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Vaters Geschenk

sim

Seniors
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13.04.2003
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Vaters Geschenk

Plötzlich steht mein kleiner Bruder nackt auf dem speckigen Linoleum in der Küche und sagt keinen Ton. Abgemagert ist er. Die Rippen stehen wie Fischgräten hervor, jede einzeln zu zählen. Der Bauch ist so eingefallen, dass man das Gummiband eines Weckglases darum spannen könnte.
Er hat blaue Stellen an den Hüften, vermutlich, weil der Fußboden unter der dünnen Isomatte aus dem Supermarkt viel zu hat war. Seit Tagen hat er nur gelegen, geschwächt vom Fieber.
»Geht es dir besser?«, frage ich.
Paul klappert mit den Zähnen und hat Gänsehaut. Sein Penis ist so klein als wäre er gerade aus einem kalten See gekommen. Das wenige Schamhaar klebt an seinem Bauch und er riecht, als hätte er im Schlaf gepinkelt.
Auch das noch. Jetzt muss ich wieder zum Fluss und sein Bettzeug und seinen Pyjama ausspülen.
»Wo ist Mama?« Paul kann gar nicht so stark zittern, wie er friert. Trotzdem steht ihm der Schweiß auf der Stirn. Wenn wir mehr Wasser hätten, würde ich ihn unter die Dusche schicken und ihn anschließend in ein flauschiges Frotteehandtuch hüllen, damit ihm warm wird. Bestimmt hat er noch Fieber.
Ich wringe den Feudel aus, schmeiße ihn auf den Küchenboden und lege Paul meine Wolljacke um die knochigen Schultern. Zwar steht in der Küche der Herd, doch die Wärme reicht nicht bis in die Zimmer. Wir haben November und man hat uns den Strom abgestellt.
»Mama ist noch nicht zurück. Sie wollte nach der Arbeit noch zum Basar.«
Paul lässt sich zum Küchenstuhl schieben. Der Geruch von Krankheit beißt in meiner Nase, aber ich setze mich, nehme meinen Bruder auf den Schoß und in die Arme. Sein Haar fühlt sich fett und stumpf an, als ich darüber streiche. Es müsste dringend gewaschen werden. Ein bisschen Glut ist noch im Herd, ein bisschen Holz liegt noch auf dem Stoß, und ein bisschen Wasser ist noch in dem Kanister. Aber das werden wir brauchen, wenn Mama zurück ist. Für die Suppe …
Holz ist knapp, seit alles nur noch aus wiederverwertbaren Pfandkisten verkauft werden darf. Manchmal schleiche ich in die Wälder, sammle morsche Äste und Zweige.
Pauls Stirn ist nicht mehr heiß. In meinen Armen zittert er ein bisschen weniger.
»Hast du die Zeitungen …?«, fragt er leise. Ich nicke nur.
Einmal in der Woche darf er die Lokalanzeiger in die Treppenhäuser legen. Einen Cent bekommt er pro Blatt. Geld, durch das wir wenigstens ab und zu mal Kohlen kaufen können.
Zur Bestätigung fahre ich ihm noch einmal kräftig mit der Hand durchs Haar. »Mach dir keine Sorgen.«

Man gewöhnt sich daran, zu rechnen, sich mit anderen auf den Basaren um das zu prügeln, für das keiner mehr bezahlen möchte. Nur Paul können wir nicht losschicken. Mit seinen zwölf Jahren ist er nicht kräftig genug. Ich bin etwas stärker. Aber Mama ist am erfolgreichsten. Deshalb geht meistens sie über die Märkte, nachdem sie für einen Rubel die Stunde und einen Liter Milch pro Tag die Fußböden einer Molkerei putzen darf.
»Ich hatte einen merkwürdigen Traum, als ich krank war«, sagt Paul und seine Stimme ist immer noch belegt von den Tagen, die er auf der alten Matratze verbracht hat. »Papa ist zurückgekommen. Und er hat mir aus dem Himmel einen Bleistift mitgebracht. Den hat er mir geschenkt.«
»Aus dem Himmel?«
Paul rutscht unruhig auf meinem Schoß hin und her. Die Wolljacke verrutscht und er sitzt mit seinem nackten Hintern auf meiner letzten sauberen Hose. Die Beine nimmt er zur Seite, damit er mich anschauen kann, ohne den Kopf verrenken zu müssen.
»Weißt du nicht, dass Papa tot ist?«
»Papa ist auf dem Mond.« Wieder fahre ich ihm mit der Hand durchs Haar. »Er baut dort Swimmingpools für die reichen Leute und bestimmt wird er uns bald Geld schicken. Oder Flugtickets, damit wir nachkommen können.«
»Nein.« Paul schüttelt den Kopf. »Papa hat sich beschwert, weil sie ihn nicht bezahlt haben. Und da haben sie ihn erschossen. Weißt du das wirklich nicht?«
»Hast du das auch geträumt?«
Vor sechs Wochen hatte Papa den Befehl von der Agentur Eigenverantwortung bekommen. Für eine Baufirma sollte er Fliesen in Swimmingpools auf dem Mond verfugen. Wenigstens für einen Winter konnte er so Arbeit finden. Also hat er nicht nur die Chance nach so vielen Jahren, sondern auch seinen alten Lederkoffer gepackt, den klammen Herbst mit der Schwerelosigkeit getauscht, die triste Hoffnungslosigkeit mit Enthusiasmus und versprochen, uns so bald wie möglich in die Sonne des Lebens zu holen.
Seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört. Kein Überweisung, kein Brief, keine E-Mail, nicht einmal eine Postkarte.
»Nein«, sagt Paul. »Das habe ich nicht geträumt. Ich habe nur geträumt, dass Papa zurück aus dem Himmel gekommen ist und mir einen Bleistift geschenkt hat.«
»Du hattest Fieber. Da träumt man manchmal so wirres Zeug.«
Paul steht auf, zieht die Wolljacke vor seiner Brust zusammen und geht an die Schublade des Küchentischs.
Ich begebe mich zurück zum Eimer mit dem kalten schmutzigen Wasser, tauche den Feudel wieder hinein, knie mich hin und wische den Boden.
»Lass das«, sage ich zu meinem Bruder, denn aus dem Augenwinkel sehe ich ihn mit einem Bleistift auf der Tischplatte zeichnen. Er hört nicht auf mich. Unbeeindruckt kratzt er mit dem Stumpen über das Holz, beißt sich dabei auf die Lippe, Schweiß tritt ihm auf die Stirn und die Zähne klappern wieder schneller.
»Du sollst das lassen. Ich muss das doch alles wieder sauber wischen.« Genervt stehe auf, gehe zu meinem Bruder an den Tisch und sehe auf die Zeichnung.
Grau senkt sich ein tiefer Krater in das Holz, schraffiert, wie Beton. Ein Erdwall ist neben dem Loch aufgehäuft, so lebendig, dass ich glaube, die Regenwürmer darin riechen zu können. Schaufelbagger fahren über den geschundenen Boden und ein Zementwagen fährt mit dem Heck an den Rand der Grube.
»Hast du das alles gerade erst gezeichnet?«
Paul antwortet nicht. Er kratzt weiter konzentriert den Bleistift über den Tisch. Ich sollte böse sein, aber ich kann es nicht. Es ist, als fände der Bleistift seine Farben von selbst, als würden die Räder der Autos und die Zementmaschine auf dem Rücken des Lasters sich drehen. Und aus der Tiefe des Kraters kann ich die Stimme meines Vaters hören.
»Hilfe!«
»Sie haben ihn in den Pool gestoßen und den Zement über ihn geschüttet.« Paul hält in der Zeichnung inne, löst seine Zähne von den Lippen, wischt sich den Schweiß von der Stirn und ein paar Tränen aus den Augen. »Aber er ist in den Himmel gekommen. Es ist nicht schlimm.«
Woher nimmt er so etwas? Hätte man uns nicht längst benachrichtigt, wenn Papa etwas passiert wäre?
»Wann soll das passiert sein?« Ich beuge mich über den Tisch, stütze mich auf der Platte ab und betrachte abwechselnd die Zeichnung und das Gesicht meines Bruders. So ernsthaft wie er aussieht, habe ich keinen Zweifel, dass er daran glaubt.
»Als ich krank wurde«, antwortet Paul. »Aber jetzt geht es ihm gut. Deshalb hat er mir den Bleistift geschenkt und mir gesagt, dass ich wieder gesund werden kann.«
Ich höre seinen Magen knurren. Vielleicht ist es ein aus Hunger und Fieber geborener Albtraum, von dem er mir erzählt. Hatte er nicht selbst von einem merkwürdigen Traum gesprochen?
Mein kleiner Bruder zieht die Wolljacke wieder fester zu. Ich gehe um den Tisch herum, stelle mich hinter den Stuhl und lege meine Hände auf seine Schulter.
»Du hast geträumt. Du hast den Bleistift doch aus der Schublade geholt.«
Mehr mich als ihn möchte ich davon überzeugen. Das Bild auf dem Tisch ist so echt, dass der Zement immer fester wird. Ich habe Paul noch nie so zeichnen sehen. Und liest man nicht immer wieder von Menschen, die so sensibel sind, dass sie spüren, wenn etwas Schreckliches passiert?
Hatte mein Bruder nicht versucht, unseren Papa am gepackten Koffer festzuhalten, hatte er ihn nicht weinend beschworen, nicht zum Mond zu fliegen? Es könnte doch möglich sein, dass er da schon eine Ahnung hatte. Eine Ahnung, die wir nur als Ausdruck seiner Bindung zu seinem Vater gesehen haben. Als wir versucht hatten, ihn zu trösten, hatte er uns als Lügner beschimpft und noch mehr geweint.
»Ich habe ihn im Traum dort hineingelegt.« Sein Blick ist fest wie der Zement auf dem Bild auf der Tischplatte, seine Stimme flehentlich wie die Hilferufe meines Vaters in der Grube.
»Du glaubst mir nicht.«
Und wie ich ihm glaube. Gegen alle Vernunft glaube ich ihm. Das Bild macht mir Angst. Ich muss in die Realität zurückfinden, heraus aus dem bösen Schein eines Albtraums auf dem Küchentisch. Ich muss mich wieder zum Feudeleimer begeben, die Flecken vom Linoleum putzen und am besten die Tischplatte gleich mit, möglichst, bevor unsere Mama, hoffentlich mit Abfällen, vom Wochenmarkt zurückkommt.
»Ich glaube dir«, sage ich und sehe an seinem verzogenen Mund, dass er mir das nicht abnimmt.
»Ich sage die Wahrheit.«
Ich wringe den Feudel aus und gehe damit zum Tisch.
»Kannst du dich anziehen und dir eine alte Zeitung zum Malen nehmen?«
Ohne Murren steht Paul auf und geht in unser Zimmer. Er meckert auch nicht, als ich den Lappen über die Zeichnung wische. Kurz erschrecke ich, denn einen Moment lang sieht es aus, als fließe das Wasser in einen blau gekachelten Pool, unter dem mein Vater ertrinkt.
Gott sei Dank hat Paul das nicht gesehen. Ich schließe die Augen. Als ich sie wieder öffne, hat Paul eine Unterhose und ein T-Shirt an, die Wolljacke darüber. Er ist immer noch barfuß.
»Ich habe Hunger.«
»Mama kommt bestimmt bald.«
Er kramt in einer alten Kiste neben dem Kohleherd, zerrt sich eine Zeitung heraus und legt sie auf den noch etwas feuchten Tisch. »Kannst du nicht schon Feuer machen? Dann geht es schneller, wenn Mama wieder da ist.«
»Wir haben nur noch sehr wenig Holz.«
Den Bleistiftstummel schon wieder in der Hand, beugt er sich über die Zeitung.
»Warte.«
Mit schnellen und harten Strichen malt er etwas über die Buchstaben. Ich könnte wahrscheinlich vor lauter Wörtern nichts sehen, aber wir haben kein Zeichenpapier, nur die paar Schulhefte, die wir dringend für den Unterricht brauchen.
Zeitungen bleiben immer ein paar übrig von der wöchentlichen Tour meines Bruders. Die muss er behalten, obwohl es illegal ist. Wenn er sie zurückgibt, wird dem Verlag die Ration an Papier gekürzt.
Manchmal, wenn wir Kleister haben, mache ich uns Briketts daraus. Die brennen länger als das nur zusammengedrückte Papier.
Ich kippe das schmutzige Wasser aus dem Eimer in die Erde der Pflanzen auf der Fensterbank und frage Paul, ob er zur Toilette müsste. Es ist günstiger, mit gebrauchtem Wasser zu spülen.
Er schüttelt den Kopf und reißt seine Zeichnung aus der Zeitung, trägt sie vorsichtig zum Herd, öffnet die Klappe, schmeißt sein Bild hinein und setzt sich auf den kalten Boden.
Den Herd lässt er nicht aus den Augen, Rauch steigt in meine Nase, doch nicht der beißende Geruch verbrennender Druckerschwärze, sondern das warm knisternde Aroma eines Kiefernscheits.
Ich schnuppere. Es kann unmöglich sein, was ich da sehe und rieche, aber der Blick in den Ofen zeigt mir ein grell loderndes Feuer. Ein behaglicher Duft strömt durch die Wohnung.
»Das ist das Geschenk von Papa«, sagt Paul, als ich ihn entgeistert ansehe. »Er konnte uns ja kein Geld mehr schicken, weil sie ihn vorher ermordet haben. Aber den Stift.«
Ich knie mich hinter meinen Bruder, nehme ihn in die Arme. »Paul. Papa ist nicht tot.« Er drückt mich von sich, springt auf und rennt zu dem Zeitungsbogen auf dem Tisch.
Hektisch malt er etwas, schaut dabei immer wieder zur Tür und zu mir. Langsam nähere ich mich ihm wieder, stelle mich hinter ihn, sehe das schüttere Haar unseres Vaters, seine vollen Lippen, das Muttermal an seinem Kinn und das gerippte Unterhemd, das er immer trug. Ich sehe die Haare an seinen Armen und die groben Poren seiner Haut. Doch die Augen sind nicht, wie ich sie in Erinnerung habe. Sie sind stumpf und leblos. Auf einmal fängt Paul an zu weinen, dreht sich um, presst sein Gesicht in meinen Magen. Er schluchzt, holt immer wieder Luft, zittert.»Ich kann ihn nicht wieder lebendig malen.«
Hilflos streichle ich ihm über den Kopf. Was soll ich ihm sagen? Wenn Mama doch bloß schon vom Basar zurück wäre.
»Es ist gut Paul. Wein dich aus.«
Wir verharren, als hätte jemand die Welt angehalten, den Kreislauf des Lebens oder wenigstens die Zeit gestoppt. Er weinend an mich gelehnt, ich mit der Hand in seinem Haar, bis mein Bruder sich langsam beruhigt.
Mein T-Shirt klebt feucht von Pauls Tränen an meinem Bauch. Auch mein Magen knurrt. Meine Mama müsste längst zurück sein. Vielleicht hat sie auf dem Basar nichts bekommen und klappert die Läden ab, fragt nach dem, was sich die Kinder für ihre Kaninchen und Meerschweinchen holen.
»Du hast auch Hunger?«, fragt Paul.
»Ja.«
»Lass uns etwas zu essen machen.«
»Wir haben nichts mehr da.«
»Lass uns Mama überraschen, wenn sie kommt.« Er dreht sich um, blättert die Seite der Zeitung um und malt ein Stück Fleisch über die Buchstaben.
Aus der Klappe unter dem Herd holt er eine Pfanne, stellt sie auf die Ringe über dem Feuer. Die bemalte Zeitungsseite trägt er vorsichtig zum Ofen, formt einen Ausguss, aus dem er ein paar Tropfen Öl in die Pfanne gießt, bevor er das Fleisch ausreißt.
Ich habe keine Lust mehr, mir Gedanken über Illusionen und Träume zu machen. Zu lecker riecht das warme Fett, zu verlockend brutzelt es in der Pfanne. Der Duft von Thymian, Salz und Knoblauch zieht durch die Küche. In einen Topf hat Paul kleine Rosenkohlschnipsel in Wasser geschüttet, in einen anderen buchstabenbedruckte Kartoffeln. Und ich schwöre, ich kann die Mahlzeit schon in der Luft schmecken, wenn ich Mund und Nase öffne und schlucke.
Ich will mich dem Traum hingeben, decke den Tisch, frage Paul, ob er mir eine Kerze und einen Strauß Blumen zeichnen kann. Eifrig macht er sich an die Arbeit und der Geruch von Hyazinthen verbreitet sich.
Mein Bruder füllt die Teller, wir sitzen vor dem Mahl, fassen uns an der Hand und beten.
Jetzt fehlt nur noch Mama …


Die von Bernadette zur Verfügung gestellten Wörter sind: Bleistift, Magenknurren, sensibel, Linoleum, schnuppern

 

Hallo Sim,

eine sehr interessante Geschichte. Auch, wenn mich die Auflösung etwas ratlos macht.
Zunächst dachte ich, dass Paul ganz einfach eine Vision hatte. So etwas kommt bei manchen Menschen ja tatsächlich vor, vor allem in Verbindung mit Fieber. Früher nannte man so etwas das "zweite Gesicht". Ein Thema, das ich schon immer sehr interessant fand.
Offen bleibt letztlich, ob Paul wirklich etwas gesehen hat oder ob er sich alles aufgrund der engen Bindung zum Vater, zum Fieberwahn und der Enttäuschung, dass der Vater sich nicht meldet, ausgemalt hat. Auch bleibt offen, ob das brennende Holz und die Mahlzeit wirklich da sind oder ob es nur die Hoffnung ist, die den beiden Jungen diese Illusion gibt.
Schön finde ich auch, dass du dem Leser hier sehr viel Spielräume für eigene Interpretationen gibst.

Zu deinem Stil brauche ich wohl nicht viel zu sagen - wie immer sehr gut, flüssig zu lesen.

Textkram:

Es ist viel zu kalt, nackt hier zu stehen, seit man uns die Heizung abgestellt hat.

Das klingt irgendwie komisch. Die Information, dass man die Heizung abgedreht hat wirkt, als hättest du sie nachträglich noch unterbringen wollen. Vielleicht: Sie haben uns die Heizung abgedreht und es ist viel zu kalt, nackt hier zu stehen.

Er beißt sich nur auf die Lippe und kratz weiter konzentriert den Bleistift über den Tisch.

kratzt

Mehr mich als ihn möchte ich davon überzeugen.

Hier fehlt ein Wort.

Liebe Grüße, Bella

 

Hallo sim,

wunderbar! Deine Geschichte hat mich total gefangen genommen und am Ende musste ich lächeln, obwohl mir Tränen in den Augen standen.

Mir ist es vollkommen egal, ob es sich um Fieberträume, Hungerwahn oder ein tatsächliches Wunder handelt - wie Bella bereits gesagt hat: Du lässt mir als Leserin weite Spielräume für eigene Vorstellungen und Überlegungen.

Deine beiden Protagonisten sind lebendig geworden und haben meine Sympathie und mein Mitgefühl geweckt und ich fand die Geschichte spannend.

Ich war übrigens so gefesselt, dass ich überhaupt nicht auf kleine Fehler oder Schnitzer geachtet habe - vermutlich waren keine da :D.

Einziger klitzekleiner Kritikpunkt: Mir erschien Paul für das Alter von 12 Jahren extrem kindlich - wobei, das fällt mir jetzt beim Schreiben auf, es vielleicht sein kann, dass er durch den ständigen Hunger und das Fieber und die Trennung vom geliebten Vater ein wenig in der Entwicklung zurückgeworfen wurde ...

Überflüssig, zu sagen, dass ich der Geschichte nicht angemerkt habe, dass sie für die Wörterbörse geschrieben wurde ...

Lieben Gruß
al-dente

 

Hi Bella,

in wiefern macht dich die Auflösung ratlos? Entsteht da die Frage, ob die Mutter überhaupt noch kommen wird?
Diese offene Form habe ich gewählt, weil ich diese Geschichte in erster Linie aus Freunde am Erzählen geschrieben habe. Insofern bin ich froh, dass diese Reise zwischen Traum und realem Wunder bei dir gut ankommt.
Zwei der Stellen habe ich geändert, aber hier stehe ich auf dem Schlauch:

Mehr mich als ihn möchte ich davon überzeugen.
Hier fehlt ein Wort.
Welches?

Vielen Dank fürs Lesen und für deinen lobenden Worte.

Hallo al-dente,

ja, in der Gestaltung von Paul habe ich auch eher an "noch krank, hungrig" gedacht. Dadurch ist er ist er noch ein bisschen kindlicher und ja auch anhänglicher.
Schön, dass die Geschichte dich so gefangen hat. :)
Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Auch dir vielen Dank und euch beiden einen lieben Gruß, sim

 

Hallo Sim,

ja, am Ende hatte ich kurz den Eindruck, dass die Mutter vielleicht auch nicht mehr kommt. Dass ihr Gang zum Markt eventuell auch der Fantasie der Jungs entspringt und sie in Wirklichkeit auch weg ist. Allerdings hast du das so bestimmt nicht gemeint und vielleicht hab das auch nur ich so empfunden.

Zwei der Stellen habe ich geändert, aber hier stehe ich auf dem Schlauch:
Zitat:
Mehr mich als ihn möchte ich davon überzeugen.
Hier fehlt ein Wort.

Welches?


:rot: Sorry, hier habe ich falsch gelesen.

Lieben Gruß, Bella

 

Hallo sim,

bei dieser Geschichte bin ich ein bisschen an meiner Erwartungshaltung gescheitert.
Ich kenne ja nun schon einige Geschichten von dir, manche spielen auch im Fantastischem, manche sind sogar Märchen, aber viele sind auch fest in der Realität verankert.
Und bei dieser Geschichte macht du nun etwas sehr Gerissenes: du vermengst hier beides und zwar auf eine unvorhersehbare Art.

Das entsprach nicht dem, was ich beim Lesen erwartet habe, das bedeutet aber nicht, dass es schlecht ist.

Dieser Bleistift hat mich zu Anfang tatsächlich verwirrt. Man liest und liest und plötzlich ist man raus und starrt verwundert auf dem Text, geht ein paar Zeilen zurück und stellt fest, dass man sich nicht verlesen hat.

Das ist etwas mühsam. ;) Leider aber meine eigene Schuld.
Hätte ich das Ganze unbedarft gelesen, ohne etwas anderes von dir zu kennen, wäre es mir nicht so gegangen.
Weißt du, auf was ich hinauswill?

Gefallen tut mir deine Geschichte nichtsdestotrotz. Du schreibst, dass dieser Text aus der Lust der Erzählens entstanden ist. Das merkt man (wie eigentlich immer bei dir). Dieser Stil, der einen mitnimmt, der einen an den Bildschirm bannt.

Der Inhalt der Geschichte? Ich muss zugeben, anfangs dachte ich an Kriegs- oder Nachkriegszeit, die Isomatte hat mich dann ins Grübeln gebracht.
Dann der Traum des Jungen (eine tolle, sehr tolle Idee) und der Bruch: hin zum Märchen.
Dem kann man folgen, mir gelang es leider nicht richtig.
Trotzdem bleibt das Ende - gerade wegen seiner Offenheit - rührend.

Meine Gedanken zu deiner Geschichte.

In diesem Sinne
c

 
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Hallo sim,
Die Freude am Erzählen merkt man dir an, weil du sprühst mit Sprache nur so um dich. ;)

Ich mag es wenn Wörter, wie Feudel wringen, die Gummibänder eines Weckglas Erinnerungen aus meiner Kindheit in mir wachrufen. Aber passen sie zum Sprachgebrauch der heutigen Zeit, in der Bundesagentur für Arbeit Langzeitarbeitslose verwaltet? Sprechen Jugendliche heute so? Die Isomatte passt sprachlich schon eher, wenn du verstehst was ich meine.
Auch das die Mutter Abfälle sucht, finde ich seltsam. Es gibt doch die sogenannten Tafeln. Würde sie nicht eher dort anstehen? Welche Wohnungen haben heute noch Ofenherde? Vieleicht die, die noch keine zentrale Heizversorgung haben. Wie werden Heizungen abgestellt? Strom abstellen, das kommt schon eher hin, aber in Wohnblöcken kann man doch nicht einzelne Wohnungen von der Heizversorgung abschneiden, oder doch?
Jugendliche, die den Fußboden sogar ohne Wischmop wischen, statt vor dem Fernseher zu hocken, kann ich mir auch nicht mehr passend in der heutigen Zeit vorstellen.
Liegt es daran, dass man heute Armut mit Verwahrlosung und Aufgabe gleichsetzt? Ich weiß es nicht. Was mich sehr berührt hat, dass der Junge sich in seine Traumwelt zurückgezogen hat und es schafft seinen Bruder (Oder seine Schwester)mit hinein zu ziehen.

Das sind meine Gedanken, die ich beim Lesen hatte.


Lieben Gruß,
Goldene Dame

 

Hi sim,

Goldene Dame spricht schon einiges an, was für mich auch unstimmig ist - unabhängig von Pauls Traumwelten.

Dann noch:

Er hat blaue Stellen an den Hüften, vermutlich, weil der Fußboden unter der dünnen Isomatte aus dem Supermarkt viel zu hart war.

Das wenige Schamhaar klebt an seinem Bauch und er riecht als hätte er ins Bett gepinkelt.
Auch das noch. Vor dem nächsten Ersten können wir doch kein Waschpulver kaufen.
Wie soll er ins Bett pinkeln können, wenn er auf der Isomatte schläft?

Die Geschichte habe ich gerne gelesen - aber viele andere von dir haben mir um Längen besser gefallen, weil ich so ein auf Logik bedachter Leser bin und das hier völlig außer Acht gelassen wird.

Das beziehe ich nicht auf die Visionen von Paul, sondern um das ganze Drumherum, das beschrieben wird (z.b. Vater geht nach jahrelanger Arbeitslosigkeit nach Spanien - das ist ja schon fast Satire).

Der Geldmangel gehört dann in Gesellschaft, das Erlebnis untereinander in Jugend - die Visionen in Seltsam - ja, dann läßt man es wirklich lieber in der Wörterbörse ;).

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo sim,

das ist schon ein Spagat den ich da erlese, die Stimmung die Du beschreibst erinnert mich ebenfalls an die Nachkriegszeit (da gab es tatsächlich keine Isomatten), um dann wohl doch in der modernen Armut zu spielen. Die Charaktere sind sehr präsent, sehr klar vorhanden, insb. die Liebe gemischt mit der Verzweiflung der Situation ist schön dargestellt. Dann folgt der Schwenk in das Phantastische, ins Märchenhafte, das gefällt mir, auch wenn es am Logikmodul in mir nur schwer vorbeikommt, doch die präzise und sehr detailverliebte Sprache macht es einfacher.

Was mir jedoch als Bild nicht nahe kam, ist die Zeichnung auf dem Tisch und dann die Formulierung

Er meckert auch nicht, als ich den Lappen über die Zeichnung wische. Zum Glück ist sie noch so frisch, dass sie sich leicht entfernen lässt.
Es handelt sich um einen Bleistift, ein Filzer oder Wasserfarbe würde den Unterschied machen wenn trocken oder noch frisch, Graphit ist da pflegeleichter :)

Die Story ist ein Kleinod, ich mag es gerne, wenn mir nicht alles erklärt wird, und die Stimmung in der Geschichte ist wunder-voll, mit ein bisken mehr an Logik-Feinschliff kann sie brilliant werden.

Bitte, zeichne mir ein Schaf.

C. Seltsem

 
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Hallo ihr Lieben,

da habt ihr mich ja bei einigen Fehlern ertappt. Anderes scheint nicht so zu funktionieren, wie ich es mir gedacht habe.

Hi chazar,

diese Mischung der Ebenen Realität und Märchen habe ich ja schon bei zwei anderen Geschichten versucht. Auch da hat es einige Leser verstört. Es ist sicherlich nicht nur deine Schuld, wenn es etwas mühsam ist, da zu folgen, sondern liegt auch daran, dass ich die Brüche vielleicht noch zu hart konzipiere.
Vielleicht schaffe ich es ja, die Schnittstellen beim nächsten Mal weicher hinzubekommen.
Es könnte natürlich andererseits auch daran liegen, dass sie zu weich sind. Dafür spräche das Zurückgehen und noch einmal nachlesen. Auf alle Fälle scheint die Reise noch nicht so umgesetzt, dass jeder folgen kann.
Schön, dass du trotzdem noch etwas Positives in der Geschichte gesehen hast.

Hallo Goldene Dame,

ja, statt der Heizung hätte ich eindeutig den Strom abstellen müssen, damit hat sich dann auch der Fernseher erledigt. Passiert mir ja selten, aber ich hatte mich da in einem falschen Gedanken verrannt.
Was nicht so funktioniert, wie ich es mir gedacht habe, ist die Verwischung der Zeit. Sie scheint eher zu verwirren, als aufzuheben.
Vielleicht ist der Bezug zur Agentur für Arbeit zu stark. Die unterschiedlichen Zeitelemente, das Denken an Nachkriegszeit und an Armut heutzutage war in sofern beabsichtigt, dass sich Armut eben unabhängig vom Jahrhundert in vielen Punkten gleich auswirkt. Man hat nicht genug zum Leben. Und damit meine ich nicht die Seakers oder die Markenjeans, die andere sich leisten können, die Armen aber nicht.
Eine Umsetzung, die natürlich nichts bringt, wenn der Gedanke dahinter nicht ankommt. Und natürlich gibt es in der Auswirkung von Armut heute und Armut in der Nachkriegszeit auch Unterschiede.
Im Moment weiß ich noch nicht, wie ich diesen Gedanken verständlicher unterbringen kann.
Hier am Wochenmarkt gibt es übrigens tatsächlich Mütter, die auf die Abfälle warten. Die Tafeln sind ja in einer Großstadt eher so zentral, dass es für einige ein recht weiter Weg wäre, sie aufzusuchen.

Hallo bernadette,

"ins Bett pinkeln" habe ich eher als feststehenden Begriff dafür gesehen, im Schlaf zu pinkeln. Da es anscheiennd nicht jeder so liest, habe ich es geändert.
Die Arbeitsvermittlung zu Bauarbeiten nach Spanien ist leider keine Satire, sondern heutige Realität, die ich einem Bericht der Sendung "Kontraste" vor gut einem Jahr entnommen habe.

Der Geldmangel gehört dann in Gesellschaft, das Erlebnis untereinander in Jugend - die Visionen in Seltsam - ja, dann läßt man es wirklich lieber in der Wörterbörse
*umschau, ob Hendek oder katzano da sind*
*beide nicht seh*
*flüster* es gibt ja auch Sonstige
*duck* ;)


Hallo C.Seltsem,

komischerweise empfand ich es beim Schreiben gar nicht so sehr als Spagat. Aber das kann natürlich daran liegen, dass ich wusste, was ich erzählen wollte.
Zum Bleistift. Graphit ist wesentlich pflegeleichter, das gebe ich dir Recht. Der zweite Satz kann auch weg. Ich hatte eher Angst, dass mir dann jemand sagt, so schnell ginge das nicht ab.
Zu den zeitlichen Unwuchten habe ich der Goldenen Dame schon etwas geschrieben.
Ich weiß noch nicht, wie ich den Gedanken anders löse.

Euch allen vielen Dank fürs Lesen und auch für die lobenden Worte, die bei der Beschäftigung mit berechtigten Kritikpunkten ja schnell mal überlesen werden.

Lieben Grüße, sim

 

Die unterschiedlichen Zeitelemente, das Denken an Nachkriegszeit und an Armut heutzutage war in sofern beabsichtigt, dass sich Armut eben unabhängig vom Jahrhundert in vielen Punkten gleich auswirkt.

Es sind nur einige wenige, aber signifikante Details, die verwirren: Isomatte; Cent als Währung; Holzofen, auf dem man kochen kann, Arbeitsagentur.
Wären diese Stichworte nicht zu finden, würde ich mich viel weniger über fehlende Logik wundern, weil dadurch die Geschichte zeitloser würde.

Zudem läßt die Isomatte als Bettersatz fast schon das Bild von Hausbesetzern aufkommen, die sich irgendwo verkrochen haben und überhaupt kein Mobiliar besitzen. Ein Bett zb kann man sich wirklich auch ohne Geld besorgen; bei uns gibt es in der Zeitung immer wieder mal in der Rubirk Zu verschenken
solche Angebote von Leuten, die neue Betten kaufen oder umziehen und das Mobiliar loswerden wollen.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo Sim,
deine Geschichte lässt mich mit einem zwiespältigen Gefühl zurück. Sie ist natürlich flüssig geschrieben, zeichnet eine idyllische Atmosphäre der Armut - und da genau liegt mein Problem. Es ist so, als wenn du Armut aus der Nachkriegszeit oder vllt auch deiner Jugend schildern willst, dann aber den Bezug zur Gegenwart einbringen willst, um es interessanter zu machen. Ich finde, das klappt nicht.

Hunger, Kälte, kein Waschpulver - das gehört nicht in eine Zeit der Arbeitsagentur. Eine Möglichkeit wäre also, den aktuellen Bezug wegzulassen (könntest sie dann ja unter "Historik" posten *g*). Dann wäre das Geschilderte stimmig.

Natürlich gibt es Armut in unserer Zeit, aber meiner Meinung nach hat sie ein anderes Gesicht.

Man gewöhnt sich daran, zu rechnen, sich mit anderen auf den Wochenmärkten um das zu prügeln, für das keiner mehr bezahlen möchte. Nur Paul können wir nicht losschicken. Mit seinen zwölf Jahren ist er nicht kräftig genug.
Das ist mir auch schon zu dicke.

Ob nun Abfälle vom Wochenmarkt gesammelt werden oder bei der "Tafel" gegessen wird (die ja solche gespendeten Abfälle verarbeiten): es ist eher die Schamgrenze, die durchbrochen werden muss. So sagte mir eine Arbeitslose vor einiger Zeit: "Ich arbeite an der "Tafel" mit. Dann kriege ich auch meine Tüten, und ich muss nicht wie die anderen in der Schlange stehen. Lieber bei den Gebenden ..."

Oder ein anderer Aspekt: Der berechnete "Warenkorb" sieht schon die Abdeckung der Grundbedürfnisse vor, und Nahrung und Wohnung werden gezahlt. Billigläden bieten bezahlbare Kleidung.
Aber schon so "Sonderausgaben" wie Rauchen oder ein Auto können das Geld knapp werden lassen. Wäre Paul volljährig, kämen dazu noch Medikamente und Arztgebühr im Krankheitsfall. Kein Geld für ein Kneipen-Getränk oder Verzicht auf solchen "Luxus" wie Geburtstagskarten verschicken (auch noch Porto) kann sozial ausgrenzen. Ganz zu schweigen davon, wenn Freunde vom Kino erzählen oder gedankenlos fragen: "Wohin fährst du denn in Urlaub?"

In diesen Zwischentönen findet heute Armut statt, überschattet von der ständigen Angst, wie ein Zwischenfall (z.B.Waschmaschine kaputt) ohne finanzielle Polster bewältigt werden kann. Bei einem aktuellen Bezug würde ich gern davon lesen.

Den "seltsamen" Teil fand ich schön und hatte keinerlei Schwierigkeiten mit dem Verständnis.

Paul wirkt auf mich auch jünger. Trotz der Schamhaare würde ich sein Verhalten eher auf acht oder neun einschätzen. Dafür wirkt der Erzähler eher erwachsen, nicht wie ein Bruder.

Gruß, Elisha

 
Zuletzt bearbeitet:

hi bernadette,

an Hausbesetzer hatte ich sogar auch gedacht, die explizit einzubauen hätte aber noch eine neue Zeit bedeutet, war schließlich eher zum Ende der 80er Jahre.
Auf die Isomatte kommt es mir nun wirklich nicht an. Mal sehen, wie ich diese Begriffe alle umformuliere.

Hallo Elisha,

die Idylle sehe ich weniger, sie kann eher durch die spürbare Liebe der Menschen zueinander entstehen. Ein zwölfjähriges und einuriniertes Klappergestell ist ja nun alles andere als idyllisch.
Historik soll es nicht sein, eher zeitlos.
In meiner Kindheit habe ich Armut nicht über Hunger erlebt. Mein Vater war schließlich Schlachter und später Gemüsehändler. ;)
Eher erinnere ich mich da an die Berichte von Klassenkameraden über Auslandsreisen, die uns nie möglich waren. Es musste eben bei der Jugendherberge bleiben, die man mit dem Fahrrad ereichen konnte. In sofern stimmt diese Überlegung nicht.
Ich erlebe Armut tatsächlich eher heute so, dass einige sich jedes Paket Brot überlegen müssen.
Mit den Warenkorbaspekten und mit der Scham hast du natürlich Recht. In eine Geschichte zur modernen Armut hätten sie gehört. Da hätte auch die Scham gehört, sich bestimmte Markenprodukte nicht leisten zu können. Kinder stehen in ihrer Klasse als Außenseiter da.
Im Warenkorb wird Strom zum Beispiel nicht gezielt veranschlagt. Eine Wohnung mit elektrischem Durchlauferhitzer und Heizlüfter kann da schnell zum Fiakso werden und den Warenkorb durcheinanderbringen. Ebenfalls fehlen notwendige Versicherungen wie "Haftpflicht" oder "Hausrat" im Warenkorb.
Die lassen sich durch einen Bleistift bestimmt besser zeichnen (jedenfalls die Verträge), es fehlte mir dann aber doch ein bisschend die Magie. ;)
In einer Erzählung über moderne Armut würde allerdings auch gehören, dass sie in vielen Fallen sogar trotz regelmäßiger Arbeit existiert, nicht nur durch Arbeitslosigkeit.
Ich bin übrigens, so düster es auch klingt, davon überzeugt, dass Hunger in den kommenden Jahren ein ernstes Thema in Deutschland wird.

Paul wirkt auf mich auch jünger. Trotz der Schamhaare würde ich sein Verhalten eher auf acht oder neun einschätzen. Dafür wirkt der Erzähler eher erwachsen, nicht wie ein Bruder.
Dem Erzähler wird ja auch einiges an erwachsener Vernunft abverlangt.

Armut ist ohne Zauber auf alle Fälle ein wichtiges Thema für eine Geschichte.
In dieser sind Hunger und Kälte natürlich als Folgen schon für die Auflösung wichtig. Insofern stimmt mE auch die interne Logik dieser Geschichte, der Zeitbezug zur Gegenwart ist dabei natürlich nicht auszuschließen, war aber eben nicht explizit Ziel, sondern nur die Zeitlosigkeit von Armut.

Lieben Gruß und vielen Dank fürs Lesen und die Auseinandersetzung,
sim

 

Hallo Sim

mich hat deine Geschichte tief beeindruckt.
Beim Lesen bin ich richtig fiebrig geworden, du hast die trostlose Situation so stark beschrieben, dass ich wahrlich mitgelitten habe. Es hat sich beinahe so etwas wie Angst um die Jungens eingestellt, ließ mich hoffen, dass die Kg einen glücklichen Ausklang erlebt... Was für eine Atmosphäre!
Die Idee mit dem Stift finde ich einfach nur genial. Zugegeben hat mich die erste Zeichnung auch noch ziemlich verwirrt, aber die Verwirrung bettet sich wunderbar in den Kontext der Geschichte ein. (Realität vs. Fieberwahn...)
Und das Ende...
schön, dass du dem Leser kein fester vorsetzt.
So kann ich nämlich mit einem Lächeln im Gesicht sagen, dass ich die Geschichte sehr gerne gelesen habe.

beeindruckt
weltenläufer

 

Hallo sim,

Eine Isomatte hast du im Text noch vergessen rauszunehmen. Da die modernen Heizungen, ohne Strom nicht funktionieren kann es schon kalt sein in der Wohnung. Aber vielleicht solltest du es im Text erwähnen. Wusstest du, dass Holzherde letztes Jahr in Baumärtkten verkauft wurden. Eine Marktlücke, wie es scheint. Der olle Feudel wird sicherlich auch seine Rennaissence gefunden haben: als Bodentuch mit Schrubber immer noch billiger als der Wischmop von V.
Hunger heute und Hunger damals: Ist Armut tatsächlich heute mit dem Hunger damals gleichzusetzten? Eine gewagte These wie ich finde, denn verhungern muss hier theoretisch keiner. Armut ist heute erkennbar an Verwahrlosung, Bildungsarmut, Isolation. Was ist mit der Scham damals und heute? Gibt es sie noch in Familien, in der das Leben in dritter Generation von Sozialhilfe und Hartz IV finanziert wird?

Deine Protagonisten scheinen mir doch Armutsaußenseiter zu sein. Nicht dumpf und abgebrüht. Eher zäh und überlebenswillig.

Lieben Gruß,
Goldene Dame

 

Hallo weltenläufer,

hach, danke fürs Aufbauen. Ich habe es mir ja selbst zu verdanken, dass bei mir eher die knallharte sozialkritische faktengestützte Realität erwartet wird. ;)
Schön, dass dir die Geschichte so gefallen hat. :)

Hallo goldene Dame,

nun ist auch die letzte Ismatte verschwunden. Die fraglichen Begriffe sind bis auf den Holzherd alle verschwunden und die Geschichte damit weniger zeitenübergreifend als zeitlos.
Ich bin sicher, dass es die Scham noch gibt und verhungern muss eben nur theoretisch niemand mehr. Im Moment ist es sicherlich noch so, dass es auch praktisch noch nicht so viele trifft. Aber die Reallöhne können weiter sinken, die Zuwendungen dann erst recht und im Maße von Rentenanpassungen wird es eventuell nicht mal kleine Familien, sondern vielleicht eher alte Leute treffen, die zumindestens mangelernährt sind.
Aber das ist ja letztlich nicht Gegenstand dieser Geschichte.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim

Ich kann dir nicht so viel schreiben. Bin in Gedanken zu sehr bei meiner Eignungsprüfung morgen.

Aber eine neue Geschichte von dir musste ich natürlich lesen und dir sagen, dass
sie mir sehr gut gefällt. Sehr traurig!

Ohne Murren stehe Paul auf und geht in unser Zimmer.
steht.


besten Gruß

 

Hi Aris,

na, da drücke ich für morgen ganz fest die Daumen.
Schön, dass dir die Geschichte gefällt.

Lieben Gruß und vielen Dank, sim

 

Zur Bestätigung fahre ich ihm noch einmal kräftig mit der Hand durchs Haar. "Ja", heißt das. "Mach dir keine Sorgen."
redundant, find ich
Aber Mama ist am Erfolgreichsten.
erfolgreichsten
Die Beine nimmt er zu Seite, damit er mich anschauen kann, ohne den Kopf zu verrenken.
zur
Ohne Murren stehe Paul auf und geht in unser Zimmer.
steht. Nebenbei ein kleiner Beweis dafür, dass ich alt werde, da ichs beim ersten Mal überlesen hatte. Hab dann von meinem Brötchen abgebissen, die Stelle gesucht und bamm - Fehler gefunden ...
aus der er ein paar Tropfen Öl in die Pfanne gießt, bevor der das Fleisch ausreißt.
er

Hi sim,
schönes Gschichtle :)

Ich mag ja immer diese 'verrückten' (positiv gemeint) Einfälle, jetz halt hier des mit dem Zeichnen, dass dann was draus wird.

Tja, was soll ich sagen. Hm. Kei Ahnung. Hat aber gefallen. SO!

Tserk

 

Hi Tserk,

schön, dass dir das Geschichtle gefallen hat. Bei "am Erfolgreichsten" bin ich der Meinung, dass es groß geschrieben werden muss, da ein Substantiv fehlt, auf das es sich bezieht.
Mit der Redundanz hast du nicht unrecht, aber da der Bezug ein paar Sätze weiter vorne ist, habe ich sie in Kauf genommen, um den Faden wieder aufzunehmen.

Vielen Dank fürs Lesen und für den Kommentar.

Lieben Gruß, sim

 

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