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Serie Galaktopol - Gerichtstermin

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06.06.2002
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Galaktopol - Gerichtstermin

„Seit wann nuckelst du am Daumen, liebe Sylvia?“
„Täglich soll ein Artikel in die Kolumne. Hinter meiner zorngefalteten Stirn herrscht schlimmste Leere.“
„Unbedingt musst du einen autobiographischen Schrieb über dich und deine Problemsituation veröffentlichen.“
„Privates über mich wird langweilig. Da unterscheiden wir uns! Die Männerwesen stehen bei dir zum Händchenhalten Schlange. Mit mir wollen sich die Herren der Schöpfung zum Fachsimpeln treffen. Über dich gibt es neuen Kollegenklatsch. Ich will nur referieren, was andere tratschen: Drei Herren sollen sich angeblich darüber streiten, ob sie Vater von Simon, deinem Sohn, seien. Ganz unter uns: Wer war es?“, fragte Sylvia etwas neugierig, um endlich Antwort geben zu können.
„Der vierte war es wirklich. Die anderen wollen bei mir auf der Couch sitzen und die Stiefmutter von Simon tätscheln. Wusstest du es nicht. Ich bin nicht die leibliche Mutter von Simon!“, gab Marion über ihr Privates Auskunft.
„M-o-m-e-n-t, dies wird verwickelt. Jemand anderes sollte dein Privatleben portraitieren. Bin viel zu befangen bei dir.“
„Schreib' doch was über die Raumfahrtversuche der Erdbewohner“, riet die Kollegin Marion.
„Ich auch noch? Die 4976te Redakteurin, die kommentiert: Welch Überraschung! Sie sind auf dem Mars gelandet!“
„Übrigens, gestern war ich mit Simon im Zoo: Wir haben uns krank gelacht. Dort gibt es außerhalb unserer Glaskuppel eine Biosphäre, Flüsschen aus Methan mit lebenden Enten drin. Man kann die von Robotern füttern lassen.“ „Alles Thematiken anderer Ressorts.“
„Ruf doch deinen Henning an: Der wird sicherlich eine Freikarte für das Turnier der Methandrachen spendieren.“
„Immer ist er Sylvias letzte Rettung und deren schlimmster Albtraum, virtuelles Todesstadium im Cyberhimmel, ich fang' irgendwann an zu vibrieren.“
„Die Polizei, dein Freund und Helfer. Ruf ihn doch an!“
„Polizei-Oberst Henning, Galaktopol, Abteilung Ermittlung und Verfolgung“, meldete sich der Beamte am Bildtelefon.
Sylvia war hin und hergerissen zwischen dem Gefühl, sie würde für den Verlag Niedriglohn-Arbeit leisten und purer Neugierde, was es bei Galaktopol Neues gäbe.
„Ach, Henning, hast du brisante Fälle mit publizistischen Dimensionen?“
„Hallo Sylvia und Monika, nur Zeugengeld-Auftankung bei der Strafjustiz. Im Klartext, dem interplanetarischen Fahrraddieb Klaus Pamir wird der Prozess gemacht und ich sage als Hauptbelastungszeuge aus. Wollt ihr als Zuschauer beim Gerichts-Termin anwesend sein?“
„Monika, läßt fragen, ob der Angeklagte ein normaler Typ oder ein Psycho-Science-Wesen aus den Sümpfen der Zentralsteppe sei?“
„Der alte Trinker hat 100 transplantierte Chips im Körper und kommt sich wie der kosmischer Herrscher vor.“
„Nun gut, wenn es nicht schlimmer kommen kann, dann werd ich meinem Drehsessel untreu und flaniere mal wieder auf den Gerichtsfluren“, stimmte Monika der Einladung zu.
Das Gerichtsgebäude war schwerst bewacht. Die beiden Reporterinnen zwängten sich in die Durchleuchtungs-Schleuse.
„Okay bitte passieren!“
Henning schritt mit seinem Nebenklage-Anwalt nervös vor dem Gerichtssaal auf und ab.
„Um ein Geständnis kommt Klaus Pamir nicht rum.“
„Wir werden es erleben“, wiegelte Rechtsanwalt Konrad die Vorwegnahme ab.“
„Die Verhandlung ist eröffnet!“
Aus dem Gefängnistrakt wurde der wegen Fahrraddiebstahls angeklagte Klaus Pamir hereingeführt. Der Biologische Körper des Angeklagten wirkte noch entfernt menschlich; war jedoch mit etlichen unter die Haut transplantierten Mikrochips übersät, die an seinen bloßen Oberarmen und im Gesicht anhand der feinen Antennen-Drähte und Wölbungen erkennbar waren.
„Der Zeuge von der Dienststelle für die Bekämpfung galaktischer Kriminalität möge bitte die Ermittlungsfakten zur Persönlichkeit des Angeklagten vortragen“, forderte der weißhaarige Richter Henning auf.
„Der Angeklagte betreibt eine Textilfirma namens Robotex. Dieser Betrieb wird von ihm als interplanetar tätiges Im- und Export-Unternehmen betrieben. In Wahrheit handelt es sich um ein kleines Büro am Rande des Raumflughafens mit kleinem Aufenthalts- und Lagerraum. Hier beschäftigt der Angeklagte Klaus Pamir zehn Roboter, die er durch Gedankenimpulse führen kann. In dem nachfolgenden Film des Observations-Trupps erkennen sie, wie diese Automaten unter seiner gedanklichen Leitung einen Transporter entladen.“
Eine schrill bunt gekleidete Gruppe von Arbeitsrobotern flimmerte auf der Leinwand. Sie sammelten sich behäbig an einem Lastenfahrzeug, um riesige Stoffballen abzuladen. Der Angeklagte stand konzentriert in der Nähe. Als er für einen kurzen Moment mit einem Besucher diskutierte, nutzten zwei der Automaten die Gelegenheit, noch einmal die Pause zu verlängern. Jetzt konnte man deutlich sehen, wie der Angeklagte auf die eigenmächtige Pause reagierte. Seine Augen drehten sich zu den Faulenzern und beide sprangen, obwohl sie seinen Blick nicht gesehen haben konnten hoch.
Henning faßte das Gesehene noch einmal zusammen: „Klaus Pamir führte also seine Mitarbeiter durch gedankliche Anweisungen, die dann mit Hilfe der von ihm mitgeführten Sender übertragen wurden.“
Der Staatsanwalt verlas den Anklagetenor: „Angeklagter, ihnen wird vorgeworfen, gestohlene Luxusfahrräder in großer Anzahl zu anderen Planeten verschoben zu haben. Gestehen sie diese Tat?“
Zum ersten Mal hörte man die fast mediale Stimme des mühsam um Konzentration ringenden Kaufmanns: „Ich habe weder Räder gestohlen noch exportiert!“
Richter Konrad leitete die Beweisaufnahme ein und bat den Kriminalisten um sein Ermittlungsergebnis.
„Der Angeklagte hat mit seinen Robotern die geklauten Räder von seinem Lagerraum per Lastenfahrzeug zum Raumtransporter befördert, dort entluden seine Roboter die Zweiräder und der Angeklagte schob einige davon persönlich die Laderampe hinauf!“
„Was sagen sie zu diesem Vorwurf, Angeklagter?“
„Während des beschriebenen Vorganges war ich selber von einer anderen Instanz ferngesteuert gewesen!“
„Sie sind kein Roboter und haben einen eigenen Willen. Ihren Worten kann ich keinen Glauben schenken.“
Der Händler schob ein Standard-Gutachten aus dem öffentlichen Datennetz über den Tisch und wies auf die Existenz einer gesamten Behörde hin, die keine andere Aufgabe hätte, als sich mit telekinetischen Fernwirktechniken zu befassen.
„Das Gericht macht einen Lokaltermin und wird der erwähnten Behörde einen Besuch abstatten. Die Verhandlungsteilnehmer treffen sich um 20 Uhr beim Pförtner der Behörde für telekinetische Lenkungsmaßnahmen.“
Der verschränkte Gebäudekomplex verbarg in elegant eingerichteten Großraumbüros, lange Reihen von Schreibtischen, die aufgrund vieler technischer Geräte teils laborartig, teils aber aufgrund der Aktenstapel verwaltungsmäßig wirkten. Ein Abteilungsleiter startete mit der Vorführung: Plötzlich war die Uhr an Hennings Handgelenk verschwunden und Sylvia besah verwundert den zweiten Zeitmesser an ihrem Unterarm.
„Für eine Erläuterung wären alle Prozessbeteiligten sehr dankbar!“ „Das biologische Gehirn kann als ein elektrischer Apparat angesehen werden, der wie Computer im Netzwerk oder auch Mobiltelefone fernsteuerbar ist. Unsichtbar tasten elektromagnetische Feldlinien-Verdichtungen unserer Beeinflussungsanlagen die induktiven Wirkungen der Gehirnströme eines jeden Individuums der Umgebung ab und beginnen dann damit, die Gedanken und Sinneswahrnehmungen in Abstimmung mit denen der anderen Subjekte zu gestalten: Wenn von allen die Armbanduhr nunmehr an Sylvias Unterarm gesehen wird, so handelt es sich um ein Gedankendesign aller hier anwesenden Besucher!“
Staunend blickten sich die Prozessteilnehmer an.
„Und nun? Jetzt machen Sie mit jedem, was sie wollen?“
„Die Vorschriften sind so eng, dass mehr als ein paar Experimente hier im Amtsgebäude kaum möglich sind, wir dürfen telekinetisch nur in einem engen Rahmen unter hohen Sicherheitsauflagen wirken.“
Ein scheuerndes Geräusch schleppte sich über den Kachelflur: Ein Haifisch, der seine Flossen als fuß- und armähnliche Gliedmaßen benutzte, kroch aufrecht aber gebeugt über den Gang und wollte sich vermutlich eine neue Akte abholen, nachdem er die andere bereits gelesen hatte.
„Sagen sie, was macht dieser vertrauenserweckende Fisch hier in ihrer Hauptabteilung?“
„Das sind die sogenannten Auguren, die sich als Lobbyisten für differente Interessen der galaktischen Bevölkerung hier aufhalten und sonst von der Informationsabteilung betreut werden.“
„Die nehmen also Einfluss darauf, ob Hennings Armband an meinem Arm klebt oder unter der Decke hängt. Könnten sie die Uhr bitte wieder dort platzieren, wo sie hergekommen ist!“
Lächelnd ließ ein technischer Angestellter im weißen Kittel die Uhr in der Luft kreisen, bevor sie sich wieder um das Handgelenk des Polizei-Obristen wickelte.
„Entscheidung! Die Verhandlung wird vertagt. Bezüglich dieser uns allen unbekannten mysteriösen Sachlage verfüge ich die Anfertigung eines Gutachtens“, verkündete der Richter.
Sylvia und Monika verabschiedeten sich etwas benommen von Henning.
„Liebe Sylvia, war das Stoff für deinen Artikel?“
„Der blöde Fisch wird mir meine Hand schon führen.“
KOLUMNE DER KRIMINALREPORTERIN SYLVIA WITT
„Sind Kaninchen die wahren Herrscher des Universums? In der Behörde für telekinetische Lenkungsmaßnahmen herrschen diese Feldtiere mit unendlichen Gedankenkräften. Nichts ist vor ihnen sicher, nicht einmal die eigene Armbanduhr. Wer ähnliche Erlebnisse von Trance und Telekinese hatte, wird eindringlich gebeten, einen Leserbrief an die Redaktion zu schreiben. Eure Sylvia.“

 

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