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Die Gespenster-Prüfung
Heute Nacht ist Gespenster - Prüfung.
Ein Jahr lang sind die kleinen Gespenster in die Schule gegangen. Sie haben gelernt, grauenvoll unheimlich „Huhuu! Huhuu!“ zu kreischen. Sie haben gelernt, schauerlich mit den Ketten zu rasseln. Und sie haben das gespenstische Mitternachtsgrinsen geübt.
Das kleine Gespenst Gustav kann besonders gut grinsen. Seine Mitschüler zittern vor Angst, wenn es seine Zähne zeigt und gemein grinst.
„Bis heute Nacht!“, sagt der Gespensterlehrer. „Und seid pünktlich! Gespenster müssen pünktlich sein! Das ist wichtig!“
„Pah!“, sagt Gustav leise. „Pünktlich sein! So ein Quatsch! Gruselig kreischen – das ja. Mit Ketten rasseln – na klar! Und natürlich grinsen, ganz gemein grinsen. Aber pünktlich sein? Wozu?“
Gustav verschläft. Als er aufwacht, ist es hell. Gustav geht los, um zu spuken. Er will die Prüfung bestehen. Deshalb muss er die Menschen erschrecken.
Draußen scheint die Sonne. Die Vögel zwitschern und alle Menschen sind wach. Wie ein weißer Blitz fliegt Gustav durch den Garten. An einer Wäscheleine flattern Hemden im Wind. Gustav bleibt an einer Wäscheklammer hängen.
„Huhuu! Huhuu! Huhuu!“, kreischt er schauerlich.
Die Frau, die die Wäsche aufhängt, schaut sich um. Als sie das kreischende Gespenst sieht, lacht sie laut.
„Dieses Hemd sieht ja wie ein Gespenst aus!
Und es kreischt! Das ist bestimmt der Wind“, sagt sie und geht ins Haus.
Sie hat sich überhaupt nicht gefürchtet.
Gustav versteckt sich in der Hecke. Als die Kinder aus der Schule kommen, rasselt er wild mit seiner Kette. Das scheppert und klirrt unheimlich. Leider fährt ein Güterzug vorbei. Der Zug ist so laut, dass die Schulkinder das Rasseln nicht hören. Kein Kind erschrickt sich. Niemand fürchtet sich vor Gustav.
Nun streckt das kleine Gespenst seinen Kopf durch die Zweige und grinst sein furchtbarstes Mitternachtsgrinsen. Es zeigt seine Zähne und sieht schrecklich schauerlich aus. Aber die Kinder werden von der Sonne geblendet. Sie kneifen die Augen zu. Sie sehen das kleine Gespenst und sein Grinsen nicht!
Gustav weint leise. Er hat die Prüfung nicht bestanden! Kein Mensch hatte vor ihm Angst.
Der Gespensterlehrer tröstet Gustav.
„Jetzt weiß ich, warum Gespenster pünktlich sein müssen!“, schluchzt Gustav.
„Die Menschen finden uns nur im Dunkeln unheimlich.“
Der Gespensterlehrer reicht Gustav einen großen, silbernen Gespensterwecker.
„Den schenke ich dir“, sagt er. „Du darfst die Prüfung wiederholen.“
Gustav freut sich sehr.
„Danke!“, sagt er. „Ich stelle den Wecker auf Mitternacht. Heute Nacht werde ich pünktlich sein!“