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Der Tod, der Teufel, der Schnaps und ich
Als ich ihn zum ersten Mal sah, war ich siebenundachtzig, also noch ziemlich jung. Ich hob gerade eine Kiste mit Marillenschnaps, als es mir einen Stich im Herz gab, und plötzlich stand er da und tat so, als hätte er mich erwartet. Die Leere in seinen Augen flößte mir Angst ein. Ich löste meinen Blick von ihm, da fiel mir die Sense ins Aug. Stumpf, verbogen und rostig, am Stiel gebrochen und wieder zusammengedübelt ließ sie einen richtig schmerzvollen Tod erahnen. Nein, dachte ich und sagte: »Du … du bist ja viel zu früh!«
Nachdenklich legte er seinen Kopf schief.
Ich tat, als helfe ich ihm bloß auf die Sprünge. »Du weißt doch, dass ich die alle erst noch austrinken muss.« Dabei öffnete ich die Tür zu meinem Lager, damit er einen Blick auf einen Teil meiner Bestände werfen konnte. »Meinst du, das kann ich schnell mal in ein paar Minuten erledigen? Hast du vergessen, wie wichtig ihm da oben ist, dass aller Alkohol vernichtet wird? Er hat mich damit beauftragt und ich bin noch längst nicht fertig. Ich weiß nicht, was du jetzt schon da willst.«
»Aber …«, warf er zögernd ein, holte seinen Notizblock hervor und zeigte auf meinen Namen, »du stehst doch auf meiner Liste!« Beim Anblick der Knochenhände schüttelte es mich kurz, aber ich fasste mich schnell wieder.
»Schmarrn, das ist ganz sicher ein Irrtum. Und du weißt, er mag es nicht, wenn man bei seiner Arbeit nicht mitdenkt. Willst du, dass er dich feuert? Geh und hol dir ein paar Tiere als Ersatz oder was weiß ich. Nimm so viele, wie einen Menschen aufwiegen, und die Sache hat sich!«
Er suchte am Himmel nach einer Antwort. Ich nahm die Kiste wieder auf und ging ins Haus, trug sie nicht wie geplant in den Keller, sondern stellte sie direkt neben die hölzerne Eckbank in der Küche. Durch das offene Fenster rief ich ihm zu: »Bis du deine Eingebung hast, kannst du mir ja helfen!«
Mit langsamen Schritten schlurfte er ins Haus. Ich wies ihm mit einer einladenden Geste einen Platz auf der Bank zu, wo er langsam seine Knochen senkte. Ich füllte ein Glas, schob es ihm hin. »Da, trink!«
Er leerte es mit einem Schluck. »Teufel!«, rief er laut aus.
Im nächsten Moment lugte dieser prompt zur Tür herein. »Ja?«
»Setz dich«, sagte ich freundlich, nahm noch ein Glas und füllte beide.
Sie prosteten sich zu, tranken auf ex aus. »Sag mal, Alter, weißt du, wie viele Tiere eine Menschenseele wert ist?«
»Wieso?«
»Damit meine Abrechnung stimmt.«
»Wieso stimmt sie nicht?«, bohrte der Teufel weiter.
Ein Knochenfinger zeigte auf mich. »Er hat seinen Auftrag von oben noch nicht erledigt, du weißt ja, sowas hat höchste Priorität. Aber mir fehlt dann einer in der Abrechnung.«
»So ist das also«, sagte der Teufel und sah mich an. Doch bevor mir der Gedanke, er könne mir nicht glauben, Angst machen konnte, diskutierten sie schon drauflos, nahmen beim Rechnen die Zehenknochen des Todes zuhilfe und ich war laufend damit beschäftigt, die leeren Flaschen gegen volle auszutauschen. Am Ende strichen sie meinen Namen durch und listeten rund ein Dutzend Tiere auf. Füchse, Rehe, Eichhörnchen und Hasen konnte ich gerade noch lesen, bevor der Tod den Block einsteckte und die Knochen wieder an seine Füße steckte. Ich war erleichtert.
Spät nachts zogen sie los. Als sie das Haus verließen, legte der Teufel einen seltsamen, blau leuchtenden Stein auf einen der hölzernen Querbalken am Haus. Ich schaute und fragte: »Was wird das?«
»Wir wollen ja wieder zurückfinden.« Garniert mit einem dreckigen Lachen sprach er weiter: »Niemand soll uns mangelnde Hilfsbereitschaft nachsagen.«
Eine Weile stand ich noch verwirrt in der Tür. Ich überlegte sogar, ob ich zusperren sollte oder lieber nicht. Es kam mir zwar absurd vor, die Tür für den Tod samt dem Teufel offen zu lassen – sie ließen sich ja ohnehin durch nichts aufhalten –, aber ich hatte Angst davor, ihren Zorn zu wecken, wenn sie sie versperrt vorfanden.
Als ich in der Früh erwachte, schliefen sie auf dem Küchentisch ihren Rausch aus. Ich sah die überreifen Zwetschken am Baum und beschloss, heuer auch einen Zwetschkenschnaps zu brennen, um meine beiden Gäste sicher über den Winter zu bringen. Nur die Schuhe zog ich an und lief mit Nachthemd und Schlafhaube in den Garten, rüttelte an Ästen, las die weichen Früchte von der Erde auf und trug sie in meine Brennerei. Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass die beiden immer noch fest schliefen, setzte ich die Zwetschken gleich zum Vergären an, damit sie bald zu guter Maische wurden. Danach legte ich in der Küche Holz in den Ofen, briet mir drei Eier und aß sie mit einem dicken Stück Brot. Vom Knistern des Feuers wurde der Teufel wach, und als er beim Aufstehen sein Schwanzende aus den Händen des Todes lüpfte, der damit zu kuscheln schien, wurde dieser ebenfalls munter.
Ich schlug ihnen vor, ein bisschen zu spielen, legte die Karten auf den Tisch und stellte zwei neue Flaschen dazu. Wir spielten drei Tage und Nächte. Zwischendurch lagen die beiden halb bewusstlos von Rum und Schnaps herum, dann ging ich schlafen oder kümmerte mich um Nachschub.
Am Morgen des vierten Tages schob der Tod die Flasche von sich, legte die Karten, die er eben mischen wollte, wieder ab, und sagte: »Wir haben uns da verrechnet, Alter. Ich denke, es muss noch ein Hund dazu.«
Der Teufel zuckte mit den Schultern. »Ist das deine oder meine Arbeit?«
»Ach, komm mit, dann wird es lustig!«, lockte ihn der Tod, drehte seinen hohlen Kopf zu mir und der Teufel soufflierte ihm: »Los, du auch, beweg deinen Arsch!«
»Äh«, überlegte ich laut, »irgendwer muss doch hier sauber machen.«
»Quatsch«, entgegnete der Teufel und leerte die nächste Flasche.
»Ich muss mich schonen. Hast du vergessen, dass mich gerade erst fast der Tod geholt hätte?«
Dieser stand auf und beugte sich über mich. »Wenn ich dabei bin, passiert dir nichts.«
»Außerdem fürchte ich mich schon seit meiner Kindheit vor Hunden!«, gab ich mit plötzlich eigenartig hoher Stimme zu. Sie lächelten mich an und der Teufel streichelte über meine Wange, bevor sie endlich gingen und wieder den blauen Stein als Markierung zurückließen. Ich betrachtete ihn genauer und stellte fest, dass er umso stärker zu leuchten schien, je weiter man sich davon entfernte. »Sehr praktisch«, sagte ich zu dem Stein, da wurde er kurz giftgrün, weshalb ich lieber die Finger davon ließ und ins Haus ging.
Beim Zurückkommen erzählten sie eine grausliche Geschichte. Der Tod hätte den Hund erst mit einem seiner Knochen angelockt, dann hätten sie ihn so lange gehetzt, bis er den alten Gartner in die Hand biss und dafür erschossen wurde. Gemein, schoss es mir in den Kopf, aber ich wollte mich natürlich nicht mit ihnen anlegen.
Wir spielten wieder tagelang Karten, das machte den beiden unendlich Spaß. Endlich war hingegen die Zeit, bis die Knochenhand wieder hektisch zum Block griff, auf dem immer wie von selbst Namen auftauchten. Nachdem er den Auftrag gelesen hatte, dachte er nach, indem er mit den Karten an seinen Rippen auf und ab fuhr, als spielte er Gitarre. Dann griff er entschlossen zu seiner Flasche, schüttete den Inhalt in sich hinein, sagte »Der kann ruhig noch bis morgen warten« und mischte die Karten neu. Ich hatte keine Ahnung, wen es diesmal treffen sollte, und ich wollte es auch gar nicht wissen, solange nicht mein Name auf der Liste stand. Irgendwann holt er schließlich jeden.
Sie waren schnell zurück, als sie sich am nächsten Tag um den Auftrag kümmerten. Gut gelaunt kamen sie den Weg herauf. Nach dem ersten Schluck erzählte der Tod: »Der Depp ist uns schon auf halber Strecke entgegengekommen, als hätte er uns gesucht!« Ich war mir nicht sicher, ob das noch immer gute Laune war. Er setzte noch einmal die Flasche an und fixierte mich dann mit seinem leeren Blick. »Vergiss nicht: Wir helfen dir nur, damit wir dich schneller mitnehmen können und nicht ewig hier Karten spielen müssen. Alles klar?«
Er war sichtlich wegen der schnellen Erledigung des Auftrags frustriert. Ich tröstete mich mit einem gedanklichen Ausflug in mein übervolles Lager und zu dem guten Zwetschkensaft, der bald reif fürs Destillieren war, dachte an den nächsten Frühling und die neue Ernte guter Früchte und wie ich sie zu Schnaps verzaubern würde, und schaute gleichzeitig tief betroffen. In meiner Betroffenheit gewann ich ein Spiel nach dem anderen, bis die beiden wieder randvoll waren und einschliefen.
»Heute haben wir viel zu tun«, stellte der Tod nach einem Blick auf seinen Block am nächsten Morgen nüchtern fest, entnahm der Kiste zwei Flaschen und wies mich an, den Rest zu verstecken, bis sie wieder zurück wären, sonst schafften sie die sechs Mann nicht, die heute ins Tal kämen.
»Aber, hey«, warf der Teufel ein, »ich will auch was davon haben. Wir lassen sie anschließend direkt in die Hölle runterrutschen, okay?«
Der Tod machte eine abweisende Handbewegung. »Das ist nicht mein Zuständigkeitsbereich. Also mir ist das ganz egal!«
Abends waren sie verärgert. »Der eine, ich sag’s dir, der hat sich irgendwo versteckt!«, fluchte der Tod und schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Aber den kriegen wir noch, wirst sehen. Morgen«, tröstete der Teufel ihn, während er ihm half, seine Fingerknochen wieder einzusammeln.
Selbst trank ich ja nur mehr Wasser und Tee und wurde von Tag zu Tag gesünder, ich fühlte mich wie frische siebzig. So machte ich mir gar keine Sorgen mehr, dass mein Name in nächster Zeit wieder auf dem Block auftauchen könnte. Ich fing an, sie richtig zu mögen – immerhin brachten sie mir manchmal auch etwas aus dem Dorf mit. Die Leute dort hatten mich ja offenbar völlig vergessen. Keiner von ihnen kam nachschauen, warum ich alter Mann mich gar nicht mehr blicken ließ, die hätten mich hier verhungern und verwesen lassen.
Aber um die alte Tanny tat es mir ehrlich leid. Sie war meine Jugendliebe … doch gegen den Gottfried mit dem großen Hof konnte ich nichts ausrichten. Ihre Eltern hätten einer Heirat mit einem Schnapsbrenner niemals zugestimmt. Als ihr Name auf dem Block erschien, wollte ich die beiden so betrunken machen, dass sie unfähig wären, den Auftrag auszuführen. Aber statt umzufallen hatte der Teufel nach der sechsten Flasche einen seiner lichten Momente: »Die hat keinen Hund.« Er richtete seinen langen Zeigefinger auf mich, als wäre er geladen. »Also kommst du heute endlich mit!«
»Nein … ich …«, stammelte ich herum, bis ich die Worte endlich gefunden hatte: »Ich habe sie einmal geliebt, das könnt ihr mir doch nicht antun!«
Der Tod fuchtelte mit seinen Fingerknochen auf der Suche nach einer Drohung in der Luft herum, was ein lustiges Klappern ergab, aber der Teufel sagte schmunzelnd: »Wenn wir die Flaschen alle auf den Boden werfen, ist der Alkohol schneller vernichtet als du glaubst. Bekommst aber dafür bei mir einen guten Job.«
Ich fand es schön, endlich einmal richtige Privilegien zu haben, wollte sie aber trotzdem nicht so schnell genießen.
Sie waren beide so betrunken, dass sie sich auf mich stützten, als wir den Weg ins Dorf antraten. Das Scharren der Sense am Boden verursachte ein unangenehmes, lautes Geräusch. Ich wollte beim Spielplatz auf die beiden warten, doch sie bestanden darauf, dass ich mitkam. So musste ich mitansehen, wie der Tod – besoffen und mit seiner kaputten Sense – Tanny förmlich niedermetzelte statt ihr einen sanften Abgang zu bescheren, wenn er doch nun schon wusste, dass ich sie … aber das interessierte ihn ja nicht.
Der Teufel beobachtete mich dabei, wie ich mich übergeben musste, und kam am selben Abend noch grinsend darauf zu sprechen: »Du musst unbedingt abgehärtet werden.« Schnell war er sich mit dem Tod einig, dass das eine lustige Aktion wäre.
Die folgenden Nächte jagten sie mich einfach so ins Dorf. Selbst Menschen, deren Namen nie auf dem Block standen, mussten daran glauben, nur weil mir immer noch schlecht wurde. Ich versuchte, mich an den Anblick der Sterbenden und ihres Blutes zu gewöhnen, wollte das Erbrochene sogar schlucken, nur um den nächsten das Leben zu retten, aber ich schaffte es nicht, den Schwall aufzuhalten. Meinen Versuch, zuvor nichts zu essen, bemerkten sie und der Tod meinte mit erhobener Sense, ich müsse mich stärken.
Es waren schon dutzende Tote und ich konnte immer noch nicht anders, als mich beim Anblick des betrunkenen Todes und wie er herumwerkte zu übergeben.
Erst, als es den alten Schneider traf, konnte ich mich zurückhalten. Zu gut erinnerte ich mich noch an dessen Beleidigungen, weil mein Gewerbe im Gegensatz zu seinem nichts taugte. Sogar am Stammtisch beim Wirten quälte er mich noch. Nicht, dass ich schadenfroh gewesen wäre, aber es hatte eine sehr beruhigende Wirkung auf meinen Magen.
Nun dachte ich eigentlich, ich könnte wieder zuhause bleiben, da ich ja genug abgehärtet erschien. Aber sie wollten auf meine Gesellschaft nicht verzichten.
Die beiden lachten schon die ganze Zeit vor sich hin und tranken kaum etwas, bevor wir zu Marie aufbrachen. Ich fragte mich, wie dieses junge Ding regulär auf der Liste stehen konnte, wusste aber nicht, wie ich es hätte ändern können. Sie verlangten von mir, hilfesuchend an der Tür zu kratzen und zu jaulen wie ein junger Hund. Marie öffnete nichtsahnend, offenbar sollte sie von jemandem abgeholt werden, denn sie hatte ihren Rucksack um. Der Teufel wedelte mit seinem Schwanz. Erschrocken sah sie uns der Reihe nach an und mir war das alles sehr unangenehm. »Ich kann nichts da…« Da steckte der Sensenstiel zwischen meinen Zähnen. Mein Freund beherrscht wirklich eine ausgefeilte Rhetorik.
»Ich zuerst!«, rief der Teufel. Speichel rann ihm aus den Mundwinkeln.
»Du immer mit deinen verdammten Weichteilen«, entfuhr es dem Knochenmann, dann setzte er nach: »Vorsichtig, du weißt: Sonderauftrag.«
Die dünnen, langen Finger des Teufels strichen an Maries Hüften entlang, über ihren Bauch, rund um ihre Brüste, fädelten sich in die Träger des Rucksacks, ließen ihn auf den Boden gleiten und drückten sich auf ihren Arsch. Die Augen stierten dabei aufgeregt in den Ausschnitt ihres Dirndl-Kleides, das er nun ein Stück aufknöpfte und die Träger an ihren Armen hinunterzog. Die vielen kleinen Knöpfe der dünnen, weißen Bluse machten ihn ganz hektisch, bevor er die beiden Hälften erwartungsvoll langsam auseinanderziehen konnte. Maries Brüste schaukelten kurz hin und her, als sie nackt aus dem Stoff fielen. Ich wollte mich anstandshalber umdrehen, ein Zucken der Sense und ein Blick des Todes hielten mich jedoch zurück. Während der Teufel mit seinem Schwanz unter ihrem Rock herumwedelte und sie angrinste, als erwarte er eine Reaktion, begann der Tod, Maries Brustwarzen vorsichtig mit der Spitze der Sense zu umkreisen. Als sie sich aufrichteten, zog er kleine Kreuze darüber und kicherte. »So schöne Zwiebeldächer hat sich der Boss da bestellt.«
»Sein Kirchturm steht bestimmt schon«, sagte der Teufel und brüllte lauthals los. Der Tod versuchte, nun wieder ernst zu wirken, indem er schwieg, aber das Scheppern seiner Knochen verriet innerliches Gelächter.
Ich sah Maries angstverzerrtes Gesicht und ihre Tränen, die sich am Kinn sammelten, auf ihr Dekolleté tropften und über ihre Brüste talwärts rannen. Der Teufel trocknete die Salzwasserbäche mit seiner Zunge und wollte ihr das Kleid noch weiter aufknöpfen, da sagte der Tod: »Es ist genug …« Daraufhin zog er die Bluse wie einen Vorhang zu, versuchte sich ungeschickt an einem Knopf, ließ es bleiben, hängte ihr den Rucksack um, nahm sie vorsichtig in die Arme und versprach: »Wir machen das jetzt ganz sanft.« Im nächsten Moment legte er sie tot auf den Boden. Als der Teufel Marie mitnehmen wollte, setzte der Tod die Sense an seinen Schwanzansatz und die leeren Augen wiesen ihm den Weg zur Tür. Ich erbarmte mich und machte vorm Gehen noch alle Knöpfe zu.
Ein paar Wochen und auf grausame Art Verstorbene später verlegte der Tod unglücklicherweise seinen Notizblock. Er war verzweifelt. Wir suchten überall, fanden ihn aber nicht mehr. Aus seinen Augenhöhlen stürzten Wasserfälle und er hatte zu nichts anderem mehr Lust, als sich zu betrinken und Spiele mit einfachen Regeln zu spielen. Nach ein paar Tagen hörte er endlich zu weinen auf, seine Knochen waren schon ganz weich und sein Umhang nass, weshalb er sich auch noch verkühlte. Hohl klingender Husten quälte ihn, und wenn er niesen musste, drang jedesmal feuchter Lurch aus seinem Nasenloch. Ich bot ihm meinen Bademantel mit Kapuze an, aber er tat schüchtern und wollte partout seine Kleidung nicht wechseln. Unter seinem Umhang schepperte er wie ein schlecht zusammengebautes Gitterbett. Wenigstens ließ er sich mit Kräuterschnaps gesundpflegen. Ich sagte, er müsse ihn stamperlweise trinken, aber er verlangte einen Strohhalm mit Knick. Er hängte das umgebogene Ende lässig an seinen Kieferknochen, sog nur einmal an und alles rann von selbst in ihn hinein. Wohin, hab ich nie herausgefunden.
Seit seiner Genesung war er wie ausgewechselt: Er kümmerte sich nur mehr um die sehr alten Menschen, manche ließ er über hundert werden. Als hätte er mit dem Block auch die Lust an seiner Arbeit verlegt. Im Küchenherd hab ich jedenfalls nur den Notizblock verheizt.
So zogen ein paar friedliche Jahrzehnte übers Land. Jahr für Jahr brannte ich neuen Schnaps, mein Lager wurde nie leer, und die beiden saßen und tranken und spielten an meinem Küchentisch.
Nur einmal, es ist schon wieder ein paar Jahre her, erinnerte sich der Teufel an früher und meinte, er wolle losziehen wie damals. Ich konnte es ihm nicht ausreden. Der Tod zuckte mit den Schultern, meinte »Naja, mal was anderes« und sie jagten mich erneut Abend für Abend hinaus, um an Türen zu kratzen und zu jaulen.
Zum Glück ging diese Phase schnell wieder vorüber, denn sie hatten nur mehr selten richtigen Spaß dabei. Die Menschen schreckten sich nicht mehr so wie einst, sie wurden inzwischen vom Fernsehen verdorben, glaubten an einen Scherz und wenn sie uns sahen, lachten sie sich krumm statt sich zu fürchten. Das kränkte die beiden sehr. Der Teufel starb wenig später an Alkoholvergiftung, zum selben Zeitpunkt hörte der Stein zu leuchten auf, und der Tod bekam irgendwann den Blauen Brief von oben, weil er seine Arbeit nicht korrekt erledigt hat. Er konnte gar nichts mehr sagen, bevor er zu einem Knochenhaufen zerfiel und der Umhang sich über ihm zusammenfaltete.
Das wirklich Schlimme an der Sache ist aber, dass ich schon über zweihundert Jahre alt bin und offenbar keiner seiner Kollegen mehr den Auftrag erhält, mich abzuholen! Jetzt, wo ich endlich sterben will.
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