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Das Schicksal, Schlafanzüge und jede Menge Nüsse

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13.06.2002
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Das Schicksal, Schlafanzüge und jede Menge Nüsse

Manchmal, da gibt es diese Tage, die einem schon vor dem ersten zaghaften Öffnen der vom Restalkohol verklebten Augen mitteilen, dass man am besten im Bett liegen bleiben und gar nicht erst den sowieso zum Scheitern verurteilten Versuch unternehmen sollte, den penetranten Kater mit einem Aal und drei rohen Eiern aus dem soeben explodierten Kopf zu vertreiben. Während ich so dalag und versuchte, die letzten mutigen Sonnenstrahlen des Herbstes zu ignorieren, die durch die verdreckten Fenster in mein Zimmer drangen und mit dem letzten bisschen ihrer Energie versuchten, mir die verbliebenen Gedanken aus dem Kopf zu brennen, sprang plötzlich dieses Eichhörnchen auf meinen Bauch und begann mit enervierender Penetranz an einer Walnuss zu knabbern.
Ich unternahm einen eher als halbherzig einzustufenden Vertreibungsversuch mit der linken Hand, deren wedelnde Bewegung das kleine Biest jedoch mühelos parierte, sich nach einem kurzen Ausweichsprung auf meine Nachttischlampe erneut auf mich setzte und mit einem hämischen Grinsen im Gesicht sein schändliches Werk an der Nuss fortsetzte.
Gerade, als ich dabei war, mich sowohl mit den immerhin rhythmischen Kaubewegungen als auch mit der allgemeinen Existenz meines Untermieters abzufinden und wieder langsam einzunicken, klingelte es an der Tür. Ich grummelte irgendwas von Hau ab, ich bin tot und warf ein Kissen in die grobe Richtung, aus der das Klingeln kam. Irgendwann - es war exakt die Zeitspanne, die ein Gedanke benötigte, um in mein verkatertes Hirn zu kriechen - gab ich nach, schlug die Augen auf, stand auf und schlurfte zur Tür, nachdem ich eine leere Flasche Kümmerling aus meinen Wohlfühlpantoffeln heraus- und meine Füße in selbige hineinmanövriert hatte.

"Schnell, das musst du dir ansehen", sagte Helge und drückte sich an meiner verschlafenen Gestalt vorbei in die Wohnung.
"Wasn?"
"Die haben unsere Tanke geschlossen."
"Tanke?" Ich kratzte mich ekstatisch am Kopf und versuchte dadurch, meinen Gehirnzellen ein wenig Aktivität beizubringen. Vielleicht war es auch nur eine Ausgleichshandlung, um nicht daran zu denken, dass ich meinen schwankenden Körper eigentlich der Schwerkraft hätte übereignen müssen.
"Du weißt schon, die Tankstelle, wo wir gestern Abend noch... A propos, du siehst ziemlich beschissen aus."
"Janu...", nuschelte ich. "Wie spät isn das?"
"Elf durch." Einen kurzen Moment lang herrschte in meinem Kopf eine gnadenlose Klarheit, die mir mit unverhohlener Härte den Grund unserer gestrigen Feier wieder ins Gedächtnis rief. Ein Grund, der, von meinem jetzigen Standpunkt aus gesehen, durch die Party selbst und deren Auswirkungen bereits wieder zunichte gemacht wurde. Ich hatte nämlich gestern einen Job gefunden bei... naja, wo auch immer, aber auf jeden Fall hätte ich vor drei Stunden da sein sollen, was sich angesichts meines eklatanten Mangels an Zeitmaschinen nun als ein Ding der Unmöglichkeit herausstellte.
Ich nutzte den kurzzeitigen Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, um mir mein Gegenüber ein wenig genauer anzusehen. Helge war ebenso wie ich in nur mit einem Schlafanzug bekleidet und puhlte in diesem Moment gähnend in seiner Nase herum, woraufhin er sich auf einmal wieder an seine gottgleiche Mission zu erinnern schien, und mich an mein Küchenfenster führte.
"Da, siehst du?", fragte er.
"Nein", sagte ich wahrheitsgemäß, da mich die blendende Sonne hinderte, die Augen richtig zu öffnen und der unglaublichen Dinge, die dort draußen vermutlich vorgingen, Zeuge zu werden.
"Alter, guck doch mal richtig." Irgendein Muskel meines Gesichts spielte Streikbrecher und sorgte mit enormer Anstrengung dafür, dass sich meine Augenlider wenigstens ein kurzes Stückchen anhoben. Durch den entstandenen Schlitz erkannte ich die schemenhaften Umrisse der besagten Tankstelle an der gegenüberliegenden Straßenseite, an der, und das war etwas, für das ich Helge nun wirklich ein wenig böse war, wirklich überhaupt nichts ungewöhnliches zu erkennen war.
"Alter, das Schild! Sieh auf das Schild."
"Welches Schildn?"
"Na da."
"Da?"
"Ja."
"Seh ich nich."
"Komm, dann gehen wir eben kurz rüber."
"Ach das Schild", sagte ich halbherzig, um Helge von seiner Idee abzubringen. Aber es half nichts, er hatte bereits meinen Morgenmantel von einem Stapel leerer Puddingbecher gehoben und ihn mir über die Schultern gelegt. Dann winkte er dem Eichhörnchen, welches zwischen dem vollen Aschenbecher und einer umgekippten Topfpflanze saß und sich genüsslich über ein paar Terracottakugeln hermachte, noch einmal freundlich zu und schob mich durch die Tür.

...

Als wir verschlafen und uns am Sack kratzend vor der Tankstelle standen, wurde mir langsam bewusst, dass Gott meinen besten Freund wohl nur zu dem einzigen Zwecke geschaffen hatte, um mir den Tag zu versauen. Ich meine, wenn an der Tanke wenigstens irgendetwas ungewöhnliches gewesen wäre, hätte ich Helge seine Weckaktion ja vielleicht noch verzeihen können - aber angesichts der Tatsache, dass dort eine beinahe brechreizerregende Normalität vorherrschte, konnte ich die dazu notwendige Energie einfach nicht aufbringen, sondern beschränkte mich darauf, Helge und seine Nachfahren mit einem ziemlich fiesen Fluch zu belegen.
"Tut mir leid, aber ich schwöre, dass da eben noch ein Schild hing."
"Leck mich", nuschelte ich mühsam und suchte in meinem Morgenmantel nach dem Haustürschlüssel, um mich schnellstmöglich wieder in mein lauschiges Bett begeben zu können. Dummerweise hatte ich den Schlüssel in meinem anderen Bademantel oder, was weitaus wahrscheinlicher war, an einem vollkommen anderen Ort vergessen, aber auf jeden Fall bemerkte ich recht schnell, dass die Haustür sich durch freundliches Anbrüllen nicht öffnen lassen wollte.

"Brüder! Was macht ihr denn hier auf der Straße?", fragte uns ein kümmerlich aussehendes Männchen, das ebenso wie wir einen Schlafanzug trug. "Der Irdische wartet bereits." Ich war außerstande, in den Worten des Fremdlings auch nur den Hauch einer inneren Logik zu erkennen und so tat ich das naheliegendste.
"Wer is tot?", fragte ich.
"Ihr braucht nicht unwissend spielen, wir sind unter uns und können offen sprechen. Kommt jetzt!"
"Wohin?"
"In unser Hauptquartier. Der Irdische wartet schon."
"Ja, das sagtest du. Und ich habe immer noch keine Ahnung, was du uns damit sagen wolltest."
"Ich möchte damit sagen, dass es nur ein kleiner Weg zur Erleuchtung ist, Brüder."
"Mir reicht der Lichtschalter", sagte Helge und wir lachten. Der Fremde nicht.
"Kommt endlich. Erst wenn wir vollzählig sind, kann die Zeremonie beginnen."
"Ja...", sagte ich, "geh doch... geh doch schon mal vor. Wir müssen noch kurz was besorgen und kommen dann nach... für die Zeremonie, du weißt schon..."
"Und was machen wir jetzt?", fragte Helge mich, nachdem der Fremde gegangen war.
"Wir könnten versuchen, in meine Wohnung zu kommen, damit ich in Ruhe sterben kann."
"Ich könnte einen Kaffee vertragen."
"Ja, auch ne Option. Wo steht dein Wagen?" Helge führte mich in eine Seitengasse - er parkte niemals auf der Hauptstraße aus Angst vor Überfällen und Taubenkacke - und präsentierte mir einen Wagen, der auch nach mehreren flüchtigen Blicken und einer guten Portion Überzeugung nicht als sein Auto durchgegangen wäre.
"Neu?"
"Weiß nicht." Er bemerkte meinen scheinbar fragenden Blick, der eigentlich nur aus reiner Müdigkeit vermischt mit einer guten Portion Abscheu gegen die Welt im Allgemeinen und seine Person im Speziellen resultierte, und begann zu erzählen. "Du erinnerst dich doch sicher noch an dieses praktische Piepding, das ich immer hatte, oder?" Ich hatte keinen Schimmer, nickte aber bestimmt, wenn auch nicht bestimmt genug. "Naja, da wo man draufdrückt und die Autotüren entriegeln sich von alleine. Und wie ich gestern so in der Tiefgarage stehe und mein Auto möglichst lässig damit öffnen will, reagiert diese Dreckskarre einfach nicht. Stattdessen fangen die Blinker von diesem Schätzchen hier zu blinken an und die Türen gehen auf. Und damit nicht genug, der Besitzer war auch noch so blöd und hat die Zündschlüssel im Handschuhfach liegen gelassen."
"Ja, sowas ist blöd", sagte ich und stieg ein.

...

Wenn man Helges Wohnung zum ersten Mal betritt, wird einem als erstes der vollkommene Mangel an Türen auffallen. Helge hat seit einem seltsamen Vorfall in seiner Kindheit, an den er sich selbst sicher nur noch aus purem Trotz erinnert, nämlich eine akute Phobie gegen Türen. Sie würden die Welt ungerechterweise in kleine Sektoren unterteilen, sagte er immer. Überhaupt hatte Helge natürliche Abneigungen gegen diverse Dinge, wobei er allerdings für jede seiner Phobien mindestens einen guten Grund hatte. So gab es in seiner Wohnung auch weder Handtücher, noch Teppiche oder Deckenlampen. Letztere, so fürchtete er, würden ihm bei einem eventuellen Erdbeben sowieso nur auf den Kopf fallen.
Während wir auf den mit Plastikfolie überzogenen Sofas saßen - Helge litt an einer chronischen Plüschallergie - und unsere Müdigkeit und Antriebslosigkeit in ebenso heißem wie schwarzem Kaffe zu ertränken versuchten, klopfte es an der Wohnungstür. Ich hatte da so eine Vorahnung, da ich ganz sicher war, dass an diesem Tag alles nur denkbare geschehen würde, um ihn mir so richtig zu vermiesen und es nur eine einzige Person in meinem Kurzzeitgedächtnis gab, die dazu in der Lage wäre.
"Brüder, was macht ihr noch hier?", fragte der Fremde, nachdem er sich an Helge vorbei ins Wohnzimmer gedrückt hatte. "Die Zeremonie sollte vor zehn Minuten anfangen."
"So, jetzt mal langsam. Wer ist der Irdische und was für eine Zeremonie ist das genau?"
"Ist das ein Test, Brüder? Wir alle vom Orden der Schlafenden Seelen wissen genau, dass es heute um die Beherrschung der Welt und allem, was sich darauf befindet, geht."
"Ach so... die Zeremonie", sagte ich.
"Du kennst das?", fragte Helge und nippte an seinem Kaffee.
"Nein. Ich wollte nur Begeisterung vortäuschen, damit der arme Kerl sich nicht so verloren vorkommt."
"Ich bin nicht verloren, ich bin erleuchtet. Gut, vermutlich habe ich mich geirrt und ihr gehört dem Orden tatsächlich nicht an. Aber dann erklärt mir doch mal, warum ihr unsere Uniform tragt."
"Ach, das ist nur wegen Martins Tanke", erklärte ich.

Wenig später saßen wir zu dritt in Helges neuem Wagen und waren auf dem Weg zum Treffen der Erleuchteten. Erstens sahen wir darin den einzigen Weg, unseren verrückten Begleiter auf lange Sicht loszuwerden und zweitens versprach der bislang vollkommen verkorkste Tag durch die Aussicht auf solch ein Treffen zumindest ein wenig lustig zu werden.
"Hier links", sagte der Fremde, der vor ein paar Monaten seine ursprüngliche Identität abgelegt und vom Irdischen in einer äußerst langwierigen Zeremonie, in die unter anderem eine Flasche Absinth auf Ex, vierzehn Himbeeren im Schokomantel und drei Kerzen verwickelt waren, den Name Grubador erhalten hatte.
"Links?"
"Links."
"In den Wald?"
"In den Wald."
"Da gibt es Laub."
"Na und?"
"Helge hat eine Herbstlaubphobie", erklärte ich dem verdutzten Grubador.
"Es repräsentiert für mich den Ruf der Vergänglichkeit", erklärte Helge. "Im Sommer ist es schön und grün und alle lieben es. Dann kommt der Herbst, der Baum kann sein schönes Äußeres nicht halten und wirft es fort, woraufhin es nur Hohn und Spott erntet. Ich finde, das ist eine äußerst furchtbare Analogie für die Vergänglichkeit der Schönheit."
"Jetzt links."

...

"Du hast deine Tankstelle geschlossen?"
"Nein, hab ich doch gesagt. Da war nur diese innere Stimme, die mich zwang, dieses Schild rauszustellen."
"Und?"
"Und was?"
"Hast du es rausgestellt?"
"Ja, natürlich. Mitten in der Nacht bin ich rausspaziert und habe das verdammte Schild rausgestellt. Dann bin ich wieder rein und hab weitergeschlafen."
"Nachdem du das Schild rausgestellt hast?"
"Ja, erst hinterher. Auf jeden Fall wurde ich am nächsten Morgen von diesem Immobilienhai geweckt. Der wollte meinen Laden kaufen. Da ist mir das Schild wieder eingefallen und ich habs wieder reingeholt."
"Du hast das Schild also wieder reingeholt?"
"Ja, ich habs wieder reingeholt. Hab ich doch gesagt."
"Und was ist dann passiert?"
"Nichts. Das war meine Geschichte. Jedenfalls glaube ich jetzt, dass es eine kosmische Macht gibt, die uns Dinge tun lässt, die wir normalerweise..."
"Wirklich wahnsinnig aufregend. Habe ich dir schon erzählt, dass sie mir gestern meinen Wagen geklaut haben?"
"Nein. Den Schwarzen?"
"Den Grünen. Mit dem Schwarzen bin ich doch heute hier."
"Ach ja, tut mir leid. Wie konnte das denn passieren?"
"Nun, den Grünen haben sie mir ja geklaut und irgendwie musste ich schließlich... ach so... Ich hab den Schlüssel im Wagen liegengelassen. Dumme Sache, oder?"
"Ja, sowas ist blöd."
"Okay, ich muss weg, ich werde im Wald erwartet. Kann ich zahlen?"
"Klar. Also, das ist dann einmal Super Bleifrei von Säule drei, einmal die neue Wild und Hund und eine Tüte Colabrauseprickelpops. Mit Karte, wie immer?"

...

Irgendwie war mir vollkommen unklar, welche höhere Macht etwa vierzig Männer im besten Alter dazu brachte, an einem herbstlichen Vormittag mitten in der Woche nur mit Schlafanzug und Morgenmantel bekleidet im Wald zu stehen. Doch dann ließ ich meinen Blick an meinem Körper hinuntergleiten und formulierte die Frage um. Warum um alles in der Welt haben vierzig Männer am selben Tag ihre Schlüssel in der Wohnung liegen lassen, bevor sie im Schlafanzug bekleidet auf die Straße gerannt waren und was hat sie dann in den Wald getrieben?
"Warum bist du denn hier?", fragte ich einen Mann, der in seinem gestreiften Pyjama ziemlich lächerlich aussah.
"Naja, wegen der Versammlung. Heute ist der große Tag."
"Und was macht ihr da?"
"Naja, der Irdische wird... oh, da ist er ja."
Ich blickte in die angezeigte Richtung und sah einen blonden Kerl, der sich hektisch einen Colabrauseprickelpop in den Mund steckte und dann ein aus einem Baumstumpf und einer weißen Tischdecke improvisiertes Podium betrat.
"Brüder!", begann er und breitete im Jubel des Publikums - selbst Helge und ich wurden ein wenig vom Enthusiasmus mitgerissen - die Arme aus. "Heute ist unser großer Tag. Heute werden wir die Ketten der Sklaverei ablegen und uns endlich das nehmen, was uns zusteht."
"Längere Ketten?"
"Wer hat das gesagt? Wer wagt es, meine Worte in Zweifel zu ziehen sie zu verspotten?" Die Menge teilte sich und in der Mitte blieb ein ängstlich dreinblickendes Männchen übrig. "Du wagst es? Wohlan, so sei es! Mögest du von nun an für immer aus unserer Gesellschaft ausgeschlossen sein. Also, weiter. Wo war ich? Ach ja, Ketten." Ich gab dem Unruhestifter solidarisch die Hand und sagte ihm, dass ich ihn in meine Gebete einschließen werde, was natürlich blanker Unfug war, aber ihn zumindest ein wenig aufzuheitern und seine Schmach zu schmälern schien.
"Brüder, seid ihr bereit, den Göttern verächtlich ins Auge zu spucken und ihnen aus vollem Hals entgegenzubrüllen?" Die Menge jubelte und der Irdische steigerte seine sowieso schon nervtötend laute Redeweise zu einem immer lauter werdenden Schreien. "Dann sprecht mir nach meine Brüder! Von heute an..."
Von heute an
"... wird nichts mehr so sein, wie bisher. "
Wird nichts mehr so sein, wie bisher
"Denn heute werden wir den Göttern das nehmen, was sie uns so lange vorenthalten haben."
Denn heute werden wir den Göttern das nehmen, was sie uns so lange vorenthalten haben
"Die Welt wird unser sein, angesichts der goldenen Nuss."
Die Welt wird unser sein, angesichts... und das war der Moment, in dem die begeisterten Schlafanzugträger realisierten, dass ihr Anführer gehörig einen an der Waffel hatte. Fragend blickten sie sich um und versuchten, in den Gesichtern ihrer Verbündeten Bestätigung für das zu finden, was sie soeben vernommen hatten und dass ihr Oberster die Welt tatsächlich mit Hilfe einer Nuss erobern wollte.
"Möge nun derjenige unter euch hervortreten, dem die Macht des Schicksals die goldene Nuss in den Morgenmantel gelegt hat. Er soll sein derjenige, den die Götter... also, die richtigen Götter, nicht diese verdammten Egoisten, die derzeit herrschen... den die Götter also auserkoren haben, die Welt an meiner Seite zu beherrschen." Der Irdische grinste siegessicher, so als würde er ganz genau wissen, dass natürlich keiner eine goldene Nuss in seinem Morgenmantel stecken hatte. Einer inneren Vorahnung gehorchend und das Bild eines hämisch grinsenden Eichhörnchens im Hinterkopf, griff ich vorsichtig in meine Tasche und förderte tatsächlich eine goldene Walnuss hervor. Das war einer der Momente, in denen man sich entscheiden musste zwischen dem ewigen und unvergänglichen Ruhm, den einem nur eine Nuss bescheren kann und der Fortsetzung seiner nichtigen Existenz in mindestens ebenso ewiger Langeweile.
Ich beschloss, dass ich nicht die geringste Lust hatte, mein restliches Leben an der Spitze einer Horde Verrückter zu verbringen, die tatsächlich dachten, man könne die Welt erobern, indem man sich im Wald den Arsch abfriert, warf die Nuss auf den Boden und zog Helge von der Lichtung. Als wenig später ein leibhaftiger Gott vom Himmel herabfuhr und demjenigen, der die Nuss vom Boden aufgehoben hatte, mit einer unaussprechlichen Macht ausstattete, dieser daraufhin begann, mit seiner Armee aus vierzig Schlafanzugträgern den Wald zu annektieren und dabei manisch vor sich hin kicherte, waren Helge und ich schon wieder auf dem Weg nach Hause.

"Hier, sieh mal", sagte ich und holte ein Büchlein aus dem Handschuhfach von Helges neuem Wagen. "Wie man die Welt richtig erobert - mit Illustrationen. Sicher eine interessante Lektüre."
"Bitte pack das weg! Ich mag keine Bücher mit Bildern. Die repräsentieren die Verdummung der Menschen, indem die Macht der Worte durch profane Abbildungen zunichte..."
"Jaja, schon gut", sagte ich und warf das Buch aus dem Fenster. Irgendjemand würde schon was damit anzufangen wissen.

Wenig später war ich dabei, an der Regenrinne hinaufzuklettern, in der Hoffnung, das Küchenfenster gestern Abend nicht geschlossen zu haben. Während ich in einer Mischung aus euphorischem Enthusiasmus - da ich auf halbem Wege bemerkte, dass das Fenster tatsächlich offen stand - und reiner Wut - da auch das Eichhörnchen bemerkt hatte, dass das Fenster offen stand und mich nun mit Nüssen bewarf - zwischen dem ersten und zweiten Stock hing, kam mir kurz der Gedanke, dass ich eigentlich nicht die geringste Ahnung hatte, warum es sie immer wieder gibt, diese Tage, an denen man eigentlich im Bett liegen bleiben sollte, da sie mit beständiger Penetranz von Minute zu Minute immer noch ein wenig schlimmer werden.

 

Hallo Gnoebel

Während ich so dalag und versuchte, die letzten zaghaften Sonnenstrahlen des Herbstes zu ignorieren,
Hast du schon im ersten Satz, klingt vielleicht besser wenn du ein Synonym nimmst.
"Schnell, das mußt du dir ansehen", sagte Helge und drückte sich an meiner verschlafenen Gestalt vorbei in meine Wohnung.
2x meine, wie wäre es wenn du das zweite durch ein "die" ersetzt? Ist ja eigentlich klar das es die Wohnung deines Prots ist.
Ich wollte nur Begeisterung vortäuschen, damit der arme Kerl sich nicht so verloren vorkommt."
Die einen täuschen :zensiert: vor und die anderen eben Begeisterung.:Pfeif: *sorry, aber das konnte ich mir jetzt nicht verkneifen*

"Nein. Den Schwarzen?"
"Den Grünen. Mit dem Schwarzen bin ich doch heute hier."
"Ach ja, tut mir leid. Wie konnte das denn passieren?"
"Nun, den Grünen haben sie mir ja geklaut und irgendwie mußte ich schließlich... ach so... Ich hab den Schlüssel im Wagen liegengelassen. Dumme Sache, oder?"
"Ja, sowas ist blöd."
"Okay, ich muß weg, ich werde im Wald erwartet. Kann ich zahlen?"
"Klar. Also, das ist dann einmal Super Bleifrei von Säule drei, einmal die neue Wild und Hund und eine Tüte Colabrauseprickelpops. Mit Karte, wie immer?"
Hier hatte ich echte Probleme durchzublicken, wer was, zu wem sagt.

Ja, ähm. Also lustig war es auf jeden Fall. Eben ein echter Gnoebel. Eichhörnchen mag ich auch gern. Also kurze Rede langer Sinn.:D
Hat mir gut gefallen, so muss Humor sein, etwas skuril, ein bisschen undurchschaubar und sehr bildhaft.

Sehr gern gelesen :thumbsup:

Lieben Gruß, Ph:)enix

 

Hi gnoebel,

fand die Geschicht gut. Musste einige Male schmunzeln. Abgedrehte Geschichten gefallen mir meisten eh immer super. Der erste Absatz war genial. Davon war ich richtig begeistert.

Auch wenn der Rest der Geschichte mir nicht ganz so gut gefällt, wie der erste Absatz gefällt ist sie immer noch schön zu lesen und auf jeden Fall kurzweilig.

Am Schluss hätte ich mir noch eine längere Episode mit dem Eichhörnchen gewünscht. Das hätte mir irgendwie gefallen um die Geschichte abzurunden.

viele Grüße
neukerchemer

 

Moin Naut, someday, phoenix, neukerchemer,

Danke fürs Lesen, Kommentieren und Loben erstmal.
Eure Anmerkungen werde ich übernehmen.

Naut:

Copywrite wühlt sie nach oben.
Hehe...
Wenn Du noch mehr Lob möchtest, setze hier das "übliche" ein: [ ]
Mach ich. Danke.
Das ist zwar lustig, aber wie kann er das wissen?
Ja, da ist ein Perspektivenwechsel. Nicht beabsichtigt, aber ändern möchte ichs eigentlich nicht (weil: lustig :D)

someday:

Bin vielleicht kindisch und primitiv, aber ich hab diese Stelle gemocht.
Ich auch. Wir sind beide kindisch und primitiv ;)
Liegt vielleicht weniger an der Geschichte selbst (das natürlich auch), sondern an deine Art zu Schreiben. Kann nicht jeder so schreiben.
Danke.

phoenix:

Hier hatte ich echte Probleme durchzublicken, wer was, zu wem sagt.
Der Tankstellenpächter (der das Schild rausgestellt hat) zum Sektenführer. Ich hatte gehofft, daß das durch die kleinen Details (Colabrauseprickelpops) deutlich wird. Wenn nicht, geh ich da nochmal bei.

neukerchemer:

Am Schluss hätte ich mir noch eine längere Episode mit dem Eichhörnchen gewünscht. Das hätte mir irgendwie gefallen um die Geschichte abzurunden.
Auch wenns komisch klingt, aber ich wollte bei dieser Geschichte nach der Nusssache (gefühlte sieben "s") schnell zum Ende kommen. Der Gag besteht meines Erachtens darin, daß ich eine unglaublich spannende Sache ankündige (Ankunft Gottes), mein Held sich aber entscheidet, lieber nach Hause zu gehen und der Leser im Regen stehen bleibt. Er sollte am Ende keine Zeit haben, darüber großartig nachzudenken, darum das abrubte Ende.

 

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