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Copywrite Weißabgleich

Seniors
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28.01.2008
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Weißabgleich

Ich rückte mir einen Sessel im Wohnzimmer zurecht und schaute auf den See.
Diesen Ausblick wollte ich wieder genießen können, zumindest ertragen sollte ich ihn. Denn hier wollte ich bleiben, noch viele Jahre wohnen, glücklich sein, wenigstens zufrieden.
Es war lange her, seit ich das letzte Mal an diesem Fenster gesessen hatte. Ich schmiegte mich in den Sessel, versuchte, in den Bauch zu atmen und die Erschöpfung als angenehm zu empfinden. Der See sah mild und warm aus, obwohl sein Wasser im April noch eisig ist. Ruhig lag er und spiegelte den heller werdenden Himmel.

Kurz nach neun sah ich meinen Nachbarn zum Ufer hinuntergehen. Er ging zu der kahlen Stelle und blieb nah am Wasser stehen, ein dünner Mann mit dünnen, blonden Haaren. In seiner Latzhose und den Gummistiefeln wirkte er noch magerer. Er sah sich um, sah über den See und zum Himmel. Die Sonne schien auf seinen Rücken.
Ich wußte wenig über meinen Nachbarn. Er war ungefähr so alt wie ich, Akademiker wie ich, ohne Auto und ohne Frau wie ich. Niemals hatte ich gesellige Stimmen aus seinem Garten gehört. Abends war eins seiner Fenster hell oder keines.

Fast wäre ich zu ihm hinausgegangen. In diesen Minuten hätte ich Worte gefunden, um alles zu teilen. Er hatte die Bergung der Leiche damals nicht beobachtet, aber ich war sicher, daß er auch noch unter dieser Geschichte litt, daß seine Träume seither schwerer geworden waren, daß er öfter an den Tod dachte oder an Flucht.
Mit den Händen fuhr er durch die schwarzen Zweige. Ich hörte das trockene Geräusch in meinem Kopf. Blühende Bäume und Sträucher verbargen die kahle Stelle von Tag zu Tag mehr, aber von meinem Fenster aus würde ich sie den ganzen Sommer lang sehen. Das war das Furchtbare: Nicht der Tod, nicht die Leiche, sondern der Ort, über den kein Gras wachsen wollte.

Mein Nachbar hatte die Hände in die Taschen gesteckt und sah sich um. Er zog die Schultern dabei so hoch, daß ich seinen Hals nicht mehr sah, und ruckte mit dem Kopf. Wenn sein Blick mein Haus, meine Fenster bestrich, presste ich den Rücken gegen das Polster. Ich wollte nicht mehr hinausgehen. Die Schwere war wieder da. Ich hatte gedacht, ihr entkommen zu sein, aber sie wohnte in meinem Garten. Ich war davon umgeben, darin gefangen, seit man den gefrorenen Körper aus dem Wasser gezogen hatte, so nah bei mir, meinem Bett, meinem Herd. Schlafen wollte ich immerzu, aber nicht mehr träumen.

So blieb ich sitzen, fröstelte in meinem Sessel und sah meinem Nachbarn zu, von dem jetzt nur noch der Schopf zu erkennen war, denn er hatte sich hingehockt oder hingekniet, mitten zwischen die schwarzen Pflanzen. Vielleicht untersuchte er den Boden. Glaubte er immer noch, die Schwärze dort werde von Motten verursacht? Überprüfte er seine Theorie von der geringfügigen Abweichung? Aber wie? Und warum interessierte mich das überhaupt?
Sollte ich nicht lieber darüber nachdenken, was ich letzte Nacht getan hatte? Was mit mir geschehen war, nachdem ich zugepackt und die vernarbte, gezeichnete Haut der Fremden mein Gesichtsfeld, mein Denken und schließlich meinen Mund ausgefüllt hatte? Ihr Blut hatte geschmeckt wie meins. Fast konnte ich glauben, es sei meins gewesen.
Du kannst an mir üben, hatte sie gesagt, und dieser alberne Satz hatte vor Bedeutung gezittert. Meine Grenzen hatte sie niedergerissen, und vielleicht hatte sie genau daran Freude gehabt. Jetzt, allein im Tageslicht, fühlte ich mich besudelt von Grenzenlosigkeit. Ich hatte gründlich geübt und nichts gelernt. Sie hatte eine Entzündung aufgeschnitten, aber ich konnte den Eiter nicht abwaschen. Was nützte mir die Erinnerung?

Mein Nachbar kauerte immer noch an der kahlen Stelle. Jetzt schien mir ganz deutlich, daß er etwas suchte. Manchmal verschwand auch sein Haar hinter den toten Pflanzen und kam dann ein wenig weiter links oder rechts wieder zum Vorschein.
Ich stand auf und öffnete ein Fenster, ganz leise, als könne er mich von dort aus hören. Kühle, würzige Luft wehte mir ins Gesicht, ich roch Wasser und Erde, überlaut drangen die Stimmen der Morgenvögel zu mir herein. Nah am Haus schüttelte eine Ente ihr Gefieder zurecht und hob ab. Ihr Flattern und Rufen übertönten jedes andere Geräusch, dann war sie schon über den halben See geflogen. Ich trat vom Fenster zurück.
Lange, lange stand ich hinter dem Sessel, umklammerte die Lehne und versuchte, an allem vorbeizuhören, an meinem Atem, meinem Herzschlag, dem Knacken meiner Gelenke, wenn ich mein Gewicht verlagerte, den Tierstimmen, dem Plätschern der Wellen, dem Echo der dunklen Worte und Schreie in meinem Kopf. Ich stand und lauerte, jetzt wußte ich es, ich lauerte, weil etwas passieren würde. Etwas würde passieren, und ich durfte es nicht verpassen, denn sonst wäre alles … was? Umsonst gewesen? Zum Scheitern verurteilt?

Ich hätte den ganzen Tag dort gestanden, aber so lange mußte ich nicht warten. Der Blondschopf meines Nachbarn tauchte aus dem Gestrüpp auf, dann seine Schultern, mühsam kam er auf die Beine, sicher waren ihm die Knie eingeschlafen. In seiner Hand hielt er etwas, ich konnte es nicht erkennen, ein Fetzen Stoff könnte es gewesen sein, es hatte die gleiche Farbe wie der Uferschlamm. Er wollte es in die Tasche stecken, in die Brusttasche seiner Latzhose, ungeschickt knüllte und fummelte er daran herum, während er sich abermals umsah.
Schnell trat ich ans Fenster, trat ins Licht, rief ihn an, winkte. Er zuckte zusammen, machte einen hastigen Schritt, als wolle er losrennen, doch er überlegte es sich anders und blieb stehen. Langsam hob er den Arm und bewegte die Hand, es sah aus wie ein Winken, aber dann legte er die Hand über die Augen, wandte sich ab und ging zu seinem Haus zurück. Ich sah ihm nach, während ich schon meine Hand nach hinten ausstreckte, in das dunkle Zimmer hinter mir, sah, wie er hinter der Hecke verschwand, hörte seine Terrassentür quietschen und scheppernd zufallen, während ich drei Schritte ging und das Telefon aus der Station nahm.
Die Nummer der Polizeidirektion wählte ich aus dem Gedächtnis.
„Ich habe etwas beobachtet“, sagte ich.

Noch am selben Tag wurde mein Nachbar abgeholt. Ich stand vor dem Haus, als er mit hängenden Schultern den Weg zur Straße hinauftrottete, die Hand eines Beamten wie begütigend auf seiner Schulter. Er trug keine Handschellen und sah mich nicht an. Beim Einsteigen stolperte er und stieß sich den Fuß an der Bordsteinkante.
Wenige Tage später las ich in der Zeitung, er habe den Mord gestanden. Jetzt wußte man auch, wer die Tote gewesen war. Ihr Gesicht war auf der Titelseite der Lokalzeitung, ein frisches Gesicht, ohne Narben und ohne Zeichen, aber ich erkannte sie sofort.
Mit der Zeitung in der Hand ging ich hinunter zum Ufer, um dem Mädchen auf dem Bild die jungen Triebe zu zeigen.

 

Liebe Makita

Ich werde ja gerade erstmals kopiert. Da darf ich, glaub ich, schon noch zugeben, dass ich bei der Lektüre Herzklopfen hatte.

Hätte bei SF nicht gedacht, dass es interessant sein könnte, das Vage aufzuklären, die Frage, wer ist der Täter..?
Nun finde ich es sehr toll.

Vor allem weil:
In meiner Geschichte war das ja nun möglicherweise so, dass der Prot. zu Beginn den Blick auf den See nicht mehr ertragen konnte und dann, nachdem er sich für die dunkle Seite entschieden hatte, genoss er den Blick.

In Deiner ist es nun so: Er kann ihn zunächst noch nicht wieder genießen… Aber am Ende durch die Anzeige des Nachbarn, das Gefasstwerden des Täters wird das Böse und das Schwarze (die Abweichung) getilgt, geheilt; die Natur ist wieder im Reinen. Die jungen Triebe keimen wieder.
Hier ist der Prot also besser, er ist an Aufklärung interessiert, während er in meinem Text eher ein Irrer ist, der die Kontrolle verliert und hinabstürzt.

Und des weiteren find ich's toll, weil:
Die Sache eben doch noch vage bleibt. War sein Treffen mit der Frau in der Bar nicht eigtl. nach dem Mord? Ist er also verrückt? War er der Täter? Traf er eine Tote? Ist, was er tat, eine zweite (Leichen)Schändung? Hat er sie getroffen, hat sie ihn gelehrt, damit er wieder hinaussehen kann auf den See und den entscheidenden Hinweis entdecken?
Insgesamt kommt mir Dein Text also nicht wie eine richtige Aufklärung vor, sondern eher wie der Plan mehr Licht in diese Düsternis zu bringen. Und das ist etwas sehr sehr schönes…


Ich bin höchst gespannt, was Leser sagen, die meinen Text nicht gelesen haben (ich konnte mich nicht dagegen wehren, den anderen im Kopf mitzulesen..)

Bin sehr froh bei diesem CW dabei zu sein, obwohl das Kopieren und das Einhalten eines Termins beim Schreiben für mich das Durchwandern düsterer Täler darstellt. Aber „Ich werde hier sein, im Sonnenschein und im Schatten“ oder so. Und pünktlich liefern !

-T.


P.S. Ich dank Dir sehr für dieses neue Gefühl, was eigene geschriebene Texte angeht

 
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Hey Autor!

Ich werde ja gerade erstmals kopiert. Da darf ich, glaub ich, schon noch zugeben, dass ich bei der Lektüre Herzklopfen hatte.
Das darf man auch nach vielen Runden noch zugeben. Das nutzt sich kaum ab. Genauso hab ich jedesmal Herklopfen, wenn ich seh, daß der Originalautor kommentiert hat, denn dessen werde oder stirb ist immer das wichtigste, gerade wegen der Befangenheit bzw. besonderen Verbindung zu beiden Texten.

Ich finde, ein Copywritetext sollte trotz aller Eigenständigkeit zusammen mit dem Original gelesen werden. Und das sollte sich natürlich auch lohnen, was Überraschungen, Querverbindungen, neue Sichtweisen, stilistische oder andere Adaptionen angeht. Die Geschichten gehören zusammen bzw. das Copywrite muß zum Original gehören und sollte dem Original Ehre antun. Das ist für mich Hauptfreude und Hauptherausforderung bei diesem besten aller KG.de-Spiele.

Was ich sagen will: Diese Geschichte war erstmal nur für Dich. Und wenn Du sie toll findest, bin ich stolz. Du hast das geschrieben, was ich mir gewünscht habe, das rausgelesen, was ich reingeschrieben habe. Make my day! :gelb:

Zu Deinen Fragen: Eigentlich gibt es nur eine logische Antwort. Er ist verrückt zählt nicht als logische Antwort, weil: Da könnte es ja genausogut Schweine hageln oder sowas. Ach, aber eigentlich ist eigentlich auch ein Unwort. :D

das Kopieren und das Einhalten eines Termins beim Schreiben für mich das Durchwandern düsterer Täler darstellt
Du schaffst das. Du mußt! Ansonsten wärst Du der aller-, allererste, der da jemals den Termin nicht einhält. Einen solchen Finsteren Präzedenzfall könnte diese Seite nicht ertragen. Wir müßten uns alle löschen lassen, und vorher würde Dir feirefiz den Kopf abbeißen und Schusternägel in Deinen Hals füllen.

Einen schönen Abend wünsch ich Dir.
Makita.

 

Hallo Makita,

also ich habe so mein Problemchen mit dem Text. Geschrieben ist er einwandfrei: Schnörkellose Sätze, ohne blabla.
Klarheit kommt für mich aber inhaltlich nicht auf. Auch wenn ich zu den "schlauen Lesern" gehöre, die das Original noch mal gelesen haben. Ich stehe noch immer auf dem Schlauch. Das liest sich wie ein Sequel, das aber nichts verraten möchte, irgendwie. Eigenständig, also ohne das Original, funktioniert die Geschichte gar nicht.
Wahrscheinlich habe ich das Wesentliche überlesen, aber wo beim Original schön Spannung aufkommt, wird die hier nur angedeutet. Und das finde ich insgesamt etwas dünne.
Vielleicht tu ich der Geschichte unrecht, aber sie packt mich einfach nicht genug, um da einzutauchen und mir alles selbst zusammenzureimen. :shy:

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo,

die Geschichte liest sich für mich wie ein Puzzlestück im Vergleich zum einfach strukturierten Orginal.
Im Orginal hat man einen Helden wie bei Poe, der in seiner Kammer sitzt und in einem posttraumatischem Wachkoma versinkt. Er ist besessen von dieser einen Stelle, von dem Schandfleck. Das wird dann aufgelöst - relativ aus dem Nichts - mit einer dunklen Spielart der Erotik.

Ich denke, um zu verstehen, was deine Geschichte möchte, muss man erstmal raffen, was ein Weißabgleich ist. Ich wusste das nicht. Hab versucht, es rauszufinden und habe jetzt eine ungefähre Vorstellung.
Es gibt zwei Arten, wie ich deine Geschichte lesen könnte. Zum einen, dass der Erzähler der Protagonist aus der anderen Geschichte ist. Und nun seine Gedanken auf den Nachbarn projeziert. Und erst Ruhe gibt, wenn er das "Verbrechen" aufgeklärt hat.
Für diese Idee spricht es, dass der Erzähler dieses "dunkle Mädchen" kennengelernt und erlebt hat.
Diese Idee gefällt mir nicht sonderlich.

Ich glaube es ist durchtriebener. Und der Erzähler dieser Geschichte ist der Mörder eines jungen Mädchens, vielleicht auch zwei. Denn es gibt die Stelle, in der er sagt: Jetzt muss er sich zwingen, aufzupassen, sonst war alles umsonst.
Es ist in beiden Geschichten die Fragen, was mit dieser masochistischen Frau genau passiert.

Ich könnte mir vorstellen, in dieser Geschichte bei dir: Der Erzähler tötet eine Frau, versenkt sie im See, beobachtet wie sein Nachbar davon besessen wird, folgt ihm, sieht, dass er Kontakt zu diesem "schwarzen Mädchen hat", tötet das Mädchen auch, nachdem er ihre Dienste in Anspruch nimmt, versteckt ihre Leiche dann im See, aber so, dass sie derart liegt, dass es den Nachbarn wahnsinnig macht, weil er noch "Teile" von ihr sieht, und wartet dann solange, bis der Nachbar dorthin geht und sie findet, um ihn dann anzuzeigen. Und der gesteht den Mord, weil er sich schuldig fühlt und es sich zutraut, sie tatsächlich umgebracht zu haben ... das wäre so ein bisschen die Minority-Report-Auflösung. Zwei Leichen an einem Ort. :)


Ih weiß nicht. Sonderlich überzeugend klingt das nichts. Ich denke, es ist dir in jedem Fall gelungen, der ursprünglichen Geschichte eine Dimension zu verleihen. Es ist kein tatsächlich sinnlich erlebbarer Text herausgekommen.Auch das Orginal war keins. Das ist ein Text, der auch in der Rätselecke einer Zeitung stehen könnte, finde ich. So eine dumpfe Emotionalität darin, mit der morbiden Ästhetik. Die tote Frau im See, sind so alte Motive.

Es ist in jedem Fall ein Text, über den man wilde Theorien anstellen kann. Schizophrenie ging auch wunderbar auf.

Mir gefällt die Geschichte als Copywrite gut. Als Geschichte nicht sonderlich, dafür ist sie mir zu konzipiert.
Aber ich hab eben auch Ursprungstext und Kommentare gelesen, und gesehen, dass ich eine andere Meinung zu dem Text hätte als die anderen - also ich fand beide Texte alles andere als schlecht, aber ich stehe ihnen skeptisch gegenüber

Gruß
Quinn

 

Hey Makita,

dieser Text macht mich wahnsinnig! Ich weiß nicht, wie oft ich den jetzt gelesen habe, aber oft genug, um mitsprechen zu können. Und nach jedem Lesen bin ich genauso schlau wie vorher. Ich bin mir nur bei einem sicher, das Dein Prot. der gleiche wie der aus dem Original ist. Das es nicht der Nachbar ist. Das ist aber auch eher ein Bauchgefühl, vielleicht sind es ja der Biologe und seine Theorien, die mich in diese Richtung drängen.
Als ich anfing, das Copy zu lesen, dachte ich, wow, ein Kurzkrimi. Ein Makita-Kurzkrimi. Toll. Und ich hatte schon jeden Respekt in mir heraufbeschworen, um diesen in Lobhudelei über Dich zu ergießen, da ein Krimi in so einem kurzen Text für mich sehr wohl etwas ganz Großes wäre. Und dann war die Geschichte zu Ende und ich wusste nicht, wer denn nun der Mörder ist? Der Nachbar oder doch er selbst?
Im Kommentar zu T Anin schreibst Du, es gibt nur eine einzige Möglichkeit und es macht mich irre, dass ich den entscheidenden Hinweis nicht finde. 51% sagen, er haut den Nachbarn in die Pfanne, aber warum in aller Welt gesteht dieser dann? Weil der für die Winterleiche verantwortlich war? Sozusagen, ein Geständnis für die falsche Leiche? Ich weiß es nicht. Und das bringt mich um. Das macht, dass ich mich nicht zurücklehnen und sagen kann - wow.

Wenn es also einen aufklärenden Satz (Hinweis) in dieser Geschichte gibt, bitte, bitte, schick ihn mir als PM! Vielleicht lag es Dir aber auch genau an diesem Spiel, die Möglichkeiten offen zu lassen und die Hinweise so zu streuen, dass beide in Frage kämen. Das ist Dir dann durchaus gelungen.

Stilistisch staune ich immer, wie sehr Du Dich bei Deinen Copys an die Originalautoren heranbewegst und das makitareske zurückdrängst. Und Deine Ansätze. Das jetzt mal abseits meines Unbehagens.


Er hatte die Bergung der Leiche damals nicht beobachtet, aber ich war sicher, daß er auch noch unter dieser Geschichte litt, daß seine Träume seither schwerer geworden waren, daß er öfter an den Tod dachte oder an Flucht.

Ist das der Satz, der mir eigentlich alles sagen sollte?

Wir brauchen keinen *unter-den-teppich-kehr-smily*, sondern einen *kopf-qualm-und explodier-smily*! Ich brauch den :).

Aber ich habe das Ding gern gelesen. Und es wurde mir nie langweilig, egal zum wievielten Male. Oder gerade deswegen. Dieses Ding will mir einfach nicht aus den Kopf.

Verzweifelte Grüße Fliege

 
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Hallo Leser!

weltenläufer:

das aber nichts verraten möchte, irgendwie.
Das ... das ist nicht wahr! Ich bin stur und sage: Das ist nicht so kompliziert, wie man denken könnte.
Das betrifft natürlich nur den Plot. Das andere, also, daß es Dir zu dünne war und Dich nicht gepackt hat, das muß ich fressen. Aber beim Plot bin ich stur. Der ist sogar klassisch.

Quinn:

Ich denke, um zu verstehen, was deine Geschichte möchte, muss man erstmal raffen, was ein Weißabgleich ist.
Als ich das las, hatte ich ein schlechtes Gewissen, denn ich weiß selber nicht genau, was das ist. Ich hab da folgende Vorstellung gehabt: Das ist, wenn die Kamera die Farben anders definiert, weil sie Weiß anders definiert bekommen hat (vom Benutzer). Und weil ich nachher üble Zweifel hatte, ob ich das nicht völlig falsch im Kopf hab, hab ich es selbst nochmal nachgeschlagen und war nach dem Lesen des Wikipedia-Artikels völlig durcheinander, weil ich letztendlich gelernt hab, daß die Entsprechung beim menschlichen Auge (chromatische Adaption) irgendwie dasselbe ist, nur umgekehrt?+?)
Aber ich hatte mich an dem Titel schon festgebissen, weil er meinem inwendigen Ansatz entsprach und Weiß, Schwarz und Chrom nie aus der Mode kommen.
Der Erzähler tötet eine Frau, versenkt sie im See, beobachtet wie sein Nachbar davon besessen wird,
Daß also bei mir der Biologe erzählt? Das geht ja nicht, denn es ist ganz klar, daß der Biologe am Ufer herumsucht (der Erzähler fragt sich ja, ob er seine Theorien zum unerklärlichen Nichtwachstum der Pflanzen im April überprüft).
das wäre so ein bisschen die Minority-Report-Auflösung
Hehe. Hier gibt es nur eine Leiche, aber Minority Report ist eine Assoziation, die ich beim Lesen des Originals hatte. Diese immer wiederkehrende Szene, in der man zu diesem Stück Seufzmusik sieht, wie Anne Lively im Wasser versinkt.
Es ist kein tatsächlich sinnlich erlebbarer Text herausgekommen.Auch das Orginal war keins. Das ist ein Text, der auch in der Rätselecke einer Zeitung stehen könnte, finde ich. So eine dumpfe Emotionalität darin, mit der morbiden Ästhetik. Die tote Frau im See, sind so alte Motive.
Yessir! Genau das! Und so sollte das auch sein. Wie das Original, nur, daß man erfährt, wer die Frau umgebracht hat und wie das doch noch rauskommen konnte. Mein einziges Problem ist, daß das keiner erfahren hat. Wäre ich ein Mann, könnte ich darüber mein kratziges Kinn schaben und dabei unter mich gucken. Ich will ja, daß die Leser merken, was ich gemeint habe, das will ich immer, sonst würd ich Lyrik schreiben.

Fliege:
Nachdem ich Dir eine pn geschrieben habe, damit Du nicht verzweifelst, war ich selbst erstmal am Verzweifeln. Nicht nur, daß mich das mitnimmt, wenn ich denke: Klarer Plot!, und alle sagen: :confused:, ich hatte auch nur falsche Schuhe, war damit den ganzen Abend unterwegs und hab jetzt Blasen an den Füßen. Aber wenn Du wüßtest, wie mich das gefreut hat, daß Du meinen klaren Plot wenigstens im Nachhinein klar fandest. Das möchte ich jetzt allen unter die Nase reiben, damit ich stur bleiben kann. :silly:

Ich danke Euch,
Makita.

P.S. Daran mußte ich gerade denken. Das ist auch sowas: Es könnte sofort klar sein. Aber nur, wenn man den unsichtbaren Rand nicht beachtet.

 
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Hallo Makita!

Zuerst nur zwei Stellen, die mir etwas schräg erscheinen:

Niemals hatte ich Grillgerüche oder gesellige Stimmen aus seinem Garten gehört
Da blieb ich immer hängen. Irgendwie geht das nicht, oder muss ich mich wundern, weil ich auch noch nie Grillgerüche gehört hab?

Ich hatte gründlich geübt und nichts gelernt. Sie hatte eine Entzündung aufgeschnitten, aber ich konnte den Eiter nicht abwaschen
Das finde ich schief. Wenn mann eine schmerzhafte Entzündung hat und die wird endlich aufgeschnitten, dann freut man sich, dass das Pochen aufhört, der Schmerz. Falls dann der Eiter nicht abzuwaschen wäre, kann das so schlimm nicht sein.


Jetzt zum Versuch einer Deutung:

Dann rückte ich mir einen Sessel im Wohnzimmer zurecht und genoss den Blick auf den See
. So endet T Anins Geschichte und deine beginnt mit:
Ich rückte mir einen Sessel im Wohnzimmer zurecht und schaute auf den See
.wo seine Geschichte endet, fängt demnach deine an.

Was nützte mir die Erinnerung?
fragt sich dein Prot. und ich fragte mich das auch. Was nützt ihm diese Erfahrung, dass er die Frau gebissen hat, dass er das Dunkle zugelassen hat etc. Aber am Ende ist es vielleicht genau das, was ihn die Wahrheit erkennen lässt. Weil er es zulässt, weil er geübt hat und erst dadurch wieder auf den See schauen kann. Hätte er nicht auf den See schauen können, hätte er den Nachbarn nicht beobachten können. Das war der Nutzen dieser Erfahrung. Vielleicht. Das ist in meiner Lesart der Knackpunkt.

Mein Nachbar kauerte immer noch an der kahlen Stelle. Jetzt schien mir ganz deutlich, daß er etwas suchte
vielleicht sucht er nach Beweisstücken, die er dann verschwinden lässt…
Er wollte es in die Tasche stecken, in die Brusttasche seiner Latzhose, ungeschickt knüllte und fummelte er daran herum, während er sich abermals umsah.
Schnell trat ich ans Fenster, trat ins Licht, rief ihn an, winkte. Er zuckte zusammen, machte einen hastigen Schritt, als wolle er losrennen, doch er überlegte es sich anders
In T Anins Geschichte zeigt der Nachbar kein großes Interesse an den schwarzen Stellen, er tut es ab. Vielleicht, um die Aufmerksamkeit wegzulenken, von diesem Ort, wo Beweisstücke liegen. Vielleich hat er etwas von sich dort verloren. Einen Geldbeutel oder so. Zitat aus schwarzer Frühling: „
Mein Nachbar, ein Biologe, zuckte nur mit den Schultern und sprach von allenfalls geringen Abweichungen

Mit der Zeitung in der Hand ging ich hinunter zum Ufer, um dem Mädchen auf dem Bild die jungen Triebe zu zeigen
. Da sieht er wohl das rot im schwarz, das T in seiner Geschichte angedeutet hat, dieses rot, dass für mich die Möglichkeit darstellt, die Realität als bittersüß zu akzeptieren.

Ansonsten muss ich noch sagen, die beiden Texte von dir und T. gehören zu meinen absoluten Lieblingen hier, egal, wie falsch ich evt. mit meiner Interpretation liege. Und auch ansonsten bin ich nicht für Geschichten, die zu verschlüsselt sind, aber die hier haben beide eine gewisse Magie für mich. Sie geben mir das Gefühl, dass ich nahe dran bin es zu verstehen und zwer die ganze Zeit..

Gruß

herrlollek

 
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Hallo, herrlollek,

zwei Stellen, die mir etwas schräg erscheinen
Beim Lesen der ersten hab ich mich echt gefragt, wieso mir das nicht selber aufgefallen ist. Zum Glück gibt es die aufmerksamen Leser. Ich laß mir was einfallen, um das zu entschrägen.

Die zweite, hm, technisch gesehen ... also, ich versteh, was Du sagst, Dr. Spock, und bin auch immer sehr gegen Logikschwächen, will mich aber hier damit rausreden, daß das Bild der Rückenmarkslogik entspringt. Was der Protagonist empfindet bzw. in ausgeruhtem Zustand oder bei einer weniger schlampigen Autorin gesagt hätte: Die Wunde ist behandelt worden, aber ich hab sie noch nicht verbunden. Oder: Es tut nicht mehr weh, sieht aber immer noch scheiße aus. Unterm Strich: Die Heilung fordert ihm noch einen aktiven Beitrag ab.

Hätte er nicht auf den See schauen können, hätte er den Nachbarn nicht beobachten können. Das war der Nutzen dieser Erfahrung.
Ja.
Da sieht er wohl das rot im schwarz, das T in seiner Geschichte angedeutet hat, dieses rot, dass für mich die Möglichkeit darstellt, die Realität als bittersüß zu akzeptieren.
Er zeigt vor allem dem Mädchen, daß ihr Einsatz sich gelohnt hat, daß er gehandelt und jetzt auch verstanden hat und sie jetzt in Frieden ruhen kann. Obwohl sie das in dem Moment bestimmt auch so schon weiß. So hab ich mir das gedacht.

Vielen Dank für Deine Gedanken und Dein Lob!

Makita.

 

Hey Makita

Also deine Antwort befriedigt mich nicht ganz. Vielleicht könntest du mir eine PM schreiben, wo du das Ding auflöst bzw. sagst, wie nah meine Gedanken dem kamen, was du gemeint hast. Ich bin nämlich echt gespannt, was ich übersehen habe..

herrlollek

 

Hallo Makita,

also nachdem ich durch die Kommentare, die alle Verwirrung ausgedrueckt haben, selbst ganz verwirrt war, musste ich den Text erstmal wieder eine Weile zur Seite legen.
Heute las ich ihn in Verbindung mit dem Original so: Bei T Anin scheint es erstmal zu reichen, dass er das Finstere in sich akzeptiert, damit er auch am finsteren See wieder gluecklich leben kann. Du spinnst das weiter und er merkt, dass es damit tatsaechlich nicht getan ist. Der Eiter sieht noch scheisse aus und die Triebe spriessen noch nicht wieder. Es kann kein Gras ueber die Sache wachsen. So ganz einheitlich lieblich ist diese Erkenntnis ja trotzdem nicht, denn nur dadurch, dass er dem eigenen Boesen ins Auge gesehen hat, kann er jetzt ueberhaupt auf den boesen See blicken und den Nachbarn stellen. Die Parallelen zwischen ihm und dem Nachbarn sind ja deutlich betont. Also geht es nicht wirklich darum, dass das Gute hier das Boese zur Strecke bringt, sondern das Gute muss sich mit dem Boesen mischen, bzw. es erkennen, auch in sich, um es dann zu besiegen. Oder nicht wirklich besiegen, er sagt ja Tod und Leiche, das ist schon ertraeglich - aber die Sache muss abgeschlossen werden. Und dann zum Schluss, wie der Nachbar mit haengenden Schultern trottet, stolpert und sich den Fuss stoesst, da wird mein Herz ploetzlich auch ganz weich um ihn.
Ich denke so auf diese alltaegliche Weise funktioniert die Geschichte schon. Aber ich hab mich gewundert, wie er das Maedchen auf dem Bild erkennt. Als sie sie da nach Monaten aus dem See ziehen, sieht sie bestimmt anders aus als auf dem Foto. Und warum sollte er die Abwesenheit von Narben und Zeichen betonen? Also denke ich mir, dass die Tote dasselbe Maedchen ist, dass er da im Kino getroffen hat. Dass sie irgendwie zurueckgekehrt ist, um ihn dazu zu trainieren, ihren Tod aufzuklaeren.
Diese Suehnelogik erinnert mich an diesen anderen Text von Dir, den Namen habe ich vergessen - wo der Mann zum Maedchen wird, der mit dem Fahrrad, dem Blatt auf der Wunde und dem Spuelen. Vorausgesetzt ich habe mich hier nicht voellig ins Abseits geschluesselt.

Mir hat es gut gefallen, wie Du Dich auch dieser kargen Sprache im Original angepasst hast. Das las sich sehr einheitlich, auch wenn mir scheint, dass in Deinen Saetzen doch haeufig ein halbes Detail mehr steckte.
Daher bekrittelte ich jetzt auch den Satz in dem der Blick des Nachbarn das Fenster "bestreicht" - das ist zu extravagant fuer den Ton.

Bitteschoen, und nicht lachen, wenn's voellig daneben ist.

fiz

 

Hey fiz,
gar nicht ins Abseits. Ich bin heilfroh, daß Du das alles so halali erkannt hast, denn so war's auch gemeint. Und immer dachte ich: Wenn feirefiz auch schreibt, sie erkennt nichts, dann muß ich mich löschen lassen.

Also geht es nicht wirklich darum, dass das Gute hier das Boese zur Strecke bringt, sondern das Gute muss sich mit dem Boesen mischen, bzw. es erkennen, auch in sich
Ja.
Und warum sollte er die Abwesenheit von Narben und Zeichen betonen? Also denke ich mir, dass die Tote dasselbe Maedchen ist
Ja, genau. Anders kann er sie nicht erkennen. DAs Gesicht der Leiche war ja unkenntlich.
wie der Nachbar mit haengenden Schultern trottet, stolpert und sich den Fuss stoesst, da wird mein Herz ploetzlich auch ganz weich um ihn.
Ja, ja, ja! :heul:
den Namen habe ich vergessen - wo der Mann zum Maedchen wird, der mit dem Fahrrad, dem Blatt auf der Wunde und dem Spuelen.
Das ist Tauchstation, mein nichtgelesenes Langwerk.
gut gefallen, wie Du Dich auch dieser kargen Sprache im Original angepasst hast.
Das mußte einfach sein. Ich dachte tagelang in T Anin-Sätzen. :D

Schön, schön. Danke Dir!
Maquihita

 

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