hinteren Reihe gefragt. Zu einer schlagfertigen Antwort ließ man ihm jedoch keine Zeit.
„Was kann er damit schon anfangen? Gar nichts! Da sind ja nicht mal Krallen dran“, spöttelte ein (irgendwann sibirischer) Tiger.
„Der muss doch gar nicht rennen. Guckt euch die Zähne an! Damit kann er wenn’s hoch kommt, grad mal Früchte essen. Und die sind sowieso nicht gut zu Fuß“, sagte der Beutelwolf neben ihm, und alle mussten wieder loslachen.
„Und erst der riesige Wasserkopf! Sieht total bescheuert aus!“, grinste ein Dodo und pickte Adam spaßeshalber ans Bein.
„So ein Zwerg soll die Krönung der Schöpfung sein?“, fragte einer der Blauwale im nahen See skeptisch.
„Ich weiß nicht. Von ihr oben sieht er eher mickrig aus“, kreischte ein Kondor hoch über ihnen herunter und beäugte Adam misstrauisch.
Wie sie so alle über ihn lachte, war Adam gar nicht wohl in seiner Haut. Erst schämte er sich noch. Dieses Gefühl wich aber bald einer gewissen Verbitterung.
„Lacht nur über mich“, dachte sich Adam und grinste vor lauter Wut, „Ich werd’ mir das alles merken und... “
Plötzlich kam Gott zurück und brachte Eva mit. Er stellte sie Adam zur Seite und ließ wiederum alle der Reihe nach sie begrüßen. Bevor Adam aber noch zu Gott etwas über die Gehässigkeit der anderen Tiere sagen konnte, war dieser erneut verschwunden, um irgendwo etwas zu bauen. Das Paradies besaß immer noch allerlei Kinderkrankheiten und Startprobleme, die erst einmal behoben werden mussten.
Kaum war Gott das zweite Mal gegangen, fingen die ganzen Spöttereien von vorne an, sogar noch schlimmer als zuvor.
„Die sieht ja noch beknackter aus, als der erste!“
„Und die beiden riesigen Dinger da vorne dran. Da kann sie ja nicht mal ihre Füße sehen.“
„Solche Plattfüße würde ich auch nicht gerne sehen wollen!“
„Viel zu kleines Dies...“, „Viel zu großes Jenes...“ und „Das Ding ist doch totaler Quatsch an der Stelle!“, so ging es die ganze Zeit, bis Adam und Eva zutiefst gedemütigt davonrannten.
Hinter ihnen wurde das Gelächter der übrigen Paradiesbewohner nur allmählich leiser. Egal wo sie auch hinkamen, sie konnten das hämische Gekeife der anderen Tiere hören, denn der Garten Eden war ja noch nicht sonderlich groß.
Schließlich entdeckten sie eine Höhle, in der es nicht ganz so unerträglich war, und trösteten einander. Sie beide fanden sich gar nicht so hässlich. Weder hatte Eva an Adams Rüssel noch der etwas an ihren Wölbungen auszusetzen.
Die anderen Tiere waren sehr gemein und gehässig zu ihnen gewesen, aber irgendwie würden sie sich schon an ihnen zu rächen wissen. Vergessen würden beide es sicherlich nicht.
Aber hier war nicht der richtige Ort und die richtige Zeit dafür. Gott schaute alle Nase lang rein und wäre definitiv nicht erfreut gewesen zu sehen, wenn Adam das täte, was er sich momentan in seinen Rachefantasien recht farbenfroh und detailreich ausmalte.
Außerdem knurrte beiden mittlerweile ziemlich der Magen.
Gegenüber der Höhle stand ein kleiner Apfelbaum mit prächtigen, roten Früchten. Wenn sie schon Fruchtfresserzähne hatten, dann könnten sie sie auch benutzen, war das junge Paar sich einig.
Adam überlegte noch kurz, ob Gott nicht etwas über irgendeinen Baum zu ihm gesagt hatte. Aber Eva war schon wie der Wind hinaufgeklettert. Sie war viel zu hungrig und frustriert, um sich darüber jetzt noch Gedanken machen zu wollen.