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Ich bin wie du

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19.03.2003
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Ich bin wie du

Ich bin wie du

Jens drehte, wie jeden Nachmittag, seine Runden mit dem Fahrrad durch das alte Dorf. Die Menschen hier kannten ihn und wenn er sie fröhlich grüßte, nickten sie ihm freundlich zu. Dann und wann blieb Jens stehen, wenn er etwas erspähte, was seine kindliche Neugierde fesselte. Im Frühling war der Hufschmied im Dorf. Beim Reiterhof stoben die Funken, metallische Klänge erfüllten die Luft und der beißende Gestank vom verbrannten Horn stieg Jens in die Nase.
Wenn ich einmal groß bin, möchte ich Hufschmied werden, dachte er selig.
Das Dorf hatte auch eine freiwillige Feuerwehr. Zur Sommersonnenwende entzündeten die Dorfbewohner ein Feuer, buken Stockbrot und tranken Bier und Wein. Sie saßen auf Heuballen rund um die Feuerstelle, erzählten sich Geschichten.
Die hell lodernden Flammen durchdrangen die Dunkelheit und spiegelten sich in dem glänzendroten Lack des Feuerwehrwagens. Jens betrachtete versunken das Spiegelbild der züngelnden Lichter.
Sehnsüchtig dachte er, wenn ich einmal groß bin, möchte ich Feuerwehrmann werden.
Der Frühsommer war auch die Zeit, in der Heu gemacht wurde. Das Gras stand hoch und saftig auf den Wiesen. Hahnenfuß, Adonisröschen, Wiesenschaumkraut, Sauerampfer und Butterblumen waren die bunten Farbkleckse in dem grünen wogenden Meer.
Insekten summten in der flirrenden Hitze bis die Schnitter kamen. Der Boden war fest, so dass die schweren Maschinen ihre Arbeit schnell verrichteten. Der Lärm durchbrach die Idylle. Jens stand am Feldrain, zitterte ein wenig vor den furchteinflößenden Monstern, die das Gras niedermähten und als Ballen wieder ausspuckten. Er bewunderte ihre Kraft, ihre Ausdauer und ihre Gewalt.
Wenn ich einmal groß bin, wünschte er sich, möchte ich auch stark sein.
Das alte Dorf hatte am Rand Zuwachs bekommen. Es waren Städter, die aufs Land gezogen waren. Sie bauten sich schöne große neue Häuser, ganz anders als diejenigen, die Jens sonst kannte. Erstaunt beobachtete er, wie schnell sie wuchsen.
Einmal hatte er gesehen, wie ein Haus innerhalb von wenigen Stunden fertiggestellt wurde. Große Platten wurden von einem Lastkran zusammengefügt. Ein riesiger Dachstuhl schwebte an einem Haken, bis er sorgfältig ausbalanciert auf die Wände gestellt wurde. Die Genauigkeit, mit der die Arbeiter die großen Bauteile zusammensteckten, war für ihn ein geheimnisvoller Zauber. Jens bestaunte deren Geschick und so wünschte er sich, wenn ich einmal groß bin, möchte ich auch so sein, dass die Menschen mich bewundern.
Mit den neuen Dorfbewohnern kamen auch Kinder in das Dorf. Jens hörte ihr Lachen, wenn sie in den Gärten spielten. Er weitete seine Erkundungsfahrten auf die neue Siedlung aus. Zunächst rätselte er, warum die neuen Dorfbewohner ihre Gärten einzäunten und jedes Kind eine eigene Schaukel und Sandkiste hatte. Dann bemerkte er, dass diese Kinder noch sehr klein waren. Regelmäßig besuchte er die Trabantenstadt und schaute ihnen beim Spielen zu. Niemals traute er sich, eins anzusprechen, obwohl er gerne mitgespielt hätte. Die Eltern warfen ihm immer so seltsame Blicke zu, wenn er am Wegesrand stand. Sie tuschelten mit ihren Kleinen und zogen sie ins Haus hinein. Jens war traurig und sein Herz zog sich wehmütig zusammen.
Wenn ich einmal groß bin, habe ich viele, viele Freunde.
Es war schon Herbst, es dunkelte schon. Jens wollte nach Hause radeln. Ein Wimmern ließ ihn aufhorchen. Das Mädchen hockte verängstigt hinter einem Gebüsch. Jens ging hin und strich ihr über den Kopf.
Wollen wir spielen?
Er zog das widerstrebende Kind heftig am Arm. Es schrie gellend.
Jens bekam Angst und lief davon.
Zuhause verkroch er sich in sein Zimmer. Irgendwann klingelte es.
Sein Vater schlurfte zur Haustür. Zwei Männer raunten, baten um Einlass.
Sie verlangten, Jens zu sehen. Die Stimme der Mutter klang aufgeregt, wollte wissen, was ihr Kind verbrochen hätte. Ungläubig hörten die Eltern die Vorwürfe der Beamten.
Nein, so etwas macht unser Jens nicht. Warum auch, er ist doch wie ein achtjähriges Kind.
Die Polizisten sahen sich vielsagend an.
Aber er steckt im Körper eines vierzigjährigen Mannes.

 

Hallo Goldene Dame,

Deine Geschichte beschreibt eine Idylle aus kindlicher Sicht ("Die Menschen hier kannten ihn. ... nickten ... ihm freundlich zu"). Solange sich Jens in seinem bekannten Umfeld aufhält, gibt es Realitäten und davon abgeleitete Träume, die nachvollziehbar sind, weil solche Träume nicht selten sind.
Die beschriebene Idylle ist aber von außen bedroht, hier gibt es Kräfte, die einen "geheimnisvoller Zauber" ausüben, sich durch Zäune und Tuscheln abgrenzende Menschen.
Der zweite Bruch der Idylle ist das Schreien des Mädchens, der Grund für das Wimmern könnte sich noch als harmlos erweisen.
Der größte Bruch erfolgt durch einen Perspektivwechsel, der entsteht, weil man plötzlich die Besonderheit des Kindes erfährt, das bisher Geschilderte erscheint in einem neuen Licht.

Das Mädchen wird von Jens bemerkt, weil es schon wimmert, er reagiert mit einer tröstenden Geste. Wenn man nicht annimmt, dass Jens außer seiner Zurückgebliebenheit im Kindlichen nicht noch Gedächtnisverlust hat (also das Mädchen vergewaltigt hat, dann zurückkehrt) gibt es kein Indiz für seine Täterschaft. (Die Eltern hören "ungläubig" die Vorwürfe der Beamten, Jens ist trotz seines Alters vorher nicht auffällig im Sinne der vorliegenden Straftat gewesen).
Ich denke, der Inhalt der Geschichte ist auch mehr das Schicksal von Jens, als das des Mädchens: Sein Ringen um Anerkennung, Dazugehörigkeit, zu zeigen, dass "Ich bin wie du" wirklich zutrifft.
Nicht umsonst geschieht die Begegnung von Jens mit dem Mädchen im Herbst, obendrein noch dann, wenn es dunkel wird: Sein Leben wird von den Folgen der Begegnung, den Anschuldigungen, immer überschattet sein. Wie der Kreis des Jahres seinem Ende zugeht, wird auch ein Lebensabschnitt von Jens als unschuldigem Kind zu Ende gehen, auch wenn er seine kindliche Unschuld natürlich nicht ablegen können wird. Auf den Herbst folgt der Winter, dieser Abschnitt bleibt auch der Fantasie des Lesers überlassen.

Ein schön geschriebener Text mit Genre-bild-artigen Beobachtungen (`stiebende Funken, Wiesen mit Blumen-Klecksen´), einer interessanter Wendung, die durchaus die Frage nach dem eigenen Verhalten bei der Beurteilung von Menschen und Situationen aufwirft.


Noch drei Kleinigkeiten:

"und tranken Bier und Wein.Sie saßen" - Wein. Sie ...

"Schnitter" - erinnert mich eher an Landarbeiter mit Sense.

Zitat:
"Und so wünschte er sich, wenn ich einmal groß bin, möchte ich, dass die Menschen mich bewundern."

Die Folgerung "und so" hat keinen direkten Bezug zu dem Text. Es müsste erwähnt werden, dass er die Arbeiter aufgrund ihrer Tätigkeit bewundert. (Um Wortwiederholung zu vermeiden vielleicht `bestaunt´).

LG,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon
Vielen lieben Dank für diese außerordentliche Textanalyse. Ich kann dem nichts mehr hinzufügen, außer: Ja, ja es stimmt. Deine Bemühungen, meinen Text zu verstehen haben mir bestätigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Obwohl ich, im Gegensatz zu dir, mir noch keinen unverkennbaren Stil zugelegt habe, ist es dir gelungen präzise herauszuarbeiten um was es mir geht. Insofern weiß ich deine Beiträge sehr zu schätzen. Ich werde hoffentlich eines Tages wie du eine „Inselgeschichte“ schreiben können. Welche Struktur ich letztendlich auch finde, sie sollte geeignet sein, sich im textuellen Kosmos Gehör zu verschaffen.
Ganz lieben Gruß und mal zu den Sternen greifend
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,

alles von Dir habe ich nicht gelesen, aber eine gewisse gemeinsame Grundlage haben Deine Texte schon: Den psychologischen Aspekt, die detaillierte Beobachtung...
Mir wurde zwar einmal gesagt, dass Verlage einen einheitlichen Stil wünschen, doch ich finde das nicht unbedingt erstrebenswert. Hat mir jedenfalls Spaß gemacht, Deine Geschichte durch zu gehen. Der Schluss war eine überraschende Wendung, ist besonders bei psychologisch orientierten Texten selten.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Marius Manis

Gute Geschichte
Aber dann kam Deine Antwort (Zitat oben).

Wimmer.

Erst mal vielen Dank, dass du dein Unbehagen zu dem Ausdruck so offen kundtust.
Ich habe nur über die Wortschöpfung gekichert um das mal klar zu stellen.
Nicht über meinen Protagonisten, oder sonst einen Behinderten. Denn es ist tatsächlich so wie du geschrieben hast, er hat die Tat nicht begangen. Es geht in meiner Geschichte um die Unterstellung, er hätte. Und das ist mir ein ernstes Thema.
Aber manchmal sind wir offtopic. ;)
Ich finde nämlich, Du schreibst ziemlich eindeutig in die Richtung, dass er "es" nicht getan hat...
Ich finde gut, dass du gleich an Jens Unschuld geglaubt hast, aber dennoch haben andere Zweifel gehabt, dass dem nicht so ist. Meine Absicht war zu hinterfragen, wie das eigene Verhalten bei der Beurteilung von Menschen eine Rolle spielt.

Liebe Grüße
Goldene Dame

 

Hi Goldene Dame,

nun habe ich alle Kommentare durchgelesen und immer gehofft, dass noch keiner auf das schon wimmernde Mädchen im Gebüsch, gestoßen ist.
Und da kommt ganz zum Schluß Marius und nimmt mir meinen Triumph.
Schande über dich, Marius;)

Mir war klar, das der kleine Junge, ein großer Junge war, in dem Moment, als die Eltern ihre Kinder ins Haus holten.
Das die Kleine schon wimmernd im Gebüsch gesessen hat, läßt erkennen, dass sie schon, bevor Jens kam, vergewaltigt wurde. (wenn sie dann vergewaltigt wurde, was man aber annehmen kann)

Mir ist auch nicht wichtig, an welcher Krankheit Jens leidet.
Da kann sich jeder selbst ein Bild machen.
Ansonsten ist schon so viel Interpretiert worden,
dass du nur eine Wiederholung lesen würdest.

Eine sehr gut geschriebene Geschichte, die wohl auch heute noch, gerade in dörflichen Gegenden, Wahrheit werden kann.

glg, coleratio

 

Liebe coleratio
danke, dass dir auch meine Geschichte ohne Mystik gefällt;)

Mir war klar, das der kleine Junge, ein großer Junge war, in dem Moment, als die Eltern ihre Kinder ins Haus holten
Das hast du sehr gut beobachtet.
Dass die Kleine schon wimmernd im Gebüsch gesessen hat, läßt erkennen, dass sie schon, bevor Jens kam, vergewaltigt wurde. (wenn sie dann vergewaltigt wurde, was man aber annehmen kann)
Das Kind saß schon wimmernd im Gebüsch, hielt sich versteckt, stimmt. Warum? Hier wollte ich des Lesers Fantasie laufen lassen. Was kann er aus dem Kontext erschließen?
Ansonsten ist schon so viel Interpretiert worden,
Ich mag es, wenn viele Interpretationen erstellt werden. Wiederholungen sind mir nicht langweilig, sondern zeigen mir die Facetten des Textes und der Meinungen des Lesers auf. Ich kann dadurch lernen. :)
Eine sehr gut geschriebene Geschichte, die wohl auch heute noch, gerade in dörflichen Gegenden, Wahrheit werden kann.
Hoffentlicht nicht, und wenn: diese Geschichte ist frei erfunden:)
Liebe Grüße
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,
ich habe deine Geschichte mit Genuß gelesen. Ich möchte mich Dions Meinung anschließen. In deiner Erzählung kann ich keinerlei Hinweise auf einen Mißbrauch von Seiten Jens finden. Wenn müßte der Mißbrauch vor der Begegnung mit Jens stattgefunden haben, denn das Mädchen saß ja bereits wimmernd hinter dem Busch. Vielleicht wird Jens für eine Tat verdächtigt, die er nicht begangen hat,da die Verdächtigung so gut in die Vorurteile unserer Gesellschaft gegenüber Menschen mit Handikaps passt? Das bleibt offen und das finde ich auch gut so. Letztendlich steht dein Text für mich für die Einsamkeit eines Ausgegrenzten, der seine Umgebung aufmerksam beobachtet und seine Hoffnungen noch nicht begraben hat.

Liebe Grüße, mia.mo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo mia.mo
vielen Dank fürs lesen.

Letztendlich steht dein Text für mich für die Einsamkeit eines Ausgegrenzten, der seine Umgebung aufmerksam beobachtet und seine Hoffnungen noch nicht begraben hat.

Diese Beobachtung von dir finde ich toll.

Liebe Grüße
Goldene Dame

 

Hi Golio,

Danke fürs Ausgraben :)

ich fand das viel zu witzig. Interessante Geschichte mit toller Pointe. Mal schauen, ob ich das kopiere ...
Okidoki, ich bin gespannt, wie du deine Kopie umsetzen wirst...
Lieben Gruß an dich
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,

über die Copywrite-Geschichte von Golio bin ich auch auf diese Geschichte von Dir gestoßen. :)

Was mir sehr gut gefallen hat, sind Deine Beschreibungen der "ländlichen Idylle", durch die Jens mit seinem Fahrrad radelt. Du hast mich damit sofort eine "osterspaziergangsmäßige" Stimmung versetzt.

Bedrückend fand ich, wie Jens, nur weil er Mitleid mit dem Mädchen hatte, alsbald Probleme mit der Polizei bekommt. Allerdings halte ich das auch für sehr wahrscheinlich ...

Mit dem Titel bin ich nicht so ganz zurecht gekommen - wolltest Du damit darauf hinweisen, dass Jens sich wie die Kinder fühlt, die er trifft, bzw. beobachtet?

Lieben Gruß
al-dente

 

Hallo al-dente,

Was mir sehr gut gefallen hat, sind Deine Beschreibungen der "ländlichen Idylle", durch die Jens mit seinem Fahrrad radelt. Du hast mich damit sofort eine "osterspaziergangsmäßige" Stimmung versetzt.
auch ich habe heute wieder an diese Geschichte gedacht, als ich das satte Grün auf den Feldern entdeckt habe...
Auch weil die Osterfeuer hell lodern...

Mit dem Titel bin ich nicht so ganz zurecht gekommen - wolltest Du damit darauf hinweisen, dass Jens sich wie die Kinder fühlt, die er trifft, bzw. beobachtet?

Ja, ich wollte Jens aussprechen lassen, dass er sich ausgegrenzt fühlt, aber nicht weiß warum.


Danke fürs Lesen und frohe Ostern, Goldene Dame

 

Lieber Marius, auch dir schöne Ostern , schön dass du dich noch einmal zu Wort meldest.

Goldene Dame, Deine Innere Ruhe ist beneidenswert.

Ich habe zwei Kinder... ;)

Goldene Dame

 

Einige Leser vertreten teilweise eine sehr weite Auslegung des Textes. Fraglich ist jedoch, ob der Text überhaupt eine solche weite Auslegung ermöglicht.

>Die Polizisten sahen sich vielsagend an.

Es handelt sich wohl nicht um Kripo-Beamten, da sonst die besondere Bezeichnung „Kripo“-Beamten gewählt worden wäre. Daher kann lediglich auf ein minderschweres Delikt, wie z.B. Körperverletzung geschlossen werden. Ein vermeintlicher Täter einer Vergewaltungstat an einem Kind, wird wohl kaum von lediglich zwei „normalen“ Streifenpolizisten verhaftet, zumal aus dem Text nicht hervor geht, ob es um eine Vernehmung oder Verhaftung geht.


>Er zog das widerstrebende Kind heftig am Arm. Seine Schreie gellten durch die Nacht.


Aus dem Text geht jedoch hervor, dass die Tat an einem frühen Herbstabend begangen wurde. Wie können dann die Schreie durch die Nacht gellen. Die Nacht beginnt ja bekanntlich nicht mit dem frühen Abend. Es sei denn, man nimmt an die Tat dauerte über eine längere Zeit an, dass würde wieder für ein Sexualdelikt sprechen. Trotzdem bleiben erhebliche Zweifel im Raum stehen für eine solche Interpretation. Bekanntlich gilt ja der Satz: In dubio pro Reo. Also ist von einem so schweren Delikt mangels konkretisierender Angaben im Text nicht auszugehen.

Jens bekam Angst und lief davon.
Wovon bekam er Angst? Von den Schreien oder von der Tatverwirklichung?

>Das Mädchen hockte verängstigt hinter einem Gebüsch.

Auf welches Mädchen wird Bezug genommen. Der Text vorher spricht von keinem Mädchen.

 

Hallo Brücker,

Willkommen auf KG.de
Wie nett von dir, dein erster Beitrag gilt meiner Geschichte ;)

Brücker schrieb:
Einige Leser vertreten teilweise eine sehr weite Auslegung des Textes.Fraglich ist jedoch, ob der Text überhaupt eine solche weite Auslegung ermöglicht
Ich denke es kommt auf den Interpretationsansatz an.

Brücker schrieb:
Es handelt sich wohl nicht um Kripo-Beamten, da sonst die besondere Bezeichnung „Kripo“-Beamten gewählt worden wäre.
Warum sollte ich explizit Kripo – Beamte schreiben?
Ich habe doch vorher von zwei Männern, nicht zwei Uniformierten geschrieben.

Brücker schrieb:
>Er zog das widerstrebende Kind heftig am Arm. Seine Schreie gellten durch die Nacht.
Aus dem Text geht jedoch hervor, dass die Tat an einem frühen Herbstabend begangen wurde. Wie können dann die Schreie durch die Nacht gellen. Die Nacht beginnt ja bekanntlich nicht mit dem frühen Abend.
Heute würde ich dieses Klischeebild nicht mehr verwenden.:schiel: Aber als diese Geschichte entstand, war meine Schreibentwicklung erst am Anfang. Normalerweise würde ich eine alte Geschichte deswegen nicht mehr abändern. Aber hier werde ich es tun.


Brücker schrieb:
Auf welches Mädchen wird Bezug genommen. Der Text vorher spricht von keinem Mädchen.
Der Bezug sollte zu "ein Wimmern" sein.
Das Ganze mag nicht astrein sein, ich hatte deswegen schon eine Diskussion ;)

Goldene Dame schrieb:
Rhetorisch eingesetzt kannst du eine Satzfigur vom üblichen Satzaufbau -hier das als bestimmter Artikel- bilden, um eine besondere Wirkung zu erzielen.
Heute würde ich dieses Bild auch anders zeichnen, um Jens Entsetzen und das des Mädchen dem Leser vor Augen zu halten. Aber wie gesagt, eine alte Geschichte zu der ich auch so wie sie ist noch stehe.

Brücker schrieb:
Trotzdem bleiben erhebliche Zweifel im Raum stehen für eine solche Interpretation. Bekanntlich gilt ja der Satz: In dubio pro Reo. Also ist von einem so schweren Delikt mangels konkretisierender Angaben im Text nicht auszugehen.
Werkimmanent zu interpretieren, ist von der modernen Literaturwissenschaft längst "abgehakt“. Dass sie sich weiterhin hartnäckig hält, hat vor allem literaturdidaktische Gründe. Denn mit dieser Methode, so wird behauptet, können Schülerinnen und Schüler durch Anwendung bestimmter Regeln und Verfahren lernen, wie ein Verstehensprozess nachvollziehbar, Deutungen überprüfbar und kommunizierbar werden.
Allerdings wird diese Art der Interpretation heutzutage in der Regel nicht "lupenrein" durchgeführt. Immer wieder werden, insbesondere beim so genannten Literarischen Thema, auch textübergreifende Aspekte aus der Literaturgeschichte, der Biographie des Autors, der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte herangezogen.
Auch du nutzt In dubio pro Reo daher in deinem Sinne und kommst zu dem Schluss, ein sexueller Übergriff habe nicht stattgefunden.
Mein Ziel war mit der Geschichte, den Leser am Text mitarbeiten zu lassen, d.h. auch eigene Vorstellungen und eigenes Verhalten zuzulassen.
Hat er oder hat er nicht?, ist eine Frage, die ich mit dieser Geschichte stellen wollte.
Danke fürs Lesen und für deine Ausführungen zum Text.

Lieben Gruß, Goldene Dame

 

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