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Das Geschenk
„Wie lange noch?“, nervte Stella Hardwick ihren ersten Offizier.
„Noch immer 60 Stunden, Captain!“, kam es ebenso genervt zurück.
Die Schubeinheit `Fridolins Pausenbrot` war seit nunmehr 15 Jahren unterwegs.
Wie ein Hummer, der einen Wasserball vor sich herbugsiert, hing das Schiff im Schatten des Planeten.
Dieser selbst in einem unsichtbaren Energienetz, das über 800 Kursraketen gesteuert wurde.
Da es für jedes dieser Aggregate einen eigenen Monitor an Bord gab, war es nur allzu verständlich, dass die Reizschwelle am Ende der Reise etwas niedrig war.
Wenn man zumindest mal in die unendliche Weite der Sterne hätte sehen können.
Aber der gewaltige Planet hing wie ein grüner Vorhang vor dem Hauptschirm.
Stella schloss die Augen und dachte an die Wälder ihrer Fracht.
Der Duft von Nadeln, der frisch gefallene Regen und der leicht modrige Dunst des Morgennebels.
Es war wirklich schade darum.
„’Fridolins Pausenbrot’, hören sie mich?“, krächzte es aus dem Funkgerät und hetzte Stellas Gedanken zurück in die Realität.
„Na endlich! Ich dachte schon ihr seht uns nicht kommen“, feixte sie, was ein unsachliches Gemurmel am anderen Ende der Leitung provozierte.
„Sie sind auf Kurs. Beginnen sie nun mit dem Bremsmanöver. Wir schicken ihnen die neuen Koordinaten. Angleichung des Planetenzentrums auf 200 Meter. Verstanden?“
„Check! Angleichung auf 200 Meter. Ab mit dem Ding auf den Elfmeter. Over and out“, sagte sie und beendete die Übertragung.
Nevil, der Navigator, ließ die Hauptcomputer die Korrekturen berechnen und schaltete die Raketen auf Schubumkehr.
Stella musste an die Bewohner des Planeten denken. Diese hatten sich nach der drastischen Veränderung ihrer Umwelt in die Tiefen des Planeten gebohrt. Dorthin, wo es wärmer war.
Vor ein paar Monaten hatte sie eine Kernanalyse angeordnet, die in einigen Bereichen noch etliche Millionen Überlebende anzeigte.
„Machen sie sich keine Sorgen, wir werden uns darum kümmern, wenn der Planet weiterbearbeitet wird“, hatte jemand in der Bodenstation mit einem Unterton gesagt, bei dem es Stella die Zehennägel verbog.
Eine vollständige Versilberung. Das war die Weiterbearbeitung.
Der erste Offizier versuchte eine der Videoaufzeichnungen einzufangen, die das Geschenk für Kaiser Fridolin den Kindlichen, in seiner gesamten Größe zeigte.
Aus über 140 Planeten hatten Wissenschaftler, Arbeiter und jeder der den Kaiser liebte, den Spruch
‚Happy Birthday!’ in einem gigantischen Schriftzug zu seinem 15. Geburtstag zusammengestellt.
Stella hatte die große Ehre, als beste Pilotin der Flotte den krönenden Abschluss, den Punkt unter das Ausrufungszeichen, zu setzen.
***
Der Glückwunsch war fertig.
Premierminister Moore schritt auf der Brücke seines Parlamentsschiffs verärgert auf und ab.
„Was wollen sie mir sagen, Hardwick? Da unten soll noch jemand leben? Wieso haben sie sich nicht darum gekümmert?“, bombardierte er die Angeklagte mit Fragen.
Stella räusperte sich und sagte: „Ich bin Pilotin, keine Mörderin.“
Moore blieb stehen und sah sie an.
„Aber man kann sich weiterentwickeln.“, sagte er.
Stella wurde flau im Magen. Ihr war klar was das hieß.
„Sie werden sich noch in dieser Stunde auf, nein besser, in den Planeten begeben. Die Leute werden aufgefordert den Planeten zu versilbern, mit dem Versprechen auf Umsiedlung geködert und dann…“, er fuhr mit dem Daumen über seine Kehle.
Die Pilotin schluckte, sah zu Boden und nickte.
***
Ihr erstes Treffen mit den Vertretern des Planeten verlief sehr friedlich. Sie waren umgänglich, boten ihre Hilfe an und zeigten sich glücklich, als ihnen Stella einen neuen Planeten versprach.
Bei ihrem zweiten Treffen rüstete sie sie mit Raumanzügen aus, setzte sie in die Gleiter und erklärte ihnen die Bedienung der Farbbomben.
Die Bewohner waren sehr zufrieden gute Arbeit für einen schönen Anlass leisten zu dürfen.
Bei ihrem dritten Treffen, trieb sie Stella in den Laderaum ihres Raumschiffs und versicherte ihnen, dass sie alle an einen wunderschönen Ort bringen würde.
Als sie den Befehl geben sollte die Ladeluke zu öffnen, wurde ihre schlecht und kotzte auf die Brücke.
Sie konnte es nicht tun. Vor allem, da sie auf ihrem Rückflug einen Planeten entdeckt hatte, auf dem sie wirklich wohnen konnten.
Stella beschloß zu flüchten. Sie wusste sogar wann.
***
Der große Tag war gekommen.
Kaiser Fridolin hatte einen traumhaften Morgenstuhlgang gehabt, den Vormittag mit Huldigungen und Segnungen verbracht und am Nachmittag den Geburtstagsspielen beigewohnt. Nach dem Dinner war er in seinem Palastschiff auf die dunkle Seite des Planeten geflogen worden, wo er im Kerzenschein am Balkon lag und sich von Priesterinnen der Lustgöttin verwöhnen liess. Ab heute war er wahrer und unumstrittener Herrscher über sein Volk.
Im leichten Lufthauch aus Jasmin, trat der Zeremonienmeister vor seinen neuen Gott.
„Oh edler, erhabener, unerreichter,…“, eben alles war man zu solchen Anlässen an Fantasie aufbringen kann, floss salbungsvoll aus dem Greis.
„Eure Untertanen wünschen Euch alles Gute und eine glanzvolle Zukunft.“
Ein Feuerwerk erleuchtete den Nachthimmel und Buchstabe für Buchstabe wurde am Firmament gleißend freigegeben.
Gelangweilt blickte der Jüngling zwischen den Brüsten der Äbtissin nach oben und goutierte das Schauspiel mit einem Orgasmus.
Captain Stella Hardwick hatte genau diesen Moment der Ablenkung gewählt, um ihr Schiff mit vollem Schub in die Freiheit zu jagen.
Ein Aufschrei der Freude lies ‚Fridolins Pausenbrot’ erbeben. Alles verlief nach Plan.
Daher war sie etwas verwirrt, als gewaltige Explosionen die Videosensoren erblinden ließen.
Das Schiff wurde im Sekundentakt von Druckwellen erschüttert, die die gesamte Besatzung in die Knie zwang.
Stella aktivierte das Funkgerät, das sie aus Sicherheitsgründen abgestellt hatte.
„Wer nicht erreichbar ist, kann auch nichts falsch machen.“, hatte sie sich gedacht und alle Übertragungen untersagt. Hätte sie wer aufgehalten, hätte sie einfach geantwortet:„Ach ich bring sie nur ein bisschen raus, damit uns die Leichen nicht in der Atmosphäre verglühen und alles versauen.“
Kurzes, abgehacktes Gezische dröhnte aus den Lautsprechern.
„Was zum Teufel ist das?“, schrie sie ihren ersten Offizier an.
„Keine Ahnung, jedenfalls nicht menschlich. Klingt relargisch!“, brüllte dieser zurück.
Stella senkte die Lautstärke und schüttelte den Kopf.
„Aber von denen haben wir seit Jahrzehnten nichts mehr gehört. Was wollen die Grillen? Nevil sehen sie zu, dass wir wieder Sichtkontakt bekommen.“, befahl sie und versuchte über das Intercom ihre Mitflüchtlinge zu beruhigen.
„Captain, Captain, sehen sie!“, rief Nevil und zeigte auf das verzerrte Bild eines Monitors.
Planet für Planet des Geschenks wurde von einer gigantischen Feuersäule zerstört, die aus der entgegengesetzten Richtung des Schriftzugs kam.
„Was steht da? yppah yadht…“, erschrocken fuhr sie hoch, „...rib…“
„Schnell, den Übersetzer!“, rief der erste Offizier.
„Nicht nötig“, sagte Stella und setzte sich.
Der Inhalt war zwar nicht klar übersetzbar, betraf aber das allgemeine Paarungsverhalten einer typisch relargischen Mutter in einer Horde Knautschballspieler.
Wenige Stunden später war der Spruch, samt seiner Erbauer vom Himmel gelöscht worden.
Stellas Trauer hielt sich nach 15 Jahren Flug und einem Genozidiauftrag in Grenzen.
„Und nun?“, fragte Nevil.
„Nun, wir nehmen Kurs auf diesen Planeten, den wir gefunden haben.
Wie nannten sie ihn noch mal?“
„Erde, Captain!“, sagte der erste Offizier.
„Achja, Erde, witziger Name.“