- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 16
Schlussendlich: ein schöner Abend
Das Steak Klaus-Dieter lag einsam und alleine auf dem Grill.
Es war Abends und kurz vor Feierabend. Langsam aber stetig dünnten sich die Massen auf dem Markt aus und wer nicht schon längst zu Hause war, würde sich bald woanders weiter betrinken.
Doch Klaus-Dieter schmorte noch über den ausglühenden Kohlen.
Er war schon ganz schwarz vor Kummer.
„Warum wollte mich denn keiner essen?“, fragte er sich nicht zum ersten Mal an diesem Abend und stellte völlig resigniert fest: „Selbst die Bouletten und Bratwürste sind alle schon weg. Dabei bin ich doch viel schmackhafter. Gut ich koste auch mehr, aber das bin ich doch wert. Oder nicht, oder wie?“
Dabei hatte alles so gut angefangen.
Als eines der ersten Steakscheiben wurde er gewürzt, in einer schmackhaften Marinade gebadet und verpackt. Die Befürchtung unverkauft im Regal sein Mindesthaltbarkeitsdatum zu überschreiten kam erst gar nicht auf, da er zusammen mit diversen anderen seiner Art an einen Grillbudenbesitzer verkauft wurde, der schon dieses Wochenende auf einem Fest die fröhlichen Massen satt machen wollte.
Auch über die große Konkurrenz machte sich Klaus-Dieter keine Sorgen. Schließlich würden ja auch eine Menge Gäste kommen, die alle Hunger haben und sich nur so um ihn reißen würden.
Die Chillikrakauer taten ihm leid. Wer isst schon gerne etwas scharfes, wenn man Steaks bloß mit etwas Senf nachwürzen bräuchte? „Da werden sicherlich einige von schwarz und verbrannt werden, weil sie zu lange in der Hitze vor sich hin brutzeln müssen!“, sagte er noch selbstbewusst zu einem seiner Kollegen.
Erst als er in die Kühltruhe gepackt wurde, kamen erste Zweifel auf. Durch ein blödes Missgeschick des Wurstverkäufers, viel sein Paket ganz nach unten. „Oh nein, nicht dass der uns hier unten vergisst?“, stöhnten einige seiner Leidensgenossen. Klaus-Dieter entgegnete lässig: „Der wird uns schon noch suchen, sobald ihm die anderen Pakete ausgegangen sind. Wir werden dann eben nicht zur Mittagszeit verspeist, sondern Abends zum Feuerwerk. Wenn wir ein wenig Glück haben, sehen wir sogar wie die Menschen den Himmel zum Leuchten bringen. Wartet's nur ab!“ Doch sicher war er auch nicht mehr.
Die Zeit zog sich dahin.
Pakete mit Steaks, Würstchen, Bouletten und sogar die Krakauer wurden herausgenommen und auf dem Grill fertig zubereitet. Nach und nach konnte er immer besser sehen, doch stets den Griff des Verkäufers zu anderen Paketen.
Der Mittag war vorbei, der Abend kam. Nachschub wurde geliefert und aus Faulheit einfach oben auf geschmissen und sein Paket unter neuen euphorischen Steaks vergraben.
So verging der erste Tag. Ungegrillt warteten sie in der Kühltruhe die Nacht über. Doch auch am nächsten Tag, schien er vom Pech verfolgt zu werden.
Dann gingen die Bouletten aus. „Nun werden die Menschen mehr Steaks haben wollen! Von einer einzigen Wurst wird man ja auch nicht richtig satt. Von Steaks wie uns schon eher.“, munterte Klaus-Dieter sich und andere wieder auf und schöpfte neue Hoffnung.
Doch auch dieser Tag zog sich dahin. Minute um Minute, Stunde um Stunde vergingen. In einer Tour wurden Pakete herausgehoben, aufgeschnitten und ihr Inhalt auf den Grill geschmissen. Nur sein Paket blieb unberührt.
Deprimiert setzte er Frost an.
Doch dann plötzlich, kurz vor Feierabend, keine 5 Minuten, bevor das Feuerwerk beginnen sollte,
holte man ihr heraus und schmiss ihn umgehend auf den Grillrost.
Eine riesige Schlange von hungrigen Menschen stand am Grill und wollte essen. Einige warteten auch schon auf die Steaks. Damit es schneller ging, wurden er und seine Zeitgenossen tief über die glühenden Kohlen gehangen und so ging es ruck zuck, bis er fertig war.
„Warum nimmt er mich nicht vom Grill?“, fragte sich Klaus-Dieter plötzlich und schrie dem Verkäufer zu, „Ich bin doch schon fertig. Schön zart und saftig. Nimm mich vom Grill, verfrachte mich in das Brötchen und beschmiere mich mit der Soße. Nun mach schon.“
Dieser entschuldigte sich auch sofort und rechtfertigte sein Zögern damit, dass er schon seit 12 Stunden hier grille und sich depressive Steaks einfach schlechter grillen lassen.
Aber das half Klaus-Dieter auch nicht weiter. Verbrannt war er noch nicht, aber doch recht scharf gebraten. Nun müsste sich schnell ein Käufer finden lassen. Lange Ruhezeiten auf dem Rost würde er nicht überstehen.
Doch genauso kam es.
Alleingelassen, einsam, verzweifelt und am Ende seiner Kräfte, brutzelte Klaus-Dieter langsam aber stetig weiter vor sich her. Er musste mit anschauen, wie die letzten Würstchen verkauft und eines seiner Kollegen nach dem anderen vor ihm von den Käufern gewählt wurden.
Eine aufgebrachte Dame mittleren Alters hatte sogar den Verkäufer beschimpft, als dieser ihn verkaufen wollte: „Na Ihr Kohlebrikette dürfen sie ruhig selber essen! Dann schmecken Sie mal den Mist, den Sie hier verkaufen wollen!“
Der Verkäufer nahm es gelassen, doch Sein Herz zerbrach in diesem Moment.
Von der ausglühenden Kohle kaum noch gewärmt musste er mit anschauen, wie der Verkäufer anfing den Laden zu schließen. Wie er aufräumte, das Besteck anfing zu säubern und schlussendlich die Platten vor der Verkaufsfläche anbrachte. Vom Feuerwerk sah Klaus-Dieter auch nichts, da es wirklich schwierig ist durch vom Ruß verkrustete Schichten überhaupt noch etwas zu sehen.
Aber er wusste, dass er jeden Moment weggeschmissen werden würde. Elendig den Ratten zum Fraß vorgeworfen, die nun wirklich alles fressen.
So freute Klaus-Dieter sich auch nicht, als er dann doch aufgespießt wurde.
Doch dann passierte etwas. Das Steak konnte nur gespannt lauschen: „Entschuldigen Sie, haben sie vielleicht noch etwas zu Essen?“ - „Ja, ein Steak noch, aber das ist leider schon sehr verkokelt und schwarz geworden. Lag einfach zu lange auf dem Grill. Ich wollte es gerade wegwerfen, aber wenn Sie mögen?“ - „Na zeigen Sie es mir doch mal, ich liebe scharf gebratene Steaks. Ich weiß, das ist nicht gesund, aber die schmecken mir einfach am besten.“
Überglücklich wurde das Steak Klaus-Dieter also doch noch gegessen und durfte einem Unbekannten den Abend mit seinem Geschmack verschönern.