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Konjunktiv (Ein Drama in zu erweiternden Kreisen)

sim

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13.04.2003
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Zuletzt bearbeitet:

Konjunktiv (Ein Drama in zu erweiternden Kreisen)

… hätte ich gelernt, hätte ich mich nicht schützen müssen, hätte vater mich nicht verprügelt, wäre er glücklich und zufrieden gewesen, hätte er nicht getrunken, hätte er arbeit gehabt, hätte er nicht getrunken, wäre er glücklich und zufrieden gewesen, hätte vater mich nicht verprügelt, hätte ich mich nicht schützen müssen, hätte ich gelernt …

… gäbest du dir mühe, schriebest du mehr bewerbungen, engagiertest du dich, würde etwas aus dir, hättest du freunde, besäßest du selbstvertrauen, hättest du freunde, würde etwas aus dir, engagiertest du dich, schriebest du mehr bewerbungen, gäbest du dir mühe …

… habet ihr mut, gehet ihr auf andere zu, lasse man euch, schaffet ihr euch netzwerke, überzeuget ihr andere von euch, machet ihr karriere, überzeuget ihr andere von euch, schaffet ihr euch netzwerke, lasse man euch, gehet ihr auf andere zu, habet ihr mut …

… werden wir es wagen, werden wir widersprechen, werden wir uns treu bleiben, werden wir uns befreien, werden wir leben, werden wir uns befreien, werden wir uns treu bleiben, werden wir kämpfen, werden wir widersprechen, werden wir es wagen …

… würde ich arbeit gehabt haben, würde ich selbstvertrauen besessen haben, würde ich karriere gemacht haben, würde ich gelebt haben, würde ich karriere gemacht haben, würde ich selbstvertrauen besessen haben, würde ich arbeit gehabt haben …?

...

hätte ich gelernt,
hätte ich mich nicht schützen müssen,
hätte mein vater mich nicht verprügelt,
wäre er glücklich und zufrieden gewesen,
hätte er nicht getrunken,
hätte er arbeit gehabt,
hätte er nicht getrunken,
wäre er glücklich und zufrieden gewesen,
hätte mein vater mich nicht verprügelt,
hätte ich mich nicht schützen müssen,
hätte ich gelernt
...
gäbest du dir mühe,
schriebest du mehr bewerbungen,
engagiertest du dich,
würde etwas aus dir,
hättest du freunde,
besäßest du selbstvertrauen,
hättest du freunde,
würde etwas aus dir,
engagiertest du dich,
schriebest du mehr bewerbungen,
gäbest du dir mühe
...
habet ihr mut,
gehet ihr auf andere zu,
lasse man euch,
schaffet ihr euch netzwerke,
überzeuget ihr andere von euch,
machet ihr karriere,
überzeuget ihr andere von euch,
schaffet ihr euch netzwerke,
lasse man euch,
gehet ihr auf andere zu,
habet ihr mut
...
werden wir es wagen,
werden wir widersprechen,
werden wir kämpfen,
werden wir uns treu bleiben,
werden wir uns befreien,
werden wir leben,
werden wir uns befreien,
werden wir uns treu bleiben,
werden wir kämpfen,
werden wir widersprechen,
werden wir es wagen
...
würde ich arbeit gehabt haben,
würde ich selbstvertrauen besessen haben,
würde ich karriere gemacht haben,
würde ich gelebt haben,
würde ich karriere gemacht haben,
würde ich selbstvertrauen besessen haben,
würde ich arbeit gehabt haben
...?

 

Hi sarpenta,

und befreien und uns treu bleiben sind gekauft. ;)

Vielen Dank und lieben Gruß
sim

 

Hallo sim,

mir gefallen Deine Teufelskreise. Gleichzeitig ist die Idee alleine zu wenig, um sich eine Weile an dem Text erfreuen zu können. Das Drumherum fehlt, besonders jemand, der diese Gedanken denkt. In dieser Version ist es eine gelungene Skizze - was natürlich auch okay ist, wenn Du nicht die Absicht hast, die Idee auszuarbeiten, sondern sie nur einmal kurz niederschreiben wolltest.

meint der

Berg

 

Hallo Berg,

nein, bestimmt nicht kurz niedergeschrieben, sondern ziemlich lange dran gearbeitet und sehr bewusst so reduziert und auf jemanden verzichtet, der diese Gedanken denkt.

Vielen Dank und einen lieben Gruß
sim

 

Hallo sim,

beim nochmaligen Lesen Deines „langdauernden Werks“ fällt mir ein Kommentar ein, der einerseits die Dimension der geschilderte Problematik darstellt. Im März 07 lebten ca. 1,93 Mio von den 11,44 Millionen Kindern unter 15 Jahren in Hartz-IV-Haushalten, wobei einschließlich der Dunkelziffer – d. s. eigentlich Anspruchsberechtigte, bei denen aus welchen Gründen auch immer (Unwissenheit, Scham z. B.) kein Antrag gestellt wird – auf bis zu drei Mio geschätzt wird. Wohl gemerkt: nur Kinder unter 15 Jahren! Gleichzeitig wird aber auch dargestellt, dass insbesondere Kinderarmut vom Tabu- zu Modethema sich wandelte (vgl. Christoph Butterwegge, Die „Normalität“ der Kinderarmut in: Blätter für deutsche und internationale Politik 12/07, S. 1413 ff.).

Dass ich Dich nicht in diesem „modischen“ Trend sehe, brauch ich sicherlich nicht zu begründen und ich überleg mir, ob der kleine Text nicht empfehlenswert sei, selbst wenn Du noch immer daran „werkelst“. – Schaun mer ma’ …

Gruß & ein gutes neues Jahr (ist ja noch nicht rum)

friedel

 

Hallo Friedrichhard,

ich arbeite im Moment nicht mehr an dem Text, ich konnte mich nur noch nicht endgültig von der ersten Version trennen.
Schön, dass du mich nicht im Trend siehst, den Begriff Kinderarmut finde ich in mehrerlei Hinsicht fragwürdig, denn er verschweigt entweder, dass zu diesen Kindern schlecht bezahlte oder eben von ALG2, also in Armut, lebende Erwachsene gehören. Es wäre also zu fragen, warum gerade konservative Politiker einen noch emotionalisierteren Begriff als "Armut" ohne Anhang verwenden?

Lieben Gruß
sim

 

Sims „Konjunktiv (ein Drama in zu erweiternden Kreisen)“ hat es m. E. verdient, empfohlen zu werden.

Der kleine Text wurde von Anbeginn an als ein „interessantes Experiment“ (sarpenta # 2) bezeichnet und selbst wenn er nicht perfekt ist (was ist schon vollkommen?) und gar unfertig wirkt: er ist ein Versuch mit den Mitteln deutscher Sprache (Konjunktiv II wird regelgerecht angewendet) ohne modischen Schnickschnack und den „mainstream“ auf gesellschaftliche Probleme hinzuweisen.

Und wieder fällt mir BB ein mit der Frage, wie lange Werke dauern (vgl. # 11), selbst wenn sim jetzt eine Pause vom Konjunktiv nehmen will.

Und was zeigt die Güte eines Textes besser an als der Versuch, den „Konjunktiv“ durch den „Indikativ“ (geronemo) zu parodieren/zu ersetzen?

friedel

 

Ich muss mich ZP leider ziemlich anschließen. Der Text ist inhaltlich - wie ich finde - auch einfach derbe platt. Und solche Lösungsmöglichkeit wie "Treten wir in die Partei ein" ... ich bitte dich, mal aufs Datum geschaut? :)
Also inhaltlich ist der Text extrem platt, finde ich, und das nette Kleidchen, das er da trägt, mit dem Sing-Sang ... na ja. Mich reißt das echt so ganz und gar nicht vom Hocker.

Gruß
Quinn

 

Hi ihr Lieben,

ich finde es schon spannend, die unterschiedlichen Reaktionen zu sehen.
Dir Friedrichhard, noch einmal Dank.

Pistole, das Experiment war für mich, den Text ganz im Konjunktiv zu erzählen. Mein Anspruch dabei war schon, in dieser Kreisform eine Geschichte zu erzählen. Ich akzeptiere aber auch gern, wenn dies als misslungen betrachtet wird. Gegen das Reindeuteln hätte ich durchaus was gesagt, wenn die Ideen, die gekommen wären, nicht meinen Überlegungen beim Schreiben entsprochen hätten.
Und auch, wenn ich eine Geschichte dabei im Kopf hatte, bin ich natürlich nicht dagegen gefeit, diese sowie meine Ideen nicht transportiert zu haben.
Und wenn das allgemein so gesehen wird, muss der Text selbstverständlich gelöscht werden.

Hi Quinn, etwas irritiert war ich wegen "Treten wir in die Partei ein", aber das ist ja tatsächlich Bestandteil der ersten Version. Die zweite ist allgemeiner gehalten. Und als Lösungsmöglichkeit? Nein, eher als Möglichkeit allgemeinen Engagements, es hätte auch ein Verein sein können, Parteien sind aber politischer.
Es ist in Ordnung für mich, für diesen Text auf den Deckel bekommen. Ich wollte ihn schreiben und ich bin davon überzeugt, dass intendierte Aussage oder Fragestellungen mit der Form der Kreise, der Plattitüden und des Konjunktivs und nur so zu erzählen waren. Wenn es nicht ankommt, muss ich einen anderen Weg finden. Das Risiko eines Verrisses oder auch einer Löschung muss ich halt gehen, wenn ich andere Formen finden möchte. Sonst dürfte ich nichts ausprobieren.

Lieben Gruß und vielen Dank
sim

 

Hallo Nachtschatten,

es freut mich, dass dir die Konsequenz des Textes gefällt. Im Endeffekt führen die Gedanken zu nichts, drehen sich im Kreis, sind vielleicht nichtig, wie ein Leben im Konjunktiv.
Ich bin ja der Auffassung, dass der Konjunktiv Entschuldigung, Druckmittel und Hoffnung ist. Gerade Schulabgänger sind damit konfrontiert: Wenn Sie ein Praktikum machen, bekommen Sie vielleicht einen Ausbildungsplatz. Oder auch Studienabgänger reihen in der Hoffnung auf einen Job en Praktikum ans nächste und werden so zur qualifizierten billigen Arbeitskraft. Immer in der konjunktiven Hoffnung, es könnte ja mal jemand Wort halten. So mag der Konjunktiv so lebensverhindernd wie lebenserhaltend sein. Ob das immer nichtig ist, weiß ich nicht, aber es führt eben leider in diesem Kreislauf zu nichts.

Danke fürs Lesen und für deine Zustimmung.

Lieben Gruß
sim

 

Hallo sim,

sprachlich wohl eher eine "Finger"übung, die mich über ein handerwerkliches Grundinteresse hinaus nicht wirklich erreicht.

Vom Ansatz her so ernüchternd wie beispielsweise ein "Making off" irgendeines Films. Texte, bei denen man meint, ein Stück vom Schreibtisch des Autoren zu sehen oder so.

Die Empfehlung hat so ein bisschen was vom "Oscar für das Lebenswerk", oder?

Sim, ich lächle, während ich das schreibe, und du verstehst du Kritik hoffentlich entsprechend. Ich hoffe, dass du uns bald mal wieder eine "richtige" Geschichte erzählst. Dein Buch ist bestellt.

Grüße von Rick

 

Hallo Rick,

natürlich verstehe ich die Kritik entsprechend, auch wenn ich schon anderes im Sinn hatte als eine handwerkliche Fingerübung. Aber es scheint mir noch nicht gelungen, das auch zu vermitteln.

Lieben Gruß und vielen Dank
sim

 

Ich bin nicht so bewandert im Entschlüsseln von Experimenten.

Dein Text hat eine äußere und eine Innere "Zone" und einen zwiebelähnlichen Aufbau. Man kann viele Satzteile neu & anders kombinieren, ohne dass sie ihren "Ursinn" verlieren. In sich bedingt alles einander, hat aber - wie gesagt - eine sichtbare Außenschale und einen Kern.

Ich habe keine anderen Kommentare oder Erklärungen gelesen, vielleicht liege ich ja völlig falsch.

Mir sind nur die Aussagen an sich inhaltlich viel zu allgemein, aber um sie variieren zu können, müssen sie wohl so sein. Und genau da begann mein Intresse sich immer mehr dem Formalen zuzuwenden und sich vom Inhaltlichen abzukehren.

Das nur mal als Ergänzung, falls ich in meinem ersten Kommentar möglicherweise zu flapsig rüberkam.

Grüße von Rick

 

Nein, du kamst überhaupt nicht flapsig rüber, Rick, keine Sorge. Ich bin ja der Überzeugung, dass Form Inhalt bestimmt und umgekehrt. Im Grunde habe ich auch mit dieser Überzeugung experimentiert.
Die weitere Überlegung war, ob nicht viele Menschen ein Leben in der Realität, eines im Konjunktiv leben. Und das im Konjunktiv dabei das wäre, welches sie eigentlich gern leben würden, nur dreht sich der Konjunktiv halt im Kreis. Als Entschuldigung, als Vorwurf, als Anspruch, als Traum und als Hoffnung, nur wird er nie Realität, solange er sich im Kreis dreht.
Wie gesagt, das waren meine Überlegungen, die sich nicht zwangsläufig anderen vermitteln müssen. Das ohne Erklärungen zu schaffen wäre meine Aufgabe gewesen. Nur habe ich bisher keine zwingendere Form dafür gefunden. :)

Lieben Gruß und vielen Dank noch mal
sim

 

Hallo sim,
habe deine ‚Geschichte’ mittlerweile in – glaube – 3 Fassungen gelesen. Die erste, als zusammenhängender Text fand ich am besten.
Die jetzige macht mich etwas stutzig. In dieser graphischen Form wird sie natürlich inhaltlich transparenter, das Einfühlen des Lesers wird aber dadurch beinahe unmöglich.
Wiederum hat die Graphik fast etwas philosophisches: Sein als mathematische/geometrische Formel. Da könnte statt „…?“ am Ende „=?“ stehen.
Keine Frage, dein Text regt an, unter anderem dazu, sich zu fragen, ob das Prosa, Lyrik oder bildende Kunst ist. Darin sehe ich dann das Experiment.
Meine (ganz subjektive;)) Meinung: die erste Form sagte mir, da wir in einem Literaturforum sind, mehr zu. Aber ich bin auch konservativ…

Trotzdem danke für die Anregung!
Gruß
Kasimir

 

Hallo Kasimir,

gelöscht habe ich die erste Version auch noch nicht, zumal ich die textliche Kreisung in ihr doch auch inhaltlich anders bewerte als die konzentrische Kreisung dieser Version. Um sich einzufühlen, ist der Text glaube ich auch zu abstrakt, anders als die meisten meiner Texte ja weniger fürs Gefühl geschrieben. Die grafische Gestaltung war für mich dann eher die Konsequenz der formalen Strenge und tatsächlich Mittel, inhaltlich zur Transparenz beizutragen. Wenn das bei dir geklappt hat, ist es sehr schön. Das Gleichzeichen gefällt mir als Vorschlag ausgesprochen gut, da denke ich gern noch weiter drüber nach.

Schön, dass ich dich anregen konnte. Und ich verspreche, auch wieder ganz konservative (in der Form) Geschichten zu schreiben. :)

Lieben Gruß und vielen Dank
sim

 

Hallo sim,

Um sich einzufühlen, ist der Text glaube ich auch zu abstrakt
so abstrakt finde ich den Inhalt an sich gar nicht, trotz Konjunktiv.

Der Grund, warum ich nicht nach'm erstmaligen Lesen 'ne Kritik geschrieben hab, war nämlich grad der, dass der Inhalt gefühlsmäßig wirkte! Was bei der jetzigen Version sich nicht mehr so ganz entfaltet - die Rechtecke sind's, die die Sache abstrakt machen!;)

Gruß
Kasimir

 

Hi Kasimir,

ich habe der grafischen Version mal die reine Textversion vorangestellt. :)

Lieben Gruß
sim

 

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