Wie es dazu kam, dass ich 1. Bürgermeisterin von Hamburg werden wollte
Schreibwettbewerb des Hamburger Verkehrverbundes ( HVV )
Begegnungen Menschen in Bus und Bahn
Hamburg-Altona
Altonaer Bahnhof
Die Sonne schien schon sehr warm an diesem frühen Montagmorgen, als ich mit meiner Mutter in den Schatten der Unterführung zur
S-Bahn des Altonaer Bahnhofs hinunterging.
Wir hatten ein schönes Wochenende bei meinen Großeltern an der Elbe verbracht und mit vielen anderen tausend Menschen den Hafengeburtstag gefeiert.
Jetzt wollte ich aber möglichst schnell wieder nach Hause zu meiner Freundin Sandra um ihr alles zu berichten, was ich Neues erlebt hatte.
Nur mit der S-Bahn fahren war für mich immer so langweilig und das ewige Warten auf den Zug konnte ich überhaupt nicht leiden.
„Franziska, wir müssen rechts die Rolltreppe benutzen um die S-Bahn in Richtung Hauptbahnhof zu bekommen“, sagte meine Mutter und hielt mich dabei fest an der Hand.
Unten auf dem Bahnsteig angekommen, entdeckte ich ein großes Plakat, was auf helle Kacheln geklebt war, und obwohl ich noch nicht gut lesen konnte, wusste ich, dies ist ein Kinoplakat.
Und zu meiner Überraschung war dort das Star Trek Raumschiff „Voyager“ abgebildet.
Darunter Cäpt. Janeway, B’Elanna Torres und die von mir so bewunderte Borkprinzessin Seven of Nine.
„Alle meine Lieblingsschauspielerinnen hier unten in der S-Bahn“, dachte ich verblüfft, „Toll! Was man hier im Bahnhof alles sehen kann, so was war mir früher gar nicht aufgefallen.“
Plötzlich hörte ich ein singendes Geräusch aus der dunklen Röhre
und ein leichter Zugwind kündigte die S-Bahn an.
Der Zug kam mit einem hässlich metallischen Geräusch zum Stehen und
direkt vor mir gingen mit einem piependen Ton die Türen auf.
„Franziska, setz dich bitte schnell hin“, sagte meine Mutter und schob mich dabei ins Abteil, um dann einer alten Frau mit ihrem Gehwagen beim Einsteigen behilflich zu sein.
Das Abteil war halbvoll und so lief ich zur nächsten Sitzbank, wobei ich selbstverständlich den Fensterplatz einnahm. Der Zug fuhr mit einem Ruck an, sodass ich leicht in die Rückenlehne des Sitzes gedrückt wurde.
Erst jetzt nahm ich meinen Gegenüber war.
Jedoch konnte ich das Gesicht nicht erkennen, weil dieses sich hinter einer Zeitung befand. Nur sein dunkelblauer Anzug schaute hervor.
„Wie mein blaues Samtkleid“, dachte ich, „welches ich von meiner anderen Omi aus Berlin zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte.“
Dabei vergaß ich meine Füße still zuhalten und streifte mit meinen roten Sandalen über die Anzugshose, die jetzt nicht mehr ganz so dunkelblau war, sondern etwas grau wurde.
Die Zeitung senkte sich, und ein Mann mit grauen Haaren und
goldener Brille, über die er hinwegguckte, kam zum Vorschein.
„Entschuldigung!“, kam es mir leise über die Lippen und gleichzeitig spürte ich den vorwurfsvollen Blick meiner Mutter, der auf mich gerichtet war.
„Verzeihen Sie... meine Tochter hat nicht... aufgepasst!“,
begann meine Mutter leicht zu stottern.
„Merkwürdig, was ist mit meiner Mutter los?“, dachte ich,
„Sie kann doch sonst so gut reden!“ und dabei schaute ich sie verwundert an.
„Alles halb so schlimm!“, sagte der Herr und warf mir einen verständnisvollen Blick zu.
„Das ist mir in deinem Alter auch schon mal passiert.“
Dabei klopfte er sich den Schmutz von der Hose und verschwand wieder hinter seiner Zeitung.
Erst jetzt bemerkte ich, dass meine Mutter nervös an ihrer Perlenkette herumzupfte, was sie immer tat, wenn sie aufgeregt war.
„Franzi, das ist unser Bürgermeister, Dr. Henning Voscherau“, flüsterte sie mir leise ins Ohr.
„Das kann nicht möglich sein!“, dachte ich zweifelnd.
„Politiker fahren doch immer in großen schwarzen Luxuslimousinen durch die Stadt, das hatte ich des öfteren schon im Fernsehen gesehen. Außerdem, wo sind die Leibwächter die ihn beschützen?“,
schoss es mir durch den Kopf.
Also beschloss ich, wie eine Reporterin der Sache selbst auf den Grund zu gehen, und bevor mich meine Mutter festhalten konnte, setzte ich mich schnell auf den freien Platz neben dem Mann im blauen Anzug.
„Stimmt es wirklich, dass Sie der Bürgermeister von Hamburg sind?
Dann tut es mir besonders leid wenn sie mit schmutziger Hose ins
Rathaus gehen müssen.
Hoffentlich bekommen Sie kein Ärger“, plapperte ich munter drauf los. „Und wo sind eigentlich Ihre Leibwächter, die auf Sie aufpassen müssen.
Ich heiße übrigens Franziska, aber sie können ruhig Franzi zu mir sagen, das tun alle meine Freunde.“
„Die habe ich heute morgen Zuhause gelassen“, lachte der Herr und faltete seine Zeitung zusammen, wohlwissentlich, dass er jetzt nicht mehr zum Lesen kommen würde.
„Und als Bürgermeister fühle ich mich in der S-Bahn sicher.
Du musst wissen, so viele schlechte Menschen gibt es nun auch nicht in unserer Hansestadt. Außerdem komme ich morgens so viel schneller in die Innenstadt als mit dem Auto.“
„Musst du denn nicht schon längst im Kindergarten sein?“, fragte er mich, wobei er seine Goldbrille geraderückte.
„Nein, dafür habe ich leider keine Zeit, ich bin Sportlerin wie meine Freundin Sandra“, entgegnete ich.
„Und was für ein Sport übst du aus?“
„Ich bin Schwimmerin.
Wahrscheinlich werde ich mal Olympiasiegerin“, sagte ich stolz.
„Übrigens war ich letzte Woche im Fernsehen.“
„Das ist ja sehr interessant“, sagte der Bürgermeister, aber sein Blick verriet mir, dass er mich wohl nicht ganz ernst nahm.
Bevor ich dies jedoch klären konnte, hielt der Zug an, und eine Gruppe
von Musikern mit großen mexikanischen Hüten betrat das Abteil und begann auf ihren Gitarren Lieder zu spielen, wobei eine dunkelhaarige Frau mit einen Tamburin dazu sang.
Die Musik war so voller Leben, dass einige Fahrgäste begeistert zu den Rhythmen mitklatschten.
In der Zwischenzeit hatte meine Mutter mit dem Bürgermeister einige Worte gewechselt, um was es ging, konnte ich leider nicht verstehen,
da meine Mutter sehr leise sprach und die Musik zu laut war.
Ich hoffte, dass die Musik bald aufhören würde, denn ich wollte noch so viele Fragen an den Bürgermeister stellen.
Ob im Alstertal bald ein Abenteuerspielplatz gebaut wird und wann endlich die Deutschen Schwimmmeisterschaften nach Hamburg kommen.
Oh, ich hatte noch so viele Fragen in meinem Kopf.
Endlich, die Musik hörte auf und die Frau begann für ihre Vorstellung Geld einzusammeln
Ich wollte mit meinen Fragen gerade loslegen, als der Bürgermeister plötzlich aufstand.
„Ich muss hier gleich aussteigen. Schön dich kennen gelernt zu haben, Franziska. Ich wünsche dir und deiner Mutter noch einen schönen Tag. Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder“, sagte er, wobei er mir
zum Abschied freundlich zuzwinkerte.
„Schade!“, dachte ich traurig.
Ich hätte noch soviel zu sagen gehabt und setzte mich wieder zu meiner Mutter auf die Bank.
„Mama, wir müssen öfter mit der S-Bahn fahren, das ist hier viel spannender als im Auto.
Ich wusste gar nicht, dass man hier so interessante Menschen kennen lernen kann“, sagte ich aufgeregt.
Der Rest der Fahrt verging wie im Flug.
Noch am gleichen Nachmittag, erzählte ich meiner Freundin Sandra, den Nachbarn, dem Gemüsehändler, dem Friseur und allen, die es wissen wollten von meinen Treffen mit dem Bürgermeister von Hamburg.
Und wenn Sie ihn auch persönlich kennen lernen wollen, brauchen Sie nur Montagmorgens mit der S-Bahn von Altona zum Hauptbahnhof fahren.
Na ja, wenn ich es mir recht überlege, könnte ja Sandra Olympisches Gold holen und ich würde dann stattdessen 1. Bürgermeisterin von unserer Stadt werden.
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Novel